Oscar Wilde und Mäeutik: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
(Die Seite wurde neu angelegt: „mini|Oscar Wilde, Aufnahme von Napoleon Sarony, 1882 Datei:Oscar Wilde Signature.svg|rahmenlos|rechts|Unterschrift Oscar Wil…“)
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Oscar Wilde Sarony.jpg|mini|Oscar Wilde, Aufnahme von Napoleon Sarony, 1882]]
'''Mäeutik''' ist die gängige Form des aus dem [[Altgriechische Sprache|Altgriechischen]] stammenden [[Metapher|metaphorischen]] Ausdrucks '''Maieutik''' ({{lang|grc|μαιευτική}} ''maieutikḗ [téchnē]'' „[[Hebamme#Altertum|Hebammenkunst]]“). Das Wort bezeichnet ein auf den griechischen Philosophen [[Sokrates]] zurückgeführtes Vorgehen im [[Dialog]]. Sokrates, dessen Mutter eine ''maia'' (Hebamme) war, soll seine Gesprächstechnik mit der Geburtshilfe verglichen haben. Gemeint ist, dass man einer Person zu einer Erkenntnis verhilft, indem man sie durch geeignete Fragen dazu veranlasst, den betreffenden Sachverhalt selbst herauszufinden. So wird die Einsicht mit Hilfe der Hebamme – des Lernhelfers – geboren, der Lernende ist in diesem Bild der Gebärende. Den Gegensatz dazu bildet Unterricht, in dem der Lehrer den Schülern den Stoff dozierend mitteilt.
[[Datei:Oscar Wilde Signature.svg|rahmenlos|rechts|Unterschrift Oscar Wilde]]


'''Oscar Fingal O’Flahertie Wills Wilde''' (* [[16. Oktober]] [[1854]] in Dublin; † [[30. November]] [[1900]] in [[Paris]]) war ein irischer [[Schriftsteller]], der sich nach Schulzeit und Studium in Dublin und Oxford in London niederließ. Als [[Lyrik]]er, [[Roman]]autor, [[Drama]]tiker und [[w:Literaturkritik|Kritiker]] wurde er zu einem der bekanntesten und gleichzeitig umstrittensten Schriftsteller im [[w:Viktorianisches Zeitalter|viktorianischen Großbritannien]]. Aus seiner Ehe mit Constance Lloyd gingen zwei Söhne hervor. Wegen [[w:Homosexualität|homosexueller]] „Unzucht“ ''(gross indecency)'' wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Zwangsarbeit verurteilt; sie ruinierten seine Gesundheit. Nach seiner Entlassung lebte er verarmt in Paris, wo er im Alter von 46 Jahren starb.
Vom 18. Jahrhundert an wurde die Grundidee verschiedentlich aufgegriffen und in abgewandelter Form zum Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Konzepte der Vermittlung von Einsichten gemacht.


== Leben ==
== Die Mäeutik des Sokrates ==
=== Elternhaus und Kindheit ===
=== Platons Darstellung ===
Oscar Wildes Vater, [[William Wilde]], war Irlands führender Ohren- und Augenarzt und schrieb Bücher über [[Archäologie]], Folklore und den Satiriker [[Jonathan Swift]]. Seine Mutter [[Jane Francesca Elgee|Jane]] war von Beruf Übersetzerin. Sie engagierte sich im [[Junges Irland|Young Ireland Movement]] unter dem [[Pseudonym]] „Speranza“ („Hoffnung“) und galt als revolutionäre [[Lyrik]]erin. Die Wildes hatten zwei Söhne und eine Tochter. Der Älteste, William Charles Kingsbury, wurde 1852 geboren, Oscar 1854 und als drittes Kind die Tochter Isola Francesca 1858; sie wurde nur zehn Jahre alt.
Sokrates’ Schüler [[Platon]] gibt in einer Reihe seiner literarisch gestalteten [[Platonischer Dialog|Dialoge]] Hinweise auf eine Kunst der Gesprächslenkung zur Förderung von Erkenntnis, die sein Lehrer praktiziert habe. Er lässt Sokrates in den Dialogen als Hauptsprecher auftreten und die mäeutische Vorgehensweise im Umgang mit einzelnen Problemen und Gesprächspartnern demonstrieren.


Die Tätigkeit seiner extravaganten Eltern und vornehmlich der von seiner Mutter in Dublin unterhaltene Salon brachten Oscar Wilde frühzeitig mit Künstlern und Schriftstellern in Kontakt. Von 1864 bis 1871 besuchte er als Internatsschüler die Portora Royal School in [[Enniskillen]].
In neuzeitlicher Literatur zur Geschichte der Philosophie wird die auf Sokrates zurückgeführte Form des philosophischen [[Diskurs]]es als [[sokratische Methode]]“ und das Vermitteln philosophischer Einsicht auf diesem Weg als „Maieutik“ bezeichnet.


=== Studium ===
In Platons Dialog ''[[Theaitetos]]'' vergleicht Sokrates seine Vorgehensweise mit der Berufstätigkeit seiner Mutter, einer Hebamme. Er helfe den Seelen bei der Geburt ihrer Einsichten wie die Hebamme den Frauen bei der Geburt ihrer Kinder.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 148e–151d. Vgl. ''Theaitetos'' 161e, wo die Bezeichnung ''maieutike techne'' verwendet wird.</ref> Seinem Gesprächspartner, dem Mathematiker [[Theaitetos (Mathematiker)|Theaitetos]], der schon lange vergeblich nach der Definition von „Wissen“ sucht, erklärt Sokrates, er – Theaitetos – sei gleichsam „schwanger“ und leide unter Geburtsschmerzen. Nun werde Hebammenkunst benötigt, damit die Erkenntnis (die Antwort auf die Frage, was Wissen ist) hervorgebracht („geboren“) werden könne. So wie eine Hebamme, die selbst nicht mehr gebären kann, anderen bei der Entbindung beisteht, so verfahre er, Sokrates: Er gebäre selbst keine Weisheit, sondern stehe nur anderen beim Hervorbringen ihrer Erkenntnisse bei. Niemals belehre er seine Schüler, aber er ermögliche denen, die sich ernsthaft bemühten, schnelle Fortschritte. Mit der Geburtshilfe befähige er sie, in sich selbst viel Schönes zu entdecken und festzuhalten.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 148e–149c, 150b–d.</ref>
Von 1871 bis 1874 studierte Oscar Wilde mit glänzendem Erfolg klassische Literatur am [[Trinity College (Dublin)|Trinity College]] in Dublin. Im Sommer reiste er zusammen mit William Goulding und Reverend John Pentland Mahaffy, seinem Freund und Lehrer für [[Altphilologie]] am Trinity College, nach Norditalien, wo er unter anderem Mailand, Venedig, Padua und Verona besuchte.


Nachdem Wilde ein jährliches Stipendium von [[Pfund Sterling|£]]95 gewonnen hatte, studierte er von 1874 bis 1878 am [[Magdalen College]] in [[Oxford]]. Während dieser Zeit trat er in die [[Freimaurerloge]] Apollo University Lodge no. 357 ein.<ref>[http://www.apollo357.com/index.php/history/1870-1914 Apollo University Lodge no. 357]: History 1870–1914.</ref> Bereits sein Vater war aktiver Freimaurer in Dublin gewesen.
Die Geburtshilfe, die Sokrates leistet, besteht in seiner Technik des zielführenden Fragens.
Mit ihr bringt er seine Gesprächspartner dazu, vorhandene irrige Vorstellungen zu durchschauen und aufzugeben. Das führt oft dazu, dass sie in eine Ratlosigkeit ([[Aporie]]) geraten. Im weiteren Verlauf des Gesprächs kommen sie aber auf neue Gedanken. Diese werden wiederum mittels der Fragetechnik auf ihre Stimmigkeit überprüft. Schließlich gelingt es dem mäeutisch Befragten, entweder den tatsächlichen Sachverhalt selbst zu entdecken oder sich zumindest der Wahrheit anzunähern. Diese Hilfe beim Suchen und Finden von Erkenntnissen, wobei auf Belehrung konsequent verzichtet wird, erscheint in Platons Darstellung als spezifisch sokratische Alternative zur konventionellen Wissensvermittlung durch Weiterreichen und Einüben von Lehrstoff.<ref>[[Michael Erler (Altphilologe)|Michael Erler]]: ''Der Sinn der Aporien in den Dialogen Platons'', Berlin 1987, S. 60–70; Michael Erler: ''Maieutik.'' In: Christian Schäfer (Hrsg.): ''Platon-Lexikon'', Darmstadt 2007, S. 193f.</ref>


In Oxford fiel Oscar Wilde schnell durch seinen Witz und Humor auf: Als er bei der Aufnahmeprüfung eines Studentenclubs einen Teil der [[Passionsgeschichte]] aus dem Griechischen übersetzen sollte, erklärte Wilde, er wolle unbedingt das Ende erfahren, und übersetzte weiter, nachdem er die Aufgabe bereits mit Bravour gelöst hatte. Schon bald war er als [[Ästhetik|Ästhet]] bekannt. In einem [[Aperçu]], das in der ganzen Universität die Runde machte, bekannte er sich als Liebhaber kostbaren Porzellans: „Es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, auf dem hohen Niveau meines blauen Porzellans zu leben.<ref>[[Richard Ellmann]]: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 76. ''I find it harder and harder every day to live up to my blue china.'' Ellmann ({{Google Buch|BuchID=FVNwAAAAQBAJ|SeitenID=PT95}}).</ref>
Die Hebammenkunst beschränkt sich nach Sokrates’ Darstellung im ''Theaitetos'' nicht darauf, dem Schüler zur Geburt seiner Lösungen philosophischer Probleme zu verhelfen. Manches, was von den Schülern geboren wird, ist missgestaltet, das heißt, die vermeintliche Problemlösung ist untauglich. Der erfahrene Geburtshelfer erkennt das und sorgt unnachsichtig dafür, dass das Unbrauchbare weggeworfen wird. Damit zieht sich Sokrates oft den Zorn der Schüler zu, da sie nicht verstehen, dass das nur zu ihrem Besten geschieht.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 150b–151d.</ref>


Während des Studiums begeisterten ihn gleichermaßen die in Richtung der [[L’art pour l’art]] weisenden ästhetischen Ideale von [[Walter Pater|Walter Horatio Pater]] und die tief moralisch, religiös und sozial engagierte Kunstauffassung von [[John Ruskin]], obwohl sie auf sehr unterschiedliche, beinahe entgegengesetzte Weise den neuen [[Ästhetizismus]] vertraten.
Im Gespräch mit Theaitetos verfolgt Sokrates die Analogie zwischen seiner Mäeutik und der Hebammentätigkeit weiter. Eine Hebamme kann erkennen, ob überhaupt eine Schwangerschaft vorliegt; sie kann die Wehen beschleunigen oder hinauszögern oder auch eine Abtreibung einleiten. Außerdem eignet sie sich hervorragend als Heiratsvermittlerin. Über solche Kompetenz verfügt auf analoge Weise auch der geistige Geburtshelfer Sokrates. Er vermittelt „Heiraten“, indem er Lernbegierige zu passenden Lehrern schickt, wenn er sieht, dass sie sich nicht für seine mäeutische Kunst eignen. Solche Entscheidungen trifft er aufgrund seiner Fähigkeit einzuschätzen, welche Seelen in der Lage sind, wertvolle Erkenntnisse hervorzubringen, und welche nicht wirklich schwanger sind oder nur Untaugliches gebären können. Nach dieser Einschätzung wählt er die aus, denen er Geburtshilfe leistet; die anderen schickt er weg.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 150b–151b.</ref>


Im Juni 1878 fand Oscar Wilde erste literarische Anerkennung mit seinem Gedicht ''Ravenna'',<ref>''[[s:en:Ravenna|Ravenna]]''. ([[Wikisource]])<br /> „Freie Nachdichtung“ von [[Felix Dörmann]] in ''[[Die Fackel]]'' [http://www.welcker-online.de/Texte/Karl_Kraus/die_fackel/1905/fackel_185.pdf Nr. 185 17. Oktober 1905] (PDF) S. 5–14.</ref> das mit dem Newdigate-Preis ausgezeichnet wurde. In dem Gedicht, das eine Stadt schildert, die aus einstiger Größe ins Nichts versank, hatten die Impressionen seiner zweiten Italienreise künstlerische Gestalt angenommen.
Sokrates weist im ''Theaitetos'' darauf hin, dass Hebammen selbst Mütter seien und daher eigene Erfahrungen mit dem Geburtsvorgang hätten, was für ihren Beruf auch notwendig sei. Er hingegen sei zeit seines Lebens unfruchtbar gewesen, ihm sei das Gebären von Erkenntnissen nicht vergönnt gewesen. Dennoch könne er als Hebamme fungieren und anderen zu ihren Geburten verhelfen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 149b–c, 150c–d.</ref> Dies ist das in der Forschung oft diskutierte [[Paradox]] des sokratischen [[Ich weiß, dass ich nichts weiß|Nichtwissens]]: Sokrates stellt seine eigene Unwissenheit fest und erhebt zugleich den Anspruch, anderen bei der Erkenntnissuche helfen zu können. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass Sokrates, wenn er von seiner eigenen Unfruchtbarkeit und Unwissenheit spricht, an ein unumstößliches Wissen im Sinne einer auf zwingender Beweisführung basierenden Wahrheitskenntnis denkt. Für ihn wäre nur ein solches Wissen, über das er nicht verfügt, befriedigend, doch hat er es nicht gebären können, und er kennt auch niemand, der es besitzt. Mit den Geburten, zu denen er anderen verhilft, meint er nur Ergebnisse, die er zwar für gut begründet und richtig hält, deren Richtigkeit er aber nicht beweisen kann. Diese Ergebnisse sind zwar wertvoll, stellen aber kein Wissen im strengen Sinn dar.<ref>Siehe zu dieser Unterscheidung [[Klaus Döring]]: ''Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen''. In: [[Hellmut Flashar]] (Hrsg.): ''Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin'' (''[[Grundriss der Geschichte der Philosophie]]. Die Philosophie der Antike'', Band 2/1), Basel 1998, S. 139–364, hier: 159f., 164.</ref>
[[Datei:Punch - Oscar Wilde.png|mini|''Punch'' 25. Juni 1881: ''Oberästhet! Was ist ein Nam’! Der Dichter Wild’, die Dichtung zahm.'']]
Wilde schloss sein Studium 1878 mit dem akademischen Grad des [[Bachelor of Arts]] (B.A.) mit Auszeichnung ab. Im folgenden Jahr übersiedelte er nach London und teilte sich dort bis 1881 mit dem [[Pastellmalerei|Pastellmaler]] [[Frank Miles]] (1852–1891), der beste Beziehungen zur Londoner Gesellschaft hatte, eine Wohnung in der heute nicht mehr bestehenden Salisbury Street zwischen [[Strand (London)|Strand]] und [[Themse]], die Wilde „Thames House“ nannte.<ref>''Salisbury Street from the river:'' [http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=68397 british-history.ac.uk]. Das Gelände wurde bereits ab 1890 mit dem Hotel Cecil überbaut, das 1930 bis auf die Fassade 80 Strand dem noch heute bestehenden Shell Mex House weichen musste. Vgl. Ed Glinert: [http://books.google.de/books?id=MeIyG0czgA4C&pg=PT243 ''Literary London. A Street by Street Exploration of the Capital’s Literary Heritage''] (2000).</ref>


