Bibliothek:Rudolf Steiner/Werke/GA 9 Theosophie/Die drei Welten/IV. Der Geist im Geisterland nach dem Tode: Unterschied zwischen den Versionen

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=== IV. Der Geist im Geisterland nach dem Tode ===
=== IV. Der Geist im Geisterland nach dem Tode ===


Wenn der Menschengeist auf seinem Wege zwischen zwei Verkörperungen die «Welt der Seelen» durchwandert hat, dann betritt er das «Land der Geister», um da zu verbleiben, bis er zu einem neuen leiblichen Dasein reif ist. Den Sinn dieses Aufenthaltes im «Geisterland» versteht man nur, wenn man die Aufgabe der Lebenspilgerfahrt des Menschen durch seine Verkörperung hindurch in der richtigen Art zu deuten weiß. Während der Mensch im physischen Leibe verkörpert ist, wirkt und schafft er in der physischen Welt. Und er wirkt und schafft in ihr als geistiges Wesen. Was sein Geist ersinnt und ausbildet, das prägt er den physischen Formen, den körperlichen Stoffen und Kräften ein. Er hat also als ein Bote der geistigen Welt den Geist der Körperwelt einzuverleiben. Nur dadurch, daß er sich verkörpert, kann der Mensch in der Körperwelt wirken. Er muß den physischen Leib als sein Werkzeug annehmen, damit er durch das Körperliche auf Körperliches wirken und damit Körperliches auf ihn wirken kann. Was aber durch diese physische Körperlichkeit des Menschen hindurchwirkt, das ist der Geist. Von diesem gehen die Absichten, die Richtungen aus für das Wirken in der physischen Welt. - Solange nun der Geist im physischen Leibe wirkt, kann er als Geist nicht in seiner wahren Gestalt leben. Er kann gleichsam nur durch den Schleier des physischen Daseins hindurchscheinen. Das menschliche Gedankenleben gehört nämlich in Wahrheit der geistigen Welt an; und so, wie es im physischen Dasein auftritt, ist seine wahre Gestalt verschleiert. Man kann auch sagen, das Gedankenleben des physischen [130] Menschen sei ein Schattenbild, ein Abglanz der wahren geistigen Wesenheit, zu der es gehört. So tritt während des physischen Lebens der Geist auf der Grundlage des physischen Körpers mit der irdischen Körperwelt in Wechselwirkung. Wenn nun auch gerade in dem Wirken auf die physische Körperwelt eine der Aufgaben des Menschengeistes liegt, solange er von Verkörperung zu Verkörperung schreitet, so könnte er doch diese Aufgabe keineswegs entsprechend erfüllen, wenn er nur im leiblichen Dasein lebte. Denn die Absichten und Ziele der irdischen Aufgabe werden ebensowenig innerhalb der irdischen Verkörperung ausgebildet und gewonnen, wie der Plan eines Hauses auf dem Bauplatz zustande kommt, auf dem die Arbeiter wirken. Wie dieser Plan im Büro des Architekten ausgearbeitet wird, so werden die Ziele und ab sichten des irdischen Schaffens «im Lande der Geister» ausgebildet. - Der Geist des Menschen muß in diesem Lande immer wieder zwischen zwei Verkörperungen leben, um, gerüstet mit dem, was er sich von da mitbringt, an die Arbeit in dem physischen Leben herantreten zu können. Wie der Architekt, ohne die Ziegel und den Mörtel zu bearbeiten, in seiner Arbeitsstube den Hausplan verfertigt nach Maßgabe der baukünstlerischen und anderer Gesetze, so muß der Architekt des menschlichen Schaffens, der Geist oder das höhere Selbst, im «Geisterland» die Fähigkeiten und Ziele nach den Gesetzen dieses Landes ausbilden, um sie dann in die irdische Welt überzuführen. Nur wenn der Menschengeist immer wieder und wieder in seinem eigenen Bereich sich aufhält, wird er auch durch die physisch-körperlichen Werkzeuge in die irdische Welt den Geist tragen können. - Auf dem physischen [131] Schauplatz lernt der Mensch die Eigenschaften und Kräfte der physischen Welt kennen. Er sammelt da während des Schaffens die Erfahrungen darüber, was für Anforderungen die physische Welt an den stellt, der in ihr arbeiten will. Er lernt da gleichsam die Eigenschaften des Stoffes kennen, in dem er seine Gedanken und Ideen verkörpern will. Die Gedanken und Ideen selbst kann er nicht aus dem Stoff heraussaugen. So ist die irdische Welt zugleich der Schauplatz des Schaffens und des Lernens. Im «Geisterland» wird dann das Gelernte in lebendige Fähigkeit des Geistes umgebildet. Man kann den obigen Vergleich fortsetzen, um die Sache sich zu verdeutlichen. Der Architekt arbeitet den Plan eines Hauses aus. Dieser wird ausgeführt. Dabei macht er eine Summe der mannigfaltigsten Erfahrungen. Alle diese Erfahrungen steigern seine Fähigkeiten. Wenn er den nächsten Plan ausarbeitet, fließen alle diese Erfahrungen mit ein. Und dieser nächste Plan erscheint gegenüber dem ersten bereichert um alles das, was an dem vorigen gelernt worden ist. So ist es mit den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. In den Zwischenzeiten zwischen den Verkörperungen lebt der Geist in seinem eigenen Bereich. Er kann sich ganz den Anforderungen des Geisteslebens hingeben; er bildet sich, befreit von der physischen Körperlichkeit, nach allen Seiten aus und arbeitet in diese seine Bildung die Früchte der Erfahrungen seiner früheren Lebensläufe hinein. So ist sein Blick immer auf den Schauplatz seiner irdischen Aufgaben gerichtet, so arbeitet er stets daran, die Erde, insofern diese der Platz seines Wirkens ist, durch die ihr notwendige Entwickelung hindurch zu verfolgen. Er arbeitet an sich, um bei jedesmaliger Verkörperung [132] dem Zustande der Erde entsprechend seine Dienste im irdischen Wandel leisten zu können. Dies ist allerdings nur ein allgemeines Bild von den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. Und die Wirklichkeit wird mit diesem Bilde niemals ganz, sondern nur mehr oder weniger übereinstimmen. Die Verhältnisse können es mit sich bringen, daß ein folgendes Leben eines Menschen viel unvollkommener ist als ein vorhergehendes. Allein im ganzen und großen gleichen sich in den aufeinanderfolgenden Lebensläufen solche Unregelmäßigkeiten innerhalb bestimmter Grenzen wieder aus.<br>Die Bildung des Geistes im «Geisterland» geschieht dadurch, daß der Mensch sich in die verschiedenen Regionen dieses Landes einlebt. Sein eigenes Leben verschmilzt in entsprechender Aufeinanderfolge mit diesen Regionen; er nimmt vorübergehend ihre Eigenschaften an. Sie durchdringen dadurch sein Wesen mit ihrem Wesen, auf daß ersteres dann mit dem letzteren gestärkt im Irdischen wirken könne. - In der ersten Region des «Geisterlandes» ist der Mensch umgeben von den geistigen Urbildern der irdischen Dinge. Während des Erdenlebens lernt er ja nur die Schatten dieser Urbilder kennen, die er in seinen Gedanken erfaßt. Was auf der Erde bloß gedacht wird, das wird in dieser Region erlebt. Der Mensch wandelt unter Gedanken, aber diese Gedanken sind wirkliche Wesenheiten. Was er während des Erdenlebens mit seinen Sinnen wahrgenommen hat, das wirkt auf ihn jetzt in seiner Gedankenform. Aber der Gedanke erscheint nicht als der Schatten, der sich hinter den Dingen verbirgt, sondern er ist lebensvolle Wirklichkeit, welche die Dinge erzeugt. [133] Der Mensch ist gleichsam in der Gedankenwerkstätte, in der die irdischen Dinge geformt und gebildet werden. Denn im «Lande des Geistes» ist alles lebensvolle Tätigkeit und Regsamkeit. Hier ist die Gedankenwelt am Werke als Welt lebendiger Wesen, schöpferisch und bildend. Man sieht da, wie das gebildet wird, was man im Erdendasein erlebt hat. Wie man im physischen Leibe die sinnlichen Dinge als Wirklichkeit erlebt, so erlebt man jetzt als Geist die geistigen Bildungskräfte als wirklich. Unter den Gedankenwesen, die da vorhanden sind, ist auch der Gedanke der eigenen physischen Leiblichkeit. Dieser fühlt man sich entrückt. Nur die geistige Wesenheit empfindet man als zu sich gehörig. Und wenn man den abgelegten Leib, wie in der Erinnerung, nicht mehr als physisch, sondern als Gedankenwesen gewahr wird, dann tritt schon in der Anschauung seine Zugehörigkeit zur äußeren Welt hervor. Man lernt ihn als etwas zur Außenwelt Gehöriges betrachten, als ein Glied dieser Außenwelt. Man trennt folglich nicht mehr seine Leiblichkeit von der anderen Außenwelt als etwas dem eigenen Selbst näher Verwandtes ab. Man fühlt in der gesamten Außenwelt mit Einschluß der eigenen leiblichen Verkörperungen eine Einheit. Die eigenen Verkörperungen verschmelzen hier mit der übrigen Welt zur Einheit. So blickt man hier auf die Urbilder der physisch-körperlichen Wirklichkeit als auf eine Einheit, zu der man selbst gehört hat. Man lernt deshalb nach und nach seine Verwandtschaft, seine Einheit mit der Umwelt durch Beobachtung kennen. Man lernt zu ihr sagen: Das, was sich hier um dich ausbreitet, das warst du selbst. - Das aber ist einer der Grundgedanken der alten indischen Vedanta-Weisheit. [134] Der «Weise» eignet sich schon während des Erdenlebens das an, was der andere nach dem Tode erlebt, nämlich den Gedanken zu fassen, daß er selbst mit allen Dingen verwandt ist, den Gedanken: «Das bist du.» Im irdischen Leben ist das ein Ideal, dem sich das Gedankenleben hingeben kann; im «Lande der Geister» ist es eine unmittelbare Tatsache, die uns durch die geistige Erfahrung immer klarer wird. Und der Mensch selbst wird in diesem Lande sich immer mehr bewußt, daß er, seinem eigentlichen Wesen nach, der Geisterwelt angehört. Er nimmt sich als Geist unter Geistern, als ein Glied der Urgeister wahr, und er wird in sich selbst des Urgeistes Wort fühlen: ,Ich bin der Urgeist.» (Die Weisheit des Vedanta sagt: «Ich bin Brahman», das heißt ich gehöre als ein Glied dem Urwesen an, aus dem alle Wesen stammen.) - Man sieht: was im Erdenleben als schattenhafter Gedanke erfaßt wird und wohin alle Weisheit abzielt, das wird im «Geisterland» unmittelbar erlebt. Ja es wird während des Erdenlebens nur deswegen gedacht, weil es im geistigen Dasein eine Tatsache ist.