Spiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Was in diesem Sinn in der Vergangenheit berechtigt war, gilt allerdings heute nicht mehr in gleichem Maß, ''„denn alle die Spiele, welche sich an den Verstand, an das kombinierende Denken richten, sind so, daß sie das Persönliche des Menschen, das am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, in Angriff nehmen. Soviel Günstiges auch über das Schachspiel gesagt wird, so kann es deshalb doch nie ein Faktor der Selbsterziehung sein, weil es dabei auf das ankommt, was am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, was Kombinationen machen muß.“'' {{GZ||61|429f}} So konnten diese Spiele früher dazu beitragen, die Entwicklung der an das [[physisch]]e [[Gehirn]] gebundenen Verstandesfähigkeit zu fördern. Heute müssen wir aber über das bloße gehirngebundene Verstandesdenken hinauskommen und zum leibfreien [[Lebendiges Denken|lebendigen Denken]] aufsteigen.
Was in diesem Sinn in der Vergangenheit berechtigt war, gilt allerdings heute nicht mehr in gleichem Maß, ''„denn alle die Spiele, welche sich an den Verstand, an das kombinierende Denken richten, sind so, daß sie das Persönliche des Menschen, das am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, in Angriff nehmen. Soviel Günstiges auch über das Schachspiel gesagt wird, so kann es deshalb doch nie ein Faktor der Selbsterziehung sein, weil es dabei auf das ankommt, was am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, was Kombinationen machen muß.“'' {{GZ||61|429f}} So konnten diese Spiele früher dazu beitragen, die Entwicklung der an das [[physisch]]e [[Gehirn]] gebundenen und die [[Persönlickkeit]] festigenden [[Verstand]]esfähigkeit zu fördern. Heute müssen wir aber über das bloße gehirngebundene Verstandesdenken hinauskommen und zum leibfreien [[Lebendiges Denken|lebendigen Denken]] aufsteigen.


== Das Spiel zwischen Freiheit und Determinismus ==
== Das Spiel zwischen Freiheit und Determinismus ==

Version vom 30. Mai 2016, 10:07 Uhr

Freies Spiel mit Spielkarten: Ein Kartenhaus ("Das Kartenhaus" von Jean Siméon Chardin, (1699–1779))

Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann (Theaterspiel, Sportspiel, Violinspiel). Es ist eine Beschäftigung, die oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. Ein Gutteil der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung von motorischen Fähigkeiten findet durch Spielen statt, beim Menschen ebenso wie bei zahlreichen Tierarten. Einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde, aus denen, besonders in Gemeinschaft, verbindliche Regeln hervorgehen können. Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl aus der Art des Spiels selbst, den Spielregeln (Völkerball, Mensch ärgere Dich nicht) oder aber aus dem Wunsch verschiedener Individuen ergeben, gemeinschaftlich zu handeln (Bau einer Sandburg z.B.).

Definitionen und Merkmale

Eine alte Definition für Spiel stammt von dem niederländischen Kulturanthropologen Johan Huizinga. In seinem Hauptwerk Homo ludens schreibt er:

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

Huizinga: 1938/1991, S. 37

Die Spielwissenschaft unterscheidet jedoch zwischen zweckfreien und zweckgerichteten Spielen.[1] Als zweckfrei gelten etwa die Funktionsspiele, als zweckgerichtet die Lernspiele. Das zweckgerichtete Spiel gab es bereits bei den Philanthropen, etwa bei Guts Muths.[2] Das Lernspiel soll dem Zweck des Lernens dienen, aber dennoch spielerisch sein.[3] Neben dem Lernspiel hat sich seit etwa 1995 eine Spielbewegung etabliert, die als Bildungsspiel[4] bezeichnet werden kann: Playing Arts[5]

Das Sportspiel nimmt eine Sonderstellung ein: Es ist sowohl als Arbeit und Einnahmequelle (Berufsfußball) zu verstehen, als auch mit Spielfreude verbunden. Es gibt auch einen heiligen Ernst des Spieles: Das Spiel enthält dann kultische und religiöse Züge.

