Sephiroth und Weihnachtspiele: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Sephirothbaum.jpg|thumb|right|350px|Die 10 Sefirot und die 22 sie verbindenden Pfade des kabbalistischen Lebensbaums. Bezieht man dieses Diagramm auf den irdischen Menschen, so entspricht die rechte Seite der rechten Körperhälfte, die linke Seite der linken Körperhälfte - es ist also ein Bild des Menschen, wie es von ''hinten'' gesehen wird. In [[freimaurer]]ischen und [[rosenkreuzer]]ischen Darstellungen wird der Mensch meist von ''vorne'' betrachtet und im Diagramm erscheinen dann die linke und rechte Seite vertauscht.]]
[[Bild:Weihnachtsspiel1.jpg|thumb|350px|Das Oberuferer Christgeburtspiel]]
[[Datei:Ein_sof.png|thumb|350px|Die 10 Sephiroth, die sich aus dem göttlichen Urlicht [[Ain Soph Aur]] nach dem [[Tzimtzum]] in Form immer kleiner werdenden konzentrischen Kreisen (Igulim) herausbilden.]]
Die '''Oberuferer Weihnachtspiele''', das [[Paradeis-Spiel]], das [[Christgeburt-Spiel]] und das [[Drei-König-Spiel]], sind zum festen Bestandteil der weihnachtlichen Festesgestaltung an den [[Waldorfschule]]n geworden. In den deutschen Sprachinseln Ungarns wurden sie zu Zeiten der alten Österreichisch-Ungarischen Monarchie als ein letztes Zeugnis alter Weihnachtsgebräuche lebendig gehalten. [[Karl Julius Schröer]], der verehrte Hochschullehrer [[Rudolf Steiner]]s an der Technischen Hochschule in Wien, hat die Texte in Oberufer ([[Wikipedia:Slowakische Sprache|slowak.]] ''Prievoz'' = über das Ufer, [[Wikipedia:Ungarische Sprache|ungar.]] ''Fõrév''), einem ehemals deutschen Dorf, seit 1946 ein Vorort der [[Wikipedia:Slowakai|slowakischen Stadt]] [[Wikipedia:Preßburg|Preßburg]] ([[Wikipedia:Bratislava|Bratislava]]) wieder entdeckt, gesammelt und veröffentlicht und so der Nachwelt erhalten. Sie sind in einer Art donauschwäbischem Dialekt in Reimen abgefasst. Von einfachen bäuerlichen Menschen gespielt, spricht aus diesen schlichten volkstümlichen Texten eine innige, herzenswarme Gemütsstimmung.
[[Datei:Tree of Life.jpg|thumb|350px|Diese Zeichnung zeigt den kabbalistischen Lebensbaum mit den beiden Säulen [[Jachin]] und [[Boas]] und der vermittelnden Säule zwischen diesen beiden. Zusammen bilden sie die drei [[Säulen der Manifestation]]. Jachin, die weiße Säule rechts, ist mit dem hebräischen Buchstaben י (Jod) bezeichnet, der, wie wir schon wissen, für die Ich-Kraft der Elohim steht, aus der auch unser eigenes Ich entsprungen ist. Boas, die schwarze Säule links, ist mit einem ב B (Beth) gekennzeichnet, das aber ohne [[Dagesch]], also ohne Punkt, geschrieben und daher als W gesprochen wird. Es ist die wellende, hüllenbildende Gestaltungskraft, die mehr oder weniger vom Rest der Seelenwelt abgesonderte Wesenheiten entstehen lässt. Von Malchut, das die Erdenwelt repräsentiert, werden im Zickzackkurs aufsteigend die Sephiroth den [[Planetensphären]] bis hinauf zum [[Primum Mobile]] zugeordnet. Von der [[Erde (Planet)|Erde]] schräg nach links aufsteigend kommt man zum [[Merkur]], waagrecht nach rechts weiter zur [[Venus]], von dort wieder nach links aufsteigend trifft man in der Mitte auf die [[Sonne]] und geht weiter zum [[Mars]], von wo man in horizontaler Linie nach rechts zum [[Jupiter]] gelangt. Von hier steigt man nach links weiter auf zum [[Saturn]], indem man dabei die sogenannte „unsichtbare Sphäre“ ([[Da’ath]]) durchschreitet (diese Verbindungslinie mit der darauf liegenden unsichtbaren Sphäre Da’ath findet man in der ersten Zeichnung nicht!). Waagrecht nach rechts geht es zum Zodiak, zum [[Tierkreis]] und von dort hinauf zum Primum Mobile, das dem [[Kristallhimmel]] entspricht (so etwa auch in Dantes Darstellung der himmlischen Sphären). Damit durcheilt man zugleich die [[Herrschaftsgebiete]] der himmlischen [[Hierarchien]], von den [[Engel]]n in der Mondensphäre bis hin zu den [[Cherubim]], den Tierkreiswesen, und den [[Seraphim]], die schon an den Kristallhimmel reichen. Jenseits davon sind die drei Schleier des Unbegrenzten, die auf die Trinität hindeuten – das [[Empyreum]] [[Dante]]s. In umgekehrter Reihenfolge gelesen, von [[Kether]] ausgehend, ist dies der [[Pfad des flammenden Schwerts]], der die 10 Sephiroth in der Reihenfolge ihrer Entstehung miteinander verbindet.]]
[[Datei:GA089 277.gif|thumb|350px|[[Adam Kadmon]] und der [[Sephirothbaum]] (Skizze von [[Rudolf Steiner]])]]
'''Sephiroth''' '''Sephirot''', '''Sefirot''' oder '''Sefiroth''' (Singular {{HeS|סְפִירָה}} ''Sefira'', Plural {{He|סְפִירוֹת}}, ''Sephiroth'' = Ziffern) ist nach den Lehren der [[jüdisch]]en [[Kabbala]] der [[Wikipedia:hebräische Sprache|hebräische]] Name der 10 [[Gott|göttlichen]] [[Emanation|Emanationen]]<ref>Streng genommen darf man hier nicht von «Emanationen» sprechen, denn nach der von [[Isaak Luria]] stark geprägten kabbalistischen Lehre entstand die Schöpfung nicht als «Ausstrahlung» [[Gott]]es, sondern vielmehr durch seinen ''Rückzug'' und seine ''Selbstbeschränkung'' nach dem [[Tzimtzum]] ({{HeS|צמצום|ṣimṣūm}}, wörtlich ''Zusammenziehung'' oder ''Rückzug''). Dadurch erst wurde Raum geschaffen für die [[Freiheit]] des [[Mensch]]en, aber auch für das [[Das Böse|Böse]].</ref>, die zusammen den '''Lebensbaum der Kabbala''' ({{HeS|עץ החיים}}, '''''Ez Ha-Chajim''''', oder kurz {{he|עץ חיים}}, '''''Ez Chajim''''') bilden, der zugleich symbolisch den ''himmlischen'', [[Makrokosmos|makrokosmischen]] Menschen, den ''[[Adam Kadmon]]'', als übergeschlechtliches, aber bipolares ''[[männlich]]-[[weiblich]]es'' [[Wesen]] darstellt, der sich am vollkommensten im irdischen Menschen als [[Mikrokosmos]], aber auch sonst überall in der [[Schöpfung]], wenn auch unvollkommener, abbildet. Ähnlich den 10 [[Kategorien]] des [[Aristoteles]] bilden die 10 Sephiroth ein geistiges [[Wikipedia:Alphabet|Alphabet]], mit dem sich der ganze [[Kosmos]] in seinem [[Sein]] und [[Werden]] systematisch beschreiben lässt. Die 10 Sephiroth sind durch 22 Pfade, die den 22 [[Wikipedia:Buchstabe|Buchstabe]]n des [[Hebräisches Alphabet|Hebräischen Alphabets]] entsprechen, miteinander verbunden; zusammen mit den 10 Sephiroth bilden sie die [[32 Pfade der Weisheit]].


==Wesen und Systematik der Sephiroth==
Nach altem Brauch wird am Heiligen Abend zugleich auch der Vertreibung [[Adam]]s und [[Eva]]s aus dem [[Paradies]] gedacht. Und so geht auch den eigentlichen Weihnachtspielen sinnigerweise das Paradeis-Spiel voran. Der «alte Adam» wurde in den [[Sündenfall]] verstrickt; mit dem Christuskind wird nach den Worten des Apostels [[Paulus]] ein «neuer Adam» geboren, der ein neues geistiges Licht in der Menschheit entzündet.
=== Namensherkunft und Anzahl der Sephiroth ===
Der Begriff Sephiroth ({{HeS|ספרות}}, Singular: Sephira  - {{he|ספרה}}, ''Ziffer'', ''[[wikt:Chiffre|Chiffre]]'') taucht erstmals im [[Sefer Jetzira]] auf, dem ältesten überlieferten Werk der [[Kabbala]], das der Legende nach auf [[Abraham]] selbst zurückgeht und das Ergebnis seiner [[Einweihung]] durch [[Melchisedek]] festhält. Das Wort geht auf den hebräischen Verbalstamm s-f-r ({{he|ספר}}, vgl. Sefer Jezirah § 1) zurück, der „zählen“, „schreiben“, „erzählen“ und, als Nomen gebraucht, auch „Buch“ (sefer) bedeuten kann, entlehnt aus [[Wikipedia:Arabisch|arabisch]] ''sifr'' „[[Null]], [[leer]]“, was wiederum lehnübersetzt ist von [[Wikipedia:altindisch|altindisch]] ''[[sunya]]'' „Null, leer“.  


Die Zahl [[0]] (okkult gelesen als Ei) bezeichnet die Vollendung und vollständige Vergeistigung eines vorangegangenen Entwicklungszyklus {{Lit|GA 110, S 187}}, aus dem mit der [[10]] (okkult gelesen als [[Eins aus dem Ei]]) die neue [[Schöpfung]] hervorbricht. 10 entspricht dem hebräischen Buchstaben [[Jod (Hebräisch)|Jod]] (י), der für das göttliche [[Ich]] steht. 10 ist daher die Anzahl der Sephiroth:
Friedvoll innig leuchtet dieses Hoffnungs-Licht aus dem Christgeburts-Spiel, das uns die Geburtserzählung nach [[Lukas]] vor Augen führt, mit der Verkündigung des [[Erzengel]]s [[Gabriel]] an [[Maria]], der Offenbarung, die den Hirten auf dem Feld zuteil wird, und schließlich der Geburt des Jesuskindes im Stall zwischen Ochs und Esulein.


{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts, zehn und nicht neun, zehn und nicht elf, begreife diese Weisheit, verstehe dieses Wissen, forsche danach und erwäge es, fasse es in Klarheit und folge dem Schöpfer wieder zu seinem Thron.|Sefer Jezirah 1,4}}
Ganz anders erleben wir die Geburtsgeschichte nach [[Matthäus]], die uns hochdramatisch im Drei-Königs-Spiel gezeigt wird, mit dem Besuch der Heiligen Drei Könige und dem von König [[Herodes]] anbefohlenen Kindesmord, dem das Jesuskind nur knapp entgeht.


Im ''Sefer Jetzira'' werden die 10 Sephiroth immer mit dem selben stehenden Ausdruck genannt, meist übersetzt als: ''"Zehn Zahlen ohne etwas"'' ({{HeS|עֶשֶׂר ספרות בלימה}}, 'esser sefirot ''belima''). ''Belima'' ({{HeS|בלימה}}) bedeutet wörtlich ''ohne etwas'' bzw. ''Nichts'' und wird mit dem zentralen Begriff der [[Kabbala]], dem [[Ain Soph]] ({{HeS|אין סוף}}, ''nicht endlich''), in Verbindung gebracht; ''belima'' wäre dann auch zu übersetzten als ''ohne Ende'', oder, wenn man den Ursprung der Sephiroth aus dem ''Unbegrenzten'', aus dem ''Nichts'', betonen will, als: ''aus dem Nichts''.
Über die Entstehungsgeschichte der Weihnachtsspiele und ihren tieferen Sinn berichtet uns Rudolf Steiner:


Nach einem Hinweis [[Rudolf Steiner]]s gibt es allerdings in Wahrheit 12 Sephiroth, von denen aber die erste und letzte verborgen bleibt:
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"In jenen deutschen Sprachinseln Ungarns, in denen vor der Zeit der Magyarisierung in den fünfziger, sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die deutsche Muttersprache, die deutsche Umgangssprache sich erhalten hatte, entfaltete sich noch so manches an Weihnachtspielen und Weihnachtsgebräuchen, was in den Hauptgegenden, im deutschen Mutterlande, längst hinuntergesunken war in den Strom der Vergessenheit. Die einzelnen Kolonisten, die im Laufe der vorherigen Jahrhunderte in die slawischen Gegenden eingewandert waren, bewahrten ihre alten Weihnachtspiele und erneuerten sie, wenn sich die richtigen Menschen fanden, die immer aus den Dorfleuten genommen wurden, um diese Weihnachtspiele darzustellen. Ich erinnere mich wohl noch - und Sie werden mir vielleicht doch zugestehen, solches beurteilen zu können -, mit welchem Enthusiasmus der alte Schröer über solche Weihnachtspiele sprach, wenn er davon erzählte, wie er dabeigewesen ist, wenn die Leute ihre Weihnachtspiele zu dieser Festeszeit gefeiert haben. Man bekommt sozusagen - das ist nicht zuviel gesagt - erst einen Begriff von dem innersten Wesen des Künstlerischen, wenn man zu diesen Dorfleuten geht und sieht, wie sie die einfache Kunst des Weihnachtspieles herausgeboren haben aus der heiligsten Stimmung. Die Menschen, welche heute glauben, von diesem oder jenem Lehrer deklamieren lernen zu können, die heute da- oder dorthin laufen, um diese oder jene Atemübungen zu machen, welche die rechten sind - es gibt ja heute viele Dutzende der rechten Methoden der Atmung für Gesang oder Deklamation -, diese Menschen glauben, es käme darauf an, den Menschenleib oder den Kehlkopf zum rechten Automaten zu machen, um in materialistischer Weise irgendeine Kunst zu pflegen. Ich möchte nur, daß diese kuriose Ansicht niemals in unseren Kreisen wirklich Wurzel fassen kann, denn diese Menschen haben keinen Begriff, wie aus heiligster Stimmung, aus Gebetes-Weihnachtsstimmung heraus eine einfache, aber eine wirkliche Kunst geboren worden ist, dargestellt worden ist mit tiefster Christenstimmung in der Seele und in der Brust von Dorfbuben, von denen oft während des Jahres recht lose und nichtsnutzige Streiche ausgeführt wurden. Denn diese einfachen Leute unter ihren Strohdächern haben unendlich viel mehr gewußt von dem Zusammenhange von Menschenseele, vom ganzen Menschen und von Kunst, als man heute in unseren modernen Theatern oder sonstigem Kunstwesen weiß, und wenn noch soviel Aufhebens davon gemacht wird: daß Kunst etwas ist, was aus dem ganzen Menschen, und, wenn sie heilige Kunst ist, aus der heiligen, frommen Stimmung des Menschen hervorgehen muß.