<br>So sieht der Mensch während seines geistigen Daseins die Verhältnisse und Tatsachen, in denen er während des Erdenlebens mitten drinnen steht, von einer höheren Warte aus, gleichsam von außen. Und in der untersten Region des «Geisterlandes» lebt er auf solche Art gegenüber den irdischen Verhältnissen, die unmittelbar mit der physischen körperlichen Wirklichkeit zusammenhängen. - Der Mensch ist auf der Erde in eine Familie, in ein Volk hineingeboren; er lebt in einem gewissen Lande. Durch alle diese Verhältnisse wird sein irdisches Dasein bestimmt. Er findet, weil es die Verhältnisse in der physischen [135] Welt mit sich bringen, diesen oder jenen Freund. Er treibt diese oder jene Geschäfte. Alles das bestimmt seine irdischen Lebensverhältnisse. Alles das tritt ihm nun während seines Lebens in der ersten Region des «Geisterlandes» als lebendige Gedankenwesenheit entgegen. Er durchlebt das alles in einer gewissen Art noch einmal. Aber er durchlebt es von der tätig-geistigen Seite aus. Die Familienliebe, die er geübt hat, die Freundschaft, die er entgegengebracht hat, werden in ihm von innen aus lebendig, und seine Fähigkeiten werden in dieser Richtung gesteigert. Dasjenige im Menschengeist, was als Kraft der Familien-, der Freundesliebe wirkt, wird gestärkt. Er tritt in dieser Beziehung später als ein vollkommenerer Mensch wieder ins irdische Dasein. - Es sind gewissermaßen die alltäglichen Verhältnisse des Erdenlebens, die in dieser untersten Region des «Geisterlandes» als Früchte reifen. Und dasjenige im Menschen, das mit seinen Interessen ganz in diesen alltäglichen Verhältnissen aufgeht, wird den längsten Teil des geistigen Lebens zwischen zwei Verkörperungen mit dieser Region sich verwandt fühlen. - Die Menschen, mit welchen man in der physischen Welt zusammengelebt hat, findet man in der geistigen Welt wieder. Gleich wie von der Seele alles abfällt, was ihr durch den physischen Leib eigen war, so löst sich auch das Band, das im physischen Leben Seele und Seele verknüpft, von den Bedingungen los, welche nur in der physischen Welt Bedeutung und Wirksamkeit haben. Doch setzt sich über den Tod hinaus alles - in die geistige Welt hinein - fort, was im physischen Leben Seele der Seele war. Es ist naturgemäß, daß Worte, welche für physische Verhältnisse geprägt sind, nur ungenau wiedergeben [136] können, was in der geistigen Welt vorgeht. Sofern aber dieses in Betracht gezogen wird, so darf es durchaus als richtig bezeichnet werden, wenn gesagt wird: die im physischen Leben zusammengehörigen Seelen finden sich in der geistigen Welt wieder, um ihr Zusammenleben da in entsprechender Weise fortzusetzen. - Die nächste Region ist diejenige, in welcher das gemeinsame Leben der irdischen Welt als Gedankenwesenheit, gleichsam als das flüssige Element des «Geisterlandes», strömt. Solange man in physischer Verkörperung die Welt beobachtet, erscheint das Leben an einzelne Lebewesen gebunden. Im «Geisterland» ist es davon losgelöst und durchfließt als Lebensblut gleichsam das ganze Land. Es ist da die lebendige Einheit, die in allem vorhanden ist. Während des irdischen Lebens erscheint dem Menschen auch davon nur ein Abglanz. Und dieser spricht sich in jeder Form von Verehrung aus, die der Mensch dem Ganzen, der Einheit und Harmonie der Welt, entgegenbringt. Das religiöse Leben der Menschen schreibt sich von diesem Abglanze her. Der Mensch wird gewahr, inwiefern nicht im Vergänglichen, im einzelnen, der umfassende Sinn des Daseins liegt. Er betrachtet dieses Vergängliche als ein «Gleichnis» und Abbild eines Ewigen, einer harmonischen Einheit. Er blickt in Verehrung und Anbetung zu dieser Einheit auf. Er bringt ihr religiöse Kultushandlungen dar. - Im «Geisterland» erscheint nicht der Abglanz, sondern die wirkliche Gestalt als lebendige Gedankenwesenheit. Hier kann sich der Mensch mit der Einheit, die er auf Erden verehrt hat, wirklich vereinigen. Die Früchte des religiösen Lebens und alles dessen, was damit zusammenhängt, treten in dieser Region hervor. Der Mensch [137] lernt nun aus der geistigen Erfahrung erkennen, daß sein Einzelschicksal nicht getrennt werden soll von der Gemeinschaft, der er angehört. Die Fähigkeit, sich als Glied eines Ganzen zu erkennen, bildet sich hier aus. Die religiösen Empfindungen, alles, was schon im Leben nach einer reinen, edlen Moral gestrebt hat, wird während eines großen Teiles des geistigen Zwischenzustandes Kraft aus dieser Region schöpfen. Und der Mensch wird mit einer Erhöhung seiner Fähigkeiten nach dieser Richtung hin wiederverkörpert werden.<br>Während man in der ersten Region mit den Seelen zusammen ist, mit denen man im vorangegangenen physischen Leben durch die nächsten Bande der physischen Welt zusammengehangen hat, tritt man in der zweiten Region in den Bereich aller derjenigen, mit denen man in einem weiteren Sinne sich eins fühlte: durch eine gemeinsame Verehrung, durch gemeinsames Bekenntnis und so weiter. Betont muß werden, daß die geistigen Erlebnisse der vorangegangenen Regionen während der folgenden bestehen bleiben. So wird der Mensch nicht etwa den durch Familie, Freundschaft und so weiter geknüpften Banden entrissen, wenn er in das Leben der zweiten und der folgenden Regionen eintritt. - Auch liegen die Regionen des «Geisterlandes» nicht wie «Abteilungen» auseinander; sie durchdringen sich, und der Mensch erlebt sich in einer neuen Region nicht deswegen, weil er sie in irgendeiner Form äußerlich «betreten» hat, sondern weil er in sich die inneren Fähigkeiten erlangt hat, das wahrzunehmen, innerhalb dessen er vorher unwahrnehmend war.<br>Die dritte Region des «Geisterlandes» enthält die Urbilder [138] der seelischen Welt. Alles, was in dieser Welt lebt, ist hier als lebendige Gedankenwesenheit vorhanden. Man findet da die Urbilder der Begierden, der Wünsche, der Gefühle und so weiter. Aber hier in der Geisterwelt haftet dem Seelischen nichts von Eigensucht an. Ebenso wie alles Leben in der zweiten Region, bildet in dieser dritten alles Begehren, Wünschen, alle Lust und Unlust eine Einheit. Das Begehren, der Wunsch des andern unterscheiden sich nicht von meinem Begehren und Wünschen. Die Empfindungen und Gefühle aller Wesen sind eine gemeinsame Welt, die alles übrige einschließt und umgibt, wie der physische Luftkreis die Erde umgibt diese Region ist gleichsam die Atmosphäre des «Geisterlandes». Es wird hier alles Früchte tragen, was der Mensch im irdischen Leben im Dienste der Gemeinsamkeit, in selbstloser Hingabe an seine Mitmenschen geleistet hat. Denn durch diesen Dienst, durch diese Hingabe hat er in einem Abglanz der dritten Region des «Geisterlandes» gelebt. Die großen Wohltäter des Menschengeschlechtes, die hingebungsvollen Naturen, diejenigen, welche die großen Dienste in den Gemeinschaften leisten, haben ihre Fähigkeit hierzu in dieser Region erlangt, nachdem sie sich in früheren Lebensläufen die Anwartschaft zu einer besonderen Verwandtschaft mit ihr erworben haben.<br>Es ist ersichtlich, daß die beschriebenen drei Regionen des «Geisterlandes» in einem gewissen Verhältnis stehen zu den unter ihnen stehenden Welten, zu der physischen und der seelischen Welt. Denn sie enthalten die Urbilder, die lebendigen Gedankenwesen, die in diesen Welten körperliches oder seelisches Dasein annehmen. Die vierte Region erst ist das «reine Geisterland». Aber auch diese [139] ist es nicht in vollem Sinne des Wortes. Sie unterscheidet sich von den drei unteren Regionen dadurch, daß in diesen die Urbilder jener physischen und seelischen Verhältnisse angetroffen werden, die der Mensch in der physischen und seelischen Welt vorfindet, bevor er selbst in diese Welten eingreift. Die Verhältnisse des alltäglichen Lebens knüpfen sich an die Dinge und Wesen, die der Mensch in der Welt vorfindet; die vergänglichen Dinge dieser Welt lenken seinen Blick zu deren ewigem Urgrund; und auch die Mitgeschöpfe, denen sich sein selbstloser Sinn widmet, sind nicht durch den Menschen da. Aber durch ihn sind in der Welt die Schöpfungen der Künste und Wissenschaften, der Technik, des Staates und so weiter, kurz alles das, was er als originale Werke seines Geistes der Welt einverleibt. Zu alledem wären, ohne sein Zutun, keine physischen Abbilder in der Welt vorhanden. Die Urbilder nun zu diesen rein menschlichen Schöpfungen finden sich in der vierten Region des «Geisterlandes». Was der Mensch an wissenschaftlichen Ergebnissen, an künstlerischen Ideen und Gestalten, an Gedanken der Technik während des irdischen Lebens ausbildet, trägt in dieser vierten Region seine Früchte. Aus dieser Region saugen daher Künstler, Gelehrte, große Erfinder während ihres Aufenthaltes im «Geisterland» ihre Impulse und steigern hier ihr Genie, um bei einer Wiederverkörperung in verstärktem Maße zur Fortentwickelung der menschlichen Kultur beitragen zu können. Man soll sich nicht vorstellen, daß diese vierte Region des «Geisterlandes» nur für besonders hervorragende Menschen eine Bedeutung habe. Sie hat eine solche für alle Menschen. Alles, was den Menschen im physischen Leben über die Sphäre des alltäglichen Lebens, [140] Wünschens und Wollens hinaus beschäftigt, hat seinen Urquell in dieser Region. Ginge der Mensch in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durch sie nicht hindurch, so würde er in einem weiteren Leben keine Interessen haben, welche über den engen Kreis der persönlichen Lebensführung hinaus zum allgemein Menschlichen führen. - Es ist oben gesagt worden, daß auch diese Region nicht im vollen Sinne das «reine Geisterland» genannt werden kann. Das ist deshalb der Fall, weil der Zustand, in dem die Menschen die Kulturentwickelung auf der Erde verlassen haben, in ihr geistiges Dasein hineinspielt. Sie können im «Geisterland» nur die Früchte dessen genießen, was nach ihrer Begabung und nach dem Entwickelungsgrade des Volkes, Staates und so weiter, in die sie hineingeboren waren, ihnen zu leisten möglich war.<br>In den noch höheren Regionen des «Geisterlandes» ist der Menschengeist nun jeder irdischen Fessel entledigt. Er steigt auf in das «reine Geisterland», in dem er die Absichten, die Ziele erlebt, die sich der Geist mit dem irdischen Leben gesetzt hat. Alles, was in der Welt schon verwirklicht ist, bringt ja die höchsten Ziele und Absichten nur in einem mehr oder weniger schwachen Nachbilde zum Dasein. Jeder Kristall, jeder Baum, jedes Tier und auch alles das, was im Bereiche menschlichen Schaffens verwirklicht wird, - all das gibt nur Nachbilder dessen, was der Geist beabsichtigt. Und der Mensch kann während seiner Verkörperungen nur anknüpfen an diese unvollkommenen Nachbilder der vollkommenen Absichten und Ziele. So kann er aber innerhalb einer seiner Verkörperungen selbst nur ein solches Nachbild dessen sein, was [141] im Reiche des Geistes mit ihm beabsichtigt ist. Was er als reist im «Geisterland» eigentlich ist, das kommt daher erst dann zum Vorschein, wenn er im Zwischenzustand wischen zwei Verkörperungen in die fünfte Region des Geisterlandes» aufsteigt. Was er hier ist, das ist wirklich r selbst. Das ist dasjenige, was in den mannigfaltigen ,Verkörperungen ein äußeres Dasein erhält. In dieser Region kann sich das wahre Selbst des Menschen nach allen Seiten frei ausleben. Und dieses Selbst ist also dasjenige, welches in jeder Verkörperung immer von neuem als das eine erscheint. Dieses Selbst bringt die Fähigkeiten mit, je sich in den unteren Regionen des «Geisterlandes» ausgebildet haben. Es trägt somit die Früchte der früheren Lebensläufe in die folgenden hinüber. Es ist der Träger er Ergebnisse früherer Verkörperungen.