=== Die Jahre als Erfolgsschriftsteller ===
=== Die Frage der historischen Realität ===
Wilde wurde zu seiner Zeit als Schriftsteller bewundert und war im [[Prüderie|prüden]] [[Viktorianisches Zeitalter|viktorianischen]] Großbritannien zugleich als Skandalautor und [[Dandy]] verschrien. Er war berühmt für seine Sprachgewandtheit und sein extravagantes Auftreten, das er mit seiner ungewöhnlichen Bekleidung (z.&nbsp;B. samtene Kniehosen und Seidenstrümpfe) zur Geltung brachte. Schon früh zog er sich als ''Ästhet der Ästheten'', denen man unmännliche Hingabe an die Kunst vorwarf, den Spott des Satiremagazins ''[[Punch (Zeitschrift)|Punch]]'' zu.<ref>''Oscar Wilde.'' In: [http://www.britannica.com/biography/Oscar-Wilde Encyclopedia Britannica]</ref>
Aus altertumswissenschaftlicher Sicht erscheint fast alles, was über die „sokratische Methode“ und die Mäeutik überliefert ist, als problematisch und ist umstritten. Da Sokrates keine Schriften hinterlassen hat, ist die Mäeutik nur aus Platons Angaben und einer mutmaßlichen Anspielung bei [[Aristophanes]]<ref>Aristophanes, ''Die Wolken'' 135–140.</ref> bekannt. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem literarisch geschilderten „platonischen“ (in Platons Dialogen auftretenden) Sokrates und Sokrates als historischer Persönlichkeit gehört zu den schwierigsten Problemen der antiken Philosophiegeschichte. Nur wenn man Platon eine einigermaßen wirklichkeitsnahe Darstellung zutraut, kann ein Begriff wie „sokratische Methode“ – bezogen auf den historischen Sokrates – sinnvoll sein. Skeptische Forscher beschränken sich auf die Feststellung, dass Platon als Schriftsteller seinem Lehrer, den er als Meister des Dialogs ins beste Licht rückt, eine bestimmte überlegene Art der Gesprächsführung zuschreibt.<ref>Eine forschungsgeschichtliche Übersicht zur Frage nach dem historischen Sokrates bietet Louis-André Dorion: ''The Rise and Fall of the Socratic Problem.'' In: Donald R. Morrison (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Socrates'', Cambridge 2011, S. 1–23. Siehe auch Debra Nails: ''Agora, Academy, and the Conduct of Philosophy'', Dordrecht 1995, S. 8–31.</ref>


Wilde hatte Gedichte in ''[[Dublin University Magazine]]'' und ''Kottabos'' veröffentlicht, bevor seine ersten Buchpublikationen erschienen. Sein erstes Bühnenstück, ''Vera; or the Nihilists'' (1880), veröffentlichte er als Privatdruck.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 177.</ref> Seinen ersten Gedichtband, ''Poems'' (1881), brachte sein Londoner Verleger David Bogue in kostbarer Ausstattung in drei Auflagen zu je 250 Exemplaren heraus.<ref>[http://www.magd.ox.ac.uk/libraries-and-archives/treasure-of-the-month/news/first-edition-of-wildes-poems/ Erstveröffentlichung von Oscar Wildes ''Poems'']</ref>
Umstritten ist nicht nur die Existenz einer „Methode“ des historischen Sokrates, sondern auch die Frage, ob der historische Sokrates seine Dialogpraxis als Hebammenkunst aufgefasst und bezeichnet hat oder der Vergleich mit der Geburtshilfe ein Einfall Platons war. Einige Indizien deuten darauf, dass der historische Sokrates tatsächlich seine Hilfestellung beim philosophischen Nachforschen mit der Tätigkeit einer Hebamme verglichen und in dieser Metapher sein Verständnis von Erkenntnisvermittlung zusammengefasst hat.<ref>Bruno Vancamp: ''L’historicité de la maïeutique socratique: réflexions critiques.'' In: ''[[L’Antiquité classique|L’Antiquité Classique]]'' 61, 1992, S. 111–118 und Julius Tomin: ''Socratic Midwifery.'' In: ''[[The Classical Quarterly]]'' 37, 1987, S. 97–102.</ref> Allerdings gibt es auch gewichtige Gegenargumente.<ref>[[Richard Robinson (Philosoph)|Richard Robinson]]: ''Plato’s Earlier Dialectic'', 2. Auflage. Oxford 1953, S. 83f., [[Kenneth Dover]]: ''Socrates in the Clouds''. In: [[Gregory Vlastos]] (Hrsg.): ''The Philosophy of Socrates'', Garden City (N.Y.) 1971, S. 50–77, hier: 61f., Myles F. Burnyeat: ''Socratic Midwifery, Platonic Inspiration.'' In: Hugh H. Benson (Hrsg.): ''Essays on the Philosophy of Socrates'', New York 1992, S. 53–65; [[Thomas Alexander Szlezák]]: ''Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie'', Teil 2: ''Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen'', Berlin 2004, S. 91–127, insbesondere S. 91–98.</ref> Für die Historizität spricht insbesondere der Umstand, dass der Komödiendichter Aristophanes, ein Zeitgenosse des Sokrates, anscheinend in seiner Komödie „[[Die Wolken]]“ auf die Geburtshilfe-Metapher anspielt. Aristophanes lässt einen Schüler des Sokrates, der beim Nachdenken unterbrochen wird, dem Störer vorwerfen, die Unterbrechung habe die Fehlgeburt einer Erkenntnis ausgelöst.<ref>Aristophanes, ''Die Wolken'' 135–137. Siehe dazu Julius Tomin: ''Socratic Midwifery.'' In: ''The Classical Quarterly'' 37, 1987, S. 97–102, hier: 99; David Sider: ''Did Socrates call himself a midwife? The evidence of the Clouds.'' In: Konstantinos J. Boudouris (Hrsg.): ''The Philosophy of Socrates'', Athen 1991, S. 333–338. Die Verwertbarkeit dieser Quelle bestreitet jedoch Harold Tarrant: ''Midwifery and the Clouds.'' In: ''The Classical Quarterly'' 38, 1988, S. 116–122.</ref> Ein Problem besteht allerdings darin, dass der platonische Sokrates im ''Theaitetos'' feststellt, die Mäeutik sei damals – in seinem Todesjahr 399 v. Chr. – in der Öffentlichkeit noch unbekannt gewesen.<ref>Platon, ''Theaitetos'' 149a.</ref> Wenn das historisch zutrifft, ergibt eine Anspielung in der schon 423 v. Chr. aufgeführten Komödie keinen Sinn.


==== Vortragsreise in USA und Kanada ====
== Neuzeitliche Rezeption ==
[[Datei:Wasp cartoon on Oscar Wilde.jpg|mini|Karikatur der ''[[The Wasp|Wasp]]'' (San Francisco) anlässlich Wildes Besuch in der Stadt 1882]]
=== Philosophie ===
Wilde wurde zu Vorlesungen in Nordamerika eingeladen. Ende 1881 brach er nach New York auf.<ref>Zu den Zusammenhängen und Themen dieser Vortragsreise siehe das Webprojekt von John Cooper: [http://www.oscarwildeinamerica.org/index.html ''Oscar Wilde in America''.]; abgerufen 20. Oktober 2017.</ref>  Über das gesamte folgende Jahr hielt er Vorlesungen über Ästhetizismus (''The English Renaissance of Art''<ref name="Renaissance">[http://www.ucc.ie/celt/published/E800003-002/index.html Text: ''The English Renaissance of Art'']</ref>) und dekorative Künste (''House Decoration''<ref>[http://www.ucc.ie/celt/published/E800003-003/index.html Text: ''House Decoration'']</ref>) mit überraschenden Erfolgen in über hundert Städten der [[Vereinigte Staaten von Amerika|USA]] und [[Kanada]]s.<ref>Mary Warner Blanchard: ''Oscar Wilde’s America: Counterculture in the Gilded Age.'' Edwards Brothers, Ann Arbor MI 1998, S. 1.</ref> Als Schlüsselfiguren der englischen Renaissance stellte er die [[Präraffaeliten]], [[Edward Burne-Jones]], [[John Ruskin]] und [[William Morris]] vor.
Im 16. Jahrhundert befasste sich [[Michel de Montaigne]] mit der Vorgehensweise des platonischen Sokrates, schrieb ihm aber keine eigene mäeutische Methode zu.<ref>Patrick Bühler: ''Negative Pädagogik.'' Paderborn 2012, S. 26.</ref> Erst im 18. Jahrhundert wurde der Gedanke der Hebammenkunst wiederentdeckt und erlangte große Beliebtheit. Sokratisches Philosophieren („Sokratik“) wurde nun in weiten Kreisen mit Mäeutik gleichgesetzt.


Vom ersten Tag seiner Ankunft in New York an belagerten ihn Reporter und Journalisten, erwarteten [[Bonmot]]s von ihm und ließen sich ausführlich über seine Kleidung in den Medien aus. Seine Vorträge wurden gut besucht, und man überhäufte ihn mit Einladungen. Mit dem Lyriker [[Walt Whitman]] kam es in Philadelphia am 18. Januar 1882 zu einem bemerkenswerten Zusammentreffen.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 242–246; Ellmann [https://books.google.de/books?id=FVNwAAAAQBAJ&pg=PT274 S. 274 books.google]</ref> Andererseits wurde Wilde in der Presse diesseits und jenseits des Atlantiks schonungslos kritisiert und karikiert. Eine der bösartigsten Attacken veröffentlichte [[Thomas Wentworth Higginson]] in ''Woman’s Journal'' (4. Februar 1882) unter dem Titel ''Unmanly Manhood'' (''Unmännliche Männlichkeit'').<ref>Mary Warner Blanchard: ''Oscar Wilde’s America: Counterculture in the Gilded Age.'' Edwards Brothers, Ann Arbor, Michigan 1998, S. 27. [http://www.classroomelectric.org/volume2/price/remembered/womans_journal.htm Engl. Text: Unmanly Manhood].</ref>
Der dänische Philosoph [[Søren Kierkegaard]] (1813–1855) schätzte Sokrates sehr und setzte sich intensiv mit der Mäeutik auseinander. Er betrachtete den angemessenen Umgang mit dem Thema Liebe und das richtige Verhalten in der christlichen Liebespraxis als mäeutisch. In seiner Schrift ''Werke der Liebe'' beschrieb er sein Konzept einer indirekten Vorgehensweise in der Kommunikation über das Thema Liebe und einer absoluten Selbstlosigkeit bei der Ausführung von Werken der Liebe. Er meinte, es seien Werke Gottes; der liebende Mensch solle sich bewusst sein, dass ihm nur eine mäeutische Rolle zukomme, und solle sich entsprechend verhalten.<ref>Siehe dazu Paul Müller: ''Kierkegaard’s „Works of Love“. Christian Ethics and the Maieutic Ideal.'' Kopenhagen 1993, S. 41–44, 51, 58–61.</ref>


==== Paris-Aufenthalt, zweite USA-Reise ====
Der Göttinger Philosoph [[Leonard Nelson]] (1882–1927) entwickelte Grundsätze einer gemeinsamen philosophischen Erkenntnisbemühung, die er als [[sokratisches Gespräch]] bezeichnete. Anfangs war das sokratische Gespräch nur für den Philosophieunterricht an den Universitäten gedacht. Nelson charakterisierte es als die Kunst, nicht Philosophie, sondern Philosophieren zu lehren, nicht über Philosophen zu unterrichten, sondern Schüler zu Philosophen zu machen.<ref>Detlef Horster: ''Das Sokratische Gespräch in Theorie und Praxis.'' Opladen 1994, S. 26.</ref> 1922 hielt er den Vortrag ''Die sokratische Methode'', in dem er sein Dialogverständnis darstellte. Dieser Vortrag wurde erst 1929 posthum veröffentlicht. An die Vorgehensweise des Sokrates anknüpfend vertrat Nelson die Auffassung, der Einfluss von Urteilen des Lehrers (Gesprächsleiters) auf den Schüler müsse unbedingt ausgeschaltet werden, damit der Schüler unbefangen zu einem eigenen Urteil gelangen könne. Nelsons Schüler [[Gustav Heckmann]] (1898–1996) setzte die Entwicklung der Methode fort. Das sokratische Gespräch nach Nelson und Heckmann wird weiterhin praktiziert, vor allem in der Erwachsenenbildung. Dazu gehört auch die Mäeutik. Ein wesentlicher Unterschied zur Mäeutik des Sokrates besteht jedoch darin, dass bei Nelson nicht Dialoge stattfinden, in denen jeweils eine Person einer anderen Hilfe leistet, sondern ein Gruppengespräch. Dabei spricht der Gesprächsleiter nicht selbst zur Sache, sondern übernimmt nur die Hebammenrolle.<ref>Klaus-Rüdiger Wöhrmann: ''Über einen strukturellen Unterschied zwischen der Mäeutik des Sokrates und dem Sokratischen Gespräch nach Leonard Nelson.'' In: Detlef Horster, Dieter Krohn (Hrsg.): ''Vernunft, Ethik, Politik. Gustav Heckmann zum 85. Geburtstag'', Hannover 1983, S. 289–300.</ref>
1883 verbrachte Wilde mehrere Monate in Paris, wo er im Hotel Voltaire auf dem linken Seine-Ufer das Bühnenstück ''The Duchess of Padua'' schrieb. Während seines Pariser Aufenthalts verkehrte er mit Dichtern (u.&nbsp;a. [[Edmond und Jules de Goncourt|Edmond de Goncourt]], [[Victor Hugo]], [[Paul Verlaine]]), Schauspielerinnen ([[Sarah Bernhardt]]) und impressionistischen Malern (u.&nbsp;a. [[Edgar Degas]], [[Camille Pissarro]]). Konfrontiert mit der ihn faszinierenden Pariser [[Dekadenz|Décadence]] in den Gedichten von [[Charles Baudelaire]] und Paul Verlaine versuchte er, diese Strömung mit der Bewegung der ''englischen Renaissance der Kunst'' im 19. Jahrhundert aus dem Geist des Ästhetizismus zu verbinden, die er im Vorjahr in Amerika propagiert hatte.<ref name="Renaissance" /><ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 350–352; Ellmann [https://books.google.de/books?id=FVNwAAAAQBAJ&pg=PT379 S. 379 books.google].</ref> Als im folgenden Jahr, 1884, der Roman ''[[Gegen den Strich]]'' (''À rebours'') des Franzosen [[Joris-Karl Huysmans]] erschien, den die Rezensenten einhellig als „Leitfaden der Décadence“ bezeichneten, gewann dieser Roman für Wilde eine ähnliche Bedeutung wie Paters ''Renaissance'' in den 1870er Jahren. In einem Interview erklärte er das Buch zu „einem der besten, das ich je zu Gesicht bekommen habe“.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 350 f.; Ellmann [https://books.google.de/books?id=FVNwAAAAQBAJ&pg=PT413&dq=best S. 413 books.google]; Joseph Pearce: ''Literary Converts. Spiritual Inspiration in an Age of Unbelief''. [[HarperCollins]] 1999. [https://books.google.de/books?id=mkRD-NLNyJYC&pg=PA5&dq=best S. 5 books.google]</ref>


Im Sommer 1883 reiste Wilde zum zweiten Mal nach Amerika, und zwar zur Uraufführung von ''Vera''. Am 20. August wurde das Stück im New Yorker Union Square Theatre vor vollem Haus, mit Marie Prescott in der Hauptrolle, gegeben. Nach Verrissen in der Presse wurde das Stück am 28. August vom Spielplan gestrichen.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 336 f.</ref>
Auch in einer neueren, fortentwickelten Variante des sokratischen Gesprächs in der Tradition von Nelson und Heckmann fällt die Hebammenrolle gewöhnlich dem Gesprächsleiter zu, doch ist es in der heutigen Praxis grundsätzlich möglich, dass jeder hinreichend erfahrene Gesprächsteilnehmer diese Rolle für einen anderen übernimmt. Eine Aufhebung der Rollen-Asymmetrie wird angestrebt.<ref>Zu einer fortentwickelten Praxis siehe Gisela Raupach-Strey: ''Sokratische Didaktik.'' Münster 2002, S. 53–57.</ref>


