Bibliothek:Rudolf Steiner/Arbeitervorträge/GA 347 Die Erkenntnis des Menschenwesens/Dritter Vortrag: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 6. Juni 2009, 16:11 Uhr

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DRITTER VORTRAG

Dornach, 9. August 1922

Frage: Aus den Ferien werden von einem Zuhörer Steine mitgebracht. Es wird ge fragt, ob Steine auch Leben haben oder einmal Leben gehabt haben und wie sie geworden seien.

Dr. Steiner: An diese Steine kann ich vielleicht ein anderes Mal anknüpfen; aber vielleicht ist es auch möglich, daß ich es in unserer heu tigen Betrachtung noch einfügen kann.
Sehen Sie, meine Herren, da will ich folgendes sagen: Wir haben also gesehen, daß eigentlich in uns, im Menschen, eine Art Abtötung des Lebens stattfindet. Wir haben gesehen, daß wir im Blut diese herum kriechenden Tierchen haben, die weißen Blutkörperchen, die durch die Blutadern hindurch bis an unsere Haut kriechen. Ich habe Ihnen gesagt:
Es ist für diese Tierchen eine besondere Feinschmeckerei, wenn sie, während sie sonst nur im ganzen menschlichen Körper drinnen sind, an die Oberfläche kommen. Das ist für sie sozusagen das Gewürz des Lebens. Das sind also die lebendigen Zellen, die da herumkriechen. Im Gegensatz dazu habe ich Ihnen gesagt: Die Zellen im Nervensystem, namentlich die, die im Gehirn sind, das sind eigentlich Zellen, die fortwährend abgetötet werden, fortwährend ins Tote hineinkommen. Die Zellen im Gehirn sind so, daß sie eigentlich nur anfangen, etwas leben diger zu sein, wenn Sie schlafen. Da fangen die an, etwas lebendiger zu sein. Sie können sich dann nicht von ihrem Orte wegbewegen, weil sie sehr eingezwängt sind unter den anderen; sie können sich nicht so bewegen wie die weißen Blutkörperchen, aber sie fangen in der Nacht, während Sie schlafen, etwas zu leben an. Und darinnen liegt es auch, daß dann, wenn diese Zellen etwas mehr Lebens-, Willenskraft vom Körper bekommen, die weißen Blutkörperchen etwas ruhiger bleiben müssen. Und dadurch wird im ganzen Körper, wie ich Ihnen gesagt habe, eigentlich gedacht.
Nun wollen wir uns einmal die Frage vorlegen: Woher kommen denn eigentlich die Gedanken? - Nicht wahr, die Menschen, die da bloß materialistisch denken wollen, das heißt, bequem denken wollen,

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die sagen: Nun ja, Gedanken entstehen halt im Gehirn oder im Nerven system des Menschen. Da wachsen die Gedanken wie die Kohlköpfe auf dem Felde. - Aber wenn die Menschen nur das einmal ausdenken würden - «wie die Kohlköpfe auf dem Felde»! Auf dem Felde wach sen keine Kohiköpfe, wenn man sie nicht erst anbaut. Also, es müssen die Sachen zuerst angebaut werden sozusagen. Meinetwillen kann ja jeder im menschlichen Gehirn eine Art Acker sehen für die Gedanken. Aber denken Sie sich doch nur einmal: Wenn Sie einen schönen Acker mit Kohlköpfen haben, und derjenige, der ihn immer angebaut hat, weggezogen wäre und keiner sich finden würde, der weiter anbaut, so würde also auf dem Acker niemals Kohl wachsen.
Also es muß gesagt werden: Gerade wenn man meint, die Gedanken kommen aus dem Gehirn heraus, so muß man zuerst fragen: Woher kommen sie? Nun, so wie der Kohl aus dem Acker kommt! - Also die Frage muß erst richtig aufgefaßt werden. Und da müssen wir uns das Folgende sagen: Das, was Sie da sehen, das ist tatsächlich draußen in der Natur entstanden. Das, was da draußen in der Natur entsteht, das möchte ich Ihnen einmal erklären. Ich habe Ihnen gesagt: Wir finden alles im Menschen drinnen, wenn wir in der Umgebung des Menschen alles begreifen. Als wir auf die Pflanzen hingeschaut haben und so weiter, haben wir manches im Menschen begriffen. Jetzt haben wir da diesen Stein. Schauen wir uns einmal dieses Gestein ordentlich an. Sehen Sie, da ist darunter und dahinter und oben ein sehr weiches Gestein. Das können Sie mit dem Messer herunterkratzen. Das Äußere, was da drumherum ist, ist also einfach so wie eine etwas dichtere Erde. Das ist also so - ich will jetzt nur das Untere hierherzeichnen -: Da ist unten

[Bild GA 347 45]

dieses weiche Gestein, und geradeso wie wenn sie herauswachsen wür den, sind da auf diesem weichen Gestein allerlei Kristalle drauf, Kri stalle, die wie herauswachsen. Ich müßte viele zeichnen, nicht wahr,