<br>Im Reiche der Absichten und Ziele befindet sich also las Selbst, wenn es in der fünften Region des «Geisterlandes» lebt. Wie der Architekt an den Unvollkommenheiten lernt, die sich ihm ergeben haben, und wie er in eine neuen Pläne nur das aufnimmt, was er von diesen Unvollkommenheiten in Vollkommenheiten zu wandeln vermochte, so streift das Selbst von seinen Ergebnissen aus früheren Leben in der fünften Region dasjenige ab, was mit den Unvollkommenheiten der unteren Welten zusammenhängt, und befruchtet die Absichten des «Geisterlandes», mit denen es nunmehr zusammenlebt, mit den Ergebnissen seiner früheren Lebensläufe. - Klar ist, daß die Kraft, die aus dieser Region geschöpft werden kann, davon abhängen wird, wieviel sich das Selbst während seiner Verkörperung von solchen Ergebnissen erworben hat, die geeignet sind, in die Welt der Absichten aufgenommen [142] zu werden. Das Selbst, das während des irdischen Daseins durch ein reges Gedankenleben oder durch weise, werktätige Liebe die Absichten des Geistes zu verwirklichen gesucht hat, wird sich eine große Anwartschaft auf diese Region erwerben. Dasjenige, das ganz in den alltäglichen Verhältnissen aufgegangen ist, das nur im Vergänglichen gelebt hat, das hat keine Samen gesät, die in den Absichten der ewigen Weltordnung eine Rolle spielen können. Nur das wenige, das es über die Tagesinteressen hinaus gewirkt hat, kann als Frucht in diesen oberen Regionen des «Geisterlandes» sich entfalten. Aber man soll nicht meinen, daß hier etwa vor allem solches in Betracht kommt, was «irdischen Ruhm» oder ähnliches bringt. Nein, gerade das kommt in Frage, was im kleinsten Lebenskreise zum Bewußtsein führt, daß alles einzelne seine Bedeutung für den ewigen Werdegang des Daseins hat. Man muß sich vertraut machen mit dem Gedanken, daß der Mensch in dieser Region anders urteilen muß, als er dies im physischen Leben tun kann. Hat er zum Beispiel weniges sich erworben, was mit dieser fünften Region verwandt ist, so entsteht in ihm der Drang, sich für das folgende physische Leben einen Impuls einzuprägen, welcher dieses Leben so verlaufen läßt, daß im Schicksal (Karma) desselben die entsprechende Wirkung des Mangels zutage tritt. Was dann in dem folgenden Erdenleben als leidvolles Geschick, vom Gesichtspunkte dieses Lebens aus, erscheint - ja vielleicht als solches tief beklagt wird -, das findet der Mensch in dieser Region des «Geisterlandes» als für ihn durchaus notwendig. - Da der Mensch in der fünften Region in seinem eigentlichen Selbst lebt, so ist er auch herausgehoben aus allem, was ihn [143] aus den niederen Welten während der Verkörperungen umhüllt. Er ist, was er immer war und immer sein wird während des Laufes seiner Verkörperungen. Er lebt in dem Walten der Absichten, welche für diese Verkörperungen bestehen und die er in sein eigenes Selbst eingliedert. Er blickt auf seine eigene Vergangenheit zurück und er fühlt, daß alles, was er in derselben erlebt hat, in die Absichten, die er in Zukunft zu verwirklichen hat, aufgenommen wird. Eine Art Gedächtnis für seine früheren Lebensläufe und der prophetische Vorblick: für seine späteren blitzen auf. - man sieht: dasjenige, was in dieser Schrift das «Geistselbst» genannt worden ist, lebt in dieser Region, soweit es entwickelt ist, in seiner ihm angemessenen Wirklichkeit. Es bildet sich aus und bereitet sich vor, um in einer neuen Verkörperung sich ein Vollziehen der geistigen Absichten in der irdischen Wirklichkeit zu ermöglichen.<br>Hat sich dieses «Geistselbst» während einer Reihe von Aufenthalten im «Geisterland» so weit entwickelt, daß es sich völlig frei in diesem Lande bewegen kann, dann wird es seine wahre Heimat immer mehr hier suchen. Das Leben im Geiste wird ihm so vertraut, wie dem irdischen Menschen das Leben in der physischen Wirklichkeit. Die Gesichtspunkte der Geisterwelt wirken fortan auch als die maßgebenden, die es für die folgenden Erdenleben zu den seinigen, mehr oder weniger bewußt oder unbewußt, macht. Als ein Glied der göttlichen Weltordnung kann sich das Selbst fühlen. Die Schranken und Gesetze des irdischen Lebens berühren es nicht in seiner innersten Wesenheit. Die Kraft zu allem, was es vollführt, kommt ihm aus der geistigen Welt. Die geistige Welt aber ist eine Einheit. [144] Wer in ihr lebt, weiß, wie das Ewige an der Vergangenheit geschaffen hat, und er kann von dem Ewigen aus die Richtung für die Zukunft bestimmen. Der Blick über die Vergangenheit weitet sich zu einem vollkommenen. Ein Mensch, der diese Stufe erreicht hat, gibt sich selbst Ziele, die er in einer nächsten Verkörperung ausführen soll. Vom «Geisterland» aus beeinflußt er seine Zukunft, so daß sie im Sinne des Wahren und Geistigen verläuft. Der Mensch befindet sich während des Zwischenzustandes zwischen zwei Verkörperungen in Gegenwart aller derjenigen erhabenen Wesen, vor deren Blicken die göttliche Weisheit unverhüllt ausgebreitet liegt. Denn er hat die Stufe erklommen, auf der er sie verstehen kann. In der sechsten Region des «Geisterlandes» wird der Mensch in allen seinen Handlungen dasjenige vollbringen, was dem wahren Wesen der Welt am angemessensten ist denn er kann nicht nach dem suchen, was ihm frommt, sondern einzig nach dem, was geschehen soll nach dem richtigen Gang der Weltordnung. Die siebente Region des «Geisterlandes» führt an die Grenze der «drei Welten». Der Mensch steht hier den «Lebenskernen» gegenüber, die aus höheren Welten in die drei beschriebenen versetzt werden, um da ihre Aufgaben zu vollbringen. Ist der Mensch an der Grenze der drei Welten, so erkennt er sich somit in seinem eigenen Lebenskern. Das bringt mit sich, daß die Rätsel dieser drei Welten für ihn gelöst sein müssen. Er überschaut also das ganze Leben dieser Welten. Im physischen Leben sind die Fähigkeiten der Seele, durch welche sie die hier geschilderten Erlebnisse in der geistigen Welt hat, unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen nicht bewußt. Sie arbeiten [145] in ihren unbewußten Tiefen an den leiblichen Organen, welche das Bewußtsein der physischen Welt zustande bringen. Dies ist gerade der Grund, warum sie für diese Welt unwahrnehmbar bleiben. Auch das Auge sieht nicht sich, weil in ihm die Kräfte wirken, welche anderes sichtbar machen. Will man beurteilen, inwiefern ein zwischen Geburt und Tod verlaufendes Menschenleben das Ergebnis vorangehender Erdenleben sein kann, so muß man in Erwägung ziehen, daß ein innerhalb dieses Lebens selbst gelegener Gesichtspunkt, wie man ihn zunächst naturgemäß einnehmen muß, keine Beurteilungsmöglichkeit liefert. Für einen solchen Gesichtspunkt könnte zum Beispiel ein Erdenleben als leidvoll, unvollkommen und so weiter erscheinen, während es gerade in dieser Gestaltung für einen außerhalb dieses Erdenlebens selbst liegenden Gesichtspunkt mit seinem Leid, in seiner Unvollkommenheit als Ergebnis früherer Leben sich ergeben muß. Durch das Betreten des Erkenntnispfades in dem Sinne, wie dies in einem der nächsten Kapitel geschildert wird, löst sich die Seele los von den Bedingungen des Liebeslebens. Sie kann dadurch im Bilde die Erlebnisse wahrnehmen, welche sie zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht. Solches Wahrnehmen gibt die Möglichkeit, die Vorgänge des «Geisterlandes» so zu schildern, wie es hier skizzenhaft geschehen ist. Nur wenn man nicht versäumt, sich gegenwärtig zu halten, daß die ganze Verfassung der Seele eine andere ist im physischen Leibe als im rein geistigen Erleben, wird man die hier gegebene Schilderung im rechten Lichte sehen. [146]
Wenn der Menschengeist auf seinem Wege zwischen zwei Verkörperungen die «Welt der Seelen» durchwandert hat, dann betritt er das «Land der Geister», um da zu verbleiben, bis er zu einem neuen leiblichen Dasein reif ist. Den Sinn dieses Aufenthaltes im «Geisterland» versteht man nur, wenn man die Aufgabe der Lebenspilgerfahrt des Menschen durch seine Verkörperung hindurch in der richtigen Art zu deuten weiß. Während der Mensch im physischen Leibe verkörpert ist, wirkt und schafft er in der physischen Welt. Und er wirkt und schafft in ihr als geistiges Wesen. Was sein Geist ersinnt und ausbildet, das prägt er den physischen Formen, den körperlichen Stoffen und Kräften ein. Er hat also als ein Bote der geistigen Welt den Geist der Körperwelt einzuverleiben. Nur dadurch, daß er sich verkörpert, kann der Mensch in der Körperwelt wirken. Er muß den physischen Leib als sein Werkzeug annehmen, damit er durch das Körperliche auf Körperliches wirken und damit Körperliches auf ihn wirken kann. Was aber durch diese physische Körperlichkeit des Menschen hindurchwirkt, das ist der Geist. Von diesem gehen die Absichten, die Richtungen aus für das Wirken in der physischen Welt. - Solange nun der Geist im physischen Leibe wirkt, kann er als Geist nicht in seiner wahren Gestalt leben. Er kann gleichsam nur durch den Schleier des physischen Daseins hindurchscheinen. Das menschliche Gedankenleben gehört nämlich in Wahrheit der geistigen Welt an; und so, wie es im physischen Dasein auftritt, ist seine wahre Gestalt verschleiert. Man kann auch sagen, das Gedankenleben des physischen [130] Menschen sei ein Schattenbild, ein Abglanz der wahren geistigen Wesenheit, zu der es gehört. So tritt während des physischen Lebens der Geist auf der Grundlage des physischen Körpers mit der irdischen Körperwelt in Wechselwirkung. Wenn nun auch gerade in dem Wirken auf die physische Körperwelt eine der Aufgaben des Menschengeistes liegt, solange er von Verkörperung zu Verkörperung schreitet, so könnte er doch diese Aufgabe keineswegs entsprechend erfüllen, wenn er nur im leiblichen Dasein lebte. Denn die Absichten und Ziele der irdischen Aufgabe werden ebensowenig innerhalb der irdischen Verkörperung ausgebildet und gewonnen, wie der Plan eines Hauses auf dem Bauplatz zustande kommt, auf dem die Arbeiter wirken. Wie dieser Plan im Büro des Architekten ausgearbeitet wird, so werden die Ziele und ab sichten des irdischen Schaffens «im Lande der Geister» ausgebildet. - Der Geist des Menschen muß in diesem Lande immer wieder zwischen zwei Verkörperungen leben, um, gerüstet mit dem, was er sich von da mitbringt, an die Arbeit in dem physischen Leben herantreten zu können. Wie der Architekt, ohne die Ziegel und