==== Vortragstourneen im Vereinigten Königreich und Heirat ====
Der [[Poststrukturalismus|Poststrukturalist]] [[Roland Barthes]] wendet sich im Rahmen seiner Kritik am [[Logozentrismus]] auch gegen die sokratische Mäeutik; er sieht in der Vorgehensweise des Sokrates das Bestreben, „den anderen zur äußersten Schande zu treiben: sich zu widersprechen“.<ref>Roland Barthes: ''[[Die Lust am Text]]'', Frankfurt am Main 1974, S. 8.</ref>
Nachdem seine Einkünfte aus der Amerika-Tournee aufgebraucht waren, unternahm Wilde zwei Vortragstourneen durch das Vereinigte Königreich. Ein pensionierter Armeecolonel, W.&nbsp;F. Morse, der schon bei der amerikanischen Vortragsreise vermittelt hatte, buchte für ihn zahlreiche Veranstaltungen. Die erste Tournee startete er im September 1883. Als Vortragsthemen hatte er ''Impressionen aus America'' und ''Das schöne Haus'' ausgewählt.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 340.</ref>


Als ein nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in Europa und Amerika berühmter und gefeierter Dichter heiratete er im dreißigsten Lebensjahr am 29. Mai 1884 die sechsundzwanzigjährige [[Constance Wilde|Constance Lloyd]], eine Kinderbuchautorin aus begütertem Haus, und verbrachte mit ihr die Flitterwochen in Paris und [[Dieppe]]. Danach ließen sie sich im Londoner Stadtteil [[Chelsea (London)|Chelsea]] nieder. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Cyril (1885–1915) und [[Vyvyan Holland|Vyvyan]] (1886–1967).
=== Didaktik ===
Die sokratische Gesprächsführung wurde im 18. Jahrhundert (ab 1735) zum Vorbild einer Unterrichtsmethode, die [[Erotematik]] („Fragekunst“) genannt wurde. Die Erotematik wurde in der [[Religionspädagogik]] eingesetzt und beherrschte bis ins frühe 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum die [[Katechetik]] beider Konfessionen. Vor allem im evangelischen Raum hatte sie viele Anhänger, die eifrig für sie eintraten. Ein führender Vertreter dieser Richtung war der evangelische Theologe [[Johann Friedrich Christoph Gräffe]], der die einflussreiche Schrift ''Die Sokratik nach ihrer ursprünglichen Beschaffenheit in katechetischer Rücksicht betrachtet'' veröffentlichte. Auch die aufklärerisch gesinnten evangelischen Theologen [[Karl Friedrich Bahrdt]], [[Johann Lorenz von Mosheim|Johann Lorenz Mosheim]], [[Gustav Friedrich Dinter]] und [[Johann Georg Sulzer]] setzten sich für die Mäeutik ein. In zahlreichen Abhandlungen wurde sie propagiert. Auf katholischer Seite waren [[Franz Michael Vierthaler]] und [[Bernhard Galura]] namhafte Vertreter der Mäeutik. Man glaubte, die im Religionsunterricht vermittelten Glaubenssätze seien im Sinne einer [[Natürliche Theologie|natürlichen Theologie]] im Menschen angelegt und könnten ihm durch geschicktes Fragen entlockt werden. Auch [[Johann Georg Hamann]] knüpfte in seinen Ausführungen, mit denen er zum Christentum hinführen wollte, an die sokratische Hebammenkunst an.<ref>Tim Hagemann: ''Maieutik B.III.'' In: Gert Ueding (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Rhetorik'', Band 5, Tübingen 2001, Sp. 733–736, hier: 733f.</ref>


Nach seiner Heirat unternahm er vom Oktober 1884 bis März 1885 die zweite Vortragstournee durch England, Wales, Schottland und Irland. Er referierte über „Die Bedeutung der Kunst im modernen Leben“ und „Kleidung“ unter dem Gesichtspunkt der Schönheit.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 363–365.</ref>
Auch außerhalb theologischer Kreise fand die Mäeutik im [[Aufklärung|Zeitalter der Aufklärung]] viel Anklang, unter anderem bei [[Moses Mendelssohn]], [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]] und [[Christoph Martin Wieland|Wieland]] sowie bei dem Pädagogen [[Ernst Christian Trapp]]. [[Immanuel Kant]] empfahl für die Didaktik der Ethik die „dialogische Lehrart“. Sie besteht nach seiner Beschreibung darin, dass ''der Lehrer das, was er seine Jünger lehren will, ihnen abfrägt'', wobei er sich an die Vernunft der Schüler wendet. Das kann nach Kants Auffassung nur dialogisch geschehen, indem ''Lehrer und Schüler einander wechselseitig fragen und antworten''. Der Lehrer leitet durch Fragen den Gedankengang des Schülers, indem er ''die Anlage zu gewissen Begriffen in demselben durch vorgelegte Fälle blos entwickelt (er ist die Hebamme seiner Gedanken).'' Der Schüler hilft seinerseits durch seine Gegenfragen dem Lehrer, die Fragetechnik zu verbessern.<ref>Immanuel Kant: ''[[Die Metaphysik der Sitten]]''. In: ''Kant’s gesammelte Schriften'' (Akademie-Ausgabe), Band 6, Berlin 1907, S. 478.</ref>


==== Herausgeber, Dramatiker und Erzähler ====
Nicht nur theologischen und philosophischen Stoff vermittelte man auf „sokratische“ Weise; auch mathematische und gesellschaftliche Fragen wurden nun in „sokratischen Gesprächen“ behandelt.<ref>Beispiele nennt Benno Böhm: ''Sokrates im achtzehnten Jahrhundert.'' 2. Auflage. Neumünster 1966, S. 134 Anm. 2.</ref> In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Wort „Maieutik“ als deutsches Fremdwort geprägt.<ref>Helmut Meinhardt: ''Maieutik II''. In: ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]]'', Band 5, Basel 1980, Sp. 638.</ref>
[[Datei:Oscar Wilde (1854-1900) 1889, May 23. Picture by W. and D. Downey.jpg|mini|Oscar Wilde 1889, Aufnahme von Downey]]
Wilde arbeitete von 1887 bis 1889 für die ''[[Pall Mall Gazette]]'' und danach als Herausgeber der Zeitschrift ''Woman’s World''. Während dieser Jahre veröffentlichte er die für seine Söhne geschriebene Märchensammlung ''[[Der glückliche Prinz und andere Märchen]]'' (1888, klassische Vertreter der Gattung [[Kunstmärchen]]) und den Roman ''[[Das Bildnis des Dorian Gray]]'' (''The Picture of Dorian Gray'') (1891). In diesem Werk, seinem einzigen Roman, fanden Kritiker einerseits [[Autobiographie|autobiographische]] Elemente, andererseits eine direkte Antwort auf den französischen [[Symbolismus (Literatur)|Symbolismus]], insbesondere auf ''[[Gegen den Strich]]'' von [[Joris-Karl Huysmans]].


In den folgenden Jahren schrieb Oscar Wilde etwa jährlich ein neues Werk, vor allem Gesellschafts[[komödie]]n. Am bekanntesten sind ''Lady Windermere’s Fan'' (1892), ''A Woman of No Importance'' (1893), ''An Ideal Husband'' (1895) und ''[[The Importance of Being Earnest]]'' (1895), das die Oberklasse satirisch darstellt und als eines seiner besten Werke gilt.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Fragekunst des platonischen Sokrates und der pädagogischen Mäeutik des 18. und 19. Jahrhunderts besteht darin, dass die negative Vorgehensweise des Sokrates in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Sokrates ließ seine Gesprächspartner ihre Ansichten vortragen und widerlegte sie dann. Die neuzeitlichen Pädagogen hingegen versuchten dem Schüler positive Aussagen zu entlocken, die dem entsprachen, was sie selbst für wahr hielten.<ref>Siehe dazu Patrick Bühler: ''Negative Pädagogik.'' Paderborn 2012, S. 48–53.</ref>


Sein Stück ''[[Salome (Drama)|Salome]]'' aus dem Jahr 1891 nach der biblischen [[Salome (Tochter der Herodias)|Salome]]-Legende (mit berühmten, zum Teil sehr freizügigen [[Jugendstil]]-Illustrationen von [[Aubrey Beardsley]]) wurde vom [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensor]] abgelehnt und fand daher keinen Verleger in England. 1894 wurde es von und mit [[Sarah Bernhardt]] in Paris uraufgeführt. [[Richard Strauss]] vertonte die deutsche Übersetzung von Hedwig Lachmann zu seiner Oper ''[[Salome (Oper)|Salome]]'', die am 9. Dezember 1905 an der [[Semperoper|Dresdner Hofoper]] uraufgeführt wurde.
Ein Kritiker der Mäeutik im Religionsunterricht war [[Johann Heinrich Pestalozzi]]. Er hielt die Vermischung von Sokratik und Katechese für abwegig. Außerdem sei das „Sokratisieren“ für Kinder unmöglich, da ihnen die nötigen Vorkenntnisse fehlten. Man habe sich zu Unrecht Wunder davon erträumt.<ref>Johann Heinrich Pestalozzi: ''Wie Gertrud ihre Kinder lehrt.'' In: Johann Heinrich Pestalozzi: ''Sämtliche Werke'', Band 13, Berlin 1932, S. 181–389, hier: 215f.</ref> Auch [[Johann Gottlieb Schummel]] beurteilte die verbreitete Begeisterung der Pädagogen für die Mäeutik skeptisch. In seinem satirischen Roman Spitzbart (1779) machte er sich darüber lustig.<ref>Patrick Bühler: ''Negative Pädagogik.'' Paderborn 2012, S. 45f., 107.</ref>


Oscar Wilde schrieb auch eine Kriminalerzählung: ''Lord Arthur Saviles Verbrechen'' (1887), eine „Studie über die Pflicht“, wie der Untertitel der Erzählung lautet. Dem Titelhelden wird geweissagt, er werde einen Mord begehen. Entsprechend seinem Leitspruch „Was du tun musst, das tue gleich“, beschließt Lord Arthur, das vorhergesagte Verbrechen noch vor seiner Eheschließung zu begehen.
1845 veröffentlichte der Mathematiker [[Karl Weierstraß]] einen Aufsatz ''Über die Sokratische Lehrmethode und deren Anwendbarkeit beim Schulunterrichte''. Er meinte, die Methode sei an und für sich hervorragend, aber in der Schule nur beschränkt einsetzbar. Für naturwissenschaftliche Fächer sei sie ungeeignet, für den größten Teil des Gymnasialunterrichts komme sie nicht in Betracht. Ihr Anwendungsbereich seien die philosophischen Wissenschaften, die reine Mathematik und die Theorie der allgemeinen Gesetze der Sprache. Sie verhelfe dem Schüler zu Erkenntnissen, deren Quelle unmittelbar in den Anlagen der menschlichen Natur sei.<ref>Karl Weierstraß: ''Über die Sokratische Lehrmethode und deren Anwendbarkeit beim Schulunterrichte.'' In: Karl Weierstraß: ''Mathematische Werke'', Band 3: ''Abhandlungen III'', Berlin 1903, S. 315–329.</ref>


''Das Bildnis des Dorian Gray'' gilt als Oscar Wildes zentrales [[Prosa]]werk. Seine Themen sind die [[Moral]]ität von [[Sinnlichkeit]] und [[Hedonismus]] im [[Viktorianisches Zeitalter|Viktorianismus]] und die [[Dekadenz]] der britischen [[Oberschicht]]. In der Handlung des Romanes und in den eingearbeiteten Kunstbemerkungen, lässt sich aber sowohl eine [[Proklamation]] wie auch eine Kritik des [[Ästhetizismus]] herauslesen, einer literarischen Strömung des [[Fin de Siècle|Fin de siècle]].<ref>Artikel zum Roman ''Das Bildnis des Dorian Gray''. In: ''Kindlers Neues Literatur Lexikon''. Band 17. Kindler, München 1988, S. 667f.</ref>
Die häufig praktizierte [[Fragend-entwickelnder Unterricht|fragend-entwickelnde Unterrichtsmethode]] wird von ihren Vertretern als Weiterentwicklung der Mäeutik des Sokrates betrachtet. Sie krankt nach heutigem didaktischem Forschungsstand an der zu starken Steuerung der Lernprozesse durch die Lehrperson, die zu wenig Eigeninitiative der Lernenden zulässt.


=== Skandal und Zuchthaus ===
In zeitgerechter Weiterentwicklung wird die sokratische Mäeutik heute als Methode des [[Entdeckendes Lernen|entdeckenden]] und [[Mehrdimensionales Lernen|mehrdimensionalen Lernens]] in vielen Lehr- und Lernbereichen, etwa der [[Verkehrspädagogik]]<ref>[[Siegbert A. Warwitz]]: ''Das "Karlsruher Modell" der Verkehrserziehung.'' In: Siegbert A. Warwitz: ''Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen – Spielen – Denken – Handeln'', 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009, S. 1–3.</ref>, praktiziert: Die Lehrperson holt das Kind in seinem Erlebnis- und Erfahrungshorizont ab und fördert es durch entsprechende Impulse und Fragestellungen zu eigenen Erkenntnissen und selbstbestimmtem Handeln. In Abwandlung und Erweiterung eines Leitworts der [[Montessoripädagogik]] arbeitet die „[[Verkehrspädagogik|Verkehrserziehung vom Kinde aus]]“ unter der didaktischen Zielvorstellung  „Hilf mir, die Umwelt selbst zu entdecken und eigenverantwortlich zu handeln“.  Die Kinder entwickeln auf diesem Wege aus eigenem Verständnis und herausgeforderten eigenen Überlegungen ihrem Denken gemäße Formen des Verkehrens wie den verträglichen Umgang miteinander, die partnerschaftliche Nutzung des Verkehrsraums, den Entwurf von angemessenen Verständigungsformen, die Gestaltung von anschaulichen Verkehrszeichen oder akzeptierten Verkehrssanktionen.<ref>Siegbert A. Warwitz: ''Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen – Spielen – Denken – Handeln'', 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009, S. 50–75.</ref>
Dem Biographen [[Richard Ellmann]] zufolge stand Wilde zwar seit jeher der [[Homosexualität]] unbefangen gegenüber, praktizierte sie aber erstmals 1886 mit dem damals 17-jährigen Oxford-Studenten [[Robert Baldwin Ross|Robert Ross]], der fortan einen festen Platz in Wildes Leben einnahm.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 382 f.</ref> Die Homosexualität befeuerte ihn in seinem Selbstfindungprozess und rückte das Für und Wider der Ehe künftig ins Zentrum seines Schreibens.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 391.</ref> Seine Ehe mit Constance Lloyd, aus der zwei Söhne hervorgingen, spricht indessen für Wildes [[Bisexualität|bisexuelle]] Orientierung.


Der Familienvater Wilde ging – für die damalige Zeit – relativ offen mit seiner Homosexualität um. Seine homosexuellen, genauer [[Ephebophilie|ephebophilen]] Partnerschaften, z.&nbsp;B. mit seinem jugendlichen Freund und späteren Lektor Robert Ross, waren nicht unbekannt. Wildes langjähriges Verhältnis zu dem 16 Jahre jüngeren [[Alfred Douglas|Lord Alfred Douglas]] (genannt Bosie) führte schließlich durch eine gezielte Provokation durch dessen Vater, [[John Sholto Douglas, 9. Marquess of Queensberry]], zu einem gesellschaftlichen Skandal, drei Gerichtsverfahren und Wildes Niedergang.<ref>Vgl. zu den Prozessen: ''Glanz und Elend des Dichters Oscar Wilde.'' In: Walther Skaupy, ''Große Prozesse der Weltgeschichte''. Emil Vollmer Verlag, Essen, ISBN 3-88851-277-8, S.&nbsp;188–218.</ref>
Der [[Publizist]] [[Stefan Lindl]] hat eine „repräsentationsanalytische Maieutik“ entwickelt, die verborgene Fähigkeiten und Kompetenzen im Gespräch ans Licht bringen soll.<ref>Stefan Lindl: ''Gestalten des Gestaltens'', 3 Bände, Wien 2005–2008.</ref>
[[Datei:Somdomite.jpg|mini|For Oscar Wilde<br />
posing Somdomite<br />
''Marquis of Queensberry'']]
Am 18. Februar 1895 hinterließ Queensberry im Albemarle Club, den Oscar Wilde regelmäßig besuchte, seine Visitenkarte mit dem handschriftlichen Zusatz: „For Oscar Wilde posing Somdomite [sic!]“ („für Oscar Wilde, posierenden [[Sodomie#In anderen Sprachen|Sodomiten]]“).<ref>[http://www.nationalarchives.gov.uk/museum/item.asp?item_id=41 nationalarchives.gov.uk]</ref> Oscar Wilde erhob deswegen, nachdem ihm Alfred Douglas moralische und finanzielle Rückendeckung zugesichert hatte, Verleumdungsklage gegen den [[Markgraf#Britische Inseln|Marquis]], der zu seiner Verteidigung den Wahrheitsbeweis für seine Beschuldigung antrat.
[[Datei:Oscarwildetrial.jpg|mini|''Police News'' 4. Mai 1895]]
Wilde wurde vom Kläger zum Angeklagten, als zu Tage kam, dass er mit jungen Männern aus der Unterschicht sexuellen Umgang hatte, darunter auch männlichen Prostituierten. Im [[Kreuzverhör]] wurde Oscar Wilde von [[Edward Carson]], einem ehemaligen Studienkollegen vom Trinity College, auch zu verschiedenen seiner Schriften befragt, hauptsächlich zu dem Roman ''[[Das Bildnis des Dorian Gray]]'', der als „anrüchig“ gerügt wurde. Wildes rhetorische Brillanz konnte aber nicht verhindern, dass die Geschworenen Queensberry für „nicht schuldig“ befanden.