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aber das ist schon genügend. Da sind also solche kleine Kristalle; die sind da drunten, wie wenn sie herausgewachsen wären, sind aber furcht bar hart. Die können Sie nicht mit dem Messer wegkratzen, die greift das Messer nicht an; höchstens, wenn Sie an eines herankommen, kön nen Sie eines als Ganzes abtrennen, aber hineinkratzen können Sie nicht. Das sind also harte Kristalle, die da eingebettet sind.
Nun wollen wir uns einmal fragen: Wie kommen in das weichere Erdreich, das nur ein bißchen kompakt zusammengebacken ist, solche Kristalle? Solche Kristalle sind also Körper, die sehr schön gestaltet sind; dahier haben sie eine solche Längsgestalt, und oben haben sie ein kleines Dacherl drauf. Unten würde auch noch ein Dacherl sein, wenn das nicht in die Erde hineinragen würde. Wenn das genügend weich wäre, so würde das bei jedem Kristall so sein; aber das geht zugrunde, wenn das hineinkommt ins Erdreich.
Woher kommen sie, diese Kristalle? Nicht wahr, wenn Pflanzen wachsen, dann muß außen, außerhalb der Pflanzen Kohlensäure sein. Die Pflanzen können sonst nicht wachsen. Derselbe Stoff, den wir aus atmen, der muß an die Pflanzen herankommen. Und dann, wenn die Kohlensäure an die Pflanzen herankommt, dann saugen die Pflanzen diese Kohlensäure ein, halten den Kohlenstoff, der in der Kohlensäure drinnen ist, zurück, und den Sauerstoff, den atmen sie wieder aus. Das ist ja der Unterschied zwischen den Menschen und den Pflanzen. Die Menschen atmen den Sauerstoff ein und atmen die Kohlensäure aus; wir halten den Sauerstoff zurück, während wir die Kohlensäure ab geben. Die Pflanze ist mit der Erde verbunden. Wenn die Pflanze ab-stirbt, so geht dieser Kohlenstoff in den Boden zurück und wird eben zu der schwarzen Steinkohle, die wir nach Jahrhunderten herausgraben aus der Erde.
So gibt es aber auch andere Stoffe. So gibt es einen Stoff, der der Kohle in einer gewissen Beziehung recht ähnlich ist, aber doch wie derum verschieden. Das ist der Kiesel. Nehmen Sie an, Sie haben einen Boden, der kieselreich ist, in dem viel Kiesel drinnen ist. Dann wirkt, weil immer Sauerstoff da ist, der Sauerstoff. Da drüber ist jetzt Sauer stoff. Dieser Sauerstoff wirkt zunächst nicht auf den Kiesel. Aber nach einiger Zeit, im Verlaufe der Erdenentwickelung, da findet man plötzlich,

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daß der Sauerstoff sich mit dem Kiesel vereinigt hat. Und so wie bei uns Kohlensäure entsteht, wenn wir ausatmen, so entsteht, wenn der Kiesel von der Erde richtig mit dem Sauerstoff zusammenkommt, Quarz, Kieselsäure; da entstehen nämlich solche Kristalle. Es braucht sich nur der Kiesel von der Erde zu verbinden mit dem Sauerstoff, dann entstehen solche Kristalle, wie sie dort sind.
Aber der Sauerstoff hat nicht von selber die Gewalt, sich mit dem Kiesel zu vereinigen. Sie können viel Kiesel haben und darüber Sauer stoff, es würde sich das alles nicht bilden. Warum bilden sich diese schönen Gestalten? Ja, die bilden sich eben, weil von allen Seiten im Weltenall Kräfte hereinwirken und die Erde fortwährend im Zusam menhang mit dem ganzen Weltenall ist. Da wirken fortwährend Kräfte herein, und diese Kräfte, die bringen den Sauerstoff in den Kiesel hinein, und dadurch entstehen solche Kristalle. So daß alle diese Kristalle dadurch entstehen, daß die Erde von allen anderen Gestirnen beeinflußt wird. Wir können also sagen: Diese Kristalle sind eigentlich aus der Welt herein gebildet.
Nun können Sie aber folgendes sagen: Was erzählst du uns da? Das Gestein, das der Erbsmehl uns gegeben hat, beweist ja das Gegenteil! -Das Gestein ist in Wirklichkeit so: Da ist drunten lockere Erde (siehe

[Bild GA 347 47]

Zeichnung), da drüber ist wieder lockere Erde, und da hinten ist wieder lockere Erde. Es ist ganz umgeben von lockerer Erde, und diese Kristall gestalten hier, die sind nicht nur so, daß sie da von unten nach oben auf wachsen, wie ich sie jetzt beschrieben habe, sondern da wachsen schon solche herauf, könnten Sie sagen, wenn nur diese von unten da wären. Aber das sind jetzt solche, die von oben entgegenwachsen. Jetzt könnten

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Sie sagen: Aber das kann man doch nicht vom Weltenall herein erklären, denn da müßte man ja annehmen, daß dieselben Kräfte vom Inneren der Erde herauskämen, die dann vom Weltenall hereinkommen müßten, wenn man sie nur von unten nach oben erklären würde.
Ja, sehen Sie, das ist ein scheinbarer Widerspruch. Da muß irgend etwas dahinter sein. Nun will ich Ihnen sagen, was dahinter ist.
Solche Gesteine entstehen ja nicht auf dem freien Erdboden, die ent stehen im Gebirge. Und wenn es auf dem freien Erdboden ist, so ist es ja auch so, daß da eben Erdschichten drüber und drunter sind, wie auch im Gebirge. Aber nehmen wir an, wir holen uns das aus dem Gebirge heraus. Denken Sie einmal, wir hätten solch ein Gebirge, und ich will den Abhang des Gebirges zeichnen. Wenn Sie nun da hinaufgehen

[Bild GA 347 48]

(siehe Zeichnung), gehen Sie so hinauf, und da müssen Sie natür lich da vorbeigehen, der Weg muß da gehen, die Erde oder der Felsen kann ein bißchen überhängen; Sie finden ja überall überhängende Erde, wenn Sie ins Gebirge gehen. Nun denken Sie sich einmal, vor sehr, sehr langer Zeit wäre dieses, was ich hier braun gezeichnet habe, da gewesen, hätte sich da abgelagert gehabt, und das hätte sich da abgelagert (siehe Zeichnung). Nach meiner Erklärung hätten sich jetzt durch die Kräfte aus dem Weltenall herein hier Kristalle gebildet, wie ich es ja erklärt habe, und dahier auch solche Kristalle. Es wären da unten Kristalle gewissermaßen herausgewachsen durch die Kräfte des Weltenalls, und da oben auch.

