Bezugssystem

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Ein Bezugssystem (eng. frame of reference, reference frame) ist in der Physik ein gedachtes raum-zeitliches Gebilde, das erforderlich ist, um das Verhalten ortsabhängiger Größen eindeutig und vollständig zu beschreiben. Insbesondere kann die Lage und Bewegung von physikalischen Körpern nur relativ zu einem Bezugssystem angegeben werden.[1] Ein Bezugssystem wird definiert, indem man einen Bezugspunkt wählt und die Raumrichtungen festlegt, sowie einen physikalischen Prozess für die Zeitmessung bestimmt. Dadurch ist zunächst festgelegt, was unter „Ruhe“ und „Bewegung“ jeweils zu verstehen ist. Zudem ermöglicht dies, ein Koordinatensystem einzuführen, mit dessen Hilfe physikalische Ereignisse durch Angabe ihrer raum-zeitlichen Koordinaten mathematisch beschrieben werden können. Wenn Beobachter von verschiedenen Bezugssystemen ausgehen, können sie zu einem physikalischen Vorgang verschiedene Beschreibungen geben, die dennoch alle zutreffen, wenn man ihr jeweiliges Bezugssystem berücksichtigt. Zum Beispiel könnte ein Autofahrer zu Recht behaupten, dass ihm ein Baum entgegenkommt, während ein am Straßenrand stehender Beobachter, ebenfalls zu Recht, den Vorgang umgekehrt sieht. In der Physik gilt, dass jedes so definierte Bezugssystem gleichberechtigt gewählt werden darf und dass es keinen grundlegenden Prozess gibt, durch den man ein bestimmtes Bezugssystem vor allen anderen auszeichnen könnte.

Bezugssysteme in der klassischen Physik und in der Relativitätstheorie

In der klassischen Physik stimmen verschiedene Bezugssysteme in den Abständen je zweier Punkte, in den Winkeln zwischen je zwei Geraden und in der Zeitdifferenz je zweier Ereignisse überein. Daher kann die Zeitkoordinate für alle Bezugssysteme einheitlich gewählt werden, und für die Geschwindigkeiten gilt die vektorielle Addition. Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit , die ein Vorgang in einem bewegten Bezugssystem K' hat, vektoriell zu der Geschwindigkeit addiert wird, mit der sich K' in einem Bezugssystem K bewegt, um die Geschwindigkeit desselben Vorgangs in K zu erhalten:

 : Klassisches Additionstheorem der Geschwindigkeiten.

Dagegen stimmt in der Realität die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen überein, was mit dem klassischen Additionstheorem nicht in Einklang zu bringen ist. Die in der Relativitätstheorie gefundene Lösung geht davon aus, dass Abstände, Winkel und Zeitintervalle in verschiedenen Bezugssystemen unterschiedlich sein können. Eine Folge ist das relativistische Additionstheorem für Geschwindigkeiten, nach dem die vektorielle Addition nur für kleine Geschwindigkeiten (verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit) eine gute Näherung darstellt. Die Abweichungen, die bei großen Geschwindigkeiten merklich auftreten, sind durch Messungen bestätigt.

Wichtige Bezugssysteme

Ruhesystem

Ein Ruhesystem ist ein Bezugssystem, in dem der betrachtete Körper ruht, in dem also seine Geschwindigkeit gleich null ist. Ein Bezugssystem, in dem der gemeinsame Schwerpunkt mehrerer Körper in Ruhe ist, heißt Schwerpunktsystem.

Als Laborsystem bezeichnet man ein Ruhesystem, in dem der Beobachter eines Experiments ruht.

Inertialsystem

Hauptartikel: Inertialsystem

Ein Inertialsystem ist ein Bezugssystem, in dem jeder kräftefreie Körper in Ruhe verharrt oder sich gleichförmig bewegt.

Beschleunigtes Bezugssystem

Ein beschleunigtes Bezugssystem ist ein Bezugssystem, das sich relativ zu einem Inertialsystem in beschleunigter Bewegung befindet. Dabei kann es sich um eine beschleunigte Translation und/oder um eine unbeschleunigte oder beschleunigte Rotationsbewegung handeln. Dadurch treten Trägheitskräfte auf. Ein beschleunigtes Bezugssystem ist daher kein Inertialsystem.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Arnold Sommerfeld: Vorlesungen über theoretische Physik, Band 1: Mechanik. Leipzig 1943, Harri Deutsch 1994, ISBN 978-3-87144-374-9. Auf Seite 9 schreibt Sommerfeld: „Welche Forderungen haben wir an das ideale Bezugssystem der Mechanik zu stellen? Und zwar verstehen wir darunter ein raum-zeitliches Gebilde, nach dem wir die Lage der Massenpunkte und den Ablauf der Zeit bestimmen können, also etwa ein rechtwinkliges Koordinatensystem x,y,z und eine Zeitskala.“


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