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Das kann Ihnen zum Beispiel hervorgehen aus den vier Hauptbestimmungen, wie sie in Gegenden bestanden, die Schröer noch besuchen konnte.
"Die Kabbala unterscheidet innerhalb der Welt zwölf Glieder, wovon das erste und das letzte geheim bleiben, weil sie überhaupt nicht in Worte zu bringen sind. Nur die zehn übrigen werden in Worte gebracht." {{Lit|GA 89, S 273}}
</div>
 
Die Kabbala sieht in dem [[Name]]n und [[Begriff]] der Sephiroth auch den mystischen Ursprung des [[Wikipedia:Griechische Sprache|griechischen]] Wortes σφαιρα (''[[Sphäre]]''), mit dem es [[Wikipedia:Etymologie|etymologisch]] tatsächlich verwandt ist. Manche frühe [[Kabbala|Kabbalisten]] gaben für ''Sephira'' auch noch andere etymologische Ableitungen, etwa von ''Saphir'' ({{HeS|סַפִּיר}}, saphir; im Sinne von ''lichtvoll, leuchtend'') oder ''Grenze'' ({{HeS|ספר}}, sapir) oder ''Schönschreiber'' ({{HeS|סופר}}, safra), die seitdem als Nebenbedeutung durchaus mitschwingen und dem ohnehin schon komplexen System der Sephiroth noch einen zusätzlichen, vielfältig schillernden Charakter verleihen.
 
=== Wesen der Sephiroth ===
Die Sephiroth sind nach der Lehre [[Isaak Luria]]s aus ''[[Licht]]'' ({{HeS|אור}}, ''[[or]]'') gestaltete Gefäße ({{HeS|כלי‎}}, ''qli'' oder ''kli''‎; Plural: {{he|כלים}}, ''keilim'' oder ''kelim''), etwa vergleichbar den kristallenen Schalen der [[Planetensphären]] der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechischen]] [[Kosmologie]], das dadurch begrenzt und geformt ist - denn das Licht ''an sich'' ist undifferenziert und entstammt dem ursprünglichen, grenzenlosen Licht ([[Ain Soph Aur]]). Und diese [[Form]], als reine ''Seelenform'', besteht in dem [[Wunsch]] oder Verlangen, von dem ''unendlichen Licht'' zu empfangen und von ihm erfüllt zu werden.  


Das göttliche Licht musste sich dazu nach dem [[Zimzum]] ([[Hebräische Sprache|hebr.]] צמצום), dem Prozess der Zusammenziehung und Selbstbeschränkung [[Gott]]es, zurückziehen und einen kreisförmigen ({{HeS|עִגּוּל}}, igul = ''Kreis''; Plural: {{he|עִגּוּלים}}, igulim) Leerraum ({{HeS|חלל}}, chalal = ''Raum'') freigeben, in dem sich die Schöpfung entfalten und gestalten konnte. In diesen begrenzten Raum wurde das zum feinen Lichtstrahl [[Kav]] (''oder'' Qav) ([[Hebräische Sprache|hebr.]] קו, ''Linie [des Lichts]'') verdichte schöpferische Licht in rhythmischen Pulsen hineingeworfen, aus dem ein weiterer Kreis hervortrat, dann noch einer usw., bis schließlich durch eine Folge weiterer Selbstbeschränkungen Gottes (Zimzum''im'', Plural) 10 Schöpfungskreise - eben die 10 Sephiroth - in einem ''streng geordneten Entwicklungslauf'' ([[Seder Hishtalshelut]], {{HeS|סדר הִשְׁתַּלְשְׁלוּת}}) entstanden waren. Doch konnten die inneren sechs Sephiroth, von [[Chesed]] abwärts bis [[Jesod]], der Gewalt dieses zum Strahl geformten göttlichen Lichts nicht standhalten. Es kam zum ''Bruch der Gefäße'' ([[Schvirat ha-Kelim]]) und ihre Scherben blieben in der Welt erhalten als leere, geistverlassene "Schalen" (''[[Qelipot|Qlīpōt]]'') und bildeten derart die Grundlage des [[Das Böse|Bösen]].  
Wenn Weihnachtspiele aufgeführt wurden in Gegenden Oberungarns, da sammelte, wenn der Oktober oder November herannahte, der, welcher die früher nie aufgeschrieben überlieferten Weihnachtspiele hatte - denn das Aufschreiben wurde als eine Profanierung angesehen -, diejenigen Menschen, die er für geeignet hielt. Und geeignet waren in dieser Weihnachtszeit wirklich Menschen, von denen man es vielleicht sonst nicht vorausgesetzt hatte: lose, nichtsnutzige Buben, die schon ihr gut Teil an allem möglichen Allotria während des Jahres getrieben hatten. Während dieser Zeit aber senkte sich in diese Seelen die nötige Stimmung. Es waren strenge Vorschriften für die Teilnehmer der Weihnachtspiele während der wochenlangen Probenzeit. Ein jeder, der mitwirken wollte, hatte die vier folgenden Regeln strenge zu beachten. Dazu muß man sich natürlich in das Dorfleben versetzen und bedenken, was es im Dorfleben bedeutet, bei einer solchen Sache nicht mittun dürfen.


==== Die fünf Gesichter ([[Parzufim]]) ====
«Ein jeder, der mitspielen will, darf 1. nicht zu 'n Diernen gehn, 2. keine Schelmliedel singen die ganze heilige Zeit über, 3. muß er ein ehrsames Leben führen, 4. muß er mir folgen. Für alles ist eine Geldstrafe, auch für jeden Gedächtnisfehler und dergleichen im Spiel.»
[[Datei:Makroprosopos.jpg|thumb|left|Das Haupt des Makroprosopon.]]
Um weitere Zerstörung zu verhindern, mussten die Gefäße vor dem ''zweiten Schöpfungsakt'' aus dem Brennpunkt des Lichts gerückt und in ''[[fünf Gesichter]]'' ({{HeS|פרצוף}}, ''parzuf''; Plural: ''[[parzufim]]''; [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] πρόσωπον = ''Gesicht''), [[Gestalt]]en oder ''[[Person]]en'' verwandelt werden. [[Fünf]] ist die [[Zahl]] des [[Mensch]]en, des [[Mikrokosmos]], zugleich aber auch die [[Zahl des Bösen]] bzw. der [[Freiheit|Wahlfreiheit]] zwischen dem [[Das Gute|Guten]] und dem [[Das Böse|Bösen]].  


[[Kether]], die erste Sephira, wurde zum Kopf ({{HeS|רֹאשׁ}}, Rosh) des [[Makroprosopon]] ({{HeS|אריך אנפין}}, [[Arik Anpin]], ''langes'' oder ''großes Gesicht'') transformiert. [[Chochmah]], die [[Weisheit]], wurde zum ''Vater'' ({{HeS|אבא}}, Abba) als aktiv-männlichem Prinzip und [[Binah]], der [[Verstand]], zur ''Mutter'' ({{HeS|אִמָּא}}, Imma) als empfangendem weiblichen Prinzip. Die sechs zerbrochenen Sephiroth, mit ihrem Zentrum in der Sephira [[Tifereth]] (Schönheit), wurden umgebildet zum männlichen Kind, auch [[Mikroprosopon]] ({{HeS|זעיר אנפין}}, [[Zeir Anpin]], ''kurzes'' oder ''kleines Gesicht'') genannt und beschrieben als voll verkörperte männliche Gestalt mit ''Kopf'' und ''Körper'' ({{HeS|גּוּף}}, [[Guph]]), die als eigentlicher [[Demiurg]] der [[Schöpfung]] wirkt. [[Malchuth]] aber, das Reich, wurde zum weiblichen Kind ({{HeS|נוקבא}}, [[Nukvah]], ''weiblich''; auch {{HeS|בַּת}}, Bath, ''Tochter'') und zur Braut {{HeS|כַּלָּה}}, Kallah) des Zeir Anpin. Diese ''fünf'' Gesichter oder Personen sind seitdem in allen [[vier Welten]] (siehe unten) zu finden.
Klingt Ihnen nicht in dieser Gepflogenheit etwas nach von jenem Bewußtsein, das da war an heiligen Stätten in den alten Mysterien, wo man auch nicht gedacht hat, daß man zur Weisheit kommen kann durch eine gewöhnliche Schulung? So herrschte auch hier das Bewußtsein, daß der ganze Mensch mit seinem Gemüt und seiner Moral geläutert und gereinigt sein muß, wenn er in würdiger Weise an die Kunst herankommen will. Aus dem ganzen Menschen heraus sollten solche Dinge geboren sein. Und die Weihnachtsstimmung brachte so etwas zustande, daß Frommheit in den losesten Buben sein konnte.


==== Die fünf Seelenarten und ihre beständige Wiedergeburt bis zur endgültigen Erlösung ====
Was ich Ihnen eben angeführt habe, was Schröer und andere noch an Weihnachtspielen sammeln konnten, die wie letzte Reste von alten Spielen gespielt worden sind, sind nur noch Ruinen. Wir schauen aber dabei zurück auf noch frühere Zeiten, auf Zeiten des 16., 15., 14.Jahrhunderts und so weiter, wo noch ganz andere Verhältnisse waren zwischen Dörfern und Städten, wo in der Tat die Seelen der Dorfbewohner zu dieser Christfestzeit in eine ganz andere Stimmung eintauchten durch das, was ihnen durch die Spiele gegeben werden konnte, wo mit den einfachsten, primitivsten Mitteln die heilige Legende dargestellt wurde, die Geburt des Christus, mit allem, was biblisch dazugehört. Und wie dem Weihnachtstag, dem 25. Dezember, im Kalender vorangeht der Adam- und Eva-Tag, so ging gewöhnlich dem Spiel, das als das eigentliche Weihnachtspiel galt, voran das sogenannte Paradeisspiel, das Spiel von Adam und Eva im Paradies, wie sie dem Teufel, der Schlange, zum Opfer gefallen sind. Man hatte in den einfachsten Gegenden unmittelbar Einblick gewinnen können in den Zusammenhang, der besteht zwischen dem Hinunterstieg des Menschen aus geistigen Höhen in die Sphäre des physischen Planes, und jenem Ruck, den der Mensch empfangen hat durch den Christus-Impuls, wieder hinauf in die geistigen Welten.
Aus diesen ''fünf Gesichtern'' [[Emanation|emanierten]] die fünf Arten der [[Seele]]: [[Jechidah]] ([[Geistesmensch]]), [[Chaja]] ([[Lebensgeist]]), [[Neschamah]] ([[Geistselbst]]/[[Bewusstseinsseele]]), [[Ruach]] ([[Verstandesseele]]) und [[Nephesch]] ([[Empfindungsseele]]). Jede dieser fünf Seelen wurde zusammen mit den entsprechenden [[Organ]]en [[Adam]]s geschaffen. Und so wie es niedere und höhere Organe gibt, gibt es auch niedere und höhere Seelenarten. Jede menschliche Seele ist ein Funke ({{HeS|נִיצוֹץ}}, ''nitzotz'') der Seele Adams. Durch den [[Sündenfall]] wurden diese Seelenarten durcheinandergebracht und selbst den reinsten wurde etwas von den geistverlassenen "Schalen" (''[[Qelipot|Qlīpōt]]'') beigemischt. Diese Verwirrung der Seelen wird nach [[Isaak Luria]] erst mit dem Erscheinen des [[Messias]] verschwinden. Bis dahin kann die Seele nicht zu ihrer Quelle zurückkehren und erlöst werden, sondern muss durch zahllose Wiedergeburten ([[Gilgul Neschamot]], [[Hebräische Sprache|hebr.]] גִלְגּוּל נְשָמוֹת, wörtl. das ''Rollen der Seelen'') wandern - nach Luria nicht nur in menschlichen Körpern, sondern auch in Tieren, Pflanzen und sogar in unbelebten Dingen wie Flüssen, Holz und Stein. Damit ist aber nicht die [[Reinkarnation]] des [[Geist]]es gemeint, sondern die alte [[Wikipedia:Orient|orientalische]] [[Seelenwanderung]]slehre, die sich auf das Verhalten des [[Astralleib]]s nach dem Tod bezieht!