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Dann kam es später so, daß dieses, was da oben ist, herunterstürzte und das zudeckte. Also sehen Sie: Wenn das Obere da herunterstürzt, so fällt es so, daß dann das oben ist (siehe Zeichnung), und da unten sind die Kristalle, die ursprünglich nach oben gegangen sind, durch den Heruntersturz so, daß sie da drüber gefallen sind und von denen, die da unten gewesen sind, aufgehalten worden sind und sich so übereinan dergelagert haben. Die heruntergestürzten haben sich auf die unteren draufgelegt, so daß das Obere zuunterst gekommen ist.
So ist es in den Gebirgen nämlich fortwährend gegangen. Wer stu diert, findet, daß in den Gebirgen fortwährend solche Erdrutsche ge schehen sind, wo sich das Obere auf das Untere daraufgelegt hat. Das ist gerade das Interessante beim Gebirgsstudium. Wenn man in der Ebene geht, so hat man das Gefühl, weil das erst in den letzten Jahr-tausenden geschehen ist, daß immer eine Schicht über die andere ge lagert ist. Das könnten wir von den Alpen niemals sagen. Die Alpen sind allerdings vor langer Zeit auch auf diese Weise entstanden; aber dann haben sich die höheren Partien über die niederen Partien gestürzt, und die Alpen sind ganz durcheinandergeschmissene Erdschichten.
Deshalb ist es auch so schwer, die Alpen zu studieren, weil man über all nachdenken muß, ob dasjenige, was oben ist, auch so entstanden ist. Es ist oftmals nicht so entstanden, sondern so, daß da unten eine Schichte war, da eine Schichte oben, und dann hatte man durch einen Stoß das, was oben war, heruntergeschmissen; das hat sich drüber-gedeckt über dasjenige, was unten war. Und so sind diese Ineinander-faltungen, wie man sie nennt, im Gebirge im Laufe von Jahrtausenden und Jahrtausenden entstanden und haben solche Dinge zustande ge bracht. So daß man diese Dinge erst klären muß dadurch, daß sich wiederum die Gebirge übereinandergeschmissen haben. Man müßte also sagen: Das Untere ist an einem solchen Abhange entstanden (siehe Zeichnung), das Obere an einem solchen Abhange, und dahinter ist natürlich das Gebirge gewesen, so daß also das darübergefallen ist; das hat sich darübergelegt. So daß man also solch eine Sache, wo von unten und von oben Kristalle einander gegenüberstehen, erst erklären kann, wenn man weiß, daß auf der Erde nach und nach im Laufe von Jahr­tausenden alles durcheinandergeschmissen worden ist.

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Da haben wir also im ganzen leblosen Reich immer Kräfte, die aus dem Weltenall hereinwirken, und die auch in uns so wirken, daß wir ja eigentlich nun etwas tun müssen in uns, damit diese Kräfte uns nicht storen.
Denn sehen Sie, meine Herren, den Kiesel, der da in der Erde häufig ist, den haben wir nämlich auch in uns. Es ist allerdings nicht allzuviel, aber wir haben solche Stoffe in uns, aus denen so furchtbar harte Steine entstehen können. Aber wenn solche harte Gesteine in uns entstehen würden, wie Herr Erbsmehl hier einen mitgebracht hat, dann ginge es uns schlecht! Wenn zum Beispiel das Kind, das schon Kiesel in sich hat, nicht anders sich helfen könnte und überall solche, wenn auch ganz kleine - sie würden ja kleinwinzig sein - Kristalle entstehen würden, das wäre schon eine ganz schlimme Sache! Sie entstehen ja zuweilen bei einer Krankheit.
Auch der Zucker - das wissen Sie ja - kann Kristalle bilden. Wenn Sie Kandiszucker ansehen, so ist er ja auch aus Kristallen bestehend, die übereinandergelagert sind. Nun, Zucker haben wir sehr viel in uns. Die Menschen auf Erden essen nicht alle durchaus die gleiche Menge Zucker. Das ist also verschieden. Zum Beispiel in Rußland essen die Menschen sehr wenig Zucker, in England sehr viel Zucker -durchschnittlich natürlich. Danach unterscheiden sich aber auch wie der die Menschen. Der russische Charakter ist verschieden von dem englischen Charakter. Die Russen sind ganz andere Leute als die Eng länder. Das kommt vielfach davon her, daß die Russen wenig Zucker bekommen in den Nahrungsmitteln. Die Engländer essen solche Sachen, die sehr viel Zucker enthalten, viel Zucker enthaltende Nah rungsmittel.
Das hängt mit dem zusammen, was ich schon gesagt habe. Es wirken herein auf alles mögliche die Kräfte des Weltenalls. Der Mensch hat also viel Zucker in sich. Der Zucker, der will immer Kristall werden. Was können wir denn tun, damit er nicht Kristall wird?
Sehen Sie, ich habe Ihnen ja erzählt, daß viel Wasser in uns ist, leben diges Wasser: das löst den Zucker auf. Das wäre eine schöne Geschichte, wenn das Wasser nicht fortwährend den Zucker auflösen würde! Da würden sich solche kleinen Kristalle, wie Kandiszuckerkristalle bilden,

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und wir würden solche kleinen spießigen Kristalle in uns haben, wenn der Zucker nicht fortwährend aufgelöst würde. Wir Menschen brauchen Zucker zu unserer Nahrung, aber nur dann können wir ihn brauchen, wenn wir ihn fortwährend auflösen. Wir müssen ihn haben. Warum mussen wir ihn haben? Weil wir das ausführen müssen, daß wir ihn auflösen! Wir leben nicht allein davon, aber das gehört zu unserem Leben dazu, daß wir den Zucker auflösen. Also wir müssen ihn in uns hereinkriegen.
Aber wenn wir nun zu wenig Kraft haben, um diesen Zucker auf zulösen, dann bilden sich diese ganz kleinen Kriställchen, und die gehen dänn mit dem Urin ab. Und da kommt dann die Zuckerkrank heit, Diabetes. Und das ist dann die Erklärung dafür, warum Menschen zuckerkrank werden: Sie haben zu wenig Kraft, um den Zucker, der gegessen wird, wieder aufzulösen. Sie müssen Zucker kriegen, aber wenn sie zu wenig Kraft haben, den Zucker aufzulösen, kommt die Zuckerkrankheit. Der Zucker darf nicht so weit kommen, daß er dann in kleinen Kriställchen abgeht, sondern er muß aufgelöst werden. Der Mensch muß die Kraft haben, den Zucker aufzulösen. Darin besteht sein Leben.
Wenn man so etwas bedenkt, so kann man ja auch daraus erkennen, daß wir nicht nur die Kraft haben müssen, den Zucker aufzulösen, sondern wir müssen auch die Kraft haben, diese kleinen Kristalle, die sich als Quarzkristalle immer in uns bilden wollen - es sind ja wenige, aber sie wollen sich bilden, diese Quarzkristalle -, fortwährend auf­zulösen. Die dürfen sich nicht in uns bilden. Wenn sie sich schon beim Kind bilden würden, dann würde das Kind kommen und würde sagen:
Es ist entsetzlich, mich sticht es überall! Überall sticht es!
Was ist denn da geschehen, wenn es das Kind überall sticht? Ja, sehen Sie, da sind die kleinen Kieselkristalle, die in den Nerven ent standen sind, nicht aufgelöst worden. Die sind liegengeblieben. Sie müssen sich nicht vorstellen, daß das Riesenmassen sind. Es sind ganz wenige, winzige, die man nicht einmal mit dem Mikroskop so leicht finden kann; viel kleiner als ein Zehntausendstel eines Millimeters. Wenn sich viele ganz winzige Kristalle in dem Nervensystem an gesammelt haben, dann bekommt der Mensch überall kleinwinzige

