Gegenstands-Bewusstsein

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Das Gegenstands-Bewusstsein (auch Wachbewusstsein, Tagesbewusstsein genannt) ist das hellste Bewusstsein, über das der Mensch heute in der Regel verfügt. Es wird im täglichen Schlaf-Wach-Rhythmus durch den nächtlichen Tiefschlaf ausgewogen. Das Gegenstandsbewusstsein hat sich erst während der Erdenentwicklung gebildet und ist auch insofern ein rein irdisches Bewusstsein, als es jegliche kosmische Weite verloren hat. Frühere Bewusstseinszustände waren zwar dumpfer als das wache Tagesbewusstsein, der Mensch erlebte durch sie aber unterschwellig das kosmische Geschehen wenigstens teilweise mit. Diese früheren Bewusstseinszustände haben sich in modifizierter Weise durchaus erhalten, werden aber heute durch das helle Tagesbewusstsein vollkommen überstrahlt und damit in den Bereich des Unterbewusstseins gedrängt. Dieses Bewusstsein, das der Mensch heute auf dem physischen Plan hat, ist zugleich eine Art von Schlaf gegenüber dem Miterleben der höheren Welten.

Mittels des Gegenstands-Bewusstseins nimmt der Mensch die Gegenstände der sinnlichen Welt wahr und versucht sie in ihrem gesetzmäßigen Zusammenhang durch den sinnlichen Verstand zu begreifen. Erstmals wird durch diesen Bewusstseinszustand ein Innen und ein Außen unterschieden. Indem man sich dadurch im Bewusstsein von der Welt zu trennen vermag, wird das Selbstbewusstsein möglich, dass es auf früheren Verkörperungen unserer Erde noch nicht gegeben hat (siehe -> Weltentwicklungsstufen). Mit dem Gegenstandsbewusstsein entsteht notwendig im Gegenschlag das Ich-Bewusstsein.

Von allen irdischen Wesen hat nur der Mensch das Gegenstandsbewusstsein weitestgegend ausgebildet. Bei den höheren Tieren tritt es höchstens ansatzweise auf.

Das erste Aufleuchten des Ich-Bewusstseins geschah, als sich die Sinnesorgane nach außen öffneten. Die ägyptischen Eingeweihten bezeichneten das als den Skorpion-Stachel, der die Sinnesorgane durchstach. (Lit.: GA 105, S 77) Das Gegenstandsbewusstsein des Menschen konnte sich erst entwickeln, als sich während der Erdenentwicklung in der lemurischen Zeit der Mond von der Erde getrennt hatte.

Die Entstehung des Gegenstandsbewusstseins

Jede planetarische Weltentwicklungsstufe dient dazu, einen neuen Bewusstseinszustand zu entwickeln. Auf den Entwicklungsstufen, die unserer Erdentwicklung vorangegangen sind, gab es das Gegenstandsbewusstsein noch nicht; nicht nur der Mensch, auch die höheren Hierarchien hatten es damals noch nicht, es konnte erst mit der Bildung unserer Erdenwelt entstehen.