Nicht nur an seiner eigenen Vervollkommnung hat der [[Mensch]] dabei zu arbeiten, sondern im fortlaufenden Prozess des [[Tikkun Olam]] ({{HeS|תיקון עולם}}, wörtlich etwa das ''„Reparieren der Welt“'') ist er auch dazu aufgerufen, an der Wiederherstellung der reinen Schöpfungsordnung mitzuarbeiten.
Wenn der Mensch die Paulusbriefe liest, das Grandiose der Paulinischen Auffassung verspürt von dem Menschen, der in Adam heruntergestiegen ist von der geistigen Welt in die sinnliche, und von dem «neuen Adam», dem Christus, in dem der Mensch wieder hinaufsteigt von der Sinneswelt in die geistige, wenn der Mensch an Paulus das in grandioser Art empfinden und fühlen kann - in inniger, liebevoller, gemütvoller Weise konnten es die einfachsten Menschen, bis hinunter zu den Kindern, in der Tiefe ihres Herzens, in der Tiefe ihrer Seele empfinden, wenn ihnen in der Zeit nacheinander vorgeführt wurde das Paradeisspiel von Adam und Eva, vom Sündenfall der Menschen und von der Offenbarung des Christus in dem Weihnachtspiel. Und tief, tief hatte man empfunden den gewaltigen Einschnitt, der gemacht worden war in der Menschheitsentwickelung durch das Christus-Ereignis. Eine Umkehrung des Entwickelungsweges, so wurde das Christus-Ereignis empfunden. Ein Weg vom Himmel sozusagen auf die Erde war der Weg von Adam bis zum Christus hin. Ein Weg von der Erde bis zum Himmel ist der Weg von Christus bis zum Ende der Erdenzeit. Das hat man in innigster Art empfunden, wenn diese zwei hier ein wenig charakterisierten Spiele in primitiver Art vor die Augen von Tausenden und aber Tausenden von Menschen getreten sind. Denn man hat wirklich die völlige Erneuerung dessen empfunden, was der menschliche Geist ist, durch den Christus-Impuls.


==== Die 10 [[Prajapati]]s des Bewusstseins ====
Man kann darin vielleicht auch noch etwas wie einen Nachklang dessen fühlen, was man empfand in bezug auf diese Umkehrung des ganzen Menschheitsfortschrittes in jenen Worten, die aus alten, alten Zeiten, aus den ersten christlichen Jahrhunderten stammen, und die oft und oft gesprochen worden sind, auch noch im 8., 9., l0.Jahrhundert in Gegenden, in denen sich, namentlich innerhalb Europas, das Christentum ausgebreitet hat. Da fühlte man etwas Ungeheures bei Worten, wie die folgenden sind:
Bei [[H.P. Blavatsky]] findet sich auch der Hinweis, dass die 10 Sephiroth den 10 [[Prajapati]]s des [[Bewusstsein]]s entsprechen<ref>H. P. Blavatsky: ''Die Geheimlehre, Band I: Kosmogenesis'', S 380</ref>, die auch [[Rudolf Steiner]] in seinen frühen Vorträgen erwähnt. Die ''Prajapatis'' sind jene [[Wesenheit]]en, die im Zuge der [[Weltentwicklung]] einen [[Bewusstseinszustände|Bewusstsein]]s-, [[Lebenszustände|Leben]]s- oder [[Formzustand]] in den nächsten hinüberführen. Dementsprechend gibt es höhere und niedere Prajapatis und zwar nach Steiner 10 Prajapatis des Bewusstseins, 6 Prajapatis des Lebens und 5 Prajapatis der Form, insgesamt also 21.  


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<div style="margin-left:250px">
"Darauf bezieht sich in der «Secret Doctrine» von H. P. Blavatsky Strophe 4 des Buches Dzyan: «Die Eins aus dem Ei, die Sechs, die Fünf.» Die Zehn wird genannt: die Eins aus dem Ei = 0. Aus dem Ei (0), den 10 Prajapatis des Bewußtseins, kam zuerst der erste Prajapati des Lebens, dann folgten sechs andere Prajapatis des Lebens und fünf Prajapatis der Form = 1065, Quersumme 21 (Wert von Jehova)." {{Lit|GA 89, S 177ff}}
<poem>
Ave maris stella
Dei mater alma
Atque semper virgo
Felix coeli porta.
Sumens illud Ave
Gabrielis ore
Funda nos in pace
Mutans nomen Evae!
</poem>
</div>
</div>


=== Ez Chajim - der Lebensbaum der Kabbala ===
Man fühlte, wenn diese Worte gesprochen wurden, den Weg des Menschen vom Himmel zur Erde durch den Sündenfall und den Aufstieg des Menschen durch den Christus von der Erde zum Himmel, und man fühlte ihn an den beiden Frauengestalten, an «Eva» und an dem Namen, den man der Jesus-Mutter beilegte, mit dem man sie sozusagen begrüßte, «Ave». Ave ist die Umkehrung des Namens Eva, wenn man Ave zurückliest, erhält man Eva. Das wurde in seiner ganzen vollen Bedeutung empfunden. Daher diese Worte, die zu gleicher Zeit zeigen, was man empfand innerhalb der elementarsten Naturerscheinungen, und zugleich das, was man Menschliches in der Legende sah:
Der '''[[Lebensbaum]]''' oder '''Ez Chajim''' ist in der [[Kabbala]] die Darstellung der 10 Sephiroth und der 22 sie verbindenden Pfade. Die Sephiroth werden mit Namen und Ziffern, die sie verbindenden Pfade mit den 22 Buchstaben des [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Alphabets]] bezeichnet - ein Hinweis auf die beiden höchsten [[Äther]]arten, den [[Zahlenäther]] und den [[Wortäther]]. Die Zählung der Pfade beginnt mit 11, die zusammen mit den 10 Sephiroth die insgesamt [[32 Pfade der Weisheit]] bilden. Der Lebensbaum mit dem System der Sephiroth wird grundlegend im Buch [[Sefer Jezirah|'''Sefer Jezirah''']] ([[Hebräische Sprache|hebr.]]: "Buch der Formung") dargestellt, einem der frühesten und wichtigsten Werke der Kabbala, das vor dem 6. Jahrhundert u. Z. entstand.


{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts und zweiundzwanzig Buchstaben, die Fundamente allen Seins: drei Mütter, sieben Einfache und zwölf Doppelte.|Sefer Jezirah 1,2}}
<div style="margin-left:250px">
<poem>Ave, Stern des Meeres,
Göttlich junge Mutter
Und ewige Jungfrau,
Du glückliche Pforte des Himmels.
Nehmend jenes Ave
Als eine Gabe Gabriels,
Wurdest du uns die Grundlage zum Frieden,
Indem du umwendetest
Den Namen Eva!</poem>
</div>


Das sind die Kräfte, die den [[Baum des Lebens]] bilden: der [[Zahlenäther]] und der [[Wortäther|Wort]]- oder [[Lebensäther]]. Die Verfügung über diese [[ätherisch]]en Kräfte wurde dem [[Mensch]]en nach dem [[Sündenfall]] und der Vertreibung aus dem [[Paradies]] entzogen. Bis zum Ende der [[Erdentwicklung]] soll er die Herrschaft darüber mit Hilfe des [[Christus]] neu und [[Bewusstsein|vollbewusst]] wieder gewinnen. Und diese Kräfte beschränken sich keineswegs allein auf die [[ätherische Welt]]; sie haben ihr Äquivalent auf allen Weltebenen (siehe unten: [[Sephiroth#Vier Welten|Vier Welten]]).  
In solchen einfachen Worten wurden die größten Mysterien, die größten Geheimnisse der Menschheitsentwickelung empfunden. Und in der Umkehrung des Namens Eva zu Ave empfand ein jeder das in inniger Art, was man in grandioser Weise den Paulusbriefen dann entnehmen kann, wenn man die Stellen liest von Adam, dem «alten» Adam, und von Christus, dem «neuen» Adam. Diese Stimmung war dann da, wenn in den Tagen des Christfestes nacheinander gespielt wurden in primitiver Art das Paradeisspiel, das den Sündenfall darstellte, und das Weihnachtspiel, das darstellte die Hoffnung, die jeglicher Menschenseele für die Zukunft werden kann, wenn sie jene Kraft, die im Christus-Impuls liegt, aufnimmt. Aber es gehört, um das fühlen zu können, eine Gemütsstimmung dazu, von der wir uns nur klarmachen sollen, daß sie heute in dieser Art nicht mehr da sein kann. Die Zeiten sind andere geworden. Eine solche Unmöglichkeit, hinzuschauen zu den geistigen Welten, wie sie heute für die primitivste und für die intelligenteste Bevölkerung besteht, ein solches grundmaterialistisches Element im Menschengemüt gab es allerdings dazumal nicht. Die geistige Welt vorauszusetzen, war eine Selbstverständlichkeit. Und ein gewisses Verständnis für diese geistige Welt in ihrem Unterschiede von der Sinneswelt war ebenso eine Selbstverständlichkeit. Die Menschen machen sich heute wenig einen Begriff, wie man spirituell fühlen konnte bis ins 15., 16. Jahrhundert herein, und wie im Grunde genommen überall ein Bewußtsein von Spiritualität vorhanden war.


==== Das System der 10 Sephiroth ====
Wenn die Wiederholung eines der Weihnachtspiele, eines oberpfälzischen Weihnachtspieles, die in unseren beiden Kunstzimmern veranstaltet werden soll, gelingt, dann kann vielleicht auch außerhalb unserer Kreise wieder ein Verständnis dafür erweckt werden, was an spiritueller Stimmung darinnen ist. Für uns sollte diese oder jene Zeile gerade eines solchen Weihnachtspieles zum Erkennungszeichen werden für den spirituellen Sinn, der bei denen vorhanden war, die zur Festeszeit dieses Weihnachtspiel verstehen sollten. Wenn zum Beispiel in diesem oder jenem Weihnachtspiel die Maria, erwartend das Jesuskind, sagt: Die Zeit ist gekommen, ich sehe ein Kindelein - das heißt, hellseherisch erblickte sie in den Tagen, die der Geburt vorangehen, visionär das herannahende Kind, wie es in vielen Weihnachtspielen ist -, dann frage ich einmal, wo Sie heute bei derselben Gelegenheit eine ähnliche Erzählung finden können? Die Zeiten des Zusammenhanges mit der spirituellen Welt, wie er damals noch bewußt vorhanden war, sind nicht mehr vorhanden. Darüber darf man sich weder einer optimistischen noch einer pessimistischen Gesinnung hingeben. Man muß heute schon sehr weit hinausgehen in die primitivsten ländlichen Gegenden, wenn man die Vision finden will, welche die des Kindes ist, das in ein paar Tagen kommen soll. So etwas gibt es noch.
Das Sefer Jetzira nennt noch keine Namen der Sephiroth. Namen werden den zehn Ziffern erst ab dem 13.&nbsp; Jahrhundert im [[Sohar]] und daran anschließenden kabbalistischen Werken zugeordnet. Ihr Wesen wird aber grundlegend charakterisiert, wenn es heißt:


{{Zitat|Zehn Zahlen aus dem Nichts: <br>Eins: Geist des lebendigen Gottes. <br>Zwei: Wind aus dem heiligen Geist. <br>Drei: Wasser aus Wind. <br>Vier: Feuer aus Wasser.<br>Oben,<br>Unten,<br>Osten,<br>Westen,<br>Norden<br>und Süden.|Sefer Jetzira, §11}}
Nur in eine solche Stimmung konnte natürlich dasjenige eingetaucht werden, was in diesen primitiven Erinnerungen und Gedanken an das größte Ereignis der Menschheitsentwickelung der Weihnachtszeit entgegengebracht wurde. Daher müssen wir es ganz begreiflich finden, daß anstelle jener früheren Poesie, jener einfachen, primitiven Kunst, die heutige Prosa der elektrischen Eisenbahnen und des Automobils getreten ist, die in so grotesker Weise zwischen den Alleen von Weihnachtsbäumen dahinsausen. Unmöglich für ein ästhetisch empfindendes Auge, die zwei Dinge zusammenzusehen: Weihnachtsbäume, Weihnachtsmärkte — und Automobile und elektrische Eisenbahnen dazwischen durchfahrend! Das Unmögliche ist natürlich heute eine Selbstverständlichkeit, aber für das ästhetisch empfindende Auge bleibt es dennoch ein Unmögliches. Trotzdem wollen wir Freunde, nicht Feinde der Kultur sein und verstehen, daß es eine Selbstverständlichkeit sein muß.


Ihr Ursprung liegt im Geist des lebendigen Gottes, dann folgen die 3 [[Mütter (Kabbala)|Mütter]] (siehe unten) bzw. [[Elemente]] [[Luft]], [[Wasser]] und [[Feuer]] und die sechs Richtungen des ([[Seele]]n-)[[Raum]]es, die den [[Raumwürfel]] (siehe unten) aufbauen.
Wir wollen aber auch verstehen, wie es zusammenhängt mit dem materialistischen Zug, der durch alle Gemüter, nicht bloß der Städter, sondern auch der ländlichen Bevölkerung gegangen ist. Oh, wir können sie belauschen, die materialistische Stimmung, wie sie sich heranmacht an die Gemüter der Menschen. Gehen Sie ins 14., 13. Jahrhundert, da finden Sie, daß die Menschen vollständig wissen, daß sie etwas Spirituelles meinen, wenn sie zum Beispiel vom Baum der Erkenntnis im Paradiese reden. Sie wissen in der rechten Weise, was ihnen dargestellt wird in dem Paradeisspiel, wissen es spirituell zu beziehen auf das Richtige, was als der Baum der Erkenntnis oder als der Baum des Lebens dargestellt wird. Denn der Aberglaube war in jenen Zeiten noch keineswegs so verbreitet, wie er dann später im 15., 16., 17. Jahrhundert sich ausgebreitet hat. Dagegen finden wir schon im 15. Jahrhundert, zum Beispiel in der Gegend von Bamberg - das ist historisch nachzuweisen -, wie die Leute in der Weihnacht hinausgehen in die Apfelgärten, weil sie physisch, materiell erwarten, daß ein besonders ausersehener Apfelbaum in der Weihnacht blühen werde. Materialistisch ist das ganze Gemütsleben der Menschen geworden in der Epoche, die vom 13., 14. Jahrhundert angefangen über das 16., 17. Jahrhundert hinaufgeht, und nicht bloß in den Städten, sondern auch in den Seelen derjenigen, die einfache Dorfbewohner waren.


