Bibliothek:Goethe/Naturwissenschaft/Organische Entzweiung

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Johann Wolfgang Goethe

Organische Entzweiung

Aus dem Nachlass. Versuche zur Methode der Botanik. Kapitel IV.

Organische Entzweiung.

Vorher ward die Pflanze als Einheit betrachtet.
Die empirische Einheit können wir mit Augen sehen.
Sie entsteht aus der Verbindung vieler verschiednen Teile von der größten Mannigfaltigkeit zu einem scheinbaren Individuo.
Eine einjährige vollendete Pflanze ausgerauft.
Ideale Einheit.
Wenn diese verschiednen Teile aus einem idealen Urkörper entsprungen und nach und nach in verschiedenen Stufen aus- gebildet gedacht werden.
Diesen idealen Urkörper mögen wir ihn in unsern Gedanken so einfach konzipieren als möglich, müssen wir schon in seinem Innern entzweit denken denn ohne vorhergedachte Entzweiung des einen läßt sich kein drittes Entstehendes denken.
Diesen idealen Urkörper, der schon eine gewisse Bestimmbarkeit zur Zweiheit bei sich trägt, lassen wir vorerst im Schoße der Natur ruhen.
Wir bemerken nur daß sich hier die atomistische und dynamische Vorstellungsarten die Entwicklungs- und Bildungsmethoden gleich einander entgegen setzen.
Kurze Darstellung des Dualismus der Natur überhaupt
Übergang auf die Pflanze
Sie ist obgleich an einem organischen Körper beinah physisch.
Keim der Wurzel und des Blatts
Sie sind mit einander ursprünglich vereint ja eins läßt sich nicht ohne das andere denken.
Sie sind auch einander ursprünglich entgegengesetzt.
Wir beantworten die Frage warum die Wurzelkeime sich abwärts, die Blätterkeime sich aufwärts entwickeln dadurch, daß wir sagen sie seien einander nach dem allgemeinen Naturdualism, der hier in ihnen spezifiziert ist, entgegengesetzt.
Indessen läßt sich über die nähern Bedingungen etwas sagen.
Eine Pflanze, wie jedes Naturwesen läßt sich nicht ohne umgebende Bedingungen denken.
Sie verlangt eine Base der Existenz zur Befestigung zur Hauptnahrung der Masse nach.
Sie verlangt Luft und Licht zur mannigfaltigen Entwicklung, feinere Nahrung und Ausbildung.
Wir finden die Wurzel bedürfe der Feuchtigkeit und der Finsternis, das Blatt des Lichts und der Trockne um sich zu entwickeln.
Und so sind diese Bedürfnisse von Anfang an bis zu Ende einander entgegen gesetzt.
An jedem Knoten, ja an noch viel mehrern Punkten des Pflanzenkörpers kann sich die Wurzel entwickeln wenn die Bedingungen Feuchtigkeit und Finsternis, ja nur jene gewissermaßen allein, gegenwärtig ist.
An jedem Punkte der Pflanze kann sich der Blattkeim entwickeln sobald Licht und Trockne darauf wirken.
Beispiele.
Hauptunterschied des Wurzel- und Blattkeims.
Jener bleibt immer einfach
Es ist nur eine Fortsetzung der Fortsetzung ohne Mannigfaltigkeit.
Diese entwickelt sich aufs mannigfaltigste und nähert sich stufenweise der Vollendung.
Diese befördern Licht und Trockenheit.
Feuchte und Finsternis hindern sie.
Gewisse Pflanzen besonders die rankenden welche an ihren Zweigen eine Quasiwurzel trotz Licht und Luft entwickeln haben bei einer gewissen Zähheit und Reizbarkeit viel Wässriges in ihrer Mischung.
Wenn nun ein solches Wesen ursprünglich und anfänglich in seinem Ganzen mit einem Gegensatz gedacht wird, so werden wir in seinen Teilen auch eine solche Trennung wieder finden.
Wir werden sie wieder finden in der obern und untern Fläche des Blatts.
Im Splint der nach innen das Holz, nach außen die Rinde bildet usw. bis wir endlich den Gipfel der organischen Trennung die Scheidung in zwei Geschlechter erreichen.