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Stiche, die er sich nicht erklären kann. Es sticht ihn überall. Und außerdem werden kleine Entzündungen hervorgerufen dadurch, daß das geschieht; ganz kleine Entzündungen werden hervorgerufen. Und dann ist der Mensch rheumatisch oder er hat Gicht. Die Gicht ist nichts anderes, als daß sich solche kleinen winzigen Kristalle absetzen. Diese Schmerzen, die der Mensch hat, die kommen davon. Und daß der Mensch bei der Gicht die Gichtknoten bekommt, das kommt von den Entzündungen. Wenn Sie sich einen Nagel einstoßen, entsteht eine Ent­zündung. Diese kleinen Spießchen, die kommen von innen heraus, drängen sich an die Oberfläche. Da entstehen innere kleine Entzündungen, und da bilden sich dann durch diese Entzündungen diese Gichtknoten.
Das sind also lauter Vorgänge, die im Inneren des Menschen wirken können. Daraus aber sehen Sie, daß wir eigentlich immer in uns Kräfte haben müssen, die, sagen wir, gegen die Gicht wirken müssen, sonst würden wir als Menschen fortwährend Gicht kriegen. Die dürfen wir aber nicht fortwährend kriegen. Also es muß fortwährend da dahinter sein das, daß wir entgegenarbeiten können.
Was heißt denn nun das? Ja, sehen Sie, das heißt: Da vom Weltenall herein wirken Kräfte. Die wollen eigentlich nicht zu große, aber mikro skopisch kleinwinzige Kriställchen in uns bilden. Wenn diese Kräfte da hereinkommen und diese Kristalle hier bilden, wirken sie auch in uns herein, so daß wir von diesen Kräften fortwährend durchsetzt sind, und wir müssen in unserem Inneren diejenigen Kräfte entwickeln, die diese Sache fortwährend ins Nichts bringen. Wir müssen fortwährend diesen Kräften entgegenarbeiten. Wir müssen also in uns Kräfte haben, die diesen Kräften entgegenarbeiten. In uns kommen auch diese Kräfte des Weltenalls hinein; aber denen wirken wir entgegen - und besonders stark in den Nerven. In den Nerven würden fortwährend ganz mine ralische Substanzen entstehen, wenn wir ihnen nicht entgegenarbeiten würden.
Die mineralischen Substanzen müssen entstehen, denn, sehen Sie, es gibt Kinder, die blöde bleiben und die früh sterben. Wenn man solche blöde gebliebenen Kinder dann seziert, so findet man oftmals, daß sie zu wenig von dem haben, was man Gehirnsand nennt. Ein bißchen

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Gehirnsand muß jeder in sich haben. Der muß entstehen, der Gehirn-sand, und er muß immer wieder aufgelöst werden.
Nun kann aber auch zu viel liegen bleiben, wenn wir zu wenig Kraft haben, um ihn aufzulösen. Aber, meine Herren, dasjenige, was Sie fort während tun in Ihrem Gehirn, das ist, daß sich fortwährend Sand im Gehirn absetzt, wenn Sie die Nahrungsmittel in Ihr Blut hineinkriegen. Damit wird er fortwährend abgelagert. Und der Gehirnsand, der da drinnen ist (es wird gezeichnet), ist den Kräften des Weltenalls geradeso ausgesetzt, wie das, was in der Natur draußen ist, so daß sich also da drinnen fortwährend winzige Kristalle bilden wollen. Die dürfen sich aber nicht bilden. Wenn wir keinen Gehirnsand haben, werden wir blöde. Wenn sich die Kristalle bilden würden, würden wir fortwährend in Ohnmacht fallen, weil wir gewissermaßen Gehirnrheumatismus oder Gehirngicht kriegen würden. Denn im übrigen Körper tut es einem bloß weh; wenn aber das Gehirn diese Kriställchen in sich enthält, kann man nichts mehr machen und fällt in Ohnmacht. Also Gehirn sand braucht man, aber man muß ihn fortwährend auflösen. Das ist ein fortwährender Prozeß, daß Gehirnsand abgelagert wird, aufgelöst wird, abgelagert wird, aufgelöst wird.
Wenn zu viel abgelagert wird, kann er manchmal auch die Wände von den Blutadern im Gehirn verletzen. Dann tritt das Blut aus. Dann kommt der Schlag, nicht nur die Ohnmacht, sondern der Schlag, der Gehirnschlag.
Also gerade wenn man die Krankheitsprozesse studiert, sieht man ein, was der Mensch eigentlich in sich hat. Denn in der Krankheit ist auch alles das in uns, was in einem gesunden Menschen ist, nur zu stark. Kranksein heißt nichts anderes, als daß wir irgend etwas zu stark aus bilden.
Das geschieht ja im Leben auch, meine Herren. Sie haben schon gesehen, daß wenn ein kleines Kind da ist und man berührt es an der Wange mit der Hand, und zwar sanft, schwach; dann ist es eine Lieb kosung, man streichelt es. Und man kann ja auch dieselbe Berührung mit der Hand zu stark machen; dann ist es nicht mehr eine Liebkosung, dann ist es eine Ohrfeige.
Nun, sehen Sie, so ist es überhaupt in der Welt. Die Dinge, die auf