Für Roger Caillois werden sämtliche Spiele stets von mindestens einem der folgenden vier Prinzipien geprägt:

Diese Prinzipien können sich vielfältig mischen. Allerdings sieht Caillois eine wesentliche Trennungslinie zwischen Wettkampf und Zufall einerseits und Maske und Rausch andererseits. Hier stellte er einen Zusammenhang zwischen der Spielkultur und der allgemeinen Verfassung einer Gesellschaft her. Archaische oder sogenannte primitive Gesellschaften fänden sich eher von Maske und Rausch, sogenannte zivilisierte Gesellschaften von Wettkampf und Zufall beherrscht.[6] Das Schlagwort von der „Leistungsgesellschaft“ ist bekannt – es ist aber auch offenkundig, dass in dieser durch den Zufall der Geburt, Erbschaft, Beziehung, Chance viel gewürfelt wird.

Friedrich Georg Jünger sieht im Wettkampfgedanken keinen Entstehungsgrund von Spielen. Er führt sämtliche Spiele auf nur drei Prinzipien zurück, nämlich Geschicklichkeit, Zufall und Ahmung [sic!]. Das letzte Prinzip – das Darstellung und Beschwörung zugleich meint – deckt sich nur streckenweise mit Caillois’ Prinzip Maske und Rausch. Jünger schreibt:[7]

„Ein Geschicklichkeitsspiel stützt sich nie auf den Agon, sondern auf die Geschicklichkeit. Wettbewerb, Konkurrenz, Agon sind etwas zum Spiel Hinzukommendes. Sichtbar wird das dort, wo das gleiche Spiel bald von Spielern gespielt wird, die ihre Geschicklichkeit messen, bald von einem einzelnen Spieler, dessen Lust das Spiel selbst ist und der nicht daran denkt, in einen Wettbewerb einzutreten.“

Spielen gewinnt eine besondere Qualität, wenn kreative Aspekte überwiegen, das heißt weiterreichende Entwicklungen der teilnehmenden Persönlichkeiten und ihrer gesellschaftlichen Beziehungen ins Auge gefasst werden. Obwohl solche Spiele nach ökonomischen Kriterien keinesfalls Arbeit sind, tragen sie aus sozialwissenschaftlicher Sicht doch ganz wesentliche Arbeitsmerkmale. Es kommt auf die Rolle und Funktion des Beteiligten im Spiel oder Nicht-Spiel und auf die Sichtweise des Beobachters an.

Ludwig Wittgenstein vertrat die Auffassung, dass die Gesamtheit aller Spiele lediglich durch Familienähnlichkeit miteinander verbunden ist, dass es also keine Eigenschaft gibt, die allen Spielen gemeinsam ist.

Spielen, so Natias Neutert als ehemaliger Dozent für Polyästhetik, schärfe gegenüber der kruden Wirklichkeit den Möglichkeitssinn. In Spielen ist ein ernster Fall[8] schreibt er:

„Spielen erzeugt eine eigene Wirklichkeit: die der Möglichkeiten.“

Natias Neutert: 1971

Der geistige Hintergrund der Brett- und Kartenspiele

In seinen Vorträgen über die Tempellegende hat Rudolf Steiner auf die geistige Bedeutung der klassischen Brett- und Kartenspiele hingewiesen:

„Immer mehr ist der Menschheit verlorengegangen das Wissen, daß der Mensch sich hineinbauen soll in den großen Weltentempel. Menschen können heutzutage geboren werden und sterben, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß sich in uns Gesetze ausleben, daß alles was wir tun, von den Gesetzen der Welt beherrscht wird. Unsere ganze gegenwärtige Zeit ist eine verlorene Zeit, weil die Menschen nicht wissen, daß sie nach Gesetzen zu leben haben. Daher haben die Priesterweisen der alten Zeiten auf Mittel gesonnen, um von den großen Gesetzen der geistigen Welt etwas hinüberzuretten in die neue Kultur. Es war sozusagen ein Kniff der großen Weisen, daß sie die gesetzmäßige Ordnung in viele Zweige des Lebens hineingeheimnißt haben, ja sogar bis in das Spiel hinein, dessen sich die Menschen bedienen zu ihrer Erholung nach des Tages Last. In den Karten, in den Figuren des Schachspiels und in der Gesetzmäßigkeit, in der man spielt, finden wir einen Abklatsch, wenn auch nur einen schwachen, von dem, was ich die gesetzmäßige Ordnung genannt habe. Wenn Sie sich mit jemandem zum Kartenspiel hinsetzen wollen, so wird es nicht gehen, wenn Sie nicht die Gesetze, die Art und Weise wie man spielt, kennen. Und dieses ist wirklich ein Abklatsch großer Weltgesetze. Was man in der Kabbala die Sephirot nennt, was wir die sieben Prinzipien in ihrer verschiedenen Gestaltung nennen, das finden Sie auch in der Art und Weise, wie die Karten beim Spielen aufeinandergelegt werden müssen. Bis in die Reize des Spiels haben die Weisen die großen Gesetze hineinzulegen verstanden, damit die Menschen wenigstens spielend einen Abklatsch haben von der Weisheit. Für denjenigen, der wenigstens Karten spielen kann, gehen seine gegenwärtigen Inkarnationen nicht ganz verloren. Das sind so Geheimnisse, wie die großen Weisen in die Räder der Zeitläufe eingreifen. Sagt man den Menschen, daß sie sich nach den großen Gesetzen richten sollen, so tun sie es nicht. Wenn man aber die Gesetze in Dinge hineinlegt, wo sie es gar nicht merken, so kann man manchmal noch einen Tropfen dieser Gesinnung in sie hineingießen. Wenn Sie diese Gesinnung haben, dann bekommen Sie eine Vorstellung davon, was in der großen Allegorie vom verlorenen Tempel symbolisiert ist.“ (Lit.:GA 93, S. 136f)

Was in diesem Sinn in der Vergangenheit berechtigt war, gilt allerdings heute nicht mehr in gleichem Maß, „denn alle die Spiele, welche sich an den Verstand, an das kombinierende Denken richten, sind so, daß sie das Persönliche des Menschen, das am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, in Angriff nehmen. Soviel Günstiges auch über das Schachspiel gesagt wird, so kann es deshalb doch nie ein Faktor der Selbsterziehung sein, weil es dabei auf das ankommt, was am meisten an das Instrument des Gehirnes gebunden ist, was Kombinationen machen muß.“ (Lit.:GA 61, S. 429f) So konnten diese Spiele früher dazu beitragen, die Entwicklung der an das physische Gehirn gebundenen und die Persönlickkeit festigenden Verstandesfähigkeit zu fördern. Heute müssen wir aber über das bloße gehirngebundene Verstandesdenken hinauskommen und zum leibfreien lebendigen Denken aufsteigen.

Das Spiel zwischen Freiheit und Determinismus

Im Hinblick auf die begriffliche Unvereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit/Determinismus ist Spiel ein vermittelnder Begriff. Schon in einer ganz einfachen Fassung ist dies im Begriff des Spielraums bezeichnet. Im Spielraum hat die Freiheit, oder auch Willkürlichkeit, freies Spiel, in einem Rahmen. Dies sind bei kleinen, spielenden Kindern die Bretter der Sandkiste z.B. Im Kontrast zu solchem Spielraum kennt man die Spielzeit. Sie ist eine freie Zeit, die aber gleichwohl mit einem Schluß scharf begrenzt ist. Vgl. auch Moratorium. Im Vergleich kann man dem Spielraum zum Wesen des Spiels mehr Nähe zusprechen, als der Spielzeit, obwohl gerade die Terminierung auch wohl ein Licht werfen mag. Ein weiterer Aspekt ist, daß das Spiel Regeln unterliegt, Spielregeln (Dies ist auch beim Spiel von Tierkindern der Fall: Sie beißen sich z.B. gegenseitig nicht wirklich, sondern nur in Andeutung, sie zeigen ein "als ob"-Verhalten im Spiel. Ein wirkliches Zubeißen wäre eine Regelverletzung). In den Regeln ist wie mit der räumlichen oder zeitlichen Begrenzung dem Spiel entsprochen. Spiel ist insofern Freiheit in Grenzen. In den Grenzen bestimmten Raumes oder bestimmter Zeit, oder in den Grenzen von bestimmten Regeln. Der Regelbegriff ist dabei aber vom Begriff der Kausalität/Determinität zu unterscheiden. Der Spielbegriff in diesem Sinne findet auch in der Mechanik Anwendung. Wenn in einem Maschinensystem die 1zu1-Übersetzung nicht 100% funktioniert, z.B. bei einer Kupplung, spricht man von "zu viel Spiel". Ein Gelenk kann Spiel haben bis zu einer gewissen Grenze, und bis dahin kann dieses Spiel sogar funktional sein. Ein knarrendes Scharnier hat zu wenig Spiel, man gibt Öl in das Spiel, um seine Beweglichkeit zu verbessern. Diese Beweglichkeit, nicht zu verwechseln mit Bewegung, ist denn auch für den Begriff des Spiels konstitutiv. Die Differenzierung zwischen den Begriffen Spiel und Beweglichkeit expliziert den Begriff des Spiels unter diesem Gesichtspunkt näher.

