Dritter Weg und Wahrheitsträger: Unterschied zwischen den Seiten

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Der Ausdruck '''Dritter Weg''' wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Im Allgemeinen wird es benutzt, um auf eine Alternative – einen vermeintlichen oder tatsächlichen neuen Weg – neben zwei bislang als erfolglos eingeschätzten Möglichkeiten hinzuweisen.
Als '''Wahrheitsträger''' ({{EnS|truthbearer}}) wird in der [[Philosophie]] ganz allgemein eine [[Entität]] bezeichnet, von der gesagt werden kann, dass sie [[wahr]] oder [[falsch]] ist. Wahrheitsträger sind beispielsweise [[Satz|Sätze]], [[Behauptung]]en, [[Urteil]]er, [[Proposition]]en usw., sofern ihnen ein [[Wahrheitswert]] zugeordnet werden kann. So ist etwa der Satz „Es regnet“ ein Wahrheitsträger. Befehle wie „Gehe fort!“ oder Fragen wie „Regnet es?“ sind hingegen keine Wahrheitsträger.<ref>[[Wikipedia:Marian David|Marian David]]: ''[https://plato.stanford.edu/entries/truth-correspondence/#2.1 The Correspondence Theory of Truth. 2.1 Truthbearers]'' - Artikel in der [[Wikipedia:Stanford Encyclopedia of Philosophy|Stanford Encyclopedia of Philosophy]]</ref><ref>Michael Glanzberg: ''[https://plato.stanford.edu/entries/truth/#TruBea Truth. 6.1 Truth-bearers]'' - Artikel in der [[Wikipedia:Stanford Encyclopedia of Philosophy|Stanford Encyclopedia of Philosophy]]</ref>