den Mörtel zu bearbeiten, in seiner Arbeitsstube den Hausplan verfertigt nach Maßgabe der baukünstlerischen und anderer Gesetze, so muß der Architekt des menschlichen Schaffens, der Geist oder das höhere Selbst, im «Geisterland» die Fähigkeiten und Ziele nach den Gesetzen dieses Landes ausbilden, um sie dann in die irdische Welt überzuführen. Nur wenn der Menschengeist immer wieder und wieder in seinem eigenen Bereich sich aufhält, wird er auch durch die physisch-körperlichen Werkzeuge in die irdische Welt den Geist tragen können. - Auf dem physischen [131] Schauplatz lernt der Mensch die Eigenschaften und Kräfte der physischen Welt kennen. Er sammelt da während des Schaffens die Erfahrungen darüber, was für Anforderungen die physische Welt an den stellt, der in ihr arbeiten will. Er lernt da gleichsam die Eigenschaften des Stoffes kennen, in dem er seine Gedanken und Ideen verkörpern will. Die Gedanken und Ideen selbst kann er nicht aus dem Stoff heraussaugen. So ist die irdische Welt zugleich der Schauplatz des Schaffens und des Lernens. Im «Geisterland» wird dann das Gelernte in lebendige Fähigkeit des Geistes umgebildet. Man kann den obigen Vergleich fortsetzen, um die Sache sich zu verdeutlichen. Der Architekt arbeitet den Plan eines Hauses aus. Dieser wird ausgeführt. Dabei macht er eine Summe der mannigfaltigsten Erfahrungen. Alle diese Erfahrungen steigern seine Fähigkeiten. Wenn er den nächsten Plan ausarbeitet, fließen alle diese Erfahrungen mit ein. Und dieser nächste Plan erscheint gegenüber dem ersten bereichert um alles das, was an dem vorigen gelernt worden ist. So ist es mit den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. In den Zwischenzeiten zwischen den Verkörperungen lebt der Geist in seinem eigenen Bereich. Er kann sich ganz den Anforderungen des Geisteslebens hingeben; er bildet sich, befreit von der physischen Körperlichkeit, nach allen Seiten aus und arbeitet in diese seine Bildung die Früchte der Erfahrungen seiner früheren Lebensläufe hinein. So ist sein Blick immer auf den Schauplatz seiner irdischen Aufgaben gerichtet, so arbeitet er stets daran, die Erde, insofern diese der Platz seines Wirkens ist, durch die ihr notwendige Entwickelung hindurch zu verfolgen. Er arbeitet an sich, um bei jedesmaliger Verkörperung [132] dem Zustande der Erde entsprechend seine Dienste im irdischen Wandel leisten zu können. Dies ist allerdings nur ein allgemeines Bild von den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. Und die Wirklichkeit wird mit diesem Bilde niemals ganz, sondern nur mehr oder weniger übereinstimmen. Die Verhältnisse können es mit sich bringen, daß ein folgendes Leben eines Menschen viel unvollkommener ist als ein vorhergehendes. Allein im ganzen und großen gleichen sich in den aufeinanderfolgenden Lebensläufen solche Unregelmäßigkeiten innerhalb bestimmter Grenzen wieder aus.<br>Die Bildung des Geistes im «Geisterland» geschieht dadurch, daß der Mensch sich in die verschiedenen Regionen dieses Landes einlebt. Sein eigenes Leben verschmilzt in entsprechender Aufeinanderfolge mit diesen Regionen; er nimmt vorübergehend ihre Eigenschaften an. Sie durchdringen dadurch sein Wesen mit ihrem Wesen, auf daß ersteres dann mit dem letzteren gestärkt im Irdischen wirken könne. - In der ersten Region des «Geisterlandes» ist der Mensch umgeben von den geistigen Urbildern der irdischen Dinge. Während des Erdenlebens lernt er ja nur die Schatten dieser Urbilder kennen, die er in seinen Gedanken erfaßt. Was auf der Erde bloß gedacht wird, das wird in dieser Region erlebt. Der Mensch wandelt unter Gedanken, aber diese Gedanken sind wirkliche Wesenheiten. Was er während des Erdenlebens mit seinen Sinnen wahrgenommen hat, das wirkt auf ihn jetzt in seiner Gedankenform. Aber der Gedanke erscheint nicht als der Schatten, der sich hinter den Dingen verbirgt, sondern er ist lebensvolle Wirklichkeit, welche die Dinge erzeugt. [133] Der Mensch ist gleichsam in der Gedankenwerkstätte, in der die irdischen Dinge geformt und gebildet werden. Denn im «Lande des Geistes» ist alles lebensvolle Tätigkeit und Regsamkeit. Hier ist die Gedankenwelt am Werke als Welt lebendiger Wesen, schöpferisch und bildend. Man sieht da, wie das gebildet wird, was man im Erdendasein erlebt hat. Wie man im physischen Leibe die sinnlichen Dinge als Wirklichkeit erlebt, so erlebt man jetzt als Geist die geistigen Bildungskräfte als wirklich. Unter den Gedankenwesen, die da vorhanden sind, ist auch der Gedanke der eigenen physischen Leiblichkeit. Dieser fühlt man sich entrückt. Nur die geistige Wesenheit empfindet man als zu sich gehörig. Und wenn man den abgelegten Leib, wie in der Erinnerung, nicht mehr als physisch, sondern als Gedankenwesen gewahr wird, dann tritt schon in der Anschauung seine Zugehörigkeit zur äußeren Welt hervor. Man lernt ihn als etwas zur Außenwelt Gehöriges betrachten, als ein Glied dieser Außenwelt. Man trennt folglich nicht mehr seine Leiblichkeit von der anderen Außenwelt als etwas dem eigenen Selbst näher Verwandtes ab. Man fühlt in der gesamten Außenwelt mit Einschluß der eigenen leiblichen Verkörperungen eine Einheit. Die eigenen Verkörperungen verschmelzen hier mit der übrigen Welt zur Einheit. So blickt man hier auf die Urbilder der physisch-körperlichen Wirklichkeit als auf eine Einheit, zu der man selbst gehört hat. Man lernt deshalb nach und nach seine Verwandtschaft, seine Einheit mit der Umwelt durch Beobachtung kennen. Man lernt zu ihr sagen: Das, was sich hier um dich ausbreitet, das warst du selbst. - Das aber ist einer der Grundgedanken der alten indischen Vedanta-Weisheit. [134] Der «Weise» eignet sich schon während des Erdenlebens das an, was der andere nach dem Tode erlebt, nämlich den Gedanken zu fassen, daß er selbst mit allen Dingen verwandt ist, den Gedanken: «Das bist du.» Im irdischen Leben ist das ein Ideal, dem sich das Gedankenleben hingeben kann; im «Lande der Geister» ist es eine unmittelbare Tatsache, die uns durch die geistige Erfahrung immer klarer wird. Und der Mensch selbst wird in diesem Lande sich immer mehr bewußt, daß er, seinem eigentlichen Wesen nach, der Geisterwelt angehört. Er nimmt sich als Geist unter Geistern, als ein Glied der Urgeister wahr, und er wird in sich selbst des Urgeistes Wort fühlen: ,Ich bin der Urgeist.» (Die Weisheit des Vedanta sagt: «Ich bin Brahman», das heißt ich gehöre als ein Glied dem Urwesen an, aus dem alle Wesen stammen.) - Man sieht: was im Erdenleben als schattenhafter Gedanke erfaßt wird und wohin alle Weisheit abzielt, das wird im «Geisterland» unmittelbar erlebt. Ja es wird während des Erdenlebens nur deswegen gedacht, weil es im geistigen Dasein eine Tatsache ist.<br>So sieht der Mensch während seines geistigen Daseins die Verhältnisse und Tatsachen, in denen er während des Erdenlebens mitten drinnen steht, von einer höheren Warte aus, gleichsam von außen. Und in der untersten Region des «Geisterlandes» lebt er auf solche Art gegenüber den irdischen Verhältnissen, die unmittelbar mit der physischen körperlichen Wirklichkeit zusammenhängen. - Der Mensch ist auf der Erde in eine Familie, in ein Volk hineingeboren; er lebt in einem gewissen Lande. Durch alle diese Verhältnisse wird sein irdisches Dasein bestimmt. Er findet, weil es die Verhältnisse in der physischen [135] Welt mit sich bringen, diesen oder jenen Freund. Er treibt diese oder jene Geschäfte. Alles das bestimmt seine irdischen Lebensverhältnisse. Alles das tritt ihm nun während seines Lebens in der ersten Region des «Geisterlandes» als lebendige Gedankenwesenheit entgegen. Er durchlebt das alles in einer gewissen Art noch einmal. Aber er durchlebt es von der tätig-geistigen Seite aus. Die Familienliebe, die er geübt hat, die Freundschaft, die er entgegengebracht hat, werden in ihm von innen aus lebendig, und seine Fähigkeiten werden in dieser Richtung gesteigert. Dasjenige im Menschengeist, was als Kraft der Familien-, der Freundesliebe wirkt, wird gestärkt. Er tritt in dieser Beziehung später als ein vollkommenerer Mensch wieder ins irdische Dasein. - Es sind gewissermaßen die alltäglichen Verhältnisse des Erdenlebens, die in dieser untersten Region des «Geisterlandes» als Früchte reifen. Und dasjenige im Menschen, das mit seinen Interessen ganz in diesen alltäglichen Verhältnissen aufgeht, wird den längsten Teil des geistigen Lebens zwischen zwei Verkörperungen mit dieser Region sich verwandt fühlen. - Die Menschen, mit welchen man in der physischen Welt zusammengelebt hat, findet man in der geistigen Welt wieder. Gleich wie von der Seele alles abfällt, was ihr durch den physischen Leib eigen war, so löst sich auch das Band, das im physischen Leben Seele und Seele verknüpft, von den Bedingungen los, welche nur in der physischen Welt Bedeutung und Wirksamkeit haben. Doch setzt sich über den Tod hinaus alles - in die geistige Welt hinein - fort, was im physischen Leben Seele der Seele war. Es ist naturgemäß, daß Worte, welche für physische Verhältnisse geprägt sind, nur ungenau wiedergeben [136] können, was in der geistigen Welt vorgeht. Sofern aber dieses in Betracht gezogen wird, so darf es durchaus als richtig bezeichnet werden, wenn gesagt wird: die im physischen Leben zusammengehörigen Seelen finden sich in der geistigen Welt wieder, um ihr Zusammenleben da in entsprechender Weise fortzusetzen. - Die nächste Region ist diejenige, in welcher das gemeinsame Leben der irdischen Welt als Gedankenwesenheit, gleichsam als das flüssige Element des «Geisterlandes», strömt. Solange man in physischer Verkörperung die Welt beobachtet, erscheint das Leben an einzelne Lebewesen gebunden. Im «Geisterland» ist es davon losgelöst und durchfließt als Lebensblut gleichsam das ganze Land. Es ist da die lebendige Einheit, die in allem vorhanden ist. Während des irdischen Lebens erscheint dem Menschen auch davon nur ein Abglanz. Und dieser spricht sich in jeder Form von Verehrung aus, die der Mensch dem Ganzen, der Einheit und Harmonie der Welt, entgegenbringt. Das religiöse Leben der Menschen schreibt sich von diesem Abglanze her. Der Mensch wird gewahr, inwiefern nicht im Vergänglichen, im einzelnen, der umfassende Sinn des Daseins liegt. Er betrachtet dieses Vergängliche als ein «Gleichnis» und Abbild eines Ewigen, einer harmonischen Einheit. Er blickt in Verehrung und Anbetung zu dieser Einheit auf. Er bringt ihr religiöse Kultushandlungen dar. - Im «Geisterland» erscheint nicht der Abglanz, sondern die wirkliche Gestalt als lebendige Gedankenwesenheit. Hier kann sich der Mensch mit der Einheit, die er auf Erden verehrt hat, wirklich vereinigen. Die Früchte des religiösen Lebens und alles dessen, was damit zusammenhängt, treten in dieser Region hervor. Der Mensch [137] lernt nun aus der geistigen Erfahrung erkennen, daß sein Einzelschicksal nicht getrennt werden soll von der Gemeinschaft, der er angehört. Die Fähigkeit, sich als Glied eines Ganzen zu erkennen, bildet sich hier aus. Die religiösen Empfindungen, alles, was schon im Leben nach einer reinen, edlen Moral gestrebt hat, wird während eines großen Teiles des geistigen Zwischenzustandes Kraft aus dieser Region schöpfen. Und der Mensch wird mit einer Erhöhung seiner Fähigkeiten nach dieser Richtung hin wiederverkörpert werden.