Oscar Wilde wurde daraufhin selbst verhaftet und wegen [[Unzucht]] angeklagt. Da sich in der Jury aber zunächst keine ausreichende Mehrheit für einen Freispruch oder eine Verurteilung fand, wurde Wilde auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. In einem zweiten Verfahren wurde er dann am 25. Mai 1895 zu zwei Jahren [[Zuchthaus]] mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Ausschlaggebend war nicht sein Verhältnis zu Lord Douglas, sondern sein Umgang mit [[Männliche Prostitution|männlichen Prostituierten]], von denen einige als Zeugen gehört worden waren.
=== Verhaltenstherapie ===
Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hatten Freunde Wilde die Flucht aus England nahegelegt. Das lehnte Wilde ab. [[William Butler Yeats]], der ihm gleichfalls die Flucht empfohlen hatte, schrieb über Wildes Entscheidung später: „Ich habe nie daran gezweifelt, nicht einen Augenblick, daß er die richtige Entscheidung getroffen hatte, und daß er ebendieser Entscheidung die Hälfte seines Ruhms verdankt.“<ref>Zitiert nach Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 635. {{" |lang=en |Text=but I have never doubted, even for an instant, that he made the right decision, and that he owes to that decision half of his renown.}} Yeats: ''The Trembling of the Veil'' [http://www.readcentral.com/chapters/William-Butler-Yeats/The-Trembling-of-the-Veil/053 Book IV Chapter III].</ref>


Der Skandal führte zu Angriffen gegen das Magazin ''[[The Yellow Book]]'' und seinen Illustrator [[Aubrey Beardsley]], obwohl ''Yellow Book'' nie etwas von Wilde veröffentlicht hatte.
In der [[Kognitive Verhaltenstherapie|Kognitiven Verhaltenstherapie]] (KVT) und der [[Rational-Emotive Verhaltenstherapie|Rational-Emotiven Verhaltenstherapie]] (REVT) wird eine Technik angewendet, die an die sokratische Vorgehensweise anknüpft. Es wird dabei davon ausgegangen, dass irrationale Grundannahmen des Klienten Ursache seiner psychischen Störung sein können. Mit Hilfe der Gesprächstechnik („sokratischer Dialog“) versucht der Therapeut, diese Grundannahmen zu identifizieren und schrittweise zu verändern.<ref>Harlich H. Stavemann: ''Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung''. 3., überarbeitete Auflage, Weinheim 2015.</ref>


Die folgenden zwei Jahre harter Zwangsarbeit ruinierten Wildes Gesundheit. Zunächst wurde Wilde in das Zuchthaus im Londoner Stadtteil Wandsworth gebracht, in dem er mehrere Monate in der Krankenabteilung verbringen musste. Danach wurde er am 20. November 1895 unter entwürdigenden Bedingungen in das [[Abtei Reading#Nachnutzung|Zuchthaus in Reading]] überführt. Wie Richard Ellmann berichtet, musste er in Handschellen und Häftlingskluft eine halbe Stunde auf dem Bahnsteig ausharren.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 666.</ref> In dieser Situation könnte auch der folgende, häufig zitierte sarkastische Satz gefallen sein: „Wenn Ihre Majestät ihre Gefangenen so behandelt, dann verdient sie keine.“<ref>''"If this is how Her Majesty treats her prisoners, she doesn’t deserve to have any."'' Eine genaue Quelle konnte nicht ermittelt werden.</ref> Seine Frau, Constance, die ihn am 19. Februar 1896 besuchte, um ihn auch vom kürzlichen Tod seiner Mutter persönlich zu unterrichten, war erschüttert vom Zustand ihres Mannes. Sie schrieb ihrem Bruder: „Im Vergleich zu früher ist er ein vollkommenes Wrack“.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 670.</ref>
=== Pflege ===
In der [[Gesundheits- und Krankenpflege]] versteht man unter Mäeutik die „erlebnisorientierte Pflege“, die auf einem Konzept basiert, das aus dem niederländischen ''Instituut voor Maieutische Ontwikkeling in de Zorgpraktijk'' (IMOZ) stammt. Die Pflege-Mäeutik wurde in den 1990er Jahren in den Niederlanden von [[Cora van der Kooij]] besonders zur Betreuung von Menschen mit [[Demenz]]erkrankungen entwickelt. Sie hat zum Ziel, das [[Intuition|intuitive]] pflegerische Handeln mit Begriffen und einer integrierenden Theorie zu untermauern. Angestrebt wird dabei das Bewusstmachen des intuitiven Wissen oder auch von Erfahrungen. Zur Anwendung dieses Konzeptes bedarf es einer besonderen Schulung des Personals, das in Pflegeheimen und [[Hospiz]]en sowie in Einrichtungen zur Betreuung von geistig Behinderten und Dementen arbeitet.  


Wenige Jahrzehnte vor Wildes Inhaftierung wurde im Vereinigten Königreich das System der Einzelhaft eingeführt. Das Zuchthaus von Reading entstand, wie 54 weitere britische Haftanstalten in der Zeit, nach dem Vorbild des 1842 eröffneten [[Pentonville-Gefängnis]] in London, in dem auch Wilde vor seinen Verlegungen einsaß. Sie alle folgten demselben Prinzip der Separation. Überfüllte Schlafsäle in Gefängnissen, die man als „Schulen des Verbrechens“ ansah, sollten so abgeschafft werden. Mit der Einzelzelle sollten Verurteilte nicht mehr nur bestraft, sondern auch reformiert werden und Isolation erschien als ein geeignetes Mittel. Viele Insassen bekamen psychische Probleme, „each in his separate Hell“, wie Wilde es in ''Ballad of Reading Gaol'' formulierte.
Die Pflegemäeutik geht davon aus, dass es zwei Erlebniswelten gibt: die der Bewohner und die der Betreuer.<ref>Ulrich Schindler (Hrsg.): ''Die Pflege demenziell Erkrankter neu erleben. Mäeutik im Pflegealltag'', Hannover 2003, S. 21.</ref> Die gefühlsmäßige [[Interaktion]] zwischen Betreuern und Bewohnern soll verstanden und auf wünschenswerte Weise beeinflusst werden. Cora van der Kooij bezieht sich auf den Gedanken der „Geburtshilfe“ des platonischen Sokrates. Sie will „Geburtshilfe“ für die Bewusstwerdung des Pflegepersonals leisten. In Kursen soll den Pflegekräften die Fähigkeit vermittelt werden, die Belastungen ihres beruflichen Alltags besser zu bewältigen.
 
Der Bauplan für Reading stammte von [[George Gilbert Scott]]. Der Grundriss wurde in der – in den westlichen Kirchen meistverbreiteten – Form des [[Lateinisches Kreuz|christlichen Kreuzes]] gestaltet und der Knotenpunkt von offenen Gängen auf der Mittelachse des Gebäudes diente dem Zweck einer genauen Beobachtung aller Gefangenen. Auch das Zuchthausinnere mit seinen gotischen Spitzbögen erscheint als eine Anleihe aus Sakralbauten. Scott war einer der führenden Architekten der [[Neogotik]] und Schöpfer vieler Kirchen. Das Zuchthaus von Reading war als ein Ort der Läuterung erdacht worden. Eine [[Tretmühle]] im Gebäudekomplex, an der Gefangene Zwangsarbeit leisten musten, diente als Folterinstrument. Die Fenster waren zu Wildes Zeiten kaum größer als [[Schießscharte|Schießscharten]] mit [[Milchglas|Milchglasscheiben]]. Manchmal konnten die Häftlinge trotzdem irgendwo ein kleines Stück des Himmels sehen, „that little tent of blue / Which prisoners call the sky“, wie er in seinem Gedichtswerk beschreibt. Im Gefängnis herrschte Redeverbot für die Insassen. Auch ansehen durften sie einander nicht. Zum Gang auf den Hof mussten sie Kapuzen tragen, welche das Gesicht vollständig bedeckten. In der Kapelle trennten Zwischenwände die auf Kirchenbänken wie in offenen Särgen Sitzenden. Die Häftlinge standen ständig unter Beobachtung des Wachpersonals. Schon bei Haftantritt wurden jedem Gefangenen die [[Dunkelhaft|Dunkelzellen]] im Kellergeschoss gezeigt. Es drohte schon bei kleinen Verfehlungen die dortige  Einkerkerung in völliger Stille und Lichtlosigkeit. Wilde erlitt dies einmal, vierzehn Tage lang, die wie eine einzige Nacht gewesen sein müssen. Er schrieb später: „Suffering is one very long moment. We cannot divide it by seasons“. Zur Anordnung der Dunkelhaft gereichten der Gefängnisleitung ein paar Worte, die er beim Gang in die Gefängniskapelle mit einem anderen Gefangenen gewechselt hatte. Von 1845 bis 1913 wurde in Reading auch die Todesstrafe durch [[Hängen|Erhängen]] vollzogen. Wilde berichtete später vom Grauen und Terror, die eine bevorstehende Hinrichtung unter den Mitgefangenen auslöste.<ref name="NZZ">{{Internetquelle |url=https://www.nzz.ch/feuilleton/schauplatz/oscar-wilde-und-das-zuchthaus-von-reading-und-dunkelhaft-fuer-den-der-spricht-ld.120496 |titel=Und Dunkelhaft für den, der spricht |zugriff=2018-10-16}}</ref>
 
[[Datei:Bosie1.jpg|mini|[[Alfred Douglas]], 1903]]
Im Zuchthaus in [[Reading]] schrieb Wilde einen Brief von 50.000 Wörtern an [[Alfred Douglas]], den er Robert Ross nach seiner Entlassung aus der Haft zukommen ließ, um ihn vor der Vernichtung zu bewahren. Lord Douglas bestritt später stets, diesen Brief je erhalten zu haben. Unter dem Titel ''[[De Profundis (Wilde)|De Profundis]]'' wurde der Brief posthum (1905) unter Auslassung eventuell anstößiger Abschnitte veröffentlicht; 1949 publizierte [[Vyvyan Holland]], Wildes Sohn, den Brief in einer längeren, aber fehlerhaften Version, für die Ross’ Abschrift als Quelle diente. 1962 erstellten Literaturwissenschaftler nach dem Originalmanuskript, das im [[British Museum]] verwahrt wird, eine korrekte und vollständige Druckversion, die in der [[Anthologie]] ''The Letters of Oscar Wilde'' veröffentlicht wurde. Darin geht es, neben einer Aufarbeitung der Beziehung zu Douglas, unter anderem um die unmenschlichen Zustände im Zuchthaus (Kindergefangene, Kinderzwangsarbeit). Diese Themen hatte er nach seiner Haftentlassung bereits in zwei Leserbriefen an die Zeitung ''[[Daily Chronicle]]'' dargelegt.
 
=== Leben im Exil ===
Gesundheitlich schwer angeschlagen, wurde Wilde am 19. Mai 1897 aus der Haft entlassen. Nachdem sein ursprünglicher Plan, sich für sechs Monate als Büßer in ein Jesuitenkolleg zurückzuziehen, durch die unverzügliche Absage des Leiters durchkreuzt worden war,<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 709.</ref> floh er noch am Abend des gleichen Tages vor der gesellschaftlichen Ächtung nach Paris. Er betrat nie wieder britischen Boden und schrieb außer ''Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading'' nichts mehr.<ref>Susanne Luber: ''Nachwort zum ‚Brief aus dem Gefängnis.‘'' In: Oscar Wilde: ''Werke in 5 Bänden.'' Band 5: ''Spätwerke.'' Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004, S. 259.</ref> Die letzten drei Lebensjahre verbrachte er unter dem Namen ''Sebastian Melmoth'' (nach dem Roman ''[[Melmoth der Wanderer]]'' seines Großonkels [[Charles Robert Maturin]]) auf dem europäischen Festland in Armut und Isolation.
 
Wilde traf sich im selben Jahr mit Lord Douglas in Neapel. Er wollte den Freund noch einmal wiedersehen und die Beziehung damit zugleich beenden: „Ich weiß, es ist besser, wenn ich ihn nie wiedersehe.“ Nach einer erneuten Trennung reiste er im Februar 1898 nach Paris und logierte in einem billigen Hotel in der Rue des Beaux-Arts. Frühere Freunde, die er um Hilfe aus seinen häufigen Geldnöten bat, erlebten ihn als vereinsamten und niedergeschlagenen Schnorrer.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 748, 752 f., 766 f.</ref> Obwohl völlig mittellos, wurde er vom Besitzer des Hotels im besten Zimmer untergebracht und bekam das beste Essen und den besten Wein. Sein Kommentar war angeblich: „Ich sterbe über meine Verhältnisse“, seine letzten Worte: „Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich.“<ref>''My wallpaper and I are fighting a duel to the death. One or the other of us has to go.''</ref>
 
Seine Frau Constance starb ein Jahr nach seiner Haftentlassung, am 7. April 1898, in Genua. Sie hatte mit den Kindern England verlassen, unter anderem in der Gegend von [[Nürnberg]] gelebt und ihren Namen in Constance Holland geändert. Trotz der offensichtlichen Affären ihres Mannes hatte sie nie die Scheidung eingereicht. Wie Richard Ellmann schreibt, war „ihre Zuneigung zu Wilde (…) bis zuletzt ungebrochen“.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 744.</ref> Aus Constances Nachlass erhielt Wilde nun eine jährliche Summe von 150 Pfund, die zum Leben ausgereicht hätte, hätte er nicht zum Luxus geneigt.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 757.</ref> Seine Schulden beliefen sich nach seinem Tod auf 400 Pfund, die sein Freund und Verwalter des literarischen Nachlasses, Robert Ross, beglich.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 777, 787.</ref>
 
=== Tod und Beisetzung ===
 
Am 30. November 1900 starb Oscar Wilde im Pariser „[[Hotel d’Alsace]]“. Sein Freund Ross hatte einen katholischen Priester gerufen, der Wilde auf dem Sterbebett die Nottaufe, die Absolution und die letzte Ölung erteilte. Er konnte nicht mehr sprechen, und ob er bei seinem Übertritt zur [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] noch bei Bewusstsein war, konnte niemand wissen, wie Ross berichtete.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 781.</ref>
 
Nach Ansicht der südafrikanischen Wissenschaftler [[Ashley Robins]] und [[Sean Sellars]] starb Wilde an den Folgen einer [[Hirnhautentzündung]], die aus einer [[Chronische Mittelohrentzündung|chronischen Mittelohrentzündung]] resultierte. Schon vor dem Gefängnisaufenthalt hatte er wegen Taubheitsgefühlen einen Ohrenspezialisten kontaktiert. Nach Meinung der südafrikanischen Wissenschaftler handelt es sich um einen Mythos, dass Wilde an der damals unheilbaren [[Syphilis]] gelitten habe.<ref>Sandra Standhartinger: [http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=001124008 ''Oscar Wilde starb an Ohreninfektion – Todesursache Syphilis höchst unwahrscheinlich''], Pressetext Austria, 24. November 2000.</ref> Dem steht die Aussage von Wildes Freund Robert Ross gegenüber, Oscar habe sich schon als Student mit der Krankheit infiziert und vor seiner Ehe einer Quecksilberbehandlung unterziehen müssen. Auch sein Biograph, [[Richard Ellmann]], geht von der Syphilis als Todesursache aus und stützt sich dabei auf die Angaben seiner engsten Freunde, Reginald Turner und Robert Ross, in deren Beisein Wilde starb, sowie auf die Gutachten der Ärzte, die ihn kurz vor seinem Tod untersucht hatten.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 142.</ref>
 
Er wurde zunächst auf dem [[Cimetière parisien de Bagneux]] beigesetzt, im Jahre 1909 jedoch auf den [[Père Lachaise|Cimetière du Père Lachaise]] in Paris umgebettet. 1950 wurde die Asche des treuen Freundes Robert Baldwin Ross mit in dem Grab untergebracht. Ein Grabmal von [[Jacob Epstein]] ziert die Ruhestätte. Das Grab war lange Zeit mit tausenden Lippenstift-Küssen von Verehrerinnen und Verehrern verziert. Zum 111. Todestag wurde das Grab renoviert und mit einer Glasplatte geschützt, ein absolutes Kussverbot wurde verhängt.
 