Die später gebrauchten Namen der 10 Sephiroth sind dem [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] entnommen, vor allem dem [[Wikipedia:1. Buch der Chronik|1. Buch der Chronik]]. Die erste allgemein anerkannte Systematik der 10 Sephiroth stammt von [[Moshe Cordevero]] (1522–1570) ({{HeS|משה קורדובירו‎}}), der in [[Wikipedia:Safed|Safed]] ([[Wikipedia:Israel|Israel]]) wirkte:
Es hat sich noch vieles von dem, was die alte Poesie war, in die Häuser mit ihrem Weihnachtsbaum hineingeschlichen. Aber es ist schon das, was in heiligster Stimmung die Dörfer wie ein Mysterium durchwehte, zu einer bloßen äußeren Poesie geworden, zur Poesie des Weihnachtsbaumes, die zwar noch immer schön ist, aber doch nur ein Nachklang eines Großen ist. Warum ist das so? Weil die Menschheit im Laufe der Zeiten eine Entwickelung durchmachen muß, weil das, was das Innige, das Große und Bedeutsame in einer Zeit ist, in derselben Art nicht für alle Zeiten bleiben kann. Denn der wäre ein Feind der Entwickelung der Menschheit, welcher das, was für eine Zeit groß ist, hinüberschleppen wollte in andere Zeiten. Eine jede Zeit hat ihre besonderen Aufgaben, und in einer jeden Zeit muß man verstehen, das, was in die Seelen und Herzen der Menschen dringen soll, in einer neuen Weise zu beleben. Unsere Zeit kann sich ganz gewiß in jene wirklichen Weihnachtsstimmungen, die wir andeutend schildern konnten, nur versenken wie in eine historische Erinnerung, wie in ein Stück Vergangenheit. Wenn wir aber doch das Symbol des Weihnachtsbaumes auch in unsere festlichen Versammlungen hereinholen, so tun wir es gerade aus dem Grunde, weil wir mit der anthroposophischen Geisteswissenschaft selber verbinden den Gedanken an eine neue Weihnachtsstimmung der Menschheit, der fortgeschrittenen Menschheit. Denn die Geisteswissenschaft soll die Geheimnisse des Christus in einer solchen Weise in die Herzen und Seelen der Menschen senken, wie es unserer Zeit angemessen ist. Trotzdem unsere heutigen Verkehrsmittel an uns vorbeisausen, wenn wir vor unsere Türen hinaustreten, oder vielleicht sogar mit uns in die Lüfte davonfliegen werden - bald werden diese Dinge noch ganz anders die Menschheit zur nüchternsten, zur fürchterlichsten Prosa bringen -, trotzdem müssen die Menschen der heutigen Zeit Gelegenheit haben, gerade in einer um so stärkeren, in einer um so bedeutungsvolleren Vertiefung ihrer Seele das Göttlich-Geistige wiederzufinden, das in einer so einfachen Weise für die primitiven Gemüter abgelebter Jahrhunderte vor die Augen treten konnte, wenn sie das heilige Kindlein in der Krippe zur Weihnachtszeit sahen. Wir brauchen heute andere Mittel, um diese Stimmung in der Seele wachzurufen. Wir versenken uns gewiß gern in das, was die Vorzeiten gehabt haben, um die Wege zum Christus-Ereignis zu finden, aber wir müssen auch unabhängig sein von der Zeit. Wie sich die Menschen der Vorzeit in die Naturgeheimnisse ganz hineingefühlt haben, so war es nur in einer primitiven Zeit möglich. Wir brauchen heute andere Mittel.


{{Zitat|Die drei ersten Sephiroth können als Einheit betrachtet werden. Die erste stellt gewissermaßen das Erkennen an sich, die zweite den Erkennenden, die dritte das Erkannte dar. Um sich diese Einheit zu erklären, muss man sich vergegenwärtigen, dass das Erkennen des Schöpfers nicht das der Geschöpfe ist. Denn bei diesen ist das Erkennen unterschieden von dem Erkennenden und dem Erkannten, das Erkannte ebenso wiederum von dem Erkennenden. Daher unterscheiden wir: Das Denken, den Denkenden und das Gedachte. Der Schöpfer hingegen ist zugleich Erkennen, Erkennender, und Erkanntes. Seine Art des Erkennens besteht nicht wie beim Menschen darin, sich in Dingen außerhalb seines Seins zu versenken, sondern indem er sich erkennt und weiß, erkennt er alles, was ist. Gibt es doch nichts, das nicht mit ihm vereint wäre und was er nicht in seinem eigenen Wesen fände. Er ist der Typus allen Seins, und alle Dinge existieren in ihm als der reinsten und vollkommensten Form. Daher sind die Geschöpfe in dem Maße vollendet, in dem sie mit ihm, der Quelle ihres Seins, vereint sind. Je weiter sie sich von dieser Quelle entfernt haben, desto mehr fehlt ihnen dieser vollkommene und erhabene Zustand. So haben die Dinge dieser Welt ihre Form in den Sephiroth, und die Sephiroth haben ihre Form in ihrem göttlichen Urquell.|Moshe Cordovero: Pardes Rimmonim; zit. nach {{Lit|Werner, S 190}}}}
Ich möchte Ihnen nur noch einen Begriff davon geben, wie sich die Menschen in die Natur hineingefühlt haben, wenn das Weihnachtsfest herangetreten ist, sich hineingefühlt haben in einer ganz primitiven Weise und dennoch vollsaftig in ihrem Gemüt aus dem Fühlen der Naturelemente gesprochen haben. Sie werden vielleicht, wenn ich Ihnen einen anderen kleinen Sterngesang mitteilen darf, es so recht nur an einer einzigen Stelle fühlen, wie aus der Seele die Elemente der Natur sprachen. Das übrige ist ziemlich primitiv. Hören Sie jedoch genauer zu, dann werden Sie jene Naturstimmung aus noch mehrerem herausfühlen.
[[Datei:Sephiroth hebrew.gif|thumb|250px|Der Sephirothbaum in vereinfachter aufrechter Darstellung.]]


Die 10 Sephiroth bilden zugleich die ersten 10 der [[32 Pfade der Weisheit]], die die aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen der [[Kosmische Intelligenz|kosmischen Intelligenz]] repräsentieren.
Wenn nämlich der, welcher seine Spieler für das Weihnachtspiel oder Drei-Könige-Spiel zu sammeln hatte, mit ihnen ging, und wenn sie da oder dort auftraten, dann begrüßten sie zuerst diejenigen, welche sich versammelt hatten, denn jene abstrakte Stimmung, wie sie heute herrscht zwischen Darstellern und Zuschauern, gab es früher nicht.


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Die Menschen gehörten zusammen, und es war das Ganze eingetaucht in ein gemeinsames Milieu. Daher traten die Spieler so auf, daß sie die, welche da waren, und auch die, welche nicht da waren, in primitiver Weise begrüßten. Das gab wirklich Weihnachtsstimmung.
|align="left" |
#[[Kether]] (Krone) - die bewundernswerte oder wundervolle Intelligenz, die erste Herrlichkeit, das Licht der uranfänglichen Intelligenz
#[[Chochmah]] (Weisheit, Klugheit, Geschicklichkeit) - die erleuchtende Intelligenz, die zweite Herrlichkeit, der Glanz der Einheit
#[[Binah]] (Einsicht,Verstand; analytische Intelligenz) - die geheiligte Intelligenz, das feste Fundament der uranfänglichen Weisheit und die Grundlage des [[Glaube]]ns
#[[Chesed]] (göttliche Liebe, Gnade, Gunst); auch [[Gedulla]] (Größe) genannt - die messende, zusammenhaltende oder empfangende Intelligenz
#[[Geburah]] (Stärke, Macht, Sieg, Gerechtigkeit); auch als [[Din]] (die strafende und richtende Macht Gottes) bezeichnet - die Wurzelintelligenz
#[[Tifereth]] (Herrlichkeit, Ruhm, Pracht, Schönheit - das Herz des Himmels); auch als [[Rachamim]] (die ausgleichende Barmherzigkeit Gottes) oder [[Schalom]] (Friede) bezeichnet - die Intelligenz des trennenden Einflusses
#[[Nezach]] (Dauer, Beständigkeit, Sieg) - die okkulte oder verborgene Intelligenz
#[[Hod]] (Pracht, Glanz, Majestät) - die vollkommene Intelligenz
#[[Jesod]] (Gründung, Grund, Grundstein, Grundlage, Fundament) - die reine Intelligenz
#[[Malchuth]] (Reich, Königreich, Herrschaft, königliche Würde, Regierung) - das Reich Gottes als geistiges Menschenreich; in der Kabbala oft gleichgesetzt mit der [[Schechinah]] ({{HeS|שכינה}}), der Einwohnung Gottes auf Erden bzw. in Israel - die strahlende Intelligenz
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Kether selbst ist von drei Schleiern umgeben, aus denen es sich als bewusstes Zentrum heraus verdichtet. Diese drei Schleier der negativen, d.h. grenzenlosen und positiv nicht zu erfassenden Existenz, vergleichbar der [[Trinität]], werden als ''Ain'' (das ''[[Nichts]]''), ''[[Ain Soph]]'' (das ''Grenzenlose'') und ''Ain Soph Aur'' (das ''grenzenlose Licht'') bezeichnet.
Der Sternsinger spricht:
<div style="margin-left:250px">
<poem>
Ir liabn meini singa samlet eng zsam
Gleiwia die krapfen in der pfann.
Ir liabn meini singa trets zsam in a scheibn,
Ma wölln uns de wail mit singa vertreibn.
Ir liabn meini singa fangts tapfer an.
Zu grüaß'n wölln ma's heben an.
Grüaß'n ma God Voda im hechsten thron
Und grüaß'n ma a sein einiga Son;
Grüaß'n ma a dazua den haligen Geist mit nama
Und grüaß'n ma's ålli drei zsamma.


==== Die [[32 Pfade der Weisheit]] ====
''Joseph und Maria gehen auf die Bühne.''


Die [[32 Pfade der Weisheit]] enstehen aus den 10 Sephiroth und den 22 sie verbindenden Pfaden, die den [[Wikipedia:Buchstabe|Buchstabe]]n des [[Hebräisches Alphabet|Hebräischen Alphabets]] entsprechen. Sie repräsentieren 32 Entwicklungsstufen der [[Kosmische Intelligenz|kosmischen Intelligenz]].
Grüaß'n ma Joseph und Maria rein,
 
Und grüaß'n ma das kloane kindalein.
{{Zitat|In zweiunddreißig geheimnisvollen Pfaden der Weisheit zeichnete JAH, [[JHVH]] Zabaoth, Gott Israels, lebendiger [[Elohim]], König der Welt, allmächtig, barmherzig und gnädig, hoch und erhaben, waltend in Ewigkeit, heilig ist sein Name, und schuf seine Welt mit drei Sefarim ({{HeS|םפרים}}): Erzählung ({{HeS|סִפּוּר}},''sippur''), Zahl ({{HeS|סִפְרָה}}, ''sefar'', Ziffer) und Zeichen ({{HeS|סֵפֶר}}, ''sefer''; Buchstabe).|Sefer Jezirah 1,2}}
Grüaß'n ma a ochs und esulein,
 
Wölche stehn bei dem krippalein.
Das sind die Kräfte, die den [[Baum des Lebens]] bilden: der [[Zahlenäther]] und der [[Wortäther|Wort]]- oder [[Lebensäther]]. Die Verfügung über diese [[ätherisch]]en Kräfte wurde dem [[Mensch]]en nach dem [[Sündenfall]] und der Vertreibung aus dem [[Paradies]] entzogen. Bis zum Ende der [[Erdentwicklung]] soll er die Herrschaft darüber mit Hilfe des [[Christus]] neu und [[Bewusstsein|vollbewusst]] wieder gewinnen.
Grüaß'n ma sie durch sunn und mondenschein,
 
Der leucht't übers meer und über den Rhein.
==== Die 10 Sephiroth bei Isaak Luria ====
Grüaß'n ma sie durch laub und gras,
 
Der haiige regen mächt uns und eng ålli naß.
Wenig später, noch im [[Wikipedia:16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]], entwarf [[Isaak Luria]], wie Moshe Cordevero aus [[Wikipedia:Safed|Safed]] stammend, ein leicht, aber bedeutsam verändertes Schema der 10 Sephiroth, indem er [[Kether]] herausnahm und dafür [[Daath]] hinzufügte als [[Bewusstsein|bewusste]] Manifestation der noch unbewussten, ungeformten [[Kether]], die damit in den Bereich des unbegrenzten Lichts ([[Ain Soph Aur]]) hinaufrückte und nicht mehr als in ein gestaltetes Gefäß gegegossene Sephira aufgefasst wurde<ref>Jacob Immanuel Schochet: ''Mystical Concepts in Chassidism'', Kehot Publications. Chapter on Sephirot. Available separately or printed at back of bilinguel Hebrew-English [[Tanya]]</ref>. In Daat vereinigen sich die Kräfte von [[Weisheit]] ([[Chochmah]]) und [[Verstand]] ([[Binah]]) zum bewussten, in geformte [[Gedanke]]n gefassten [[Wissen]]. Damit ergibt sich folgendes Schema:
Grüaß'n ma den kaiser mit der kron,
 