"Ein solches Bewußtsein, wie es der Mensch als Erdenbewußtsein hat, wurde ihm vorbehalten bis zur Erdenzeit. Und nicht nur der Mensch hatte es nicht, es hatten es auch nicht alle die anderen Wesenheiten, die wir anführen als zu dieser oder jener Hierarchie gehörig. Es wäre oberflächlich, wenn Sie denken würden, weil zum Beispiel die Engel ihre Menschheitsstufe auf dem alten Mond durchgemacht haben, deshalb müßten sie auf dem alten Mond ein solches Bewußtsein gehabt haben wie die Menschen heute auf der Erde. Das haben sie nicht gehabt, und das unterscheidet sie von dem Menschen, daß sie ihre Menschheit mit einem anderen Bewußtsein durchgemacht haben. Eine direkte Wiederholung dessen, was schon da war, findet niemals statt. Alles, was ein Entwickelungsmoment ist, geschieht nur einmal und geschieht, damit es eben da ist, nicht um irgend etwas anderes zu wiederholen. Also, damit einmal dieser Bewußtseinszustand entstehen konnte, den wir heute das Bewußtsein des Erdenmenschen nennen, dazu waren alle die Vorgänge nötig, die eigentlich diese Erde hervorgerufen haben, dazu war der Mensch als Mensch notwendig. Und die Erdenwesen konnten unmöglich auf den früheren Stufen der Entwickelung ein solches Bewußtsein entwickeln. 'Wenn uns ein Gegenstand gegenübertritt, dann ist er außer uns, dann erscheint er uns als Wesen außer uns. Alles frühere Bewußtsein der Weseriheiten, von denen wir reden können, ist so, daß es das Innere von dem Äußeren nicht unterscheidet, daß es Unsinn wäre, zu sagen: uns erscheint etwas als vor uns stehend. Das konnten auch die Elohim nicht sagen, das gab es nicht für sie. Sie konnten nur sagen: Wir leben und weben in dem Weltenall. Wir schaffen, und wir nehmen im Schaffen dieses unser Schaffen wahr. Nicht vor uns stehen Gegenstände, nicht vor uns erscheinen Gegenstände. - Dieses Faktum, das in dem Aussptuche liegt «Vor uns erscheinen uns Gegenstände, es drückt sich in einer äußeren, sagen wir, Raumgestaltung Wesenhaftes aus, von dem man selber abgetrennt ist, dem man gegenübersteht» - das Faktum, das in diesem Ausspruche sich kundgeben kann, das trat auch für die Elohim erst während der Erdenzeit auf. Wenn sie sich fühlten, diese Elohim, während der alten Mondenzeit webend und wirksam im Lichte, das von der alten Sonne auf den Mond hinfloß, so hätten sie sagen können: «Wir fühlen uns in diesem Licht drinnen, wir fühlen, wie wir mit diesem Licht uns hineinsenken in die Wesenheiten, die auf dem alten Mond als Menschen leben. Wir durcheilen gleichsam den Raum mit diesem Licht.» Aber nicht hätten sie sagen können: «Wir sehen dieses Licht außer uns.» Das gab es nicht während des alten Mondenzustandes, das war ein völlig neues Erdenfaktum.

Wenn uns das monumentale Wort auf einer gewissen Stufe der Entwickelung in der Genesis entgegentritt «Und die Elohim sprachen:», so muß ein neues Faktum hinzukommen: daß sie sich nicht bloß fühlen mit dem Licht hinfließend, sondern daß ihnen das Licht rückstrahlt von den Gegenständen, daß ihnen die Gegenstände von außen erscheinen. Der Schreiber der Genesis drückt das aus, indem er zu dem Worte «Und die Elohim sprachen: » hinzufügt «Und die Elohim sahen das Licht».

[...]

Und es ist mehr noch gesagt. Es steht nicht bloß da «Und die Elohim sahen das Licht», sondern «Sie sahen, daß es schön, oder gut, war». - Ich bemerke, daß der Unterschied zwischen «schön» und «gut» nicht in derselben 'Weise gemacht wird in der hebräischen Sprache wie heute. Dasselbe Wort steht für «schön» und für «gut». Was ist denn überhaupt mit dem gemeint, was man schön oder gut nennt? In der alten Sanskritsprache, selbst in der deutschen Sprache kIingt es noch durch, was damit gemeint ist. Das Wort «schön» umfaßt alle Worte, die in aIIen Sprachen bedeuten, daß ein Inneres, Geistiges in einem äußeren BiIde erscheint. «Schön sein» heißt, ein Innerliches erscheint äußerlich. Und wir verbinden heute noch den besten Begriff mit dem Worte Schönheit, wenn wir uns daran halten, daß in dem schönen Objekt ein inneres geistiges Wesen wie auf der 0berfläche sich im physischen Bilde darstellt. Wir nennen etwas schön, wenn wir sozusagen in dem äußeren Sinnlichen durchscheinen sehen das Geistige. Wann ist ein Marmorwerk schön? Wenn es in der äußeren Form die IIlusion erweckt: da lebt das Geistige darinnen. Das Erscheinen des Geistigen durch das Äußere, das ist das Schöne. So also können wir sagen, wenn uns in der Genesis das Wort entgegentritt daß der Geist in seiner äußeren Erscheinung sich darstellt. Wir können also das Wort, das gewöhnlich übersetzt wird «Und die Elohim sahen das Licht, und sie sahen, daß es schön war», so ausdrücken: «Und die Elohim erlebten das Bewußtsein, daß sich ihnen das, in dem sie früher waren, als ein Äußeres gegenüberstellte, und sie erlebten in dieser Erscheinung, daß der Geist im Hintergrund war und sich zum Ausdruck brachte in dem Äußeren» - denn das liegt in dem Wort, daß es «schön» war." (Lit.: GA 122, S 135ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Welt, Erde und Mensch, GA 105 (1983), Vierter Vortrag, Stuttgart, 7. August 1908
  2. Rudolf Steiner: Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte, GA 122 (1984)
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