== Politik ==
Die Bekanntschaft mit [[George Bernhard Shaw]] führte Wilde zur Beschäftigung mit dem Sozialismus. Er besuchte 1888 mehrere Veranstaltungen der [[Fabian Society]] und rezensierte 1889 das Gesangbuch ''Chants of Labour: A Song-Book of the People'', worin er zu verstehen gab, dass er den Sozialismus für eine neue Triebfeder der Kunst halte.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 403.</ref> Er war auch der einzige Literat, der Shaws Petition zur Begnadigung der zum Tode verurteilten Anarchisten der [[Haymarket Riot]]s in Chicago unterzeichnete.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 403.</ref>
 
Den Essay ''[[Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus]]'' schrieb er unter der inspirierenden Lektüre von [[Peter Kropotkin]]s Schriften.<ref>''Anarchism: Anarchism as a movement, 1870–1940.'' In: Encyclopedia Britannica, [http://www.britannica.com/topic/anarchism/Anarchism-as-a-movement-1870-1940 britannica.com]</ref> Darin tritt Wilde für die Abschaffung des Privateigentums und einen individualistischen, [[Antiautoritärer Sozialismus|antiautoritären Sozialismus]] ein. Er schreibt: „Die Anerkennung des Privateigentums hat den Individualismus nachhaltig geschädigt und getrübt, indem sie den Menschen mit seinem Besitz verwechselte.“<ref>Oscar Wilde: ''Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus.'' In: ders.: ''Essays.'' Band 3 der ''Neuen Zürcher Ausgabe.'' Gerd Haffmans bei [[Zweitausendeins]], Frankfurt am Main 2004, S. 244.</ref> Gleichzeitig mit dem Privateigentum müsse jedoch auch die Idee des Herrschens über Menschen überhaupt aufgegeben werden.<ref>J. B. Foreman (Hrsg.): ''The Complete Works of Oscar Wilde.'' 2001, HarperCollins, S. 1087.</ref> In seinem ''Brief aus dem Gefängnis'' (in stark gekürzter Version erstmals 1905 unter dem Titel ''De Profundis'' veröffentlicht) spricht Wilde mit äußerster Hochachtung von dem im Londoner Exil lebenden Kropotkin, mit dem er die Erfahrung jahrelangen Gefängnisses teilte: „Ein Mann mit der Seele jenes schneeweißen, schönen Christus, der aus Rußland hervorzugehen scheint.“<ref>Oscar Wilde: ''Brief aus dem Gefängnis.'' In: ders.: ''Spätwerke.'' Band 5 der ''Neuen Zürcher Ausgabe.'' Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004, S. 67–250, hier: 201.</ref>
 
In einer Umfrage der französischen Literaturzeitschrift ''[[L'Ermitage (Zeitschrift)|L’Ermitage]]'' hatte er sich schon 1873 als „Künstler und Anarchist“ bezeichnet.<ref>{{" |Text=Autrefois, j’étais poète et tyran. Maintenant je suis artiste et anarchiste |lang=fr}}. Zitiert nach David Goodway: ''Anarchist Seeds Beneath the Snow. Left-Libertarian Thought and British Writers from William Morris to Colin Ward.'' PM Press, Oakland, CA, ISBN 978-1-60486-221-8, S. 77.</ref>
 
== Gedenken und Ehrung ==
[[Datei:Oscar Wilde 1854-1900.jpg|mini|hochkant|Gedenkplakette im Saint Patrick’s Park, Dublin]]
 
Seit 1995 steht eine Gedenktafel zu Oscar Wilde im [[Poets’ Corner]] der [[Westminster Abbey]]. Anfang 2007 nahm der Vatikan in einer Anthologie ''Provokationen: [[Aphorismus|Aphorismen]] für ein anti-konformistisches Christentum'' Oscar Wilde in die Ehrenliste von Autoren auf.<ref>Thomas Kielinger: [https://www.welt.de/print-welt/article707358/Die-katholische-Kirche-rehabilitiert-Oscar-Wilde.html ''Die katholische Kirche rehabilitiert Oscar Wilde''.] In: ''[[Die Welt]]'', 9. Januar 2007</ref>
 
== Wirkung ==
Das ehemalige Zuchthaus von Reading wird als eines der berühmtesten Gefängnisse der Welt genannt.<ref>{{Literatur |Autor=Gina Thomas, Reading |Titel=Reading Prison: Aus der Tiefe der Zelle |ISSN=0174-4909 |Online=https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/reading-prison-aus-der-tiefe-der-zelle-14417811.html |Abruf=2019-05-13}}</ref> Im Jahr 2016 und drei Jahre nach dem Ende der Nutzung des Gefängnisses als solches, zuletzt für jugendliche Straffällige, setzten sich Künstler am Ort des Geschehens mit den Umständen der Inhaftierung Wildes und allgemeinen Fragestellungen dazu in einer Ausstellung auseinander. Unter dem Titel ''Inside: Artists and Writers in Reading Prison'' wurden Themenfelder wie Umgang mit Homosexualität, Separation, Isolation, Strafe, physische und psychische Gefangenschaft, Recht, Rechtsprechung und Gerechtigkeit von der gemeinnützigen Kunstorganisation [[Artangel]], die weltweit Kunst außerhalb von Galerien in Szene setzt, angeschnitten.
 
Artangel-Direktor Michael Morris betont ''De Profundis'' und ''The Ballad of Reading Gaol'' sind nicht die einzigen Dokumente von Wildes Zuchthauskritik: „Wilde schrieb nach seiner Entlassung eine Reihe sehr wichtiger Briefe an öffentliche Organe, aber auch an Zeitungen wie den ''[[Daily Telegraph]]'', über die Zustände im Gefängnis, über die Kinder, die dort gefangen gehalten wurden, und über die Auswirkungen der Separation.“<ref name="NZZ" />
 
Der zunächst einflussreiche deutsche Kritiker in der Zeit vom [[Naturalismus (Literatur)|Naturalismus]] und später in der [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Zeit]] verfolgte [[Alfred Kerr]] schrieb 1917 in seinem saloppen und gesellschaftskritischen Stil unter anderem über Wilde den Satz: „Seine langsame Hinrichtung bleibt der letzte Akt des [[Mittelalter]]s“. Zudem reiche das Ende des „englischen Mittelalters“ bis zu seiner Hinrichtung. Wilde sei ein „Stilkünstler“, und es sei zweifelhaft, ob er mehr gewesen sei.<ref>[[Alfred Kerr]]: ''Die Welt im Drama''. 5 Bände. S. Fischer, Berlin 1917 (= Gesammelte Schriften, Erste Reihe), S. 406.<!-- Äh – in welchem Band der 5 Bände befindet sich denn diese Seite 406? --></ref>
 
== Neffe Fabian Lloyd ==
1913 veröffentlichte Wildes Neffe Fabian Lloyd alias [[Arthur Cravan]] in Paris einen Artikel, in dem er behauptete, sein Onkel sei noch am Leben und habe ihn in Paris besucht. Oscar Wilde habe sich seit 1901 in Indien und Indonesien aufgehalten und sei dorthin zurückgekehrt. Der Pariser Korrespondent der ''[[The New York Times|New York Times]]'' fiel auf dieses Gerücht herein und suchte erfolglos nach Zeugen, die den toten Wilde gesehen haben sollten. Cravan ging noch einen Schritt weiter und wettete um 5000 [[US-Dollar|Dollar]], dass sich im Sarg des Dichters auf dem Friedhof [[Père-Lachaise]] kein Leichnam, sondern zwei unveröffentlichte Manuskripte befänden. Die französische Regierung ging jedoch auf dieses Wettangebot sowie auf die damit verbundene Forderung nach einer Exhumierung nicht ein.
 
== Persönlichkeit ==
[[Datei:Merrion Square - Oscar Wilde 01.jpg|mini|Oscar-Wilde-Skulptur im Dubliner Merrion Square]]
 
Oscar Wilde hat seinerzeit viele Menschen vor Rätsel gestellt. Die Öffentlichkeit kannte ihn als wortgewandten, geistreichen Unterhalter und [[Dandy]]. Er verhielt sich oft überheblich und überlegen. Mit seinem scharfsinnigen Humor legte er häufig Kehrseiten und Vorurteile, das Verhalten und unbequeme Wahrheiten der Gesellschaft offen. Wilde verschrieb sich schon während seiner Studienzeit dem [[Ästhetizismus]], also der Kunst und einem Leben nur um der Schönheit willen. Einmal sagt er, sein Leben sei das wahre [[Kunstwerk]] und die Literatur, die er verfasst habe, nur ein Hauch seines Talents. Zum Beispiel soll er zu [[André Gide]] gesagt haben:
 
{{Zitat-en
|Text=my plays are not good, I know, and I don’t trouble about that … They are nearly all the result of a bet. So was Dorian Gray – I wrote that in a few days because a friend of mine declared that I could not write a novel. Writing bores me so.
|Übersetzung=meine Stücke sind nicht gut, ich weiß, und das kümmert mich nicht … Sie sind fast alle das Ergebnis einer Wette. Auch Dorian Gray – ich schrieb das in ein paar Tagen, weil ein Freund von mir meinte, ich könne keinen Roman schreiben. Schreiben langweilt mich so sehr.
|ref=<ref>''Oscar Wilde: A Study.'' From the French of André Gide with introduction, notes and bibliography by Stuart Mason. Holywell Press, Oxford 1905, {{archive.org|cu31924013571777|Fundstelle=S. 48-49|Blatt=n71}}. Rainer Kohlmayer: ''Oscar Wilde in Deutschland und Österreich. Untersuchungen zur Rezeption der Komödien und zur Theorie der Bühnenübersetzung''. Max Niemeyer Tübingen 1996 (Theatron Band 20), [https://books.google.de/books?id=DUshAAAAQBAJ&pg=PA116 S. 116 books.google] mit dem französischen Originaltext Gides.</ref>}}
 
Ein anderes Mal schrieb er:
{{Zitat
|Text=Wirkliche Schönheit endet da, wo der geistige Ausdruck beginnt (der für eine Definition aber notwendig wäre!). Schönheit offenbart alles, weil sie nichts ausdrückt.
|ref=<ref>[[Peter Sitte]]: ''Ästhetik als Grundwert der Bildung.'' In: [[Winfried Böhm]], [[Martin Lindauer]] (Hrsg.): ''„Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute.'' (= ''3. Symposium der Universität Würzburg.'') Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 323–348, hier zitiert: S. 326.</ref>}}
 
Man weiß, dass Oscar Wilde in Wirklichkeit ein [[Perfektionismus (Psychologie)|Perfektionist]] war und seine eigenen Werke immer wieder intensiv überarbeitete, bis er damit zufrieden war. Auch die Anzahl von Werken, die er geschrieben hat, straft seine Aussage Lügen. Er tat allerdings so, als ob ihm Vergnügen und [[Dandy]]tum wichtiger seien als seine Werke.<ref>Siehe dazu auch [[Hans-Dieter Gelfert]]: ''Madam I’m Adam – Eine Kulturgeschichte des englischen Humors.'' S. 185 ff.</ref> Vielleicht war das, was er der Öffentlichkeit als Persönlichkeit zeigte, nur eine Maske.
 
{{Zitat-en
|Text=To the world I seem, by intention on my part, a dilettante and dandy merely – it is not wise to show one’s heart to the world – and as seriousness of manner is the disguise of the fool, folly in its exquisite modes of triviality and indifference and lack of care is the robe of the wise man. In so vulgar an age as this we all need masks.
|Übersetzung=Der Welt erscheine ich, von meiner Seite absichtlich, bloß wie ein Dilettant und Dandy – es ist nicht klug, der Welt das eigene Herz zu zeigen – und wie ernsthaftes Verhalten die Tarnung des Trottels ist, ist Narrheit in ihren exquisiten Arten von Belanglosigkeit und Gleichgültigkeit und Mangel an Sorge das Gewand des weisen Mannes. In solch einem geschmacklosen Zeitalter wie diesem brauchen wir alle Masken.
|ref=<ref>Brief an Philip Houghton, Februar 1894. ''Letters.'' S. 353.</ref>}}
 
Auch wenn er der Öffentlichkeit das Gegenteil weismachen wollte, war er, wie aus manchen Briefen hervorgeht, von der scharfen Kritik an seinen Werken oft tief verletzt. Wahrscheinlich wollte er in seinem Leben am meisten die Anerkennung seiner Arbeit, aber auch, bei all seiner Andersartigkeit und Exzentrik, vor allem akzeptiert werden als das, was er war: ein Ire, ein Künstler und ein Mensch.
 
== Homosexualität im Viktorianischen Zeitalter ==
Der „Criminal Law Amendment Act“, eine Ergänzung des britischen Strafgesetzes, die sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, war erst 1885 in Kraft getreten.
Solche Handlungen kamen allerdings in Jungeninternaten und unter den damals nur männlichen Schülern der Colleges häufiger vor und wurden vom Lehrpersonal weitgehend ignoriert.<ref>Ergebnis einer Untersuchung britischer Jungeninternate und Colleges, siehe: Lambert, Royston and S. Milham: ''The Hothouse Society''. Weidenfeld & Nicolson, London 1968.</ref> Erwachsene Männer hingegen, die eine sehr enge Freundschaft unterhielten, waren durch den „Criminal Law Amendment Act“ der Gefahr der Erpressung ausgesetzt.
 
Oscar Wilde, als Homosexueller gebrandmarkt, beeinflusste gravierend das Bild von [[Schwul]]en in der Öffentlichkeit und die Herausbildung eines (noch heute gültigen) [[Stereotyp]]s von homosexuellen Männern. So wurden z.&nbsp;B. Männer, die einen extravaganten Stil pflegten, spöttisch als „Oscar“ bezeichnet. Ausgeprägter Humor und Wortgewandtheit, Begeisterung für Schönes wie Inneneinrichtung und Kleidung und Wildes öffentliche exzentrische Persönlichkeit sollten als Beweis und Inbegriff von Homosexualität gelten.
 