Grüaß'n ma den master, der's machen kan.
{|border="0"
Grüaß'n ma a dö geistlinga herrn,
|align="left" |
Wail's uns erlaubt hobn, des g'spül z'lern.
#[[Chochmah]] (Weisheit, Klugheit, Geschicklichkeit)
Grüaß'n ma den herrn richter mit seiner beschwörd,
#[[Binah]] (Einsicht,Verstand; analytische Intelligenz)
Denn sie san der eren wert.
#[[Daath]] (Wissen, Wissenschaft)
Und grüaß'n ma die gånzi ersame gmoan,
#[[Chesed]] (Liebe, Gnade, Gunst)
Alli, wie sie hier vasammelt san.
#[[Geburah]] (Stärke, Macht, Sieg, Gerechtigkeit)
Grüaß'n ma den ganzen ersamen råt,
#[[Tifereth]] (Verherrlichung, Ruhm, Pracht, Schönheit)
Wia sie God dazua verurdnet hat.
#[[Nezach]] (Dauer, Beständigkeit, Sieg; Ruhm, Glanz, Blut, Saft)
Grüaß'n ma sie durch ålli würzalein,
#[[Hod]] (Pracht, Glanz, Majestät)
So vül als in der erden sein.
#[[Jesod]] (Gründung, Grund, Grundstein, Grundlage, Fundament)
Ir liabn meini singa, fangt's anders an,
#[[Malchuth]] (Reich, Königreich, Herrschaft, königliche Würde, Regierung).
Den stern zu grüaß'n wölln ma's heben an.
|}
Grüaß'n ma unser sternstanga,
 
Daran unser stern tuat hanga.
==== 11 Sephiroth ====
Grüaß'n ma unser sternschar,
 
Daran unser stern umanand fart,
In manchen Darstellungen werden 11 Sephiroth gezeigt, wobei [[Kether]] und [[Daath]] als ''unbewusste'' und ''bewusste'' Manifestation des selben Prinzips angesehen werden, sodass auch hier letztlich nur 10 [[Kategorien]] vorliegen.
Grüaß'n ma a ålli hölzalein,
 
So vül als in dem Sterne sein. -
=== Drei Darstellungsarten des Systems der Sephiroth: Kreise, Gerade und Kubus ===
Ir liabn meini singa, håbt's mi wol vernumma,
[[Bild:GA_110_05_01.gif|thumb|300px|Die Igulim (Kreise) als kosmische [[Sphäre]]n und die Herrschaftsgebiete der höheren geistigen [[Hierarchien]]. Die inneren Kreise unterhalb der Sonnensphäre sind hier nicht dargestellt.]]
Daß ma den stern håm ångsunga.
Seit der [[Wikipedia:mittelalter|mittelalter]]lichen [[Kabbala]] und dem [[Sohar]] haben sich vor allem zwei Darstellungsweisen für das System der zehn Sephiroth verbreitet, die dann ab dem [[Wikipedia:16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]] in der [[Isaak Luria|Lurianischen Kabbala]] als zwei aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien angesehen wurden.  
Grüaß'n ma unsern mastersinger guat,
 
Und grüaß'n ma den mastersinger sein huat.
==== Kreise ([[Igulim]]) ====
Grüaß'n ma a unsern lermaster in der tat,
 
Wail er uns mit der hilf Godes geleret hat.
10 ineinandergeschachtelte Kreise ({{HeS|עִגּוּלים}}, [[igulim]]; Singular: עִגּוּל, igul), deren Entstehung oben besprochen wurde, repräsentieren die ursprüngliche kosmische Schöpfungsordnung. Sie entsprechen den [[Planetensphären]] bis hinauf zum [[Tierkreis]] und damit zugleich den [[Herrschaftsgebiete der Hierarchien|Herrschaftsgebieten der geistigen Hierarchien]]. Der innerste Kreis ist die [[Erdenwelt]] und entspricht [[Malchuth]], der äußerste steht für den [[Kristallhimmel]], der zugleich die Grenze bildet, die aus dem initialen [[Zimzum]] hervorgegangen ist. Je weiter innen die Kreise liegen, desto mehr haben sie sich auch von ihrem Ursprung im göttlichen Urlicht [[Ain Soph Aur]] entfernt und wurden vom [[Das Böse|Bösen]] ergriffen.
Ir liabn meini singa, håbt's mi wol vernumma,
 
Daß ma dös alls håbn ångsunga.</poem>
==== Gerade (Yosher) ====
</div>  
 
Die Gerade ({{HeS|ישר}}, ''yosher'' oder ''joscher'') steht für den aufgerichteten, [[moral]]isch aufrechten [[Mensch]]en. Nur durch die Mithilfe des Menschen kann die durch das Böse gestörte reine Schöpfungsordnung wieder hergestellt werden. Das wird ausgedrückt durch den schon früh geprägten Begriff [[Tikkun Olam]] ([[Hebräische Sprache|hebr.]]: תיקון עולם), was etwa bedeutet: das „Reparieren der Welt“. Diese menschliche Dimension des Sephirothbaums wird durch die üblichen Darstellungen mit seinen drei Säulen und den die Sephiroth verbindenden Linien veranschaulicht.  
 
==== Der Raumwürfel ====
[[Datei:Kabbala_Raumwuerfel.gif|thumb|300px|Der Raumwürfel der Kabbala]]
Der '''Raumwürfel''' ist ein weiteres, grundlegendes, gegenüber dem bekannteren [[Sephirothbaum]] meist viel weniger beachtetes, aber schon im [[Sefer Jetzira]], dem ältesten überlieferten Werk der Kabbala, eingeführtes Grundkonzept der [[jüdisch]]en [[Kabbala]], das die [[Wikipedia:Würfel (Geometrie)|kubische]] Grundstruktur der [[Schöpfung]] symbolisiert. Wie beim Sephirothbaum werden auch dem Raumwürfel nach und nach die zehn [[Sephiroth]] und die 22 Buchstaben des [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Alphabets]] gemäß ihrer Gliederung in 3 Mütter, 7 Doppelte und 12 Einfache zugeordnet.
 
Die Würfelgestalt der Welt darf dabei nicht im physisch-räumlichen Sinn missverstanden werden. Sie ergibt sich vielmehr aus einer systematischen Gliederung der [[Seelenwelt]] in verschiedene Gegensatzpaare, die nach ihrer [[seelisch]]-[[moral]]ischen [[Qualität]] zueinander in Beziehung gesetzt werden. ''Höhe'' und ''Tiefe'' etwa sind hier nicht primär räumlich aufzufassen, sondern eher im Sinn von ''moralisch Erhaben'' oder ''moralisch Niedrig''. Im ''Osten'' geht das geht das [[geist]]ige [[Licht]] auf, im ''Westen'' zieht es sich zurück usw. Die räumliche Struktur, die wir in der [[Sinnliche Welt|sinnlichen Welt]] erleben, ist nur das äußere schattenhafte Abbild dieser seelischen Beziehungen.
 
Der Raumwürfel der Kabbala ist ein Konzept, das die gegenwärtige [[Schöpfung]] in ihrem Sein und Werden beschreibt. In der [[Apokalypse des Johannes]] wird auf die künftige [[Planet|planetarische]] Verkörperung unserer [[Erde (Planet)|Erde]] hingewiesen, auf den [[Neuer Jupiter|neuen Jupiter]], der aber hier als das [[Neues Jerusalem|Neue Jerusalem]] bezeichnet und als vollkommener Würfel beschrieben wird {{Bibel|Offb|21|14|LUT}}.
 
In seinen Vorträgen über [[Apokalypse und Priesterwirken]] hat Rudolf Steiner sehr ausgeführlich geschildert, wie der Aufbau des Neuen Jerusalem - und damit die Umwandlung der alten Schöpfung in die neue - eigentlich im Menschen stattfindet. Bis zum [[Mysterium von Golgatha]] bzw. bis zur Zerstörung des alten Jerusalems überwog der Aufbau von unten aus den Naturkräften, seitdem ist der Aufbau von oben aus den geistigen Kräften wichtiger und das ist der Aufbau des geistigen neuen Jerusalems. Steiner schildert dabei, wie die mit der Nahrung aufgenommenen irdischen Stoffe tatsächlich nur die Organe des [[Nerven-Sinnes-System]]s aufbauen, nicht aber den [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System|Stoffwechsel-Gliedmaßen-Menschen]]. Das ist auch an der Umwandlung des [[Gehirn]]s abzulesen, durch die das Vorderhirn immer ähnlicher einem Verdauungsorgan wird. {{Lit|GA 346, S 132ff}}
 
In einem überlieferten Gespräch mit [[Johanna Gräfin Keyserlingk]] zeigt Steiner auch die Verbindung zur [[Gralsburg]] auf: Die Gralsburg existiere wirklich in der ätherischen Welt. Das neue Jerusalem sei das Urbild, wie es in Zukunft
sein werde.<ref>''Koberwitz 1924'', herausgegeben v. Adalbert Graf Keyserlingk Stuttgart 1974, S 82</ref>
 
Für eine ausführlichere Darstellung siehe auch: [[Raumwürfel]].
 
=== Ursprung der 10 Sephiroth ===
==== Gestaltlosigkeit und Gestalt der Göttlichen ====
[[Datei:Sefirotbaum.gif|thumb|250px|Sefirotbaum nach [[Wikipedia:Lazarus Goldschmidt|Lazarus Goldschmidt]]: ''Sepher Jesirah - Das Buch der Schöpfung'', Frankfurt am Main 1894.]]
Über den Ursprung der Sephiroth berichtet der [[Sohar]]:
 
<div style="margin-left:20px">
».. . Alle Lebewesen« - das sind die heiligen Tierwesen - sind in den Zeichen des heiligen Namens genannt. Und hiervon ist geschrieben: »Alles, was mit Meinem Namen genannt ist und zu Meiner Ehre, Ich habe es geschaffen, gebildet und auch gewirkt« (Jesaia 43,7). Und auch alle Geschöpfe, die durch jene geschaffen worden sind. Es gibt kein Geschöpf, das nicht mit jenem Namen gezeichnet wäre, um Kunde zu geben von dem, der es erschaffen hat. Und so ist das Jod Urbild des Hauptes allen Geschöpfen, das doppelte He Urbild des rechten und linken Armes mit ihren fünf Fingern; das Waw, Urbild des Rumpfes. Deshalb sprach Er: »Und wem wollt ihr Mich vergleichen, daß Ich gleich sei, so spricht der Heilige« (Jesaia 40,25). Es gibt kein Geschöpf, das Mir vergleichbar wäre, selbst jene nicht, welche Ich im Bilde Meiner Lautzeichen erschuf. Denn Ich vermag es, diese Form wieder zu tilgen, oder, so oft Ich will, sie wieder zu erzeugen. Aber es ist kein anderer Gott über Mir, der Meine Form zu tilgen vermöchte. Darum: »Nicht wie unsere Form ist ihre Form . . .« (5. Moses 32,31). So aber ein Mensch die Frage stellt nach dem Satz: »Denn ihr habet keinerlei Gestalt gesehen« (5. Moses 4,15), so wird ihm entgegengehalten, daß wir diese eine Form doch gesehen haben, da es ja heißt: »Und die Bildform JHWHS wird er erblicken« (4. Moses 12,8), nicht aber eine andere Bildform, eines Geschöpfes, das Er in den Lautzeichen des Menschen geformt hätte. Und darum heißt es: »Und wem wollt ihr Mich vergleichen, daß Ich ihm gleich sei?« Und ferner: »Und wem wollt ihr Gott vergleichen, und welche Gestalt Ihm beimessen?« (Jesaia 40,18). Denn auch jene Gestalt ist Ihm nicht an Seiner Stätte eigen, sondern erst, wenn Er herabsteigt zur Herrschaft über die Welt und über die Wesen sich breitet: dann erscheint Er jedem Wesen nach dessen Bilde- und Vorstellkraft, und darum heißt es: »Und durch die Propheten wurde Ich bildhaft vorgestellt« (Hosea 12,11). Und darum spricht Er: Obwohl Ich euch in eurem Urbild gleiche, »wem wollt ihr Mich vergleichen, daß Ich gleich sei?« (Jesaia 40,25). Ehe nämlich der Allheilige Abbild und Form in der Welt erschaffen, war Er allein, ohne Form und Gleichnis, und wer Ihm erkennend genaht wäre in bezug auf den Zustand vor der Schöpfung, nicht dürfte er Ihm Form und Bild in der Welt geben, nicht im Zeichen des He und nicht im Zeichen des Jod, ja auch nicht im heiligen Namen wie in keinem Konsonant- und Vokalzeichen der Welt. Davon ist gesagt: »Denn ihr habet keinerlei Gestalt gesehen von irgend einem Ding, das Gestalt hat, und keinerlei Ähnliches habt ihr gesehen.« Nachdem Er aber jenes Bild des Wagens erschaffen hatte, darin der obere Mensch herabsteigt, wird Er in dieser Bildform JHWH geheißen, daß man Ihn kennenlerne in Seinen Eigenschaften und dann nach jeder einzelnen Ihn benenne: El, Elohim, Schaddai, Zebaot, Ehejeh, daß man Ihn in jeder Eigenschaft erkenne, mit der die Welt geführt wird in Liebe und in richtender Strenge gemäß den Taten der Menschenkinder. Denn wenn Sein Lichtstrom nicht über alle Wesen sich breitete, wie könnte Er ihnen bekannt werden, wie könnten die Worte Geltung haben: »Voll ist die ganze Erde Seiner Herrlichkeit«? (Jesaia 6,3). Wehe, wer Ihn irgend einem Attribut gleichsetzte von Seinen eigenen und gar erst von solchen der Menschen, »die im Staube gegründet sind« (Hiob 4,19), als vergängliche Gefäße. Die Vorstellung von Ihm entspricht nur Seiner Herrschaft über irgend ein Attribut oder auch über alle Geschöpfe. Wird dieses aber nicht mehr von Ihm vorgestellt, dann ist an Ihm kein Attribut, keine Vorstellung, keine Form. Dem Meer gleich, dessen Wasser, soweit sie nur aus ihm hervorgehen, nicht Fassung und nicht Form haben, erst wenn sie sich ausbreiten und in ein Gefäß aufgenommen werden, welches die Erde ist, kommt Vorstellung zustande und können wir rechnende Gedanken bilden. So ist da zuerst der Ursprung aus dem Meere, der in seiner Ausbreitung in ein Gefäß aufgenommen wird, das die Rundung des Jod hat- dieser Ursprung ist eins. Und der Quell, der daraus hervorkommt -zwei. Dann erst wird ein großes Gefäß geschaffen, wie wenn einer eine weite Grube gräbt, die mit dem Wasser des Quells sich füllt. Dieses Gefäß wird »Meer« genannt: es ist das dritte. Dieses große Gefäß spaltet sich in sieben, gestreckten Gefäßen vergleichbar. Und breitet sich das Wasser aus dem Meere in sieben Bäche: das sind zehn. Wenn aber der Meister diese Gefäße, die er gebaut, zerbräche, dann kehrte das Wasser zum Ursprung zurück und verblieben zerbrochene Gefäße, dürr und wasserlos. So hat die »Ursache der Ursachen« zehn Sefirot hervorgebracht und nannte die »Krone« Ursprung: in ihr ist kein Ende des Strömens und Quellens: deshalb nannte Er sich selbst: »Endloser«. So hat Er nicht Bild und Form, und kein Gefäß ist, Ihn zu fassen, von Ihm irgend nur zu wissen. Darum sagte man: »Nach dem, was dir entrückt, forsche nicht, und nach dem, was dir verborgen, suche nicht.« Dann erschuf Er ein kleines Gefäß, es ist das Jod, das des Wassers voll wird, und nannte es sprudelnden Quell und »Weisheit«, und sich selbst darinnen »Weiser«. Dann erschuf Er ein großes Gefäß und nannte es »Meer« und nannte es »Einsicht« und sich selbst darinnen »Einsichtiger«, »Weiser« durch Sein Wesen. »Einsichtiger« durch Sein Wesen, denn die »Weisheit« wird nicht aus sich selbst »Weisheit« genannt, sondern nach dem Weisen, der sie füllt, und die »Einsicht« wird nicht aus sich selbst »Einsicht« genannt, sondern nach dem Einsichtigen, der sie füllt. Denn wenn Er Sich entzöge, bliebe es »Dürre«, wie es heißt: »Fortgegangen sind die Wasser vom Meere und der Strom vertrocknet und verdorrt« (Hiob 14,11). Dann aber ist auch geschrieben: »Und Er schlug ihn zu sieben Bächen« (Jesaia 11,15) - das heißt: zu sieben kostbaren Gefäßen. Und nannte sie: Größe, Stärke, Herrlichkeit, Siegeskraft, Schönheit, Fundament, Reich. Und nannte Sich selbst: »groß« in der »Größe«, »stark« in der »Stärke«, »herrlich« in der »Herrlichkeit«, »siegreich« in der »Siegeskraft«. In der »Schönheit« nannte Er Seinen Namen »Schönheit unseres Bildners«, im »Fundament« jedoch »Zaddik« (vgl. Sprüche 10,25). Und im Fundament ist alles gestützt: alle Gefäße und alle Welten. Im »Reiche« endlich nannte Er Seinen Namen »König«, dessen ist »die Größe, die Stärke, die Herrlichkeit, die Siegeskraft und die Schönheit, denn alles ist im Himmel« (Chronik I. 29,11) - damit ist der »Zaddik« gemeint. »Und Sein ist die Herrschaft« - das ist »Reich«, und alles in Seiner Befugnis, die Gefäße zu vermindern und das Quellen darinnen zu mehren nach Seinem Willen. Über ihm jedoch kein Gott, der mehren oder mindern könnte. Dann schuf Er dienende Wesen jenen Gefäßen: einen Thron auf vier Säulen und sechs Stufen des Thrones: das sind zehn. Und der ganze Thron wie der Segensbecher, an dem zehn Worte bereitet sind um der Thora willen, die in zehn Worten gegeben wurde. Denn auch die Welt, das Urschöpfungswerk, ward in zehn Worten erschaffen (s. Sprüche der Väter, Kap. 5). Dann errichtete Er dem Throne Engelgruppen zum Dienste; Engel, Ar'elim, Seraphim, Tierwesen, Ofanim, Chaschmalim, Elim, Elohim, Söhne der Elohim, Individualitäten. Und diesen wieder machte Er zu Dienern Samael und all dessen Scharen - die sind wie Wolken, darauf zu reiten, um auf die Erde hinabzusteigen, oder wie Rosse. Und daß die Rosse als Reitsitze bezeichnet wurden, bezeugen die Worte: »Siehe, JHWH reitet auf leichter Wolke und kommt nach Mizrajim« (Jesaia 19,1). Das ist das Herrscherwesen Ägyptens. Sie sahen es im Bilde eines Rosses, auf dem der Allheilige einherfährt; da erschwankten die Götzen Ägyptens und das Herz Ägyptens schmolz hin. {{Lit|Sohar, S 65ff}}
</div>
 