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der einen Seite Liebkosung sein können, können auf der anderen Seite Ohrfeige sein. Und so wird im Leben auch dasjenige, was da sein muß im Gehirn, diese sanfte Arbeit im Gehirnsand, zu einer Lebensohrfeige, wenn sie zu stark wird, wenn also die Kraft in uns zu schwach ist, daß wir dieses Mineralische, das wir in uns haben, nicht auflösen können. Dann würden wir also fortwährend ohnmächtig werden oder wenn es zu stark wird, wenn diese Kriställchen uns die Blutadern immer durchstoßen, würden wir einen Gehirnschlag kriegen. Es müssen also fortwährend diese Kriställchen von uns aufgelöst werden. Diese Sache, die ich Ihnen jetzt erzählt habe, die geht fortwährend in Ihnen vor sich.
Ich will Ihnen jetzt noch etwas anderes sagen. Wir wollen einmal die Dinge ganz anschaulich machen. Nehmen wir an, Sie haben hier den Menschen - ich will es ganz schematisch zeichnen -, hier haben Sie

[Bild GA 347 54]

sein Gehirn, hier sein Auge, und hier will ich etwas herzeichnen, das Sie irgendwie anschauen, also, sagen wir, es steht vor Ihrem Auge meinetwillen eine Pflanze.
Jetzt wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit dieser Pflanze zu. Sehen Sie, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit dieser Pflanze zuwenden - Sie können das natürlich nur, wenn da ringsumher Tag ist - und die Pflanze wird beschienen von den Sonnenstrahlen, dann ist sie hell, dann bekommen

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Sie die Lichtwirkung in Ihr Auge hinein. Durch den Sehnerv aber, der da vom Auge nach rückwärts geht, geht das, was Lichtwirkung ist, in Ihr Gehirn hinein. Wenn Sie also eine Pflanze anschauen, so sind Sie durch Ihr Auge auf die Pflanze gerichtet, und von der Pflanze aus geht die Lichtwirkung durch Ihr Auge nachher ins Gehirn hinein.
Meine Herren, wenn Sie auf diese Weise die Pflanze anschauen, zum Beispiel eine Blume, da sind Sie auf die Blume aufmerksam. Das heißt aber sehr viel: man ist auf eine Blume aufmerksam. Wenn man auf die Blume aufmerksam ist, dann vergißt man eigentlich auch sich selber. Sie wissen ja, man kann so aufmerksam sein, daß man überhaupt ganz sich selber vergißt. In dem Augenblick, wo man das nur ein ganz klein bißchen vergißt, daß man da hinguckt auf die Blume, entsteht gleich irgendwo im Gehirn die Kraft, welche etwas Gehirnsand absondert. Also hingucken heißt, von innen heraus Gehirnsand absondern.
Dieses Absondern, das müssen Sie sich als einen ganz menschlichen Prozeß vorstellen. Sie werden es schon bemerkt haben, daß man nicht nur schwitzt, wenn man sich sehr anstrengt, sondern auch, wenn man zum Beispiel eine furchtbare Angst vor etwas hat, sondert man nicht gerade Gehirnsand, aber andere Salze, und damit Wasser ab durch seine Haut. Das ist Absonderung. Aber anschauen heißt, fortwährend Ge hirnsand absondern. Wenn einer ganz aufmerksam auf etwas hinschaut, dann sondert sich fortwährend Gehirnsand ab. Und da liegt das vor, daß wir diesen Gehirnsand auflösen müssen. Denn würden wir diesen Gehirnsand nicht wieder auflösen, dann würde in uns aus dem Gehirn sand im Gehirn eine winzige kleine Blume entstehen! Die Blume an schauen, das heißt eigentlich, daß sich in uns aus dem Gehirnsand eine ganz kleine, winzige Blume bildet, die dann nur von oben nach unten gerichtet ist, so wie das Bildchen im Auge auch von oben nach unten gerichtet ist. Das ist der Unterschied, meine Herren.
Es ist so: Wenn wir einen Stuhl anschauen - es braucht nicht einmal eine Blume zu sein -, bildet sich durch das Anschauen da drinnen ein bißchen Gehirnsand, und wenn wir uns jetzt nur diesem Anschauen überlassen würden, würden wir da drinnen in uns ein ganz kleines - viel kleiner, als es im Mikroskop sein kann -, ein winziges Bildchen aus Kieselsand von diesem Stuhl kriegen. Und wenn ich da in einem solchen

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Raume stehen würde, und ich würde eine gewisse Kraft des Anschauens als Mensch entwickelt haben, würde in mir der ganze Raum umgekehrt, nur mit dem Boden oben, als Bild aus ganz winzig kleinen Kieselsteinen zusammengesetzt sein. Es ist ganz kolossal, wie da in uns fortwährend gebaut wird. Nur sind wir solche Kerle, die das dann nicht entstehen lassen. Ohne daß wir das mit dem Bewußtsein tun, lösen wir die ganze Geschichte wieder auf. In dieser Beziehung sind wir ganz eigentümlich als Menschen eingerichtet. Wir schauen uns die Welt an. Die Welt will fortwährend in uns solche Gestaltungen bilden, welche so sind wie die Welt, nur umgekehrt. Und wenn wir nicht dabei wären, wenn wir gar nicht anschauen würden, so würden sich - namentlich in der Nacht, wenn wir schlafen, wenn wir von innen heraus die Kraft nicht ent wickeln würden, aufzulösen - fortwährend durch dasjenige, was im Weltenall ist, solche Gestaltungen bilden. Diese Gestaltungen bilden sich auch hauptsächlich, wenn die Erde nicht von der Sonne, vom Licht beschienen ist, sondern von Kräften, die von viel weiter herkommen, bilden sich diese. Aber diesen Kräften sind wir immer hingegeben. So daß wir also sagen können: Wenn wir schlafen, dann wollen sich in uns fortwährend durch das Weltenall allerlei mineralische, leblose Gestal ten bilden, und wenn wir anschauen, dann wollen sich in uns ebenso Gestalten bilden, die nur so sind wie unsere Umgebung. Wenn wir schlafen, bilden wir das Weltenall nach. Im Weltenall ist alles kristal linisch angeordnet. Das, was wir da (in den Kristallen) sehen, ist des halb so, weil die Kräfte im Weltenall eben so angeordnet sind wie die Kristalle. Die einen gehen so hin, die anderen gehen so hin, so daß die Kristalle aus dem ganzen Weltenall gebildet werden. Das will aber in uns geschehen. Und wenn wir wahrnehmen, wenn wir unsere unmittel bare Umgebung anschauen, will sich das, was in unserer unmittelbaren Umgebung ist, gestalten. Wir müssen fortwährend verhindern, daß das fest wird, müssen fortwährend auflösen.
Nun, meine Herren, da geht ein eigentümlicher Vorgang vor sich. Denken Sie sich, die Blume will da drinnen ein lebloses Kieselbild von sich bilden. Das darf nicht entstehen, sonst würden wir von der Blume nichts wissen, sondern Gicht kriegen im Kopfe. Das muß also erst auf gelöst werden.