<br>Während man in der ersten Region mit den Seelen zusammen ist, mit denen man im vorangegangenen physischen Leben durch die nächsten Bande der physischen Welt zusammengehangen hat, tritt man in der zweiten Region in den Bereich aller derjenigen, mit denen man in einem weiteren Sinne sich eins fühlte: durch eine gemeinsame Verehrung, durch gemeinsames Bekenntnis und so weiter. Betont muß werden, daß die geistigen Erlebnisse der vorangegangenen Regionen während der folgenden bestehen bleiben. So wird der Mensch nicht etwa den durch Familie, Freundschaft und so weiter geknüpften Banden entrissen, wenn er in das Leben der zweiten und der folgenden Regionen eintritt. - Auch liegen die Regionen des «Geisterlandes» nicht wie «Abteilungen» auseinander; sie durchdringen sich, und der Mensch erlebt sich in einer neuen Region nicht deswegen, weil er sie in irgendeiner Form äußerlich «betreten» hat, sondern weil er in sich die inneren Fähigkeiten erlangt hat, das wahrzunehmen, innerhalb dessen er vorher unwahrnehmend war.<br>Die dritte Region des «Geisterlandes» enthält die Urbilder [138] der seelischen Welt. Alles, was in dieser Welt lebt, ist hier als lebendige Gedankenwesenheit vorhanden. Man findet da die Urbilder der Begierden, der Wünsche, der Gefühle und so weiter. Aber hier in der Geisterwelt haftet dem Seelischen nichts von Eigensucht an. Ebenso wie alles Leben in der zweiten Region, bildet in dieser dritten alles Begehren, Wünschen, alle Lust und Unlust eine Einheit. Das Begehren, der Wunsch des andern unterscheiden sich nicht von meinem Begehren und Wünschen. Die Empfindungen und Gefühle aller Wesen sind eine gemeinsame Welt, die alles übrige einschließt und umgibt, wie der physische Luftkreis die Erde umgibt diese Region ist gleichsam die Atmosphäre des «Geisterlandes». Es wird hier alles Früchte tragen, was der Mensch im irdischen Leben im Dienste der Gemeinsamkeit, in selbstloser Hingabe an seine Mitmenschen geleistet hat. Denn durch diesen Dienst, durch diese Hingabe hat er in einem Abglanz der dritten Region des «Geisterlandes» gelebt. Die großen Wohltäter des Menschengeschlechtes, die hingebungsvollen Naturen, diejenigen, welche die großen Dienste in den Gemeinschaften leisten, haben ihre Fähigkeit hierzu in dieser Region erlangt, nachdem sie sich in früheren Lebensläufen die Anwartschaft zu einer besonderen Verwandtschaft mit ihr erworben haben.<br>Es ist ersichtlich, daß die beschriebenen drei Regionen des «Geisterlandes» in einem gewissen Verhältnis stehen zu den unter ihnen stehenden Welten, zu der physischen und der seelischen Welt. Denn sie enthalten die Urbilder, die lebendigen Gedankenwesen, die in diesen Welten körperliches oder seelisches Dasein annehmen. Die vierte Region erst ist das «reine Geisterland». Aber auch diese [139] ist es nicht in vollem Sinne des Wortes. Sie unterscheidet sich von den drei unteren Regionen dadurch, daß in diesen die Urbilder jener physischen und seelischen Verhältnisse angetroffen werden, die der Mensch in der physischen und seelischen Welt vorfindet, bevor er selbst in diese Welten eingreift. Die Verhältnisse des alltäglichen Lebens knüpfen sich an die Dinge und Wesen, die der Mensch in der Welt vorfindet; die vergänglichen Dinge dieser Welt lenken seinen Blick zu deren ewigem Urgrund; und auch die Mitgeschöpfe, denen sich sein selbstloser Sinn widmet, sind nicht durch den Menschen da. Aber durch ihn sind in der Welt die Schöpfungen der Künste und Wissenschaften, der Technik, des Staates und so weiter, kurz alles das, was er als originale Werke seines Geistes der Welt einverleibt. Zu alledem wären, ohne sein Zutun, keine physischen Abbilder in der Welt vorhanden. Die Urbilder nun zu diesen rein menschlichen Schöpfungen finden sich in der vierten Region des «Geisterlandes». Was der Mensch an wissenschaftlichen Ergebnissen, an künstlerischen Ideen und Gestalten, an Gedanken der Technik während des irdischen Lebens ausbildet, trägt in dieser vierten Region seine Früchte. Aus dieser Region saugen daher Künstler, Gelehrte, große Erfinder während ihres Aufenthaltes im «Geisterland» ihre Impulse und steigern hier ihr Genie, um bei einer Wiederverkörperung in verstärktem Maße zur Fortentwickelung der menschlichen Kultur beitragen zu können. Man soll sich nicht vorstellen, daß diese vierte Region des «Geisterlandes» nur für besonders hervorragende Menschen eine Bedeutung habe. Sie hat eine solche für alle Menschen. Alles, was den Menschen im physischen Leben über die Sphäre des alltäglichen Lebens, [140] Wünschens und Wollens hinaus beschäftigt, hat seinen Urquell in dieser Region. Ginge der Mensch in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durch sie nicht hindurch, so würde er in einem weiteren Leben keine Interessen haben, welche über den engen Kreis der persönlichen Lebensführung hinaus zum allgemein Menschlichen führen. - Es ist oben gesagt worden, daß auch diese Region nicht im vollen Sinne das «reine Geisterland» genannt werden kann. Das ist deshalb der Fall, weil der Zustand, in dem die Menschen die Kulturentwickelung auf der Erde verlassen haben, in ihr geistiges Dasein hineinspielt. Sie können im «Geisterland» nur die Früchte dessen genießen, was nach ihrer Begabung und nach dem Entwickelungsgrade des Volkes, Staates und so weiter, in die sie hineingeboren waren, ihnen zu leisten möglich war.<br>In den noch höheren Regionen des «Geisterlandes» ist der Menschengeist nun jeder irdischen Fessel entledigt. Er steigt auf in das «reine Geisterland», in dem er die Absichten, die Ziele erlebt, die sich der Geist mit dem irdischen Leben gesetzt hat. Alles, was in der Welt schon verwirklicht ist, bringt ja die höchsten Ziele und Absichten nur in einem mehr oder weniger schwachen Nachbilde zum Dasein. Jeder Kristall, jeder Baum, jedes Tier und auch alles das, was im Bereiche menschlichen Schaffens verwirklicht wird, - all das gibt nur Nachbilder dessen, was der Geist beabsichtigt. Und der Mensch kann während seiner Verkörperungen nur anknüpfen an diese unvollkommenen Nachbilder der vollkommenen Absichten und Ziele. So kann er aber innerhalb einer seiner Verkörperungen selbst nur ein solches Nachbild dessen sein, was [141] im Reiche des Geistes mit ihm beabsichtigt ist. Was er als reist im «Geisterland» eigentlich ist, das kommt daher erst dann zum Vorschein, wenn er im Zwischenzustand wischen zwei Verkörperungen in die fünfte Region des Geisterlandes» aufsteigt. Was er hier ist, das ist wirklich r selbst. Das ist dasjenige, was in den mannigfaltigen ,Verkörperungen ein äußeres Dasein erhält. In dieser Region kann sich das wahre Selbst des Menschen nach allen Seiten frei ausleben. Und dieses Selbst ist also dasjenige, welches in jeder Verkörperung immer von neuem als das eine erscheint. Dieses Selbst bringt die Fähigkeiten mit, je sich in den unteren Regionen des «Geisterlandes» ausgebildet haben. Es trägt somit die Früchte der früheren Lebensläufe in die folgenden hinüber. Es ist der Träger er Ergebnisse früherer Verkörperungen.<br>Im Reiche der Absichten und Ziele befindet sich also las Selbst, wenn es in der fünften Region des «Geisterlandes» lebt. Wie der Architekt an den Unvollkommenheiten lernt, die sich ihm ergeben haben, und wie er in eine neuen Pläne nur das aufnimmt, was er von diesen Unvollkommenheiten in Vollkommenheiten zu wandeln vermochte, so streift das Selbst von seinen Ergebnissen aus früheren Leben in der fünften Region dasjenige ab, was mit den Unvollkommenheiten der unteren Welten zusammenhängt, und befruchtet die Absichten des «Geisterlandes», mit denen es nunmehr zusammenlebt, mit den Ergebnissen seiner früheren Lebensläufe. - Klar ist, daß die Kraft, die aus dieser Region geschöpft werden kann, davon abhängen wird, wieviel sich das Selbst während seiner Verkörperung von solchen Ergebnissen erworben hat, die geeignet sind, in die Welt der Absichten aufgenommen [142] zu werden. Das Selbst, das während des irdischen Daseins durch ein reges Gedankenleben oder durch weise, werktätige Liebe die Absichten des Geistes zu verwirklichen gesucht hat, wird sich eine große Anwartschaft auf diese Region erwerben. Dasjenige, das ganz in den alltäglichen Verhältnissen aufgegangen ist, das nur im Vergänglichen gelebt hat, das hat keine Samen gesät, die in den Absichten der ewigen Weltordnung eine Rolle spielen können. Nur das wenige, das es über die Tagesinteressen hinaus gewirkt hat, kann als Frucht in diesen oberen Regionen des «Geisterlandes» sich entfalten. Aber man soll nicht meinen, daß hier etwa vor allem solches in Betracht kommt, was «irdischen Ruhm» oder ähnliches bringt. Nein, gerade das kommt in Frage, was im kleinsten Lebenskreise zum Bewußtsein führt, daß alles einzelne seine Bedeutung für den ewigen Werdegang des Daseins hat. Man muß sich vertraut machen mit dem Gedanken, daß der Mensch in dieser Region anders urteilen muß, als er dies im physischen Leben tun kann. Hat er zum Beispiel weniges sich erworben, was mit dieser fünften Region verwandt ist, so entsteht in ihm der Drang, sich für das folgende physische Leben einen Impuls einzuprägen, welcher dieses Leben so verlaufen läßt, daß im Schicksal (Karma) desselben die entsprechende Wirkung des Mangels zutage tritt. Was dann in dem folgenden Erdenleben als leidvolles Geschick, vom Gesichtspunkte dieses Lebens aus, erscheint - ja vielleicht als solches tief beklagt wird -, das findet der Mensch in dieser Region des «Geisterlandes» als für ihn durchaus notwendig. - Da der Mensch in der fünften Region in seinem eigentlichen Selbst lebt, so ist er auch herausgehoben aus allem, was ihn [143] aus den niederen Welten während der Verkörperungen umhüllt. Er ist, was er immer war und immer sein wird während des Laufes seiner Verkörperungen. Er lebt in dem Walten der Absichten, welche für diese Verkörperungen bestehen und die er in sein eigenes Selbst eingliedert. Er blickt auf seine eigene Vergangenheit zurück und er fühlt, daß alles, was er in derselben erlebt hat, in die Absichten, die er in Zukunft zu verwirklichen hat, aufgenommen wird. Eine Art Gedächtnis für seine früheren Lebensläufe und der prophetische Vorblick: für seine späteren blitzen auf. - man sieht: dasjenige, was in dieser Schrift das «Geistselbst» genannt worden ist, lebt in dieser Region, soweit es entwickelt ist, in seiner ihm angemessenen Wirklichkeit. Es bildet sich aus und bereitet sich vor, um in einer neuen Verkörperung sich ein Vollziehen der geistigen Absichten in der irdischen Wirklichkeit zu ermöglichen.