== Sinn und Anwendung der Sephiroth ==
[[Datei:Tree of life hebrew.png|thumb|300px|Die 10 Sephiroth im Lebensbaum verbunden durch den [[Pfad des flammenden Schwerts]] (gelb), der die Reihenfolge ihrer Entstehung von 1 - 10 angibt.]]
 
=== Der Sephirothbaum als lebendiges, vielgestaltiges System ===
Der [[Kabbala|kabbalistische]] '''Lebensbaum''' spiegelt die göttliche Schöpfung zugleich im [[Mikrokosmos]] und [[Makrokosmos]]. Aufgebaut wird der Sephirothbaum durch die Abfolge der Ziffern von 1 bis 10 (1 = Keter, 10 = Malchut), die zu beiden Seiten als Gegensatzpaare angeordnet sind, die auf der mittleren Achse ihren Ausgleich finden. Die rechte Seite entspricht dabei der Vollkommenheit des Alls, die linke bringt die Entzweiung, die die äußere Schöpfung überhaupt erst möglich macht, zugleich aber auch der Ursprung des Zwistes ist und letztlich zur [[Hölle]] hinabführt. Im [[Sohar]] heißt es dazu:


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Nun bitte ich Sie, acht darauf zu geben, was das heißt, so die Natur aufzurufen, daß man alle, die man begrüßen will, mit solcher Stimmung im Herzen begrüßt, daß man solche Stimmung fühlt aus «Ålli würzalein, so vül als in der erden sein»! Das ist Mitfühlen der Naturstimmung selber. So muß man anerkennen, wie damals der Mensch mit allem Heiligen, mit allem Großen und Spirituellen bis in die Wurzeln der Gräser und Bäume hinein verbunden war. Wer das nachempfinden kann, der fühlt bei einer solchen Zeile, wie der eben angedeuteten, etwas Grandioses in den Geheimnissen der Menschheitsentwickelung. Die Zeiten, wo das naturgemäß war, wo das selbstverständlich war, sind einmal vorüber, und wir brauchen heute andere Mittel. Wir brauchen gewissermaßen Mittel, die uns zu einem noch tieferen Quell der menschlichen Natur führen, zu jenem Quell der Menschennatur, der in einer gewissen Weise von der äußeren Zeit unabhängig ist. Denn die Kultur selber, wie sie heute abläuft, macht es uns unmöglich, uns genau an die Jahreszeiten zu binden. Wer daher wirklich jene Stimmung versteht, die als die Christus-Stimmung zur heiligen Weihnacht in alten Zeiten zu empfinden war, wird auch Verständnis für das haben, was wir wollen, indem wir wieder künstlerisch vertiefen wollen, was wir aus der Geisteswissenschaft heraus gewinnen können, was wir wollen, indem wir darnach streben, jenen Quell in den Menschengemütern zu beleben, der in sich aufnehmen kann den Christus-Impuls.
"»Und es sprach Gott: »Es sei eine Scheide inmitten der Wasser!« Hier folgt im besonderen das Geheimnis der Scheidung der oberen und unteren Wasser: im Zeichen der linken Seite. Denn diese steht im Geheimnis der Entzweiung, während bis dahin nur von dem Geheimnis der rechten Seite gesprochen wurde. Die Rechte aber bezeichnet die Vollkommenheit des Alls und wird darum mit dem Namen »Alles« benannt, weil von ihr alle Vollendung abhängt. Das Erwachen der Linken ist das Erwachen des Zwistes; und an diesem Zwist kommt das Feuer des Grimmes zur Erstarkung. So hat von jenem Zwist die Hölle ihren Ursprung, die an der linken Seite erwacht und ihr verbunden bleibt. . . Dieses nahm die Weisheit des Mose wahr und gewann so Einblick in das Schöpfungswerk: wie in diesem Werke selbst schon der Zwist des Linken gegen das Rechte liegt und wie aus diesem Zwist, indem die Linke zur Erweckung kommt, auch die Hölle ihren Ursprung nimmt. Dann aber verbindet sich mit beiden die mittlere Säule, das ist der dritte Tag, tritt zwischen sie und schlichtet den Streit und versöhnt die beiden Seiten. Dadurch sinkt die Hölle hinab, die Linke vollendet sich an der Rechten, und wird Friede in allem." {{Lit|Sohar, S 110}}
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Die 10 Sephiroth, die sich zum Lebensbaum vereinigen, bilden kein starres, formales System, wenn das auch auf den ersten Blick so scheinen mag, sondern sie sollen flexibel und lebendig dem [[individuell]]en [[geist]]igen Bedürfnis angepasst werden. Spekulative Kabbalisten (theoretische Kabbala) benutzen den Sephirothbaum als [[Meditation]]sobjekt, praktische [[Magier]] (praktische Kabbala) verwenden ihn als Vorlage für magische Operationen.  
Wir können zur Weihnachtszeit nicht mehr unmittelbar das Große wachrufen, so gern wir auch gerade zu dieser Zeit in unseren Seelen diesen Impuls wachrufen wollten, aber wir suchen es immerdar. Und wenn wir in dem, was die anthroposophische Geisteswissenschaft der Menschheit sein soll, selber ein Christfest dieses Menschheitsfortschrittes sehen, und wenn wir hinblicken zu dem, was der einfache Mensch fühlen konnte, wenn ihm zur heiligen Weihnacht das Kindlein in der Krippe dargeboten wurde, dann sagen wir uns: Solche Stimmungen, solche Gefühle sollen in uns wach werden, wenn wir hinblicken auf das, was geboren werden kann in unserer Seele dann, wenn uns die Geist-Erkenntnis unseren innersten Quell so heilig stimmt, so läutert, daß er in sich aufnehmen kann das heilige Mysterium des Christus-Impulses.


Den 10 Sephirot werden dabei sämtliche Inhalte der irdischen und göttlichen Welt systematisch zugeordnet. Dazu gehören tiefgründige Deutungen der [[Wikipedia:Tanach|hebräischen Bibel]], [[Farben]], [[Form]]en, [[Hebräisches Alphabet|hebräische Buchstaben]], [[Engelhierarchien]], [[Welten]], [[Planetensphären]], Körperglieder usw.  
Von diesem Gesichtspunkt aus versuchen wir auch wieder die wahre, im Geistigen quellende Kunst zu finden, jene Kunst, welche nur ein Kind der Frommheit, ein Kind der heiligsten Empfindungen sein kann. Wenn wir in dieser Beziehung das ewige, das unvergängliche Christfest der Menschheit fühlen: wie geboren werden kann in dem Menschen, in der menschlichen Seele, in dem menschlichen Gemüt jener Christus-Impuls - wenn wir durch die Geisteswissenschaft wieder erfahren, wie dieser Christus-Impuls etwas Reales ist, etwas, was sich wirklich als eine lebendige Kraft hineinergießen kann in unsere Seelen, in unsere Herzen -, dann wird uns durch die Geisteswissenschaft der Christus-Impuls nicht ein Abstraktum, ein Dogmatisches bleiben, sondern dann wird uns dieser Christus-Impuls, der aus unserer spirituellen Bewegung hervorgeht, etwas werden, was uns Trost in den schlimmsten Augenblicken unseres Lebens geben kann, was uns froh machen kann in der Hoffnung, daß, wenn der Christus geboren wird in unserer Seele, zur Weihnachtszeit dieser Seele, wir erwarten dürfen die Osterzeit, die Auferstehung des Geistes in dem eigenen Inneren.


Entsprechend gibt es viele unterschiedliche Darstellungen des Sephirothbaumes, die zwar alle dem einen Grundschema folgen, sich aber doch in wichtigen Details unterscheiden, ohne sich deshalb zu widersprechen, wenn man sie von einer höheren Warte aus betrachtet. Das eine, einzig richtige System der Sephiroth gibt es nicht. Das mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen, aber erst durch diese Flexibilität, die den ganz individuellen Zugang ermöglicht, werden die Sephiroth zur wahren [[bewusstsein]]weckenden Kraft - was wäre auch ein "Lebensbaum", wenn er nicht stets lebendig beweglich wäre und sich in den mannigfaltigsten [[Metamorphose]]n zeigen könnte, die aber doch alle dem einen Urbild treu bleiben?
So müssen wir aus dem Materiellen, das in alle Geister, in alle Herzen eingezogen ist, wieder zum Spirituellen vorschreiten. Denn aus dem Geiste allein kann geboren werden jene Erneuerung, die notwendig ist gegenüber dem, was die heutige Prosa des Lebens ist. Wird es möglich sein, auch dann, wenn draußen die Automobile fahren, vielleicht die Luftballons durch die Luft fliegen, die elektrischen Bahnen dahinsausen, wird es dann möglich sein, daß in solchen Räumen, wie diese hier, sich etwas verbreitet von heiliger Stimmung, die allerdings nur durch das aufgenommen werden kann, was uns das ganze Jahr durch aus der Geist-Erkenntnis fließt, uns den Christus näherbringt, was in früherer Zeit in einer viel kindlicheren Stimmung aufleben durfte, dann besteht die Hoffnung, daß in einer gewissen Beziehung diese Versammlungsräume «Krippen» sein werden, auf die wir in einer ähnlichen Art blicken können, wie die Kinder und die Großen am Christabend, wenn die Krippe im Hause, oder früher in der Kirche, aufgerichtet war, hinblickten auf das Kindlein, auf die Hirten davor und auf «ochs und esulein, wölche stehn bei dem krippalein». Da haben sie gefühlt, daß von diesem Symbolum in ihr Herz strömte Kraft für alle Hoffnung, für alle Menschenliebe, für alle Menschengröße, für alle Erdenziele.