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Ich will diesen Vorgang, der da fortwährend vor sich geht, Ihnen noch dadurch anschaulich machen, daß ich folgendes sage. Nehmen Sie an, Sie hätten hier einen Topf mit lauwarmem Wasser und einer ver binde Ihnen die Augen, und nachdem er Ihnen die Augen verbunden hat, bringt er irgendeinen Gegenstand, der in diesem lauwarmen Was ser auflösbar ist. Sie sollen mit Ihrer Hand nur in dieses lauwarme Wasser hineingreifen. Den Gegenstand sehen Sie nicht, weil Sie die Augen verbunden haben. Aber der andere kann Sie jetzt fragen: Sieh einmal, du greifst jetzt mit deiner Hand ins Wasser hinein; fühlst du etwas da drinnen? - Ja, das lauwarme Wasser. - Fühlst du noch etwas anderes darinnen? - Ja, es wird um die Finger herum kalt.
Woher kann das kommen? Der andere hat nämlich einen Gegen stand ins Wasser hineingegeben, der sich auflöst! Und dieses Auflösen bewirkt eben um die Finger herum, daß dieses lauwarme Wasser kälter wird. Er spürt dieses Auflösen um seine Finger herum, und er kann sagen: Da drinnen löst sich etwas auf.
Das ist aber fortwährend der Fall, wenn wir hier drinnen den Ge genstand gebildet haben und ihn wieder auflösen müssen. Wir spüren die Auflösung und sagen dann, weil wir die Auflösung spüren: Ja, da draußen ist der Gegenstand, denn der hat uns ein Bild gebildet, und das Bild, das haben wir aufgelöst. Weil wir das aufgelöst haben, wissen wir, wie der Gegenstand ausschaut. Dadurch kommt uns der Gedanke an den Gegenstand, weil wir zuerst das Bild des Gegenstandes auflösen müssen. Dadurch kommt der Gedanke. Wir würden, wenn wir nur das Bild hätten, in Ohnmacht fallen. Wenn wir aber so stark sind, daß wir das Bild auflösen, dann wissen wir davon. Das ist also der Unterschied zwischen In-Ohnmacht-Fallen, wenn wir etwas sehen, oder ein Wissen haben davon.
Betrachten Sie also jemand, der, sagen wir, etwas kränklich ist, und es kommt ein furchtbarer Donner - das kann geschehen. Da wird in ihm von diesem Donner, wenn auch nicht durch das Auge, sondern durch das Ohr Gehirnsand abgelagert, ein Bild gebildet. Er kann das nicht schnell genug auflösen. Er bekommt vielleicht eine Ohnmacht, verliert das Bewußtsein. Wenn er gesund ist, verliert er nicht das Be wußtsein, das heißt, er hat seinen Gehirnsand schnell genug aufgelöst.

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Also In-Ohnmacht-Fallen heißt, den Gehirnsand nicht schnell genug auflösen. Nicht-in-Ohnmacht-Fallen heißt, den Gehirnsand schnell genug auflösen. Wir müssen immer, indem wir die Dinge um uns herum anschauen, den Gehirnsand schnell genug auflösen.
Damit kommen wir also zu dem, wie der Mensch zu den Kräften im ganzen Weltenall steht. Ich habe Ihnen das letzte Mal gesagt: Wenn der Mensch so zu den Kräften im Weltenall steht, daß in seinem Gehirn die Gehirnzellen fortwährend sterben wollen, dann sind sie ja total unlebendig, dann muß er sie handhaben. Das ist sein Seelisch-Geistiges, mit dem er sie handhabt. Jetzt finden wir sogar die Kraft, die fort während die Gehirnzellen auflöst. Der Gehirnsand macht ja die Zellen fortwährend tot. Daß sich da Gehirnsand hereinmischt, das macht die Zellen fortwährend tot. Und wir müssen dem entgegenarbeiten. Und das, sehen Sie, das ist der Grund, warum wir Menschen sind: Damit wir in einer gewissen Weise dem Gehirnsand entgegenarbeiten können.
Beim Tiere ist das nicht in derselben Weise der Fall. Das Tier kann nicht so stark, wie wir Menschen, dem Gehirnsand entgegenarbeiten. Daher hat das Tier nicht einen solchen Kopf, wie wir ihn haben, höch stens die höheren Tiere. Wir haben einen solchen Kopf, der alles, was fortwährend in uns hereinkommt, auflösen kann. Dieses Auflösen dessen, was in uns hereinkommt, das ist es, was beim Menschen be wirkt, daß der Mensch sich so empfinden kann, daß er sagt: Ich. - Das ist die stärkste Auflösung des Gehirnsandes, wenn wir sagen: Ich. - Da durchdringen wir unsere Sprache mit dem Bewußtsein. Also der Gehirnsand löst sich auf, überhaupt der ganze Nervensand. Beim Tier ist das nicht der Fall. Daher bringt es das Tier zum Schreien oder zu so etwas ähnlichem, aber nicht zu der wirklichen Sprache. Daher hat kein Tier die Möglichkeit, sich selbst zu empfinden, Ich zu sich zu sagen wie der Mensch, weil der Mensch in einem viel höheren Maße den Gehirnsand auflöst.
So daß wir sagen können: Wir arbeiten in uns nicht nur demjenigen entgegen, was auf der Erde ist, sondern wir wirken auch den Kräften des Weltenalls entgegen. Die Kräfte des Weltenalls, die würden uns innerlich kristallisieren. Wir würden innerlich ein Gebirge werden mit allen solchen Übereinanderschichtungen von Kristallen. Wir arbeiten