== Werke ==
''Siehe auch in den Kategorien [[:Kategorie:Werk von Oscar Wilde|Werk von Oscar Wilde]] und [[:Kategorie:Werk nach Oscar Wilde|Werk nach Oscar Wilde]]''
 
[[Datei:Lippincott doriangray.jpg|mini|hochkant|''Lippincott’s Monthly Magazine'' mit der Erstfassung des Romans ''The Picture of Dorian Gray'']]
[[Datei:Beardsley apotheose.jpg|mini|hochkant|Aubrey Beardsley: ''Die Apotheose,'' Illustration zu [[Salome (Drama)|Salome]], veröffentlicht in ''The Studio'', Vol.&nbsp;1, Nr.&nbsp;1, 1893]]
 
=== Gedichte ===
* ''Ravenna'' (1878)
* ''Poems'' (Anthologie) (1881)
* ''The Sphinx'' (1894)
* ''[[The Ballad of Reading Gaol]]'' (1898)
 
=== Erzählungen und Märchen ===
* ''[[Das Gespenst von Canterville (Erzählung)|Das Gespenst von Canterville]]'' (''The Canterville Ghost,'' 1887)
* ''[[Die Sphinx ohne Geheimnis]]'' (''The Sphinx without a Secret,'' 1887)
* ''[[Lord Arthur Saviles Verbrechen]]'' (''Lord Arthur Savile’s Crime,'' 1887)
* ''[[Der Modellmillionär]]'' (''The Model Millionaire,'' 1887)
* ''[[Der glückliche Prinz und andere Märchen]]'' (''The Happy Prince and Other Tales'', 1888)
* ''[[Das Bildnis des Herrn W. H.]]'' (''The Portrait of Mr. W. H.'', 1889)
* ''[[Das Sternenkind]]'' (''The Star Child'', 1891)
* ''[[Ein Granatapfelhaus]]'' (''A House of Pomegranates,'' 1891), Märchensammlung
; Sammelband
* ''Die Erzählungen und Märchen'', mit Zeichnungen von [[Heinrich Vogeler]], übersetzt von [[Felix Paul Greve]] und [[Franz Blei]], Insel Verlag, Leipzig 1910.
** Neuausgabe als Insel-Taschenbuch, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-458-01705-4.
 
=== Roman ===
* ''[[Das Bildnis des Dorian Gray]]'' (''The Picture of Dorian Gray,'' Roman, 1890) in ''Lippincott’s Monthly Magazine,'' 1891 bei Lock, Ward and Co., London, als Buchausgabe
 
Der einzige Roman von Oscar Wilde hat den Ästhetizismus und das Dandytum des [[Fin de siècle]] zum Gegenstand und stellt einen der ersten Versuche dar, „die Homoerotik in den englischen Roman einzuführen“, wie sein Biograph Ellmann schreibt. Ihm zufolge machte die Behandlung dieses Tabuthemas das Werk berühmt und verlieh ihm seine Originalität.<ref>Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 441.</ref>
 
=== Bühnenstücke ===
* ''[[Vera oder die Nihilisten]]'' (''Vera; or, the Nihilists'', 1880)
* ''[[Salome (Drama)|Salomé]]'' (1891), u.&nbsp;a.: S. Fischer Verlag, Frankfurt 2001, dt. von Peter Torberg
* ''[[Lady Windermeres Fächer]]'' (''Lady Windermere’s Fan'', 1892), u.&nbsp;a.: S. Fischer Verlag, 2012, dt. von [[Peter Torberg]]
* ''[[Die Herzogin von Padua]]'' (''The Duchess of Padua'', 1893), u.&nbsp;a.: S. Fischer Verlag, 2004, dt. von Peter Torberg
* ''[[Eine Frau ohne Bedeutung]],'' auch: ''Nur eine Frau'' (''A Woman of No Importance'', 1893), S. Fischer Verlag, Frankfurt, 2003, dt. von Peter Torberg
* ''[[Ein idealer Gatte]]'' (''An Ideal Husband'', 1894), u.&nbsp;a.: S. Fischer Verlag, Frankfurt 2000, dt. von Peter Torberg
* ''[[The Importance of Being Earnest|Ernst sein ist alles]]'', alternative deutsche Titel: ''Bunbury'' / ''Die Bedeutung, Ernst zu sein'' / ''Bunbury, oder Ernst sein ist alles'' (''The Importance of Being Earnest'', etwa 1895), S. Fischer Verlag, Frankfurt 1999, dt. von Peter Torberg
 
=== Essays ===
* ''[[Die Wahrheit der Masken]]'' (''The Truth of Masks,'' 1885)
* ''[[Der Verfall der Lüge]]'' (''The Decay of Lying,'' 1889)
* ''[[Feder, Pinsel und Gift]]'' (''Pen, Pencil and Poison,'' 1889)
* ''[[Der Kritiker als Künstler]]'' (''The Critic as Artist,'' 1890)
* ''[[Der Sozialismus und die Seele des Menschen]]'' (dt. 1904, Übersetzung: [[Gustav Landauer]]) (''The Soul of Man under Socialism,'' 1891)
 
=== Zuschreibungen ===
Die Autorschaft der beiden Werke
* ''[[Teleny]],'' Roman (1895, erschien zunächst anonym)
* ''Der Priester und der Messnerknabe,'' Erzählung (''The Priest and the Acolyte'', 1894)
wird Wilde zwar zugeschrieben, ist aber nicht nachgewiesen. Man geht heute davon aus, dass ''Der Priester und der Messnerknabe'' von dem Oxford-Studenten John Bloxam (1873–1928) verfasst wurde.
 
Im Jahr 1927 wurde im Berliner Globus Verlag die angeblich „einzige autorisierte deutsche Ausgabe“ von Oscar Wildes ''Im Banne der Liebe. Ein birmanisches Maskenspiel'' veröffentlicht. Das Werk ist allerdings eine Fälschung der vorgeblichen Übersetzerin Fanny Weiß.<ref>Fuld, Werner: ''Das Lexikon der Fälschungen.'' Piper, München/Zürich 2000, S. 346 f.</ref>
 
=== Werkausgaben ===
* ''Complete Writings of Oscar Wilde.'' 10 Bände. The Nottingham Society, New York 1907 (erste amerikanische Werkausgabe)
* Oscar Wilde: ''Works.'' 14 Bände. Methuen and Co, London 1908 (erste englische Gesamtausgabe, limitiert auf 1.000 Exemplare)
* ''Oscar Wildes Sämtliche Werke in deutscher Sprache.'' 10 Bände. Wiener Verlag, Wien und Leipzig 1908 (erste deutsche Werkausgabe)
* Oscar Wilde: ''Sämtliche Werke in sieben Bänden.'' Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000
* Oscar Wilde: ''Werke in fünf Bänden'' (Neue Zürcher Ausgabe). Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Oskar Wilde}}
* {{WikipediaDE|Mäeutik}}
* {{WikipediaDE|Oskar Wilde}}
* {{WikipediaDE|Ich weiß, dass ich nichts weiß}}
* {{WikipediaDE|Sokratische Methode}}
* {{WikipediaDE|Sokratisches Gespräch}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Peter Ackroyd: ''Das Tagebuch des Oscar Wilde. Roman'' (= ''Goldmann'' 72778 ''btb''). Goldmann, München 2001, ISBN 3-442-72778-2.
=== Antike Mäeutik ===
* Barbara Belford: ''Oscar Wilde. Ein paradoxes Genie. Eine Biographie.'' Haffmans, Zürich 2000, ISBN 3-251-20314-2.
* Michael Erler: ''Maieutik.'' In: Christian Schäfer (Hrsg.): ''Platon-Lexikon''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-17434-8, S. 193–194
* Maud de Belleroche: ''Oscar Wilde ou l’amour qui n’ose dire son nom''. Favre, Lausanne 1987.
* Michael Landmann: ''Elenktik und Maieutik. Drei Abhandlungen zur antiken Psychologie''. Bouvier, Bonn 1950
* Mary Warner Blanchard: ''Oscar Wilde’s America. Counterculture in the Gilded Age.'' Yale University Press, New Haven CT u.&nbsp;a. 1998, ISBN 0-300-07460-3.
* Roland Mugerauer: ''Sokratische Pädagogik. Ein Beitrag zur Frage nach dem Proprium des platonisch-sokratischen Dialoges.'' 2., verbesserte Auflage, Tectum, Marburg 2011, ISBN 978-3-8288-2752-3.
* Franz Blei (Hrsg.): ''In memoriam Oscar Wilde.'' Insel-Verlag, Leipzig 1904, {{archive.org|bub_gb_PSw7AAAAYAAJ|Blatt=n7}}.
* François Renaud: ''Maieutik A, B.I., B.II.'' In: Gert Ueding (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Rhetorik'', Band 5, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2001, ISBN 3-484-68105-5, Sp. 727–733
* Richard Ellmann: ''Oscar Wilde.'' Aus dem Amerikanischen von Hans Wolf. Piper, München u.&nbsp;a. 1991, ISBN 3-492-03174-9 (die wichtigste neuere Biographie; mehrere deutsche Ausgaben; Originalausgabe: ''Oscar Wilde.'' Hamilton, London 1987, ISBN 0-241-12392-5).
* Nicholas Frankel: ''Oscar Wilde: the unrepentant years'', Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 2017, ISBN 978-0-674-73794-5
* Peter Funke: ''Oscar Wilde. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten'' (= ''rororo'' 50148 = ''Rowohlt Monographie.'' 148). 18. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001, ISBN 3-499-50148-1.
* André Gide: ''Oscar Wilde. Reminiscences.'' Philosophical Library / Open Road, Newburyport 2012, ISBN 978-1-4532-4041-0 (Kommentierte E-Book-Version).<ref>[Gides Erinnerungen an seine Freundschaft mit Oscar Wilde, 1891–1898]</ref>
* Frank Harris: ''Oscar Wilde. His Life and Confessions.'' 2 Bände. By the Author, New York NY 1918, ({{archive.org|oscarwildehislif01harruoft|Band&nbsp;1|Blatt=n7}} – {{archive.org|oscarwildehislif02harruoft|Band&nbsp;2|Blatt=n3}}).
* Merlin Holland: ''Oscar Wilde im Kreuzverhör. Die erste vollständige Niederschrift des Queensberry-Prozesses.'' Blessing, München 2003, ISBN 3-89667-240-1.
* Merlin Holland: ''Das Oscar-Wilde-Album.'' Blessing, München 1998, ISBN 3-89667-077-8 (Fotografien).
* Vyvyan Holland ''Introduction.'' In: Oscar Wilde: ''Complete Works.'' Reprinted edition. Collins, London u.&nbsp;a. 1981, ISBN 0-00-410541-9.
* Philippe Jullian: ''Das Bildnis des Oscar Wilde.'' Hoffmann und Campe, Hamburg 1972, ISBN 3-455-03687-2.
* Robert N. Keane (Hrsg.): ''Oscar Wilde. The man, his writings, and his world'' (= ''AMS Studies in the Nineteenth Century.'' 32). AMS Press, New York NY 2003, ISBN 0-404-64462-7.
* Walther Skaupy, Große Prozesse der Weltgeschichte, Glanz und Elend des Dichters Oscar Wilde, S. 210 ff, Magnus Verlag, Essen
* Oscar Wilde: ''Ein Leben in Briefen.'' Herausgegeben und kommentiert von Merlin Holland. Aus dem Englischen von Henning Thies. Blessing, München 2005, ISBN 3-89667-279-7.
* Simone Reißner: ''Über Oscar Wilde – Eine psychoanalytische Betrachtung.'' In: ''System ubw – Zeitschrift für klassische Psychoanalyse.'' Jg. 25, Heft 1, 2007, S. 5–33, {{ISSN|0724-7923}}.
* Jens Rosteck: ''Die Sphinx verstummt. Oscar Wilde in Paris.'' Propyläen, Berlin 2000, ISBN 3-549-07129-9.
* Matthew Sturgis: ''Oscar : a life'', London : Head of Zeus, 2018, ISBN 978-1-78854-597-6
* Michèle Mendelssohn: ''Making Oscar Wilde'', Oxford : Oxford University Press, 2018, ISBN 978-0-19-880236-5
 
== Filmbiographien ==
1960 erschienen zwei britische Filme, die das Leben Oscar Wildes, insbesondere seine Gerichtsprozesse zum Thema haben: ''Oscar Wilde'' von Gregory Ratoff mit Robert Morley als Oscar Wilde und ''Der Mann mit der grünen Nelke'' (''The Trials of Oscar Wilde'') von Ken Hughes mit Peter Finch in der Hauptrolle.


Der Film ''Wilde'' des britischen Regisseurs Brian Gilbert aus dem Jahr 1997, in dem Oscar Wilde von Stephen Fry gespielt wird, umfasst Wildes Jahre als erfolgreicher Literat in London, die Zeit der Prozesse und deren Folgen. Der Film basiert auf der Wilde-Biographie von Richard Ellmann, für die er 1989 den Pulitzer-Preis gewann.
=== Neuzeitliche Philosophie und Didaktik ===
* Dieter Birnbacher, Dieter Krohn: ''Das sokratische Gespräch.'' Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-018230-1.
* Patrick Bühler: ''Negative Pädagogik. Sokrates und die Geschichte des Lernens''. Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77213-8 (mit umfangreicher Bibliographie)
* Michael Hanke: ''Der maieutische Dialog. Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen zur Struktur und Anwendbarkeit eines Modells''. Rader, Aachen 1986, ISBN 3-922868-26-6.
* Gustav Heckmann: ''Das sokratische Gespräch. Mit aktualisiertem Vorwort von Dieter Krohn.'' 3. Auflage, Lit, Berlin 2018, ISBN 978-3-643-13437-0
* Detlef Horster: ''Das Sokratische Gespräch in Theorie und Praxis.'' Leske & Budrich, Opladen 1994, ISBN 3-8100-1152-5.
* Gisela Raupach-Strey: ''Sokratische Didaktik. Die didaktische Bedeutung der Sokratischen Methode in der Tradition von Leonard Nelson und Gustav Heckmann''. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6322-0, S. 53–57 (Kapitel ''Die Maieutik'')
* Klaus-Rüdiger Wöhrmann: ''Über einen strukturellen Unterschied zwischen der Mäeutik des Sokrates und dem Sokratischen Gespräch nach Leonard Nelson.'' In: Detlef Horster, Dieter Krohn (Hrsg.): ''Vernunft, Ethik, Politik. Gustav Heckmann zum 85. Geburtstag''. SOAK, Hannover 1983, S. 289–300.