=== Vier Welten ===
Wenn wir an diesem Tage, der geweiht und gewidmet sein soll der Erinnerung an den Christus-Impuls, fühlen können, daß das ganze Jahr hindurch durch unser ernstes geisteswissenschaftliches Streben in unseren Herzen etwas angefacht wird, dann werden unsere Herzen an diesem Tage fühlen: Das sind Krippen, diese unsere Versammlungsorte, und diese Lichter sind die Symbole! Diese Krippen enthalten durch die heilige Stimmung, die in ihnen ist, und diese Lichter durch das Symbolische ihres Glanzes, sie enthalten das, was wie die Weihnachtszeit, die Osterzeit eine große Zeit für die Menschheit vorbereiten soll: die Auferstehung des heiligsten Geistes, des wahrhaftigen spirituellen Lebens!
[[Vier Welten]] oder [[Weltebenen]] bilden nach den Lehren der [[jüdisch]]en [[Kabbala]] die Stufen, durch die sich aus dem grenzenlosen Schöpfungsurgrund '''[[Ain Soph]]''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] אין סוף, ''nicht endlich'') die [[Schöpfung]] bis zur [[Physische Welt|physischen Welt]] verdichtet. [[Isaak Luria]] fügte dem Schema als ''fünfte'' und höchste Welt noch '''[[Adam Kadmon]]''' ([[Wikipedia:aramäisch|aramäisch]]: אדמ קדמון "ursprünglicher Mensch") hinzu:


* '''[[Atziluth]]''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] אֲצִילוּת = Vornehmheit, Erhabenheit, Güte, Feuer; auch ''Olam Atzilut'', עולם אצילות, die ''Welt der Erhabenheit''), die dem [[Devachan]] entspricht.
Versuchen wir so zu empfinden, daß unsere Versammlungsräume zur Weihnachtszeit Krippen sind, Stätten, in denen sich, abgeschlossen von der äußeren Welt, ein Großes vorbereitet, lernen wir fühlen, wenn wir das ganze Jahr hindurch emsig lernen, daß unsere Einsichten, unsere Weistümer an diesem Weihnachtsabend sich zusammendrängen können in heiße Gefühle, die wie ein Feuer erglühen aus dem Brennmaterial, das wir das ganze Jahr hindurch durch die Vertiefung in große Lehren gewinnen. Und fühlen wir, daß wir dabei das Andenken an den größten Impuls der Menschheitsentwickelung pflegen, fühlen wir, wie deshalb an diesen Stätten der Glaube leben darf, daß einstmals dasjenige, was in so engem Krippenraum als ein heiliges Feuer und als ein hoffnungssicheres Licht erbrennt, hinausdringen wird in die Menschheit. Dann wird es stark genug, kräftig genug sein, um auch die härteste, die nüchternste Prosa des Lebens zu durchdringen, zu befeueren, zu erwärmen, zu erleuchten. Dann können wir Weihnachtsstimmung hier empfinden als Hoffnungsstimmung für jene Welt-Osterstimmung, welche der Ausdruck des lebendigen Geistes ist, der notwendig ist der neuen Menschheit.
* '''[[Briah]]''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] Olam Briyah, עולם בריאה, die ''Welt der Schöpfung''), die [[astralische Welt]].
* '''[[Jetzira]]''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] עולם יצירה, Olam Yetsirah, die ''Welt der Formgebung''), die [[ätherische Welt]].
* '''[[Assiah]]''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] עולם עשיה, Olam Asiyah, die ''Welt der Tat''), die [[physische Welt]].


Die oberste Triade (Kether, Chochma und Bina) des kabbalistischen Lebensbaumes verweist auf die [[Vernunftwelt]], also auf die eigentliche [[geistige Welt]], aus der der Mensch seine geistigen Fähigkeiten schöpft. Die mittlere Triade (Chesed, Gebura und Tifereth) bezieht sich auf die [[Seelenwelt]] ([[Astralwelt]]), während die unterste Triade auf die  vitalen Kräfte der [[Ätherwelt]] zeigt. Malchut (Reich) bezeichnet die [[physische Welt]], die allein sinnlich erfahrbar ist; alle darüber liegenden Weltbereiche sind nur der übersinnlichen Erfahrung zugänglich.
Am besten feiern wir Weihnachten in unserer Seele, wenn wir die nächsten Tage mit dieser Stimmung ausfüllen, so ausfüllen, daß wir in unserem Weihnachten geistig vorbereiten Menschheits-Ostern, die Auferstehung des spirituellen Lebens. Ja, Krippen sollen unsere Arbeitsstätten zur Weihnachtszeit werden. Geboren soll werden das Lichtkind, das angefacht wird durch das ganze Jahr hindurch durch die Versenkung in die geisteswissenschaftlichen Weistümer. Geboren soll werden der Christ in der Menschenseele in unseren Arbeitsstätten, damit das spirituelle Leben auferstehen kann zur großen Osterzeit der Menschheit, die in ihrem Wesen die Spiritualität als eine Auferstehung empfinden muß durch das Hinausströmen der Weihnachtsstimmung aus unseren Räumen in die allgemeine Menschheit der Gegenwart und der Zukunft." {{lit|GA 125, S 235 ff.}}
 
Folgt man der [[Isaak Luria|Lurianischen Kabbala]], so erscheint das System der vier bzw. fünf Welten und des Lebensbaumes noch wesentlich komplexer. Nach [[Isaak Luria]] enthält jede dieser Welten ihren eigenen 10-gliedrigen Sephirothbaum, der sich aber wieder in die vier Weltbereiche untergliedert. Von diesen enthält auch wieder jeder seinen eigenen Lebensbaum - und so geht es letztlich im endlosen Regress weiter. Das verleiht dem System in hohem Maß [[Ganzheit]]lichkeit und Flexibilität.
 
== Die 10 Sephiroth in der Darstellung Rudolf Steiners ==
 
[[Rudolf Steiner]] hat darauf hingewiesen, dass die 10 Sephiroth Buchstaben eines geistigen Alphabets sind, das uns tiefe Einblicke in das Wesen des [[Mensch]]en geben kann. Die Sephiroth, hier nun nach der Bezeichnungsweise und Anordnung Rudolf Steiners angeführt, die sich teilweise von üblichen kabbalistischen Darstellungen unterscheidet, hängen eng mit dem [[Dreigliederung|dreigliedrigen]] Bau des Menschen zusammen. Kether (Krone), Chokmah (Weisheit) und Binah (Intelligenz, unterscheidender Verstand) bezeichnen die auf und durch das [[Kopfsystem]] wirkenden Kräfte. Chesed (Freiheit), Geburah (Lebenskraft) und Tipheret (Schönheit) wirken auf das [[Rhythmisches System|Rhythmische System]] und Netsah (Überwindung), Hod (Mitgefühl) und Jesod (Fundament) auf das [[Gliedmassen-Stoffwechsel-System]]. Die zehnte Kraft, Malchuth (Reich, Feld) genannt, wirkt von der [[Erde (Planet)|Erde]] her.
 
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[[Bild:Sephirothbaum.gif|thumb|Der Sephirothbaum in seinem Zusammenhang mit der dreigliedrigen Natur des Menschen]]
"Nun wollen wir uns heute einmal klarmachen, was die alten Juden mit diesem Sephirothbaum eigentlich gemeint haben. Nicht wahr, sie dachten sich das so: Der Mensch steht da in der Welt, aber die Kräfte der Welt wirken von allen Seiten auf ihn ein. Wenn man den Menschen, wie er dasteht in der Welt (es wird gezeichnet), anschaut, so können wir ihn uns, schematisch gezeichnet, so vorstellen. Also so stellen wir uns den in der Welt stehenden stofflichen Menschen einmal vor. Diesen Menschen haben sich nun die alten Juden so vorgestellt, daß auf ihn von allen Seiten die Kräfte der Welt wirken. Hier zeichne ich einen Pfeil, der so bis ins Herz hineingeht: Also auf den Menschen wirkend die Kräfte der Welt; hier unten die Kraft der Erde.
 
[[Bild:GA_353_tafel_15.gif|thumb|left|Der dreigliedrige Mensch]]
Nun haben die Juden gesagt: Zunächst wirken drei Kräfte auf den menschlichen Kopf - die habe ich in der Zeichnung mit diesen Pfeilen: 1, 2, 3 bezeichnet -, drei Kräfte auf die menschliche Mitte, auf die Brust, auf die Atmung und die Blutzirkulation hauptsächlich (Pfeile 4, 5, 6 der Zeichnung). Dann wirken drei Kräfte mehr auf die Gliedmaßen des Menschen (Pfeile 7, 8,9), und eine zehnte Kraft, die wirkt von der Erde aus auf den Menschen (Pfeil 10, von unten). Also zehn Kräfte, stellten sich die alten Juden vor, wirken von außen auf den Menschen.
 
Betrachten wir zunächst die drei Kräfte, die sozusagen von den weitesten Partien, von den entferntesten Partien des Weltenalls kommen und auf den menschlichen Kopf wirken, den menschlichen Kopf eigentlich rund machen, wie ein Bild vom ganzen runden Weltenall machen. Diese drei Kräfte, also 1, 2, 3, sind die edelsten; die kommen sozusagen, wenn man mit einem späteren Ausdrucke sprechen will, mit einem griechischen Ausdruck zum Beispiel, von den höchsten Himmeln her. Die formen den menschlichen Kopf, indem sie ihn zu einem runden Abbilde des ganzen runden Weltenalls machen.
 
Nun müssen wir aber gleich dabei einen Begriff entwickeln, welcher Sie stören könnte, wenn ich ihn einfach Ihnen sagen würde. Denn, sehen Sie, in diesen zehn Begriffen, die da die Juden an die Spitze ihrer Weisheit gestellt haben, da ist der erste da oben (1) ein solcher, der später furchtbar mißbraucht worden ist; denn später haben diejenigen Menschen, welchen es gelungen ist, die Macht an sich zu reißen, die Zeichen dieser Macht und auch die Worte für diese Macht in den äußeren Machtbereich heruntergezogen. Und so haben gewisse Menschen, welche sich die Macht der Völker angeeignet und auf ihre Nachkommen übertragen haben, sich angeeignet dasjenige, was man Krone nennt. Krone war früher, in alten Zeiten, ein Wort für das Höchste, was dem Menschen an Geistigkeit geschenkt werden kann. Und die Krone durfte nur derjenige tragen, der in dem Sinne, wie ich es Ihnen erklärt habe, durch die Einweihung gegangen ist, der also die höchste Weisheit errungen hat. Sie war ein Zeichen der höchsten Weisheit. Ich habe Ihnen ja auseinandergesetzt, wie die Orden ursprünglich alle etwas bedeutet haben, wie sie später angelegt worden sind aus Eitelkeit und nichts mehr bedeuten. Namentlich aber müssen wir so etwas gegenüber dem Ausdruck «Krone» in Betracht ziehen. Krone war für die Alten der Inbegriff von alldem, was sich an Übermenschlichkeit aus der geistigen Welt in die Menschen herniederzusenken hat. Kein Wunder, daß die Könige sich die Krone aufgesetzt haben. Die waren ja, wie Sie wissen, nicht immer weise und haben nicht immer die höchsten Himmelsgaben in sich vereinigt, aber sie haben sich das Zeichen aufgesetzt. Und man darf, wenn so etwas nach alten Sitten ausgesprochen worden ist, das nicht verwechseln mit dem, was daraus durch Mißbrauch geworden ist. Also das Höchste, die höchsten Weltengaben, die höchsten Geistesgaben, die sich auf den Menschen niedersenken können, die er vereinigen kann mit seinem Kopfe, wenn er viel weiß, das nannte man im alten Judentum Kether, die Krone. Nun, sehen Sie, das war also das Höchste. Das war dasjenige, was vom Weltenall herein geistig den Kopf formte.
 
Und dann brauchte dieser Menschenkopf noch zwei andere Kräfte. Diese zwei anderen Kräfte kamen ihm von rechts und von links zu. Man dachte sich: Das Höchste kommt von oben herunter; von rechts und links kommen ihm die zwei anderen Kräfte, die beiden Weltenkräfte, die im ganzen Weltenall ausgebreitet sind. Nun, die eine, die wie durchs rechte Ohr hineingeht, nannte man Chokmah = Weisheit. Wir würden heute, wenn wir das Wort übersetzen wollten, sagen: Weisheit. Und auf der anderen Seite kam herein aus der Welt: Binah. Wir würden heute sagen: Intelligenz (2 und 3 der Zeichnung). Die alten Juden unterschieden zwischen Weisheit und Intelligenz. Heute betrachtet man einen jeden Menschen, der intelligent ist, auch so, als ob er weise wäre. Aber das ist ja nicht der Fall. Man kann intelligent sein und die größte Dummheit denken. Es werden die größten Dummheiten sehr intelligent ausgedacht. Namentlich wenn man in vieles von der heutigen Wissenschaft hineinsieht, muß man sagen, intelligent ist diese Wissenschaft eigentlich auf allen Gebieten, aber weise ist sie sicher nicht. Die alten Juden haben Chokmah und Binah, die alte Weisheit, von der alten Intelligenz schon früh voneinander unterschieden. -Also den menschlichen Kopf, alles das eigentlich, was im Menschen zum Sinnessystem gehört, auch das, was an Nerven im Sinnessystem ausgebreitet liegt, all das bezeichnete man mit den drei Ausdrücken Kether, Chokmah, Binah - Krone, Weisheit, Intelligenz.
 