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innerlich dem entgegen. Wir lösen das fortwährend auf. Wir wirken fortwährend mit den auflösenden Kräften den Kräften des Weltenalls entgegen.
Und so lösen wir nicht nur Kieselsäure auf - denn das ist Kieselsäure, was diese Kristalle hier bilden -, wir lösen alles mögliche auf; wir lösen die Bestandteile, die der Zucker hat, auf und so weiter.
Man kann ja förmlich diesen Geschichten nachgehen. Nehmen Sie an, ein Mensch weiß gar nichts eigentlich so richtig davon - denn solche Sachen spielen sich wie ein Instinkt im Menschen ab -, aber er spürt doch etwas Unbestimmtes in sich. Denken Sie sich, der Mensch spürt:
Ach, ich komme eigentlich nicht richtig zum Denken, ich kann nicht recht meine Gedanken zusammenhalten.
In diese Stimmung kann ja ganz besonders leicht ein Journalist kom men, der jeden Tag einen Artikel schreibt. Ja, meine Herren, jeden Tag einen Artikel schreiben, das heißt furchtbar viel Gehirnsand auflösen -furchtbar viel Gehirnsand auflösen! Das ist eine ganz eklige Geschichte, jeden Tag einen Artikel schreiben, denn das heißt, fürchterlich viel Gehirnsand auflösen. Und da fängt man dann an, wenn man den Ar tikel schreiben soll - wenigstens früher war das so -, an dem hinteren Teil des Federstiels herumzuknabbern. Das ist ja etwas, was man be sonders den Journalisten nachgesagt hat, daß sie hinten ihre Federstiele zerbeißen, um noch die Kräfte in sich heraufzuholen. Nicht wahr, wenn man etwas anbeißt, da holt man noch die letzten Kräfte aus dem ganzen Körper herauf, um sie im Kopf zu haben, um noch diesen Gehirnsand zu bezwingen. Viel Gehirnsand muß man auflösen.
Das alles geht so instinktiv vor sich. Natürlich sagt der Journalist sich nicht: Ich zerbeiße meinen Federstiel, um zu Gedanken zu kom men. - Das kann weitergehen. In diesem Instinkt geht er dann ins Kaffeehaus und trinkt da schwarzen Kaffee. Sie denken sich gar nichts dabei, die Journalisten, weil sie über diese Vorgänge nichts wissen. Aber wenn sie nun schwarzen Kaffee getrunken haben - Donnerwetter, da geht die Geschichte, da können sie wieder schreiben, wenn sie schwar zen Kaffee getrunken haben.
Woher kommt das? Das kommt daher, daß in diesem Falle mit dem schwarzen Kaffee das sogenannte Koffein aufgenommen wird. Das ist

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ein giftiger Stoff, der sehr viel Stickstoff enthält. Der Stickstoff ist in der Luft. Aber da können wir ihn wieder hereinkriegen. Mit der At mung kriegen wir immer eine gewisse Menge Sauerstoff und Stickstoff. Derjenige nun, der den Gehirnsand auflösen muß, der braucht gerade zur Auflösung des Gehirnsandes eine Kraft, die ganz besonders im Stickstoff liegt. Aus dem Stickstoff heraus holen wir uns diese Kraft, um uns den Gehirnsand aufzulösen.
Deshalb sind wir in der Nacht, wenn wir schlafen, auch mächtiger dem Stickstoff ausgesetzt, als wenn wir wachen, und wir haben ja ge sagt: Dadurch, daß wir mehr Sauerstoff einatmen, leben wir sehr viel schneller; wenn wir mehr Stickstoff einatmen, würden wir viel lang samer leben und würden also mehr da sein. Wir könnten mehr auflösen.
Der Journalist, der Kaffee trinkt, rechnet nämlich ganz unbewußt auf diesen Stickstoff, den er da in sich kriegt, und durch diesen Stick stoff, den er gerade durch das Koffein kriegt, bekommt er die Möglich keit, mehr Gehirnsand zu bilden und dann auch mehr auflösen zu kön nen. Dann braucht er nicht mehr am Federstiel zu knabbern, sondern kann mit der Feder schreiben, weil seine Gedanken sich wieder mehr aneinanderschließen.
Also Sie sehen, wie da das menschliche Ich arbeitet. Das menschliche Ich befördert, weil Sie ja in den Magen hineinkriegen eine stickstoffreiche Nahrung, das Koffein, befördert ins Gehirn hinein diesen Stick stoff, und dadurch wird uns die Auflösung des Gehirnsandes erleich tert, und wir kriegen dadurch die Möglichkeit, einen Gedanken mit dem anderen zusammenzubringen.
Manche Menschen haben wiederum die Eigentümlichkeit, daß ihnen die Gedanken zu stark zusammenhalten, daß sie nicht loskommen von ihren Gedanken. Die sind so, daß sie veranlagt sind dazu, eigentlich immerfort an ihrem Gehirnsand zu arbeiten. Ja, die tun dann gut, wenn sie den entgegengesetzten Prozeß machen. Während der eine dadurch in seinen Gedanken zusammengehalten wird, daß er irgendeinen zu sammenhängenden Gedankengang entwickeln kann, muß der andere sich mit dem Koffein, sich mit dem Kaffee helfen. Wer aber seine Gedanken nicht zu stark zusammenhalten will, sondern sie brillieren, glänzen lassen will, wer, wie man sagt, den Menschen Gedanken an den