Das Spiel der Tiere

Die Anwendung des Spielbegriffs auf mechanische Phänomene führte zur Verbindung des Spielbegriffs mit dem der Beweglichkeit und damit auch dem der Bewegung. Man kann zwar übertragend z.B. auch von einem Spiel der Wellen sprechen, um einen Felsen im Wasser herum, oder von dem Spiel des Mondlichtes auf der Wasseroberfläche u.ä., aber man hat erst in der Bewegung des Tieres die eigentliche Identität von Bewegung und Spiel faßbar. Es ist zwar natürlich keine völlige Identität, da sich Bewegung und Spiel in anderer Hinsicht unterscheiden. Jedoch zeigt das Verhältnis der Tiere zur Umwelt, daß sie in ihren Bewegungen frei sind, sie haben Spiel zur Umwelt, und zwar innerhalb der geschlossenen Kausalität ihres Verhaltens. Es ist dies etwas ganz Außerordentliches. Wesen mit Eigensinn verhalten sich, ohne aus der naturgesetzlichen Kausalität herauszutreten, zur Umwelt in der Weise des Spiels, mit einer jeglichen Bewegung ihres Körpers, und sind insofern frei.

Menschliches Spiel

Nach den vorgenannten Unterscheidungen ist das Spiel als etwas definiert, über das auch Tiere verfügen. Tiere sind jedoch keine freien Wesen wie der Mensch (abgesehen von der Frage, ob sog. höhere Tiere auch Freiheit kennen mögen, oder in Zukunft erfahren können). Das Spiel des Menschen ist daher vom Spiel der Tiere zu unterscheiden und darauf hin zu untersuchen, ob in dem Unterschied des Spielens (i.d.S. Menschen spielen anders als Tiere, oder das Spiel hat für Menschen einen anderen Sinn), etwas über den Begriff des Spiels auszumachen ist.

In der abstrakten Definition gibt es Spiel auch auf dem mechanischen Gebiet, aber es ist wohl kaum möglich, da von "eigenem" Spiel zu sprechen. Bei den Pflanzen kann man von Spiel genauso wenig sprechen. Sie sind jederzeit und immer in völliger Übereinstimmung mit der Umwelt. Anders bei Tieren und Menschen.

Der Begriff des menschlichen Spiels umfasst ganz allgemein alle freien menschlichen Tätigkeiten, die weder aus inneren oder äußeren Zwängen entspringen, noch auf irgend welche außerhalb dieser Tätigkeit selbst gelegenen spezifischen Ziele oder Zwecke gerichtet sind. Das freie menschliche Spiel überhöht nach und nach den bloßen Spieltrieb, über den auch die höheren Tiere verfügen, indem es unmittelbar aus der schöpferischen Tätigkeit des menschlichen Ich hervorgeht und dieses in seiner Entwicklung durch spielerische Selbsterziehung fördert.