<br>Hat sich dieses «Geistselbst» während einer Reihe von Aufenthalten im «Geisterland» so weit entwickelt, daß es sich völlig frei in diesem Lande bewegen kann, dann wird es seine wahre Heimat immer mehr hier suchen. Das Leben im Geiste wird ihm so vertraut, wie dem irdischen Menschen das Leben in der physischen Wirklichkeit. Die Gesichtspunkte der Geisterwelt wirken fortan auch als die maßgebenden, die es für die folgenden Erdenleben zu den seinigen, mehr oder weniger bewußt oder unbewußt, macht. Als ein Glied der göttlichen Weltordnung kann sich das Selbst fühlen. Die Schranken und Gesetze des irdischen Lebens berühren es nicht in seiner innersten Wesenheit. Die Kraft zu allem, was es vollführt, kommt ihm aus der geistigen Welt. Die geistige Welt aber ist eine Einheit. [144] Wer in ihr lebt, weiß, wie das Ewige an der Vergangenheit geschaffen hat, und er kann von dem Ewigen aus die Richtung für die Zukunft bestimmen. Der Blick über die Vergangenheit weitet sich zu einem vollkommenen. Ein Mensch, der diese Stufe erreicht hat, gibt sich selbst Ziele, die er in einer nächsten Verkörperung ausführen soll. Vom «Geisterland» aus beeinflußt er seine Zukunft, so daß sie im Sinne des Wahren und Geistigen verläuft. Der Mensch befindet sich während des Zwischenzustandes zwischen zwei Verkörperungen in Gegenwart aller derjenigen erhabenen Wesen, vor deren Blicken die göttliche Weisheit unverhüllt ausgebreitet liegt. Denn er hat die Stufe erklommen, auf der er sie verstehen kann. In der sechsten Region des «Geisterlandes» wird der Mensch in allen seinen Handlungen dasjenige vollbringen, was dem wahren Wesen der Welt am angemessensten ist denn er kann nicht nach dem suchen, was ihm frommt, sondern einzig nach dem, was geschehen soll nach dem richtigen Gang der Weltordnung. Die siebente Region des «Geisterlandes» führt an die Grenze der «drei Welten». Der Mensch steht hier den «Lebenskernen» gegenüber, die aus höheren Welten in die drei beschriebenen versetzt werden, um da ihre Aufgaben zu vollbringen. Ist der Mensch an der Grenze der drei Welten, so erkennt er sich somit in seinem eigenen Lebenskern. Das bringt mit sich, daß die Rätsel dieser drei Welten für ihn gelöst sein müssen. Er überschaut also das ganze Leben dieser Welten. Im physischen Leben sind die Fähigkeiten der Seele, durch welche sie die hier geschilderten Erlebnisse in der geistigen Welt hat, unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen nicht bewußt. Sie arbeiten [145] in ihren unbewußten Tiefen an den leiblichen Organen, welche das Bewußtsein der physischen Welt zustande bringen. Dies ist gerade der Grund, warum sie für diese Welt unwahrnehmbar bleiben. Auch das Auge sieht nicht sich, weil in ihm die Kräfte wirken, welche anderes sichtbar machen. Will man beurteilen, inwiefern ein zwischen Geburt und Tod verlaufendes Menschenleben das Ergebnis vorangehender Erdenleben sein kann, so muß man in Erwägung ziehen, daß ein innerhalb dieses Lebens selbst gelegener Gesichtspunkt, wie man ihn zunächst naturgemäß einnehmen muß, keine Beurteilungsmöglichkeit liefert. Für einen solchen Gesichtspunkt könnte zum Beispiel ein Erdenleben als leidvoll, unvollkommen und so weiter erscheinen, während es gerade in dieser Gestaltung für einen außerhalb dieses Erdenlebens selbst liegenden Gesichtspunkt mit seinem Leid, in seiner Unvollkommenheit als Ergebnis früherer Leben sich ergeben muß. Durch das Betreten des Erkenntnispfades in dem Sinne, wie dies in einem der nächsten Kapitel geschildert wird, löst sich die Seele los von den Bedingungen des Leibeslebens. Sie kann dadurch im Bilde die Erlebnisse wahrnehmen, welche sie zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht. Solches Wahrnehmen gibt die Möglichkeit, die Vorgänge des «Geisterlandes» so zu schildern, wie es hier skizzenhaft geschehen ist. Nur wenn man nicht versäumt, sich gegenwärtig zu halten, daß die ganze Verfassung der Seele eine andere ist im physischen Leibe als im rein geistigen Erleben, wird man die hier gegebene Schilderung im rechten Lichte sehen. [146]


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Aktuelle Version vom 4. Oktober 2015, 01:47 Uhr

IV. Der Geist im Geisterland nach dem Tode

Wenn der Menschengeist auf seinem Wege zwischen zwei Verkörperungen die «Welt der Seelen» durchwandert hat, dann betritt er das «Land der Geister», um da zu verbleiben, bis er zu einem neuen leiblichen Dasein reif ist. Den Sinn dieses Aufenthaltes im «Geisterland» versteht man nur, wenn man die Aufgabe der Lebenspilgerfahrt des Menschen durch seine Verkörperung hindurch in der richtigen Art zu deuten weiß. Während der Mensch im physischen Leibe verkörpert ist, wirkt und schafft er in der physischen Welt. Und er wirkt und schafft in ihr als geistiges Wesen. Was sein Geist ersinnt und ausbildet, das prägt er den physischen Formen, den körperlichen Stoffen und Kräften ein. Er hat also als ein Bote der geistigen Welt den Geist der Körperwelt einzuverleiben. Nur dadurch, daß er sich verkörpert, kann der Mensch in der Körperwelt wirken. Er muß den physischen Leib als sein Werkzeug annehmen, damit er durch das Körperliche auf Körperliches wirken und damit Körperliches auf ihn wirken kann. Was aber durch diese physische Körperlichkeit des Menschen hindurchwirkt, das ist der Geist. Von diesem gehen die Absichten, die Richtungen aus für das Wirken in der physischen Welt. - Solange nun der Geist im physischen Leibe wirkt, kann er als Geist nicht in seiner wahren Gestalt leben. Er kann gleichsam nur durch den Schleier des physischen Daseins hindurchscheinen. Das menschliche Gedankenleben gehört nämlich in Wahrheit der geistigen Welt an; und so, wie es im physischen Dasein auftritt, ist seine wahre Gestalt verschleiert. Man kann auch sagen, das Gedankenleben des physischen [130] Menschen sei ein Schattenbild, ein Abglanz der wahren geistigen Wesenheit, zu der es gehört. So tritt während des physischen Lebens der Geist auf der Grundlage des physischen Körpers mit der irdischen Körperwelt in Wechselwirkung. Wenn nun auch gerade in dem Wirken auf die physische Körperwelt eine der Aufgaben des Menschengeistes liegt, solange er von Verkörperung zu Verkörperung schreitet, so könnte er doch diese Aufgabe keineswegs entsprechend erfüllen, wenn er nur im leiblichen Dasein lebte. Denn die Absichten und Ziele der irdischen Aufgabe werden ebensowenig innerhalb der irdischen Verkörperung ausgebildet und gewonnen, wie der Plan eines Hauses auf dem Bauplatz zustande kommt, auf dem die Arbeiter wirken. Wie dieser Plan im Büro des Architekten ausgearbeitet wird, so werden die Ziele und ab sichten des irdischen Schaffens «im Lande der Geister» ausgebildet. - Der Geist des Menschen muß in diesem Lande immer wieder zwischen zwei Verkörperungen leben, um, gerüstet mit dem, was er sich von da mitbringt, an die Arbeit in dem physischen Leben herantreten zu können. Wie der Architekt, ohne die Ziegel und den Mörtel zu bearbeiten, in seiner Arbeitsstube den Hausplan verfertigt nach Maßgabe der baukünstlerischen und anderer Gesetze, so muß der Architekt des menschlichen Schaffens, der Geist oder das höhere Selbst, im «Geisterland» die Fähigkeiten und Ziele nach den Gesetzen dieses Landes ausbilden, um sie dann in die irdische Welt überzuführen. Nur wenn der Menschengeist immer wieder und wieder in seinem eigenen Bereich sich aufhält, wird er auch durch die physisch-körperlichen Werkzeuge in die irdische Welt den Geist tragen können. - Auf dem physischen [131] Schauplatz lernt der Mensch die Eigenschaften und Kräfte der physischen Welt kennen. Er sammelt da während des Schaffens die Erfahrungen darüber, was für Anforderungen die physische Welt an den stellt, der in ihr arbeiten will. Er lernt da gleichsam die Eigenschaften des Stoffes kennen, in dem er seine Gedanken und Ideen verkörpern will. Die Gedanken und Ideen selbst kann er nicht aus dem Stoff heraussaugen. So ist die irdische Welt zugleich der Schauplatz des Schaffens und des Lernens. Im «Geisterland» wird dann das Gelernte in lebendige Fähigkeit des Geistes umgebildet. Man kann den obigen Vergleich fortsetzen, um die Sache sich zu verdeutlichen. Der Architekt arbeitet den Plan eines Hauses aus. Dieser wird ausgeführt. Dabei macht er eine Summe der mannigfaltigsten Erfahrungen. Alle diese Erfahrungen steigern seine Fähigkeiten. Wenn er den nächsten Plan ausarbeitet, fließen alle diese Erfahrungen mit ein. Und dieser nächste Plan erscheint gegenüber dem ersten bereichert um alles das, was an dem vorigen gelernt worden ist. So ist es mit den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. In den Zwischenzeiten zwischen den Verkörperungen lebt der Geist in seinem eigenen Bereich. Er kann sich ganz den Anforderungen des Geisteslebens hingeben; er bildet sich, befreit von der physischen Körperlichkeit, nach allen Seiten aus und arbeitet in diese seine Bildung die Früchte der Erfahrungen seiner früheren Lebensläufe hinein. So ist sein Blick immer auf den Schauplatz seiner irdischen Aufgaben gerichtet, so arbeitet er stets daran, die Erde, insofern diese der Platz seines Wirkens ist, durch die ihr notwendige Entwickelung hindurch zu verfolgen. Er arbeitet an sich, um bei jedesmaliger Verkörperung [132] dem Zustande der Erde entsprechend seine Dienste im irdischen Wandel leisten zu können. Dies ist allerdings nur ein allgemeines Bild von den aufeinanderfolgenden menschlichen Lebensläufen. Und die Wirklichkeit wird mit diesem Bilde niemals ganz, sondern nur mehr oder weniger übereinstimmen. Die Verhältnisse können es mit sich bringen, daß ein folgendes Leben eines Menschen viel unvollkommener ist als ein vorhergehendes. Allein im ganzen und großen gleichen sich in den aufeinanderfolgenden Lebensläufen solche Unregelmäßigkeiten innerhalb bestimmter Grenzen wieder aus.