Rupert Everett inszenierte den 2018 veröffentlichten Film ''The Happy Prince'', in dem es um Wildes’ letzte Lebensjahre im Exil geht. In der Hauptrolle ist der Regisseur selbst zu sehen.
=== Therapie ===
* Harlich H. Stavemann: ''Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung''. 3., überarbeitete Auflage, Beltz, Weinheim 2015, ISBN 978-3-621-27929-1


== Theaterstücke über Oscar Wilde ==
=== Pflege ===
* Moisés Kaufman: ''Unzucht – Die drei Prozesse des Oscar Wilde'' ''(Gross Indecency: The Trials of Oscar Wilde).'' 1997 in New York uraufgeführt. Dt. von Peter Torberg, Felix Bloch Erben, Berlin, 1998.
* Christina Hallwirth-Spörk, Andreas Heller, Karin Weiler (Hrsg.): ''Hospizkultur und Mäeutik. Offen sein für Leben und Sterben''. Lambertus-Verlag, Freiburg 2008, ISBN 978-3-7841-1879-6.
* Inken Kautter, Kay Link: ''Ein langer, süßer Selbstmord – Der Fall Oscar Wilde'', Uraufführung am 28. April 2011 am Freien Werkstatt-Theater, Köln
* Ulrich Schindler (Hrsg.): ''Die Pflege demenziell Erkrankter neu erleben. Mäeutik im Pflegealltag.'' Vincentz, Hannover 2003, ISBN 3-87870-300-7


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commons}}
{{Wiktionary}}
{{Wikiquote}}
* [http://www.philosophisch-politische-akademie.de/gsp.html Gesellschaft für sokratisches Philosophieren]
{{Wikisource}}
* Susanne Popp: [http://www.sowi-online.de/praxis/methode/sokratische_gespraech_eine_methode_diskursiven_begriffsklaerung.html ''Das sokratische Gespräch. Eine Methode der diskursiven Begriffsklärung'']
* {{DNB-Portal|118632779}}
* [http://www.besuche-oscar-wilde.de/ Oscar Wilde – Ode an ein Genie], eine umfangreiche Fanseite, inklusiv Bilder und Volltexte.
* [http://www.mr-oscar-wilde.de/ Oscar Wilde – Standing Ovations], a variety of resources including full texts (englisch)
* [http://www.ucc.ie/celt/et19wilde.html Gesammelte Werke Oscar Wildes] (englisch)
* [http://www.odysseetheater.com/wilde/default.htm Oscar Wilde – Leben und Werk]
* [http://www.gutenberg.org/browse/authors/w#a111 Oscar Wilde], Texte beim Project Gutenberg
* [http://www.wildefalls.de/ Essayfilm über Oscar Wilde und seine Frau Constance]
* [http://search.lib.virginia.edu/catalog/009585486 Englischer Text Salome von University of Virginia]
* {{Webarchiv | url=http://www.kino.de/kinofilm/oscar-wilde/votefilm/43130.html | wayback=20090506101103 | text=Kinofilm ''Oscar Wilde''}} (1997)
* [http://www.the-splits.kilu.de/musical.htm ''Sternenkind'' und ''Das Gespenst von Canterville'' als Kindermusical-Produktionen (2008/2010)]
* [http://totenstalking.wordpress.com/2012/09/18/wilde-oscar/ Das „Lippenstift-Grab“ auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Normdaten|TYP=p|GND=118632779|LCCN=n/79/42038|NDL=00460913|VIAF=34464414}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4074431-0}}


{{SORTIERUNG:Wilde, Oscar}}
{{SORTIERUNG:Maeutik}}
[[Kategorie:Schriftsteller (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Griechische Philosophie]]
[[Kategorie:Schriftsteller (Ire)]]
[[Kategorie:Philosophische Methode]]
[[Kategorie:Essayist]]
[[Kategorie:Sokrates]]
[[Kategorie:Dramatiker]]
[[Kategorie:Aphoristiker]]
[[Kategorie:Journalist]]
[[Kategorie:Freimaurer]]
[[Kategorie:Ire]]
[[Kategorie:Geboren 1854]]
[[Kategorie:Gestorben 1900]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 14. Januar 2020, 00:35 Uhr

Mäeutik ist die gängige Form des aus dem Altgriechischen stammenden metaphorischen Ausdrucks Maieutik (μαιευτική maieutikḗ [téchnē]Hebammenkunst“). Das Wort bezeichnet ein auf den griechischen Philosophen Sokrates zurückgeführtes Vorgehen im Dialog. Sokrates, dessen Mutter eine maia (Hebamme) war, soll seine Gesprächstechnik mit der Geburtshilfe verglichen haben. Gemeint ist, dass man einer Person zu einer Erkenntnis verhilft, indem man sie durch geeignete Fragen dazu veranlasst, den betreffenden Sachverhalt selbst herauszufinden. So wird die Einsicht mit Hilfe der Hebamme – des Lernhelfers – geboren, der Lernende ist in diesem Bild der Gebärende. Den Gegensatz dazu bildet Unterricht, in dem der Lehrer den Schülern den Stoff dozierend mitteilt.

Vom 18. Jahrhundert an wurde die Grundidee verschiedentlich aufgegriffen und in abgewandelter Form zum Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Konzepte der Vermittlung von Einsichten gemacht.

Die Mäeutik des Sokrates

Platons Darstellung

Sokrates’ Schüler Platon gibt in einer Reihe seiner literarisch gestalteten Dialoge Hinweise auf eine Kunst der Gesprächslenkung zur Förderung von Erkenntnis, die sein Lehrer praktiziert habe. Er lässt Sokrates in den Dialogen als Hauptsprecher auftreten und die mäeutische Vorgehensweise im Umgang mit einzelnen Problemen und Gesprächspartnern demonstrieren.

In neuzeitlicher Literatur zur Geschichte der Philosophie wird die auf Sokrates zurückgeführte Form des philosophischen Diskurses als „sokratische Methode“ und das Vermitteln philosophischer Einsicht auf diesem Weg als „Maieutik“ bezeichnet.

In Platons Dialog Theaitetos vergleicht Sokrates seine Vorgehensweise mit der Berufstätigkeit seiner Mutter, einer Hebamme. Er helfe den Seelen bei der Geburt ihrer Einsichten wie die Hebamme den Frauen bei der Geburt ihrer Kinder.[1] Seinem Gesprächspartner, dem Mathematiker Theaitetos, der schon lange vergeblich nach der Definition von „Wissen“ sucht, erklärt Sokrates, er – Theaitetos – sei gleichsam „schwanger“ und leide unter Geburtsschmerzen. Nun werde Hebammenkunst benötigt, damit die Erkenntnis (die Antwort auf die Frage, was Wissen ist) hervorgebracht („geboren“) werden könne. So wie eine Hebamme, die selbst nicht mehr gebären kann, anderen bei der Entbindung beisteht, so verfahre er, Sokrates: Er gebäre selbst keine Weisheit, sondern stehe nur anderen beim Hervorbringen ihrer Erkenntnisse bei. Niemals belehre er seine Schüler, aber er ermögliche denen, die sich ernsthaft bemühten, schnelle Fortschritte. Mit der Geburtshilfe befähige er sie, in sich selbst viel Schönes zu entdecken und festzuhalten.[2]

Die Geburtshilfe, die Sokrates leistet, besteht in seiner Technik des zielführenden Fragens. Mit ihr bringt er seine Gesprächspartner dazu, vorhandene irrige Vorstellungen zu durchschauen und aufzugeben. Das führt oft dazu, dass sie in eine Ratlosigkeit (Aporie) geraten. Im weiteren Verlauf des Gesprächs kommen sie aber auf neue Gedanken. Diese werden wiederum mittels der Fragetechnik auf ihre Stimmigkeit überprüft. Schließlich gelingt es dem mäeutisch Befragten, entweder den tatsächlichen Sachverhalt selbst zu entdecken oder sich zumindest der Wahrheit anzunähern. Diese Hilfe beim Suchen und Finden von Erkenntnissen, wobei auf Belehrung konsequent verzichtet wird, erscheint in Platons Darstellung als spezifisch sokratische Alternative zur konventionellen Wissensvermittlung durch Weiterreichen und Einüben von Lehrstoff.[3]

Die Hebammenkunst beschränkt sich nach Sokrates’ Darstellung im Theaitetos nicht darauf, dem Schüler zur Geburt seiner Lösungen philosophischer Probleme zu verhelfen. Manches, was von den Schülern geboren wird, ist missgestaltet, das heißt, die vermeintliche Problemlösung ist untauglich. Der erfahrene Geburtshelfer erkennt das und sorgt unnachsichtig dafür, dass das Unbrauchbare weggeworfen wird. Damit zieht sich Sokrates oft den Zorn der Schüler zu, da sie nicht verstehen, dass das nur zu ihrem Besten geschieht.[4]

Im Gespräch mit Theaitetos verfolgt Sokrates die Analogie zwischen seiner Mäeutik und der Hebammentätigkeit weiter. Eine Hebamme kann erkennen, ob überhaupt eine Schwangerschaft vorliegt; sie kann die Wehen beschleunigen oder hinauszögern oder auch eine Abtreibung einleiten. Außerdem eignet sie sich hervorragend als Heiratsvermittlerin. Über solche Kompetenz verfügt auf analoge Weise auch der geistige Geburtshelfer Sokrates. Er vermittelt „Heiraten“, indem er Lernbegierige zu passenden Lehrern schickt, wenn er sieht, dass sie sich nicht für seine mäeutische Kunst eignen. Solche Entscheidungen trifft er aufgrund seiner Fähigkeit einzuschätzen, welche Seelen in der Lage sind, wertvolle Erkenntnisse hervorzubringen, und welche nicht wirklich schwanger sind oder nur Untaugliches gebären können. Nach dieser Einschätzung wählt er die aus, denen er Geburtshilfe leistet; die anderen schickt er weg.[5]

Sokrates weist im Theaitetos darauf hin, dass Hebammen selbst Mütter seien und daher eigene Erfahrungen mit dem Geburtsvorgang hätten, was für ihren Beruf auch notwendig sei. Er hingegen sei zeit seines Lebens unfruchtbar gewesen, ihm sei das Gebären von Erkenntnissen nicht vergönnt gewesen. Dennoch könne er als Hebamme fungieren und anderen zu ihren Geburten verhelfen.[6] Dies ist das in der Forschung oft diskutierte Paradox des sokratischen Nichtwissens: Sokrates stellt seine eigene Unwissenheit fest und erhebt zugleich den Anspruch, anderen bei der Erkenntnissuche helfen zu können. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass Sokrates, wenn er von seiner eigenen Unfruchtbarkeit und Unwissenheit spricht, an ein unumstößliches Wissen im Sinne einer auf zwingender Beweisführung basierenden Wahrheitskenntnis denkt. Für ihn wäre nur ein solches Wissen, über das er nicht verfügt, befriedigend, doch hat er es nicht gebären können, und er kennt auch niemand, der es besitzt. Mit den Geburten, zu denen er anderen verhilft, meint er nur Ergebnisse, die er zwar für gut begründet und richtig hält, deren Richtigkeit er aber nicht beweisen kann. Diese Ergebnisse sind zwar wertvoll, stellen aber kein Wissen im strengen Sinn dar.[7]

Die Frage der historischen Realität

Aus altertumswissenschaftlicher Sicht erscheint fast alles, was über die „sokratische Methode“ und die Mäeutik überliefert ist, als problematisch und ist umstritten. Da Sokrates keine Schriften hinterlassen hat, ist die Mäeutik nur aus Platons Angaben und einer mutmaßlichen Anspielung bei Aristophanes[8] bekannt. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem literarisch geschilderten „platonischen“ (in Platons Dialogen auftretenden) Sokrates und Sokrates als historischer Persönlichkeit gehört zu den schwierigsten Problemen der antiken Philosophiegeschichte. Nur wenn man Platon eine einigermaßen wirklichkeitsnahe Darstellung zutraut, kann ein Begriff wie „sokratische Methode“ – bezogen auf den historischen Sokrates – sinnvoll sein. Skeptische Forscher beschränken sich auf die Feststellung, dass Platon als Schriftsteller seinem Lehrer, den er als Meister des Dialogs ins beste Licht rückt, eine bestimmte überlegene Art der Gesprächsführung zuschreibt.[9]

Umstritten ist nicht nur die Existenz einer „Methode“ des historischen Sokrates, sondern auch die Frage, ob der historische Sokrates seine Dialogpraxis als Hebammenkunst aufgefasst und bezeichnet hat oder der Vergleich mit der Geburtshilfe ein Einfall Platons war. Einige Indizien deuten darauf, dass der historische Sokrates tatsächlich seine Hilfestellung beim philosophischen Nachforschen mit der Tätigkeit einer Hebamme verglichen und in dieser Metapher sein Verständnis von Erkenntnisvermittlung zusammengefasst hat.[10] Allerdings gibt es auch gewichtige Gegenargumente.[11] Für die Historizität spricht insbesondere der Umstand, dass der Komödiendichter Aristophanes, ein Zeitgenosse des Sokrates, anscheinend in seiner Komödie „Die Wolken“ auf die Geburtshilfe-Metapher anspielt. Aristophanes lässt einen Schüler des Sokrates, der beim Nachdenken unterbrochen wird, dem Störer vorwerfen, die Unterbrechung habe die Fehlgeburt einer Erkenntnis ausgelöst.[12] Ein Problem besteht allerdings darin, dass der platonische Sokrates im Theaitetos feststellt, die Mäeutik sei damals – in seinem Todesjahr 399 v. Chr. – in der Öffentlichkeit noch unbekannt gewesen.[13] Wenn das historisch zutrifft, ergibt eine Anspielung in der schon 423 v. Chr. aufgeführten Komödie keinen Sinn.

Neuzeitliche Rezeption

Philosophie

Im 16. Jahrhundert befasste sich Michel de Montaigne mit der Vorgehensweise des platonischen Sokrates, schrieb ihm aber keine eigene mäeutische Methode zu.[14] Erst im 18. Jahrhundert wurde der Gedanke der Hebammenkunst wiederentdeckt und erlangte große Beliebtheit. Sokratisches Philosophieren („Sokratik“) wurde nun in weiten Kreisen mit Mäeutik gleichgesetzt.

Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard (1813–1855) schätzte Sokrates sehr und setzte sich intensiv mit der Mäeutik auseinander. Er betrachtete den angemessenen Umgang mit dem Thema Liebe und das richtige Verhalten in der christlichen Liebespraxis als mäeutisch. In seiner Schrift Werke der Liebe beschrieb er sein Konzept einer indirekten Vorgehensweise in der Kommunikation über das Thema Liebe und einer absoluten Selbstlosigkeit bei der Ausführung von Werken der Liebe. Er meinte, es seien Werke Gottes; der liebende Mensch solle sich bewusst sein, dass ihm nur eine mäeutische Rolle zukomme, und solle sich entsprechend verhalten.[15]

Der Göttinger Philosoph Leonard Nelson (1882–1927) entwickelte Grundsätze einer gemeinsamen philosophischen Erkenntnisbemühung, die er als sokratisches Gespräch bezeichnete. Anfangs war das sokratische Gespräch nur für den Philosophieunterricht an den Universitäten gedacht. Nelson charakterisierte es als die Kunst, nicht Philosophie, sondern Philosophieren zu lehren, nicht über Philosophen zu unterrichten, sondern Schüler zu Philosophen zu machen.[16] 1922 hielt er den Vortrag Die sokratische Methode, in dem er sein Dialogverständnis darstellte. Dieser Vortrag wurde erst 1929 posthum veröffentlicht. An die Vorgehensweise des Sokrates anknüpfend vertrat Nelson die Auffassung, der Einfluss von Urteilen des Lehrers (Gesprächsleiters) auf den Schüler müsse unbedingt ausgeschaltet werden, damit der Schüler unbefangen zu einem eigenen Urteil gelangen könne. Nelsons Schüler Gustav Heckmann (1898–1996) setzte die Entwicklung der Methode fort. Das sokratische Gespräch nach Nelson und Heckmann wird weiterhin praktiziert, vor allem in der Erwachsenenbildung. Dazu gehört auch die Mäeutik. Ein wesentlicher Unterschied zur Mäeutik des Sokrates besteht jedoch darin, dass bei Nelson nicht Dialoge stattfinden, in denen jeweils eine Person einer anderen Hilfe leistet, sondern ein Gruppengespräch. Dabei spricht der Gesprächsleiter nicht selbst zur Sache, sondern übernimmt nur die Hebammenrolle.[17]

Auch in einer neueren, fortentwickelten Variante des sokratischen Gesprächs in der Tradition von Nelson und Heckmann fällt die Hebammenrolle gewöhnlich dem Gesprächsleiter zu, doch ist es in der heutigen Praxis grundsätzlich möglich, dass jeder hinreichend erfahrene Gesprächsteilnehmer diese Rolle für einen anderen übernimmt. Eine Aufhebung der Rollen-Asymmetrie wird angestrebt.[18]

Der Poststrukturalist Roland Barthes wendet sich im Rahmen seiner Kritik am Logozentrismus auch gegen die sokratische Mäeutik; er sieht in der Vorgehensweise des Sokrates das Bestreben, „den anderen zur äußersten Schande zu treiben: sich zu widersprechen“.[19]

Didaktik

Die sokratische Gesprächsführung wurde im 18. Jahrhundert (ab 1735) zum Vorbild einer Unterrichtsmethode, die Erotematik („Fragekunst“) genannt wurde. Die Erotematik wurde in der Religionspädagogik eingesetzt und beherrschte bis ins frühe 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum die Katechetik beider Konfessionen. Vor allem im evangelischen Raum hatte sie viele Anhänger, die eifrig für sie eintraten. Ein führender Vertreter dieser Richtung war der evangelische Theologe Johann Friedrich Christoph Gräffe, der die einflussreiche Schrift Die Sokratik nach ihrer ursprünglichen Beschaffenheit in katechetischer Rücksicht betrachtet veröffentlichte. Auch die aufklärerisch gesinnten evangelischen Theologen Karl Friedrich Bahrdt, Johann Lorenz Mosheim, Gustav Friedrich Dinter und Johann Georg Sulzer setzten sich für die Mäeutik ein. In zahlreichen Abhandlungen wurde sie propagiert. Auf katholischer Seite waren Franz Michael Vierthaler und Bernhard Galura namhafte Vertreter der Mäeutik. Man glaubte, die im Religionsunterricht vermittelten Glaubenssätze seien im Sinne einer natürlichen Theologie im Menschen angelegt und könnten ihm durch geschicktes Fragen entlockt werden. Auch Johann Georg Hamann knüpfte in seinen Ausführungen, mit denen er zum Christentum hinführen wollte, an die sokratische Hebammenkunst an.[20]