Friedrich Schiller sagt über das Spiel:

"Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Dieser Satz, der in diesem Augenblicke vielleicht paradox erscheint, wird eine große und tiefe Bedeutung erhalten, wenn wir erst dahin gekommen sein werden, ihn auf den doppelten Ernst der Pflicht und des Schicksals anzuwenden; er wird, ich verspreche es Ihnen, das ganze Gebäude der ästhetischen Kunst und der noch schwierigern Lebenskunst tragen." (Lit.: Schiller, 15. Brief)

Das Spiel des Kindes

Der verbreiteten Ansicht, das Kind solle in der Schule „spielend lernen“, widerspricht Rudolf Steiner entschieden:

„Man sieht gewöhnlich dasjenige, was das Kind im Spiele vollbringt, so an, daß man dabei den Gesichtspunkt des Erwachsenen einnimmt. Ja, es ist so, man sieht das kindliche Spiel so an, daß man dabei den Gesichtspunkt des Erwachsenen einnimmt. Wenn das nicht der Fall wäre, würden wir niemals die dilettantische Redensart hören, die immer wiederholt, man solle es in der Schule dahin bringen, daß das Kind «spielend lernt». Man kann nichts Schlimmeres machen, als daß man es dahin bringt, daß das Kind spielend lernt. Wenn man es wirklich künstlich darauf anlegt, daß die Kinder spielend lernen, dann wird man nichts anderes erreichen, als daß die Kinder als erwachsene Menschen zuletzt aus dem Leben doch ein Spiel machen. Derjenige, der in so dilettantischer Weise spricht, das Lernen solle nur eine Freude sein, das Lernen solle spielend geschehen, der schaut das Spielen des Kindes vom Gesichtspunkte des Erwachsenen an. Er glaubt, das Kind spielt in derselben Seelenverfassung, wie der Erwachsene spielt. Für den Erwachsenen ist das Spiel Spaß, eine Lust, die hinzukommt zum Leben. Für das Kind ist das Spiel der ernste Inhalt des Lebens. Das Kind meint es durchaus ernst mit seinem Spiele, und das ist die Wesenheit des kindlichen Spieles, daß dieses kindliche Spiel vom Ernst getragen ist. Nur derjenige, der den Ernst des Spieles begreift, der versteht das Spiel in der richtigen Weise. Derjenige aber, der hinschaut auf das kindliche Spiel, wie sich in vollem Ernst die menschliche Natur hinausgießt in die Behandlung der äußeren Gegenstände, in die Behandlung der äußeren Welt, der ist imstande, wenn das Kind in die Schule hereinkommt, überzuführen die Kraft, die Begabung, die Fähigkeit zum Spielen, namentlich in die Fähigkeit, in jeder möglichen Weise zu künstlerischer Betätigung überzugehen, wo wir noch die Freiheit der inneren Betätigung haben, aber zu gleicher Zeit wie bei der Arbeit kämpfen müssen mit dem äußeren Stoff. Dann werden wir sehen, wie gerade in jenem Künstlerischen, das wir an das Kind heranbringen, es durchaus möglich ist, die Erziehung so zu leiten, daß der Frohsinn in der Ausbildung vom Künstlerischen mit Ernst verbunden sein kann, daß selbst dasjenige, was in der Schule dem Kinde Lust, Freude machen darf, daß das verbunden sein kann mit Charaktervollheit.“ (Lit.:GA 304a, S. 24f)

Anmerkungen, Nachweise

  1. Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Was Spielen bedeutet und welche Merkmale es kennzeichnen. In: Dies.: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 3. Auflage. Baltmannsweiler 2014, S. 18–22.
  2. I.C.F. Guts Muths: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und des Geistes. Schnepfental 1796
  3. Hans Scheuerl: Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen. 11. Auflage. Weinheim/ Basel 1990
  4. Benedikt Sturzenhecker, Christoph Riemer (Hrsg.): Playing Arts. Impulse ästhetischer Bildung. Weinheim/ München 2005.
  5. Christoph Riemer, Benedikt Sturzenhecker (Hrsg.): Playing Arts. Gelnhausen 2002
  6. Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. Paris 1958, erste deutsche Ausgabe Stuttgart 1960, siehe darin v.a. Kapitel VII und VIII
  7. Friedrich Georg Jünger: Die Spiele. Frankfurt am Main 1953, S. 190. Obwohl fünf Jahre früher erschienen, wird Jüngers anregende Untersuchung von Caillois nicht erwähnt. Sie behandelt auch Sport, Dressuren, Jagd, Stierkampf, Krieg, Liebe und dergleichen.
  8. Natias Neutert: Spielen ist ein ernster Fall. In: Hamburger Morgenpost. Nr. 77, 1. April 1971, Magazin, S. 4.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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