Die Bildung des Geistes im «Geisterland» geschieht dadurch, daß der Mensch sich in die verschiedenen Regionen dieses Landes einlebt. Sein eigenes Leben verschmilzt in entsprechender Aufeinanderfolge mit diesen Regionen; er nimmt vorübergehend ihre Eigenschaften an. Sie durchdringen dadurch sein Wesen mit ihrem Wesen, auf daß ersteres dann mit dem letzteren gestärkt im Irdischen wirken könne. - In der ersten Region des «Geisterlandes» ist der Mensch umgeben von den geistigen Urbildern der irdischen Dinge. Während des Erdenlebens lernt er ja nur die Schatten dieser Urbilder kennen, die er in seinen Gedanken erfaßt. Was auf der Erde bloß gedacht wird, das wird in dieser Region erlebt. Der Mensch wandelt unter Gedanken, aber diese Gedanken sind wirkliche Wesenheiten. Was er während des Erdenlebens mit seinen Sinnen wahrgenommen hat, das wirkt auf ihn jetzt in seiner Gedankenform. Aber der Gedanke erscheint nicht als der Schatten, der sich hinter den Dingen verbirgt, sondern er ist lebensvolle Wirklichkeit, welche die Dinge erzeugt. [133] Der Mensch ist gleichsam in der Gedankenwerkstätte, in der die irdischen Dinge geformt und gebildet werden. Denn im «Lande des Geistes» ist alles lebensvolle Tätigkeit und Regsamkeit. Hier ist die Gedankenwelt am Werke als Welt lebendiger Wesen, schöpferisch und bildend. Man sieht da, wie das gebildet wird, was man im Erdendasein erlebt hat. Wie man im physischen Leibe die sinnlichen Dinge als Wirklichkeit erlebt, so erlebt man jetzt als Geist die geistigen Bildungskräfte als wirklich. Unter den Gedankenwesen, die da vorhanden sind, ist auch der Gedanke der eigenen physischen Leiblichkeit. Dieser fühlt man sich entrückt. Nur die geistige Wesenheit empfindet man als zu sich gehörig. Und wenn man den abgelegten Leib, wie in der Erinnerung, nicht mehr als physisch, sondern als Gedankenwesen gewahr wird, dann tritt schon in der Anschauung seine Zugehörigkeit zur äußeren Welt hervor. Man lernt ihn als etwas zur Außenwelt Gehöriges betrachten, als ein Glied dieser Außenwelt. Man trennt folglich nicht mehr seine Leiblichkeit von der anderen Außenwelt als etwas dem eigenen Selbst näher Verwandtes ab. Man fühlt in der gesamten Außenwelt mit Einschluß der eigenen leiblichen Verkörperungen eine Einheit. Die eigenen Verkörperungen verschmelzen hier mit der übrigen Welt zur Einheit. So blickt man hier auf die Urbilder der physisch-körperlichen Wirklichkeit als auf eine Einheit, zu der man selbst gehört hat. Man lernt deshalb nach und nach seine Verwandtschaft, seine Einheit mit der Umwelt durch Beobachtung kennen. Man lernt zu ihr sagen: Das, was sich hier um dich ausbreitet, das warst du selbst. - Das aber ist einer der Grundgedanken der alten indischen Vedanta-Weisheit. [134] Der «Weise» eignet sich schon während des Erdenlebens das an, was der andere nach dem Tode erlebt, nämlich den Gedanken zu fassen, daß er selbst mit allen Dingen verwandt ist, den Gedanken: «Das bist du.» Im irdischen Leben ist das ein Ideal, dem sich das Gedankenleben hingeben kann; im «Lande der Geister» ist es eine unmittelbare Tatsache, die uns durch die geistige Erfahrung immer klarer wird. Und der Mensch selbst wird in diesem Lande sich immer mehr bewußt, daß er, seinem eigentlichen Wesen nach, der Geisterwelt angehört. Er nimmt sich als Geist unter Geistern, als ein Glied der Urgeister wahr, und er wird in sich selbst des Urgeistes Wort fühlen: ,Ich bin der Urgeist.» (Die Weisheit des Vedanta sagt: «Ich bin Brahman», das heißt ich gehöre als ein Glied dem Urwesen an, aus dem alle Wesen stammen.) - Man sieht: was im Erdenleben als schattenhafter Gedanke erfaßt wird und wohin alle Weisheit abzielt, das wird im «Geisterland» unmittelbar erlebt. Ja es wird während des Erdenlebens nur deswegen gedacht, weil es im geistigen Dasein eine Tatsache ist.
So sieht der Mensch während seines geistigen Daseins die Verhältnisse und Tatsachen, in denen er während des Erdenlebens mitten drinnen steht, von einer höheren Warte aus, gleichsam von außen. Und in der untersten Region des «Geisterlandes» lebt er auf solche Art gegenüber den irdischen Verhältnissen, die unmittelbar mit der physischen körperlichen Wirklichkeit zusammenhängen. - Der Mensch ist auf der Erde in eine Familie, in ein Volk hineingeboren; er lebt in einem gewissen Lande. Durch alle diese Verhältnisse wird sein irdisches Dasein bestimmt. Er findet, weil es die Verhältnisse in der physischen [135] Welt mit sich bringen, diesen oder jenen Freund. Er treibt diese oder jene Geschäfte. Alles das bestimmt seine irdischen Lebensverhältnisse. Alles das tritt ihm nun während seines Lebens in der ersten Region des «Geisterlandes» als lebendige Gedankenwesenheit entgegen. Er durchlebt das alles in einer gewissen Art noch einmal. Aber er durchlebt es von der tätig-geistigen Seite aus. Die Familienliebe, die er geübt hat, die Freundschaft, die er entgegengebracht hat, werden in ihm von innen aus lebendig, und seine Fähigkeiten werden in dieser Richtung gesteigert. Dasjenige im Menschengeist, was als Kraft der Familien-, der Freundesliebe wirkt, wird gestärkt. Er tritt in dieser Beziehung später als ein vollkommenerer Mensch wieder ins irdische Dasein. - Es sind gewissermaßen die alltäglichen Verhältnisse des Erdenlebens, die in dieser untersten Region des «Geisterlandes» als Früchte reifen. Und dasjenige im Menschen, das mit seinen Interessen ganz in diesen alltäglichen Verhältnissen aufgeht, wird den längsten Teil des geistigen Lebens zwischen zwei Verkörperungen mit dieser Region sich verwandt fühlen. - Die Menschen, mit welchen man in der physischen Welt zusammengelebt hat, findet man in der geistigen Welt wieder. Gleich wie von der Seele alles abfällt, was ihr durch den physischen Leib eigen war, so löst sich auch das Band, das im physischen Leben Seele und Seele verknüpft, von den Bedingungen los, welche nur in der physischen Welt Bedeutung und Wirksamkeit haben. Doch setzt sich über den Tod hinaus alles - in die geistige Welt hinein - fort, was im physischen Leben Seele der Seele war. Es ist naturgemäß, daß Worte, welche für physische Verhältnisse geprägt sind, nur ungenau wiedergeben [136] können, was in der geistigen Welt vorgeht. Sofern aber dieses in Betracht gezogen wird, so darf es durchaus als richtig bezeichnet werden, wenn gesagt wird: die im physischen Leben zusammengehörigen Seelen finden sich in der geistigen Welt wieder, um ihr Zusammenleben da in entsprechender Weise fortzusetzen. - Die nächste Region ist diejenige, in welcher das gemeinsame Leben der irdischen Welt als Gedankenwesenheit, gleichsam als das flüssige Element des «Geisterlandes», strömt. Solange man in physischer Verkörperung die Welt beobachtet, erscheint das Leben an einzelne Lebewesen gebunden. Im «Geisterland» ist es davon losgelöst und durchfließt als Lebensblut gleichsam das ganze Land. Es ist da die lebendige Einheit, die in allem vorhanden ist. Während des irdischen Lebens erscheint dem Menschen auch davon nur ein Abglanz. Und dieser spricht sich in jeder Form von Verehrung aus, die der Mensch dem Ganzen, der Einheit und Harmonie der Welt, entgegenbringt. Das religiöse Leben der Menschen schreibt sich von diesem Abglanze her. Der Mensch wird gewahr, inwiefern nicht im Vergänglichen, im einzelnen, der umfassende Sinn des Daseins liegt. Er betrachtet dieses Vergängliche als ein «Gleichnis» und Abbild eines Ewigen, einer harmonischen Einheit. Er blickt in Verehrung und Anbetung zu dieser Einheit auf. Er bringt ihr religiöse Kultushandlungen dar. - Im «Geisterland» erscheint nicht der Abglanz, sondern die wirkliche Gestalt als lebendige Gedankenwesenheit. Hier kann sich der Mensch mit der Einheit, die er auf Erden verehrt hat, wirklich vereinigen. Die Früchte des religiösen Lebens und alles dessen, was damit zusammenhängt, treten in dieser Region hervor. Der Mensch [137] lernt nun aus der geistigen Erfahrung erkennen, daß sein Einzelschicksal nicht getrennt werden soll von der Gemeinschaft, der er angehört. Die Fähigkeit, sich als Glied eines Ganzen zu erkennen, bildet sich hier aus. Die religiösen Empfindungen, alles, was schon im Leben nach einer reinen, edlen Moral gestrebt hat, wird während eines großen Teiles des geistigen Zwischenzustandes Kraft aus dieser Region schöpfen. Und der Mensch wird mit einer Erhöhung seiner Fähigkeiten nach dieser Richtung hin wiederverkörpert werden.
Während man in der ersten Region mit den Seelen zusammen ist, mit denen man im vorangegangenen physischen Leben durch die nächsten Bande der physischen Welt zusammengehangen hat, tritt man in der zweiten Region in den Bereich aller derjenigen, mit denen man in einem weiteren Sinne sich eins fühlte: durch eine gemeinsame Verehrung, durch gemeinsames Bekenntnis und so weiter. Betont muß werden, daß die geistigen Erlebnisse der vorangegangenen Regionen während der folgenden bestehen bleiben. So wird der Mensch nicht etwa den durch Familie, Freundschaft und so weiter geknüpften Banden entrissen, wenn er in das Leben der zweiten und der folgenden Regionen eintritt. - Auch liegen die Regionen des «Geisterlandes» nicht wie «Abteilungen» auseinander; sie durchdringen sich, und der Mensch erlebt sich in einer neuen Region nicht deswegen, weil er sie in irgendeiner Form äußerlich «betreten» hat, sondern weil er in sich die inneren Fähigkeiten erlangt hat, das wahrzunehmen, innerhalb dessen er vorher unwahrnehmend war.
Die dritte Region des «Geisterlandes» enthält die Urbilder [138] der seelischen Welt. Alles, was in dieser Welt lebt, ist hier als lebendige Gedankenwesenheit vorhanden. Man findet da die Urbilder der Begierden, der Wünsche, der Gefühle und so weiter. Aber hier in der Geisterwelt haftet dem Seelischen nichts von Eigensucht an. Ebenso wie alles Leben in der zweiten Region, bildet in dieser dritten alles Begehren, Wünschen, alle Lust und Unlust eine Einheit. Das Begehren, der Wunsch des andern unterscheiden sich nicht von meinem Begehren und Wünschen. Die Empfindungen und Gefühle aller Wesen sind eine gemeinsame Welt, die alles übrige einschließt und umgibt, wie der physische Luftkreis die Erde umgibt diese Region ist gleichsam die Atmosphäre des «Geisterlandes». Es wird hier alles Früchte tragen, was der Mensch im irdischen Leben im Dienste der Gemeinsamkeit, in selbstloser Hingabe an seine Mitmenschen geleistet hat. Denn durch diesen Dienst, durch diese Hingabe hat er in einem Abglanz der dritten Region des «Geisterlandes» gelebt. Die großen Wohltäter des Menschengeschlechtes, die hingebungsvollen Naturen, diejenigen, welche die großen Dienste in den Gemeinschaften leisten, haben ihre Fähigkeit hierzu in dieser Region erlangt, nachdem sie sich in früheren Lebensläufen die Anwartschaft zu einer besonderen Verwandtschaft mit ihr erworben haben.