== Anwendung der Bezeichnung ==
Aus Sicht der neueren Philosophie bedürfen Wahrheitsträger gemäß der [[Korrespondenztheorie der Wahrheit]] zusätzlich eines [[Wahrmacher]]s ({{EnS|truthbearer}}), durch die ihre [[Wahrheit]] bestätigt oder widerlegt wird<ref name="Mulligan">Mulligan, K., Simons, P. M. and Smith B.: ''Truth-Makers'', in: Philosophy and Phenomenological Research, 44 (1984), 287–321 [http://ontology.buffalo.edu/smith/articles/truthmakers/tm.pdf pdf]</ref>. Wahrmacher sind beipielsweise konkrete [[Ding]]e, [[Eigenschaft]]en, [[Tatsache]]n, [[Sachverhalt]]e, [[Ereignis]]se usw. So ist etwa der Satz „Es regnet“ dann und nur dann wahr, wenn es tatsächlich regnet.  
Als ''Dritten Weg'' bezeichnet man:
*Bestimmte wirtschaftspolitische Konzepte:
** Alternative Konzepte zu [[Kommunismus]] und [[Kapitalismus]], zum Beispiel [[Freiwirtschaft]]<ref>Andreas Schulze, ''Kleinparteien in Deutschland'', Vs Verlag; 1. Auflage, 2004, ISBN 978-3824445585, Seite 67</ref>, [[Soziale Dreigliederung]], [[Konkurrenzsozialismus]] oder [[Personalismus]]
** [[Ordoliberalismus]]<ref>Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: ''wettbewerbspolitische Leitbilder'' ([http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/7590/wettbewerbspolitische-leitbilder-v9.html Onlineversion])</ref> und [[Soziale Marktwirtschaft]]<ref>Gerd Becher, Elmar Treptow: ''Die gerechte Ordnung der Gesellschaft.'' Campus Verlag, 2000, ISBN 9783593361574.</ref> werden von einigen Autoren und im [[Jahreswirtschaftsbericht]] der [[Bundesregierung (Deutschland)|deutschen Bundesregierung]] von 1990<ref>Dieter Nohlen, Florian Grotz: ''Kleines Lexikon der Politik.'' 5. Auflage. Beck, 2011, ISBN 978-3406604119, Seite 108</ref> als „Dritter Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ bezeichnet, andere Autoren grenzen sie ausdrücklich von so genannten „Dritten Wegen“ ab.<ref>So zum Beispiel [[Alfred Schüller]], der Freie Marktwirtschaft und Soziale Marktwirtschaft als Formen des Ersten Weges der zentral geplanten Sozialverwaltungswirtschaft als Zweitem Weg und dem [[Konkurrenzsozialismus|Marktsozialismus]] (wozu Schüller auch den [[Wohlfahrtsstaat]] zählt) schließlich als Dritten Weg gegenüberstellt. Schüller verweist dabei auf [[Wilhelm Röpke (Wirtschaftswissenschaftler)|Wilhelm Röpke]], der zeitweilig zwar von einem Dritten Weg sprach, sich später jedoch von dieser Bezeichnung nachdrücklich distanzierte. Alfred Schüller: ''Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege.'' In: ''[[ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft]].'' Band 51. Lucius & Lucius, Stuttgart 2000, S. 169–202.</ref>
** Die Wirtschaftsreform der DDR [[Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung]] 1962–1967
** Die Wirtschaftsreformen des [[Prager Frühling]]s 1968
** Die Suche des britischen Soziologen [[Anthony Giddens]] nach einem Mittelweg zwischen [[Laissez-faire-Liberalismus]] und [[Sozialismus]]. In seinem 1998 veröffentlichten Buch ''[[Der dritte Weg (Buch)|Der dritte Weg]]'' stellt Giddens seine Theorie dar.
** [[Tony Blair]], britischer Premierminister von Mai 1997 bis Juni 2007, betrieb eine Politik des freien Marktes und die Abgrenzung vom [[Kollektivismus]] unter den Schlagworten ''[[New Labour]]'', „moderne Sozialdemokratie“ und „Dritter Weg“.
* Versuche der Vermittlung zwischen [[Kommunismus]] und [[Reformismus]], zum Beispiel [[Kommunitarismus]] oder [[Austromarxismus]] und andere linkssozialistische Strömungen (''siehe auch: [[Zentrismus (Marxismus)|Zentrismus]]'')<ref> Vgl. [[Steffen Kachel]]: Die USPD – Versuch eines dritten Weges?, in: [[Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung]], Heft III/2007.</ref>
* Eine weitgehend vom öffentlichen Diskurs abgeschottete Idee rechtskatholischer politischer Kreise in den Nachkriegsjahren bis ca. Ende der 1970er Jahre, welche der damals  bipolar geteilten Welt von westlichem Liberalismus versus [[Sowjetunion|Sowjet-Kommunismus]] einen dritten Weg „zur Rettung der christlich-abendländischen Kultur“ entgegensetzen wollte. Dies sollte in Form eines neuen [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] und/oder in Form eines „Südatlantischen Militärbündnisses“ geschehen, dem nebst eindeutig christlich orientierten europäischen Staaten auch südamerikanische und (weiß-)afrikanische Diktaturen angehören sollten. Auch [[Konrad Adenauer]] und [[Franz Josef Strauß]] gehörten zu den zumindest zeitweilig aktiven Unterstützern dieses Wegs.<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1674019 DLF-Sendung ''Essay und Diskurs'' vom 12. Februar 2012, ''Der andere Westen'']</ref>
* Die Art und Weise der Regelung der [[Arbeitsrecht der Kirchen|Arbeitsverhältnisse in der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland]]:
** „Erster Weg“ ist die einseitige durch den [[Arbeitgeber]] erfolgte Festlegung der [[Arbeitsvertrag]]sgestaltung.
** „Zweiter Weg“ ist der Abschluss von [[Tarifvertrag|Tarifverträgen]] zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern.
** Als „Dritter Weg“ gilt die [[Einvernehmen|einvernehmliche]] Gestaltung der Arbeitsvertragsrichtlinien und der Vergütung in [[Parität (Politik)|paritätisch]] besetzten Kommissionen. Der Dritte Weg ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung).<ref>{{Internetquelle|url=https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/07/rs20150715_2bvr229213.html|titel=Bundesverfassungsgericht  -  Entscheidungen - Verfassungsbeschwerde gegen „Dritten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht unzulässig|autor=Bundesverfassungsgericht, 2. Senat|datum=2015-07-15|sprache=de|zugriff=2017-06-20}}</ref> Tatsächlich steht diese Verfassungsnorm unter dem Vorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“. Da das Tarifvertragsgesetz (TVG) die Kirchen nicht ausnimmt, gilt dieses Gesetz auch für die Kirchen. (Allgemein verbindliche) kollektivrechtliche Verträge können daher nur nach den Bestimmungen des TVG geschaffen werden. Die Regelungen der kirchlichen Kommissionen haben nach ständiger Rechtsprechung des BAG lediglich die Rechtsqualität von „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.
* In England, Frankreich, Österreich und Italien werden unter ''3. Position'' auch radikale nationalrevolutionäre [[Querfront]]ideologien verstanden (''siehe auch: [[Drittes Lager]]'').