Auch außerhalb theologischer Kreise fand die Mäeutik im Zeitalter der Aufklärung viel Anklang, unter anderem bei Moses Mendelssohn, Lessing und Wieland sowie bei dem Pädagogen Ernst Christian Trapp. Immanuel Kant empfahl für die Didaktik der Ethik die „dialogische Lehrart“. Sie besteht nach seiner Beschreibung darin, dass der Lehrer das, was er seine Jünger lehren will, ihnen abfrägt, wobei er sich an die Vernunft der Schüler wendet. Das kann nach Kants Auffassung nur dialogisch geschehen, indem Lehrer und Schüler einander wechselseitig fragen und antworten. Der Lehrer leitet durch Fragen den Gedankengang des Schülers, indem er die Anlage zu gewissen Begriffen in demselben durch vorgelegte Fälle blos entwickelt (er ist die Hebamme seiner Gedanken). Der Schüler hilft seinerseits durch seine Gegenfragen dem Lehrer, die Fragetechnik zu verbessern.[21]

Nicht nur theologischen und philosophischen Stoff vermittelte man auf „sokratische“ Weise; auch mathematische und gesellschaftliche Fragen wurden nun in „sokratischen Gesprächen“ behandelt.[22] In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Wort „Maieutik“ als deutsches Fremdwort geprägt.[23]

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Fragekunst des platonischen Sokrates und der pädagogischen Mäeutik des 18. und 19. Jahrhunderts besteht darin, dass die negative Vorgehensweise des Sokrates in ihr Gegenteil verkehrt wurde. Sokrates ließ seine Gesprächspartner ihre Ansichten vortragen und widerlegte sie dann. Die neuzeitlichen Pädagogen hingegen versuchten dem Schüler positive Aussagen zu entlocken, die dem entsprachen, was sie selbst für wahr hielten.[24]

Ein Kritiker der Mäeutik im Religionsunterricht war Johann Heinrich Pestalozzi. Er hielt die Vermischung von Sokratik und Katechese für abwegig. Außerdem sei das „Sokratisieren“ für Kinder unmöglich, da ihnen die nötigen Vorkenntnisse fehlten. Man habe sich zu Unrecht Wunder davon erträumt.[25] Auch Johann Gottlieb Schummel beurteilte die verbreitete Begeisterung der Pädagogen für die Mäeutik skeptisch. In seinem satirischen Roman Spitzbart (1779) machte er sich darüber lustig.[26]

1845 veröffentlichte der Mathematiker Karl Weierstraß einen Aufsatz Über die Sokratische Lehrmethode und deren Anwendbarkeit beim Schulunterrichte. Er meinte, die Methode sei an und für sich hervorragend, aber in der Schule nur beschränkt einsetzbar. Für naturwissenschaftliche Fächer sei sie ungeeignet, für den größten Teil des Gymnasialunterrichts komme sie nicht in Betracht. Ihr Anwendungsbereich seien die philosophischen Wissenschaften, die reine Mathematik und die Theorie der allgemeinen Gesetze der Sprache. Sie verhelfe dem Schüler zu Erkenntnissen, deren Quelle unmittelbar in den Anlagen der menschlichen Natur sei.[27]

Die häufig praktizierte fragend-entwickelnde Unterrichtsmethode wird von ihren Vertretern als Weiterentwicklung der Mäeutik des Sokrates betrachtet. Sie krankt nach heutigem didaktischem Forschungsstand an der zu starken Steuerung der Lernprozesse durch die Lehrperson, die zu wenig Eigeninitiative der Lernenden zulässt.

In zeitgerechter Weiterentwicklung wird die sokratische Mäeutik heute als Methode des entdeckenden und mehrdimensionalen Lernens in vielen Lehr- und Lernbereichen, etwa der Verkehrspädagogik[28], praktiziert: Die Lehrperson holt das Kind in seinem Erlebnis- und Erfahrungshorizont ab und fördert es durch entsprechende Impulse und Fragestellungen zu eigenen Erkenntnissen und selbstbestimmtem Handeln. In Abwandlung und Erweiterung eines Leitworts der Montessoripädagogik arbeitet die „Verkehrserziehung vom Kinde aus“ unter der didaktischen Zielvorstellung „Hilf mir, die Umwelt selbst zu entdecken und eigenverantwortlich zu handeln“. Die Kinder entwickeln auf diesem Wege aus eigenem Verständnis und herausgeforderten eigenen Überlegungen ihrem Denken gemäße Formen des Verkehrens wie den verträglichen Umgang miteinander, die partnerschaftliche Nutzung des Verkehrsraums, den Entwurf von angemessenen Verständigungsformen, die Gestaltung von anschaulichen Verkehrszeichen oder akzeptierten Verkehrssanktionen.[29]

Der Publizist Stefan Lindl hat eine „repräsentationsanalytische Maieutik“ entwickelt, die verborgene Fähigkeiten und Kompetenzen im Gespräch ans Licht bringen soll.[30]

Verhaltenstherapie

In der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT) wird eine Technik angewendet, die an die sokratische Vorgehensweise anknüpft. Es wird dabei davon ausgegangen, dass irrationale Grundannahmen des Klienten Ursache seiner psychischen Störung sein können. Mit Hilfe der Gesprächstechnik („sokratischer Dialog“) versucht der Therapeut, diese Grundannahmen zu identifizieren und schrittweise zu verändern.[31]

Pflege

In der Gesundheits- und Krankenpflege versteht man unter Mäeutik die „erlebnisorientierte Pflege“, die auf einem Konzept basiert, das aus dem niederländischen Instituut voor Maieutische Ontwikkeling in de Zorgpraktijk (IMOZ) stammt. Die Pflege-Mäeutik wurde in den 1990er Jahren in den Niederlanden von Cora van der Kooij besonders zur Betreuung von Menschen mit Demenzerkrankungen entwickelt. Sie hat zum Ziel, das intuitive pflegerische Handeln mit Begriffen und einer integrierenden Theorie zu untermauern. Angestrebt wird dabei das Bewusstmachen des intuitiven Wissen oder auch von Erfahrungen. Zur Anwendung dieses Konzeptes bedarf es einer besonderen Schulung des Personals, das in Pflegeheimen und Hospizen sowie in Einrichtungen zur Betreuung von geistig Behinderten und Dementen arbeitet.

Die Pflegemäeutik geht davon aus, dass es zwei Erlebniswelten gibt: die der Bewohner und die der Betreuer.[32] Die gefühlsmäßige Interaktion zwischen Betreuern und Bewohnern soll verstanden und auf wünschenswerte Weise beeinflusst werden. Cora van der Kooij bezieht sich auf den Gedanken der „Geburtshilfe“ des platonischen Sokrates. Sie will „Geburtshilfe“ für die Bewusstwerdung des Pflegepersonals leisten. In Kursen soll den Pflegekräften die Fähigkeit vermittelt werden, die Belastungen ihres beruflichen Alltags besser zu bewältigen.

Siehe auch

Literatur

Antike Mäeutik

  • Michael Erler: Maieutik. In: Christian Schäfer (Hrsg.): Platon-Lexikon. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-17434-8, S. 193–194
  • Michael Landmann: Elenktik und Maieutik. Drei Abhandlungen zur antiken Psychologie. Bouvier, Bonn 1950
  • Roland Mugerauer: Sokratische Pädagogik. Ein Beitrag zur Frage nach dem Proprium des platonisch-sokratischen Dialoges. 2., verbesserte Auflage, Tectum, Marburg 2011, ISBN 978-3-8288-2752-3.
  • François Renaud: Maieutik A, B.I., B.II. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 5, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2001, ISBN 3-484-68105-5, Sp. 727–733

Neuzeitliche Philosophie und Didaktik

  • Dieter Birnbacher, Dieter Krohn: Das sokratische Gespräch. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-018230-1.
  • Patrick Bühler: Negative Pädagogik. Sokrates und die Geschichte des Lernens. Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77213-8 (mit umfangreicher Bibliographie)
  • Michael Hanke: Der maieutische Dialog. Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen zur Struktur und Anwendbarkeit eines Modells. Rader, Aachen 1986, ISBN 3-922868-26-6.
  • Gustav Heckmann: Das sokratische Gespräch. Mit aktualisiertem Vorwort von Dieter Krohn. 3. Auflage, Lit, Berlin 2018, ISBN 978-3-643-13437-0
  • Detlef Horster: Das Sokratische Gespräch in Theorie und Praxis. Leske & Budrich, Opladen 1994, ISBN 3-8100-1152-5.
  • Gisela Raupach-Strey: Sokratische Didaktik. Die didaktische Bedeutung der Sokratischen Methode in der Tradition von Leonard Nelson und Gustav Heckmann. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6322-0, S. 53–57 (Kapitel Die Maieutik)
  • Klaus-Rüdiger Wöhrmann: Über einen strukturellen Unterschied zwischen der Mäeutik des Sokrates und dem Sokratischen Gespräch nach Leonard Nelson. In: Detlef Horster, Dieter Krohn (Hrsg.): Vernunft, Ethik, Politik. Gustav Heckmann zum 85. Geburtstag. SOAK, Hannover 1983, S. 289–300.

Therapie

  • Harlich H. Stavemann: Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. 3., überarbeitete Auflage, Beltz, Weinheim 2015, ISBN 978-3-621-27929-1

Pflege

  • Christina Hallwirth-Spörk, Andreas Heller, Karin Weiler (Hrsg.): Hospizkultur und Mäeutik. Offen sein für Leben und Sterben. Lambertus-Verlag, Freiburg 2008, ISBN 978-3-7841-1879-6.
  • Ulrich Schindler (Hrsg.): Die Pflege demenziell Erkrankter neu erleben. Mäeutik im Pflegealltag. Vincentz, Hannover 2003, ISBN 3-87870-300-7

Weblinks

 Wiktionary: Mäeutik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Platon, Theaitetos 148e–151d. Vgl. Theaitetos 161e, wo die Bezeichnung maieutike techne verwendet wird.
  2. Platon, Theaitetos 148e–149c, 150b–d.
  3. Michael Erler: Der Sinn der Aporien in den Dialogen Platons, Berlin 1987, S. 60–70; Michael Erler: Maieutik. In: Christian Schäfer (Hrsg.): Platon-Lexikon, Darmstadt 2007, S. 193f.
  4. Platon, Theaitetos 150b–151d.
  5. Platon, Theaitetos 150b–151b.
  6. Platon, Theaitetos 149b–c, 150c–d.
  7. Siehe zu dieser Unterscheidung Klaus Döring: Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründeten Traditionen. In: Hellmut Flashar (Hrsg.): Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/1), Basel 1998, S. 139–364, hier: 159f., 164.
  8. Aristophanes, Die Wolken 135–140.
  9. Eine forschungsgeschichtliche Übersicht zur Frage nach dem historischen Sokrates bietet Louis-André Dorion: The Rise and Fall of the Socratic Problem. In: Donald R. Morrison (Hrsg.): The Cambridge Companion to Socrates, Cambridge 2011, S. 1–23. Siehe auch Debra Nails: Agora, Academy, and the Conduct of Philosophy, Dordrecht 1995, S. 8–31.
  10. Bruno Vancamp: L’historicité de la maïeutique socratique: réflexions critiques. In: L’Antiquité Classique 61, 1992, S. 111–118 und Julius Tomin: Socratic Midwifery. In: The Classical Quarterly 37, 1987, S. 97–102.
  11. Richard Robinson: Plato’s Earlier Dialectic, 2. Auflage. Oxford 1953, S. 83f., Kenneth Dover: Socrates in the Clouds. In: Gregory Vlastos (Hrsg.): The Philosophy of Socrates, Garden City (N.Y.) 1971, S. 50–77, hier: 61f., Myles F. Burnyeat: Socratic Midwifery, Platonic Inspiration. In: Hugh H. Benson (Hrsg.): Essays on the Philosophy of Socrates, New York 1992, S. 53–65; Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, Teil 2: Das Bild des Dialektikers in Platons späten Dialogen, Berlin 2004, S. 91–127, insbesondere S. 91–98.
  12. Aristophanes, Die Wolken 135–137. Siehe dazu Julius Tomin: Socratic Midwifery. In: The Classical Quarterly 37, 1987, S. 97–102, hier: 99; David Sider: Did Socrates call himself a midwife? The evidence of the Clouds. In: Konstantinos J. Boudouris (Hrsg.): The Philosophy of Socrates, Athen 1991, S. 333–338. Die Verwertbarkeit dieser Quelle bestreitet jedoch Harold Tarrant: Midwifery and the Clouds. In: The Classical Quarterly 38, 1988, S. 116–122.
  13. Platon, Theaitetos 149a.
  14. Patrick Bühler: Negative Pädagogik. Paderborn 2012, S. 26.
  15. Siehe dazu Paul Müller: Kierkegaard’s „Works of Love“. Christian Ethics and the Maieutic Ideal. Kopenhagen 1993, S. 41–44, 51, 58–61.
  16. Detlef Horster: Das Sokratische Gespräch in Theorie und Praxis. Opladen 1994, S. 26.
  17. Klaus-Rüdiger Wöhrmann: Über einen strukturellen Unterschied zwischen der Mäeutik des Sokrates und dem Sokratischen Gespräch nach Leonard Nelson. In: Detlef Horster, Dieter Krohn (Hrsg.): Vernunft, Ethik, Politik. Gustav Heckmann zum 85. Geburtstag, Hannover 1983, S. 289–300.
  18. Zu einer fortentwickelten Praxis siehe Gisela Raupach-Strey: Sokratische Didaktik. Münster 2002, S. 53–57.
  19. Roland Barthes: Die Lust am Text, Frankfurt am Main 1974, S. 8.
  20. Tim Hagemann: Maieutik B.III. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 5, Tübingen 2001, Sp. 733–736, hier: 733f.
  21. Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten. In: Kant’s gesammelte Schriften (Akademie-Ausgabe), Band 6, Berlin 1907, S. 478.
  22. Beispiele nennt Benno Böhm: Sokrates im achtzehnten Jahrhundert. 2. Auflage. Neumünster 1966, S. 134 Anm. 2.
  23. Helmut Meinhardt: Maieutik II. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 5, Basel 1980, Sp. 638.
  24. Siehe dazu Patrick Bühler: Negative Pädagogik. Paderborn 2012, S. 48–53.
  25. Johann Heinrich Pestalozzi: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. In: Johann Heinrich Pestalozzi: Sämtliche Werke, Band 13, Berlin 1932, S. 181–389, hier: 215f.
  26. Patrick Bühler: Negative Pädagogik. Paderborn 2012, S. 45f., 107.
  27. Karl Weierstraß: Über die Sokratische Lehrmethode und deren Anwendbarkeit beim Schulunterrichte. In: Karl Weierstraß: Mathematische Werke, Band 3: Abhandlungen III, Berlin 1903, S. 315–329.
  28. Siegbert A. Warwitz: Das "Karlsruher Modell" der Verkehrserziehung. In: Siegbert A. Warwitz: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen – Spielen – Denken – Handeln, 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009, S. 1–3.
  29. Siegbert A. Warwitz: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen – Spielen – Denken – Handeln, 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009, S. 50–75.
  30. Stefan Lindl: Gestalten des Gestaltens, 3 Bände, Wien 2005–2008.
  31. Harlich H. Stavemann: Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. 3., überarbeitete Auflage, Weinheim 2015.
  32. Ulrich Schindler (Hrsg.): Die Pflege demenziell Erkrankter neu erleben. Mäeutik im Pflegealltag, Hannover 2003, S. 21.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Mäeutik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.