Es ist ersichtlich, daß die beschriebenen drei Regionen des «Geisterlandes» in einem gewissen Verhältnis stehen zu den unter ihnen stehenden Welten, zu der physischen und der seelischen Welt. Denn sie enthalten die Urbilder, die lebendigen Gedankenwesen, die in diesen Welten körperliches oder seelisches Dasein annehmen. Die vierte Region erst ist das «reine Geisterland». Aber auch diese [139] ist es nicht in vollem Sinne des Wortes. Sie unterscheidet sich von den drei unteren Regionen dadurch, daß in diesen die Urbilder jener physischen und seelischen Verhältnisse angetroffen werden, die der Mensch in der physischen und seelischen Welt vorfindet, bevor er selbst in diese Welten eingreift. Die Verhältnisse des alltäglichen Lebens knüpfen sich an die Dinge und Wesen, die der Mensch in der Welt vorfindet; die vergänglichen Dinge dieser Welt lenken seinen Blick zu deren ewigem Urgrund; und auch die Mitgeschöpfe, denen sich sein selbstloser Sinn widmet, sind nicht durch den Menschen da. Aber durch ihn sind in der Welt die Schöpfungen der Künste und Wissenschaften, der Technik, des Staates und so weiter, kurz alles das, was er als originale Werke seines Geistes der Welt einverleibt. Zu alledem wären, ohne sein Zutun, keine physischen Abbilder in der Welt vorhanden. Die Urbilder nun zu diesen rein menschlichen Schöpfungen finden sich in der vierten Region des «Geisterlandes». Was der Mensch an wissenschaftlichen Ergebnissen, an künstlerischen Ideen und Gestalten, an Gedanken der Technik während des irdischen Lebens ausbildet, trägt in dieser vierten Region seine Früchte. Aus dieser Region saugen daher Künstler, Gelehrte, große Erfinder während ihres Aufenthaltes im «Geisterland» ihre Impulse und steigern hier ihr Genie, um bei einer Wiederverkörperung in verstärktem Maße zur Fortentwickelung der menschlichen Kultur beitragen zu können. Man soll sich nicht vorstellen, daß diese vierte Region des «Geisterlandes» nur für besonders hervorragende Menschen eine Bedeutung habe. Sie hat eine solche für alle Menschen. Alles, was den Menschen im physischen Leben über die Sphäre des alltäglichen Lebens, [140] Wünschens und Wollens hinaus beschäftigt, hat seinen Urquell in dieser Region. Ginge der Mensch in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durch sie nicht hindurch, so würde er in einem weiteren Leben keine Interessen haben, welche über den engen Kreis der persönlichen Lebensführung hinaus zum allgemein Menschlichen führen. - Es ist oben gesagt worden, daß auch diese Region nicht im vollen Sinne das «reine Geisterland» genannt werden kann. Das ist deshalb der Fall, weil der Zustand, in dem die Menschen die Kulturentwickelung auf der Erde verlassen haben, in ihr geistiges Dasein hineinspielt. Sie können im «Geisterland» nur die Früchte dessen genießen, was nach ihrer Begabung und nach dem Entwickelungsgrade des Volkes, Staates und so weiter, in die sie hineingeboren waren, ihnen zu leisten möglich war.
In den noch höheren Regionen des «Geisterlandes» ist der Menschengeist nun jeder irdischen Fessel entledigt. Er steigt auf in das «reine Geisterland», in dem er die Absichten, die Ziele erlebt, die sich der Geist mit dem irdischen Leben gesetzt hat. Alles, was in der Welt schon verwirklicht ist, bringt ja die höchsten Ziele und Absichten nur in einem mehr oder weniger schwachen Nachbilde zum Dasein. Jeder Kristall, jeder Baum, jedes Tier und auch alles das, was im Bereiche menschlichen Schaffens verwirklicht wird, - all das gibt nur Nachbilder dessen, was der Geist beabsichtigt. Und der Mensch kann während seiner Verkörperungen nur anknüpfen an diese unvollkommenen Nachbilder der vollkommenen Absichten und Ziele. So kann er aber innerhalb einer seiner Verkörperungen selbst nur ein solches Nachbild dessen sein, was [141] im Reiche des Geistes mit ihm beabsichtigt ist. Was er als reist im «Geisterland» eigentlich ist, das kommt daher erst dann zum Vorschein, wenn er im Zwischenzustand wischen zwei Verkörperungen in die fünfte Region des Geisterlandes» aufsteigt. Was er hier ist, das ist wirklich r selbst. Das ist dasjenige, was in den mannigfaltigen ,Verkörperungen ein äußeres Dasein erhält. In dieser Region kann sich das wahre Selbst des Menschen nach allen Seiten frei ausleben. Und dieses Selbst ist also dasjenige, welches in jeder Verkörperung immer von neuem als das eine erscheint. Dieses Selbst bringt die Fähigkeiten mit, je sich in den unteren Regionen des «Geisterlandes» ausgebildet haben. Es trägt somit die Früchte der früheren Lebensläufe in die folgenden hinüber. Es ist der Träger er Ergebnisse früherer Verkörperungen.
Im Reiche der Absichten und Ziele befindet sich also las Selbst, wenn es in der fünften Region des «Geisterlandes» lebt. Wie der Architekt an den Unvollkommenheiten lernt, die sich ihm ergeben haben, und wie er in eine neuen Pläne nur das aufnimmt, was er von diesen Unvollkommenheiten in Vollkommenheiten zu wandeln vermochte, so streift das Selbst von seinen Ergebnissen aus früheren Leben in der fünften Region dasjenige ab, was mit den Unvollkommenheiten der unteren Welten zusammenhängt, und befruchtet die Absichten des «Geisterlandes», mit denen es nunmehr zusammenlebt, mit den Ergebnissen seiner früheren Lebensläufe. - Klar ist, daß die Kraft, die aus dieser Region geschöpft werden kann, davon abhängen wird, wieviel sich das Selbst während seiner Verkörperung von solchen Ergebnissen erworben hat, die geeignet sind, in die Welt der Absichten aufgenommen [142] zu werden. Das Selbst, das während des irdischen Daseins durch ein reges Gedankenleben oder durch weise, werktätige Liebe die Absichten des Geistes zu verwirklichen gesucht hat, wird sich eine große Anwartschaft auf diese Region erwerben. Dasjenige, das ganz in den alltäglichen Verhältnissen aufgegangen ist, das nur im Vergänglichen gelebt hat, das hat keine Samen gesät, die in den Absichten der ewigen Weltordnung eine Rolle spielen können. Nur das wenige, das es über die Tagesinteressen hinaus gewirkt hat, kann als Frucht in diesen oberen Regionen des «Geisterlandes» sich entfalten. Aber man soll nicht meinen, daß hier etwa vor allem solches in Betracht kommt, was «irdischen Ruhm» oder ähnliches bringt. Nein, gerade das kommt in Frage, was im kleinsten Lebenskreise zum Bewußtsein führt, daß alles einzelne seine Bedeutung für den ewigen Werdegang des Daseins hat. Man muß sich vertraut machen mit dem Gedanken, daß der Mensch in dieser Region anders urteilen muß, als er dies im physischen Leben tun kann. Hat er zum Beispiel weniges sich erworben, was mit dieser fünften Region verwandt ist, so entsteht in ihm der Drang, sich für das folgende physische Leben einen Impuls einzuprägen, welcher dieses Leben so verlaufen läßt, daß im Schicksal (Karma) desselben die entsprechende Wirkung des Mangels zutage tritt. Was dann in dem folgenden Erdenleben als leidvolles Geschick, vom Gesichtspunkte dieses Lebens aus, erscheint - ja vielleicht als solches tief beklagt wird -, das findet der Mensch in dieser Region des «Geisterlandes» als für ihn durchaus notwendig. - Da der Mensch in der fünften Region in seinem eigentlichen Selbst lebt, so ist er auch herausgehoben aus allem, was ihn [143] aus den niederen Welten während der Verkörperungen umhüllt. Er ist, was er immer war und immer sein wird während des Laufes seiner Verkörperungen. Er lebt in dem Walten der Absichten, welche für diese Verkörperungen bestehen und die er in sein eigenes Selbst eingliedert. Er blickt auf seine eigene Vergangenheit zurück und er fühlt, daß alles, was er in derselben erlebt hat, in die Absichten, die er in Zukunft zu verwirklichen hat, aufgenommen wird. Eine Art Gedächtnis für seine früheren Lebensläufe und der prophetische Vorblick: für seine späteren blitzen auf. - man sieht: dasjenige, was in dieser Schrift das «Geistselbst» genannt worden ist, lebt in dieser Region, soweit es entwickelt ist, in seiner ihm angemessenen Wirklichkeit. Es bildet sich aus und bereitet sich vor, um in einer neuen Verkörperung sich ein Vollziehen der geistigen Absichten in der irdischen Wirklichkeit zu ermöglichen.
Hat sich dieses «Geistselbst» während einer Reihe von Aufenthalten im «Geisterland» so weit entwickelt, daß es sich völlig frei in diesem Lande bewegen kann, dann wird es seine wahre Heimat immer mehr hier suchen. Das Leben im Geiste wird ihm so vertraut, wie dem irdischen Menschen das Leben in der physischen Wirklichkeit. Die Gesichtspunkte der Geisterwelt wirken fortan auch als die maßgebenden, die es für die folgenden Erdenleben zu den seinigen, mehr oder weniger bewußt oder unbewußt, macht. Als ein Glied der göttlichen Weltordnung kann sich das Selbst fühlen. Die Schranken und Gesetze des irdischen Lebens berühren es nicht in seiner innersten Wesenheit. Die Kraft zu allem, was es vollführt, kommt ihm aus der geistigen Welt. Die geistige Welt aber ist eine Einheit. [144] Wer in ihr lebt, weiß, wie das Ewige an der Vergangenheit geschaffen hat, und er kann von dem Ewigen aus die Richtung für die Zukunft bestimmen. Der Blick über die Vergangenheit weitet sich zu einem vollkommenen. Ein Mensch, der diese Stufe erreicht hat, gibt sich selbst Ziele, die er in einer nächsten Verkörperung ausführen soll. Vom «Geisterland» aus beeinflußt er seine Zukunft, so daß sie im Sinne des Wahren und Geistigen verläuft. Der Mensch befindet sich während des Zwischenzustandes zwischen zwei Verkörperungen in Gegenwart aller derjenigen erhabenen Wesen, vor deren Blicken die göttliche Weisheit unverhüllt ausgebreitet liegt. Denn er hat die Stufe erklommen, auf der er sie verstehen kann. In der sechsten Region des «Geisterlandes» wird der Mensch in allen seinen Handlungen dasjenige vollbringen, was dem wahren Wesen der Welt am angemessensten ist denn er kann nicht nach dem suchen, was ihm frommt, sondern einzig nach dem, was geschehen soll nach dem richtigen Gang der Weltordnung. Die siebente Region des «Geisterlandes» führt an die Grenze der «drei Welten». Der Mensch steht hier den «Lebenskernen» gegenüber, die aus höheren Welten in die drei beschriebenen versetzt werden, um da ihre Aufgaben zu vollbringen. Ist der Mensch an der Grenze der drei Welten, so erkennt er sich somit in seinem eigenen Lebenskern. Das bringt mit sich, daß die Rätsel dieser drei Welten für ihn gelöst sein müssen. Er überschaut also das ganze Leben dieser Welten. Im physischen Leben sind die Fähigkeiten der Seele, durch welche sie die hier geschilderten Erlebnisse in der geistigen Welt hat, unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen nicht bewußt. Sie arbeiten [145] in ihren unbewußten Tiefen an den leiblichen Organen, welche das Bewußtsein der physischen Welt zustande bringen. Dies ist gerade der Grund, warum sie für diese Welt unwahrnehmbar bleiben. Auch das Auge sieht nicht sich, weil in ihm die Kräfte wirken, welche anderes sichtbar machen. Will man beurteilen, inwiefern ein zwischen Geburt und Tod verlaufendes Menschenleben das Ergebnis vorangehender Erdenleben sein kann, so muß man in Erwägung ziehen, daß ein innerhalb dieses Lebens selbst gelegener Gesichtspunkt, wie man ihn zunächst naturgemäß einnehmen muß, keine Beurteilungsmöglichkeit liefert. Für einen solchen Gesichtspunkt könnte zum Beispiel ein Erdenleben als leidvoll, unvollkommen und so weiter erscheinen, während es gerade in dieser Gestaltung für einen außerhalb dieses Erdenlebens selbst liegenden Gesichtspunkt mit seinem Leid, in seiner Unvollkommenheit als Ergebnis früherer Leben sich ergeben muß. Durch das Betreten des Erkenntnispfades in dem Sinne, wie dies in einem der nächsten Kapitel geschildert wird, löst sich die Seele los von den Bedingungen des Leibeslebens. Sie kann dadurch im Bilde die Erlebnisse wahrnehmen, welche sie zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht. Solches Wahrnehmen gibt die Möglichkeit, die Vorgänge des «Geisterlandes» so zu schildern, wie es hier skizzenhaft geschehen ist. Nur wenn man nicht versäumt, sich gegenwärtig zu halten, daß die ganze Verfassung der Seele eine andere ist im physischen Leibe als im rein geistigen Erleben, wird man die hier gegebene Schilderung im rechten Lichte sehen. [146]