Verfechter von dritten Wegen stellen tendenziell ihre Idee unter einem positiven Licht dar, verorten sich als '[[politische Mitte]]' und setzen die Positionen der anderen bzw. das Vergangene in ein ideologisches Zwielicht, um für die eigene Sichtweise Platz zu schaffen.<ref>Alexander Gallus, Eckhard Jesse: ''Was sind Dritte Wege?'' [[Aus Politik und Zeitgeschichte]]. B 16-17 / 2001. S. 14.</ref><ref>Roland Sturm:''Der Dritte Weg - Königsweg zwischen allen Ideologien oder selbst unter Ideologieverdacht?'' Aus Politik und Zeitgeschichte. B 16-17 / 2001. S. 3.</ref>
== Einzelnachweise ==
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Dritter Weg}}
* {{WikipediaDE|Dritter Weg (Palästina)}}, 2005 gegründete palästinensische Partei
* {{WikipediaDE|Der dritte Weg}}
* {{WikipediaDE|Demokratischer Sozialismus}}
* {{WikipediaDE|Arabischer Sozialismus}}
* {{WikipediaDE|Linksnationalismus}}
* {{WikipediaDE|Prager Frühling}}
* {{WikipediaDE|Dritter Bildungsweg}}
 
== Literatur ==
* [[Ota Šik]]: ''Der dritte Weg.'' 1972
* [[Wilfried Heidt]]: ''Der dritte Weg.'' 1974
* [[Steffen Kachel]]: ''Die USPD – Versuch eines dritten Weges?'' In: ''[[Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung]].'' Heft III/2007.
 
== Weblinks ==
* [[Alexander Gallus (Historiker)|Alexander Gallus]], [[Eckhard Jesse]]: [http://www.bpb.de/files/7GN99V.pdf ''Was sind Dritte Wege?''] Eine vergleichende Bestandsaufnahme. [[Aus Politik und Zeitgeschichte]], B 16-17/2001. PDF, 82&nbsp;kB
* [[Roland Sturm]]: [http://www.bpb.de/files/ULNONR.pdf ''Der Dritte Weg – Königsweg zwischen allen Ideologien oder selbst unter Ideologieverdacht?''] Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16-17/2001. PDF, 30&nbsp;kB


== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Wirtschaftsmodell]]
[[Kategorie:Semantik|V]]
[[Kategorie:Wirtschaftssystem]]
[[Kategorie:Ontologie]]
[[Kategorie:Soziale Dreigliederung]]
[[Kategorie:Logik]]
 
[[Kategorie:Wahrheit]]
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 30. Mai 2019, 13:57 Uhr

Als Wahrheitsträger (eng. truthbearer) wird in der Philosophie ganz allgemein eine Entität bezeichnet, von der gesagt werden kann, dass sie wahr oder falsch ist. Wahrheitsträger sind beispielsweise Sätze, Behauptungen, Urteiler, Propositionen usw., sofern ihnen ein Wahrheitswert zugeordnet werden kann. So ist etwa der Satz „Es regnet“ ein Wahrheitsträger. Befehle wie „Gehe fort!“ oder Fragen wie „Regnet es?“ sind hingegen keine Wahrheitsträger.[1][2]

Aus Sicht der neueren Philosophie bedürfen Wahrheitsträger gemäß der Korrespondenztheorie der Wahrheit zusätzlich eines Wahrmachers (eng. truthbearer), durch die ihre Wahrheit bestätigt oder widerlegt wird[3]. Wahrmacher sind beipielsweise konkrete Dinge, Eigenschaften, Tatsachen, Sachverhalte, Ereignisse usw. So ist etwa der Satz „Es regnet“ dann und nur dann wahr, wenn es tatsächlich regnet.

Einzelnachweise

  1. Marian David: The Correspondence Theory of Truth. 2.1 Truthbearers - Artikel in der Stanford Encyclopedia of Philosophy
  2. Michael Glanzberg: Truth. 6.1 Truth-bearers - Artikel in der Stanford Encyclopedia of Philosophy
  3. Mulligan, K., Simons, P. M. and Smith B.: Truth-Makers, in: Philosophy and Phenomenological Research, 44 (1984), 287–321 pdf