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Kopf schmeißen will, was sehr geistreich ausschaut, der trinkt dann Tee. Das hat den entgegengesetzten Einfluß. Das treibt die Gedanken auseinander. Und da wird eine andere Auflösung des Gehirnsandes unterstützt.
So daß tatsächlich diese Geschichte, die da im Menschen vor sich geht, eine außerordentlich interessante, komplizierte ist. Jedes Nah rungsmittel wirkt in verschiedener Weise, und wir müssen immer dem, was da eigentlich entstehen will, das Entgegengesetzte hinzufügen. Wir müssen es wiederum auflösen. Das ist eigentlich jetzt unser höchstes Geistiges, durch das wir fortwährend unseren Menschen eigentlich innerlich auflösen.
Und sehen Sie, wenn dann ein Mensch in einer gewissen Weise so ißt, daß er eine Zeitlang zu wenig bekommt von dem, was genügend viel Stickstoff enthält, dann geschieht eben dasjenige, was ihn so leicht zum Schlafen bringt, worüber mich einer der Herren auch gefragt hat.
Also dies beruht darauf, daß wir mit den Nahrungsmitteln zu wenig Stickstoff kriegen. Und deshalb müssen wir in einem solchen Falle, wenn wir zu stark schläfrig werden, versuchen, stickstoffreichere Nah rung in uns aufzunehmen. Das kann natürlich in der verschiedensten Weise geschehen. Aber es geschieht namentlich dann, wenn wir ver­suchen, etwa, sagen wir, Käsiges oder Eiweiß, also Eier zu uns zu nehmen. Dann wird der Stickstoff in uns immer wieder aufgebessert. So muß man eben im Menschen arbeiten, daß er in der Lage ist, mit demjenigen, was sein Ich ist, in dieser Sache zu arbeiten.
Ich sagte Ihnen heute zum Anfang: Der Acker kann da sein, Kohl-köpfe können darauf wachsen; sie wachsen aber nicht, wenn der Mensch nicht da ist, der die Kohlköpfe anbaut. Aber der Acker muß auch richtig zubereitet sein. So muß unser Gehirn die nötigen Stoffe enthalten, damit unser Ich drinnen arbeiten kann. Aber dieses Ich hängt zusammen mit den ganzen weiten Kräften des Weltenalls, die et was anderes wollen. Diese Kräfte des Weltenalls, die wollen uns immer fort zu ganz harten Steinen machen, und wir müssen uns immer wieder auflösen. Wenn wir uns nicht auflösen könnten, würden wir nicht den ken können, würden wir nicht zum Ich-Bewußtsein kommen. In die sem Auflösen besteht dasjenige, was wir unser Ich-Bewußtsein nennen.

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Sehen Sie, meine Herren, diese Fragen müssen ja zuallererst ver nünftig beantwortet werden, wenn man weitergehen will im Wissen schaftlichen zu einer Weltanschauung, wenn man etwas wissen will vom Menschen in seinem Verhältnis zur Welt. Es ist das Allerwichtigste im Menschen, daß der Mensch etwas begreift, was mit seiner Auflösung zusammenhängt. Wir sehen einen Menschen sterben, das heißt, er löst sich jetzt ganz auf als physischer Mensch. Wenn man nicht weiß, daß in jedem wachen Augenblick eine Auflösung in uns vor sich geht, so können wir niemals begreifen, was die Auflösung bedeutet, die da sich vollzieht, wenn der Mensch sich im Tode auflöst.
Also das muß man zunächst wissen, meine Herren, daß wir uns eigentlich dadurch, daß wir in uns den Weltenkräften entgegenarbeiten können, fortwährend auflösen können in uns. Die Auflösung wird nur fortwährend aufgehoben, weil die Ernährung uns die Stoffe wieder liefert, durch die wir auflösen. Wenn aber der Mensch so geworden ist, daß er die Stoffe, die er in sich hat, nicht mehr auflösen kann, dann löst er sich selber auf. Dann wird der Mensch eine Leiche; dann löst er sich selber auf.
Wenn wir wieder zusammenkommen, müssen wir fragen: Was ist nun dann der Fall, wenn der Mensch sich selber auflöst? - Heute sind wir wenigstens so weit gekommen, daß wir wissen: Es ist fortwährend ein Auflösungsprozeß da, und wenn wir nicht die Kraft haben - da durch, daß wir zu wenig Stickstoff in uns haben -, die Sachen aufzu lösen, die in uns sich bilden wollen aus dem Weltenall heraus, so wird unser Ich zuerst ohnmächtig, oder aber es wird schläfrig. Schläfrig sein bedeutet eben, wir können nicht genug auflösen, es überwältigt uns die Kraft des Ablagerns. Und so, nicht wahr, steigern sich diese Kräfte.
Aber gerade so, wie Sie da sind, wenn Sie einschlafen, denn Sie kön nen wieder aufwachen, so müssen Sie nicht aus dem, was äußerlich im Leibe geschieht, auf das Geistige schließen. Denn geradeso wie an der Maschine nichts geschehen kann, ohne daß der Mensch dabei ist, könnte am Menschen nichts geschehen, ohne daß nicht der Geist dabei ist. Das ist wissenschaftlich, meine Herren, das andere ist unwissenschaftlich. Das ist nicht etwas, was ich Ihnen etwa aufbinden will; das ist etwas,

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was derjenige sich erobert, der wirklich die Sache wissenschaftlich ganz ernst nehmen kann.
Anfang September werden wir diese Betrachtungen fortsetzen. Sie werden schon sehen, daß die Sache weit hineinführt in das Verständnis des Menschen, auf allen möglichen Umwegen darauf führt, daß Sie den Menschen im Alltag verstehen können. Sie werden noch ganz anders den Menschen verstehen, wenn wir jetzt weiterreden, auf Grund dessen, was wir jetzt schon eine Zeitlang besprochen haben. Der Mensch wird immer wieder hergestellt, er löst sich auf und so weiter. Das wollen wir in der nächsten Zeit weiter betrachten. Dann werden Sie schon sehen, wie eigentlich der Mensch für einen wirklichen Wissenschafter beschaffen ist.