So wird, nach der Ansicht der alten Juden, der menschliche Kopf aufgebaut aus dem Weltenall herein. Es ist also ein starkes Bewußtsein vorhanden gewesen - sonst hätte man eine solche Lehre nicht ausgebildet -, daß der Mensch ein Glied im ganzen Weltenall ist. Wir können zum Beispiel beim menschlichen Körper fragen: Was ist mit der Leber? Nun, die Leber bekommt von der Blutzirkulation ihre Adern; sie bekommt ihre Kräfte von der menschlichen Umgebung. So haben die alten Juden gesagt: Der Mensch bekommt von der Weltumgebung die Kräfte, die dann, zunächst im Mutterleib und später auch, seine Kopfbildung bewirken.
 
Nun, dann gibt es drei andere Kräfte (4, 5, 6 der Zeichnung); die wirken mehr auf den mittleren Menschen, auf den Menschen, in dem das Herz, in dem die Lunge ist. Sie wirken also auf den mittleren Menschen; sie kommen weniger von oben herunter, sie leben mehr in der Umgebung. Sie leben im Sonnenschein, der auf der Erde herumgeht, sie leben in Wind und Wetter. Da kommen diejenigen drei Kräfte in Betracht, die die alten Juden genannt haben: Chesed, Geburah, Tiphereth. Wenn wir das mit heutigen Ausdrücken sagen wollen, so könnten wir es ausdrücken als: Chesed = Freiheit; Geburah = Kraft; Tiphereth = Schönheit.
 
Gehen wir hier vor allen Dingen von der mittleren Kraft aus, von Geburah. Ich habe Ihnen gesagt, ich will den Pfeil so zeichnen, daß er ins Herz geht! Die Kraft, die der Mensch hat, diese Herzhaftig-keit, Seelenkraft und physische Kraft zugleich, die wird angedeutet durch das menschliche Herz. Daher stellten sich die Juden vor: Wenn der Atem hineinkommt in den Menschen, wenn der Atem in das Herz läuft, da kommen von außen nicht nur diese physischen Atemkräfte in ihn, sondern es kommt die geistige Kraft, Geburah, die mit dem Atem verbunden ist. Wir würden also sagen, wenn wir es noch genauer ausdrücken wollten: die Lebenskraft, die Kraft, durch die er auch etwas kann = Geburah. Aber an der einen Seite von Geburah ist dasjenige, was man Chesed nannte, die menschliche Freiheit. Und auf der anderen Seite Tiphereth, die Schönheit. Der Mensch ist ja tatsächlich in seiner Gestalt das Schönste auf der Erde! Der alte Jude hat sich vorgestellt: Höre ich den Herzschlag, so vernehme ich die Lebenskraft, die in den Menschen hineinkommt. Strecke ich die rechte Hand aus, so vernehme ich, daß ich ein freier Mensch bin; da kommt, wenn die Muskeln sich strecken, die Kraft der Freiheit. Die linke Hand, die mehr sanft sich bewegt, die mehr sanft greifen kann, die bringt dasjenige, was der Mensch in Schönheit macht.
 
Also diese drei Kräfte: Chesed = Freiheit, Geburah = Lebenskraft, Tiphereth = Schönheit, die entsprechen dem im Menschen, was mit dem Atem und mit der Blutzirkulation, all dem, was in Bewegung ist und sich immer wiederholt, zusammenhängt. Es gehört dazu schon auch die Bewegung des Schlafens, der Wechsel von Tag und Nacht. Das gehört auch zu der Bewegung; da gehört der Mensch auch mit dazu.
 
Dann aber ist der Mensch außerdem ein Wesen, das seine Stellung im Raume ändern kann, das herumgehen kann, das nicht so wie die Pflanze immer an einem Ort bleiben muß. Das Tier kann ja auch schon herumgehen. Das hat der Mensch gemeinsam mit dem Tier. Das Tier hat nicht Chokmah, nicht Tiphereth, noch nicht Chesed, es hat aber schon Geburah = Lebenskraft. Und die drei, die ich da bezeichnet habe, die hat der Mensch gemeinschaftlich mit dem Tiere nur dadurch, daß er die anderen hat.
 
Dieses, daß man herumgehen kann, daß man nicht festgebannt ist an einen Ort, das nannten die Juden: Netsah, und das bedeutet, daß man den festen Stand der Erde überwindet, daß man sich bewegt (Pfeil 7 der Zeichnung). Netsah ist Überwindung. Nun, dasjenige, was mehr auf die Mitte des Menschen wirkt, da wo sein Schwerpunkt ist - es ist interessant, wissen Sie: das ist der Punkt, der etwa hier gelegen ist; er ist etwas höher im Wachen und senkt sich herunter im Schlafen, was auch bezeugt, daß beim Schlafen etwas draußen ist -, dasjenige, was in der Körpermitte wirkt, was beim Menschen auch die Fortpflanzung hervorbringt, was also mit der Sexualität zusammenhängt, das nannten die alten Juden Hod. Wir würden es heute bezeichnen mit dem Worte, das etwa ausdrücken würde Mitgefühl. Sie sehen, die Ausdrücke werden schon menschlicher. - Also mit dem Netsah ist die äußere Bewegung gemeint - wir gehen hinaus in den Raum -, mit Hod das innere Fühlen, die innere Bewegung, das innere Mitgefühl mit der Außenwelt, das ist alles Hod (Pfeil 8). Dann unter 9: Jesod; das ist nun dasjenige, auf dem der Mensch eigentlich steht, das Fundament. Der Mensch also fühlt sich da an die Erde gebunden; daß er auf der Erde stehen kann, ist das Fundament, ist Jesod. Daß er ein solches Fundament hat, rührt eben auch von den Kräften her, die von außen an ihn herankommen.
 
Und dann wirken die Kräfte der Erde selber auf ihn (Pfeil 10), nicht nur die umgebenden Kräfte, sondern die Kräfte der Erde selber wirken auf ihn. Das nannte man dann Malkuth. Wir würden es heute übersetzen: das Feld, auf dem der Mensch wirkt, die irdische Außenwelt; Malkuth - das Feld. Man kann schwer einen richtigen Ausdruck für dieses Malkuth prägen, man kann sagen: Reich, Feld; aber alle Dinge sind eigentlich mißbraucht worden, und die heutigen Namen bezeichnen eben nicht mehr dieses, was der alte Jude fühlte: daß da die Erde eigentlich auf ihn wirkt.
 
Wir brauchen uns nur vorzustellen, wir hätten hier die Mitte des Menschen; da setzt ein Oberschenkelknochen ein, auf jeder Seite des Menschen - das geht hier bis zum Knie, da wären die Kniescheiben. Auf diesen Knochen wirken alle diese Kräfte auch; aber daß er eigentlich so durchbohrt wird, daß er eigentlich eine Röhre ist, das kommt dadurch, daß die Erdenkräfte eindringen. Also all das, wo die Erdenkräfte eindringen, das bezeichnete der alte Jude mit Malkuth, das Feld.
 
Sie sehen also, man muß an den Menschen herankommen, wenn man von diesem Sephirothbaum sprechen will! Alle zehn zusammen, also: Kether, Chokmah, Binah, Chesed, Geburah, Tiphereth, Netsah, Hod, Jesod, Malkuth nannten die Juden die zehn Sephiroth. Diese zehn Kräfte sind dasjenige, wodurch der Mensch eigentlich mit der höheren, mit der geistigen Welt zusammenhängt. Nur die zehnte Kraft, Malkuth, ist eben in die Erde hineinversenkt. Also im Grunde genommen ist das hier der physische Mensch (auf die Zeichnung deutend), und diesen physischen Menschen umgibt der geistige Mensch, unten zunächst als die Erdenkräfte, dann aber als die Kräfte, die mehr schon nahen der Erde, aber doch noch aus der Umgebung herein wirken: Netsah, Hod, Jesod. Das gehört also alles geistig zum Menschen dazu, wie diese Kräfte hereinwirken. Dann die Kräfte, die auf seine Blutzirkulation und Atmung wirken: Chesed, Geburah, Tiphereth. Und dann die edelsten Kräfte, die auf den Menschen wirken, die auf sein Kopfsystem wirken: Kether, Chokmah, Binah. So daß sich die Juden eigentlich so, wie ich es Ihnen hier farbig aufgezeichnet habe, den Menschen mit der Welt nach allen Seiten verbunden dachten. Der Mensch ist eben durchaus so, daß er auch ein Übersinnliches in sich enthält. Und dieses Übersinnliche, das haben sie sich so vorgestellt." {{Lit|GA 353, S 210ff}}
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== Sefirot im außerjüdischen Kontext ==
==Literatur==
 
#Rudolf Steiner: ''Wege und Ziele des geistigen Menschen. Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft.'', [[GA 125]] (1992), Berlin, 22. Dezember 1910
Der Lebensbaum hat in esoterischen Traditionen auch im außerjüdischen Kontext erheblichen Einfluss erlangt. So bringt die [[Hermetik]] des [[Golden Dawn]] die Karten des [[Tarot#Kabbala|Tarot]] damit in Verbindung.
 
== Siehe auch: ==
*[[Kabbala]]
*[[Sefer Jezirah]]
*[[Sohar]]
 
== Anmerkungen ==
<references/>
 
== Literatur ==
#Ernst Müller (Hrsg. und Übersetzer): ''Der Sohar - Das heilige Buch der Kabbala'', Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2005 (Diederichs Gelbe Reihe), ISBN 3-7205-2643-7
#Helmut Werner: ''Die Kabbala'', Komet Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-89836-165-1
#Rudolf Steiner: ''Bewußtsein – Leben – Form '', [[GA 89]] (2001) {{Vorträge|089}}
#Rudolf Steiner: ''Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt'', [[GA 110]] (1991) {{Vorträge|110}}
# Rudolf Steiner: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen und sein Selbst?'', [[GA 145]] (1986) {{Vorträge|145}}
# Rudolf Steiner: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V'', [[GA 346]] (2001) {{Vorträge|346}}
#Rudolf Steiner: ''Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker'', [[GA 353]] (1988), Zwölfter Vortrag, Dornach, 10. Mai 1924 {{Vorträge|353}}


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== Weblinks ==
==Weblinks==
* [http://www.rodurago.net/index.php?site=lebensbaum Interaktiver Kabbalistischer Lebensbaum]
#[ftp://anthrowiki.info/waldorf/DAS_OBERUFERER_PARADEIS-SPIEL.pdf Das Oberuferer Paradeis-Spiel] - Der gesamte Text als PDF-Dukument.
* [http://www.hermetik.ch/ath-ha-nour/site/kabbalabuch.htm Einführung in den hermetisch-kabbalistischen Lebensbaum]
#[ftp://anthrowiki.info/waldorf/DAS_OBERUFERER_CHRISTGEBURTSPIEL.pdf Das Oberuferer Christgeburt-Spiel] - Der gesamte Text als PDF-Dokument.
* [http://www.scherm.de/kabbala/ Die poetische Kabbala]
* [http://www.kabbala-info.net/deutsch/zehn-sefirot1-german.htm Die Lehre von den Zehn Sefirot] von Rabbi Yitzhak Luria - ARI mit dem Kommentar des Kabbalisten Rabbi Yehuda Levi Ashlag (1882-1955) über "Der Baum des Lebens" des ARI
* [http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=438&letter=S&search=sefirot Sefirot] - Artikel in der [[Wikipedia:Jewish Encyclopedia|Jewish Encyclopedia]]


[[Kategorie:Kabbala]]
[[Kategorie:Jahresfeste]]

Version vom 5. Januar 2009, 14:08 Uhr

Das Oberuferer Christgeburtspiel

Die Oberuferer Weihnachtspiele, das Paradeis-Spiel, das Christgeburt-Spiel und das Drei-König-Spiel, sind zum festen Bestandteil der weihnachtlichen Festesgestaltung an den Waldorfschulen geworden. In den deutschen Sprachinseln Ungarns wurden sie zu Zeiten der alten Österreichisch-Ungarischen Monarchie als ein letztes Zeugnis alter Weihnachtsgebräuche lebendig gehalten. Karl Julius Schröer, der verehrte Hochschullehrer Rudolf Steiners an der Technischen Hochschule in Wien, hat die Texte in Oberufer (slowak. Prievoz = über das Ufer, ungar. Fõrév), einem ehemals deutschen Dorf, seit 1946 ein Vorort der slowakischen Stadt Preßburg (Bratislava) wieder entdeckt, gesammelt und veröffentlicht und so der Nachwelt erhalten. Sie sind in einer Art donauschwäbischem Dialekt in Reimen abgefasst. Von einfachen bäuerlichen Menschen gespielt, spricht aus diesen schlichten volkstümlichen Texten eine innige, herzenswarme Gemütsstimmung.

Nach altem Brauch wird am Heiligen Abend zugleich auch der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies gedacht. Und so geht auch den eigentlichen Weihnachtspielen sinnigerweise das Paradeis-Spiel voran. Der «alte Adam» wurde in den Sündenfall verstrickt; mit dem Christuskind wird nach den Worten des Apostels Paulus ein «neuer Adam» geboren, der ein neues geistiges Licht in der Menschheit entzündet.

Friedvoll innig leuchtet dieses Hoffnungs-Licht aus dem Christgeburts-Spiel, das uns die Geburtserzählung nach Lukas vor Augen führt, mit der Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria, der Offenbarung, die den Hirten auf dem Feld zuteil wird, und schließlich der Geburt des Jesuskindes im Stall zwischen Ochs und Esulein.

Ganz anders erleben wir die Geburtsgeschichte nach Matthäus, die uns hochdramatisch im Drei-Königs-Spiel gezeigt wird, mit dem Besuch der Heiligen Drei Könige und dem von König Herodes anbefohlenen Kindesmord, dem das Jesuskind nur knapp entgeht.

Über die Entstehungsgeschichte der Weihnachtsspiele und ihren tieferen Sinn berichtet uns Rudolf Steiner:

"In jenen deutschen Sprachinseln Ungarns, in denen vor der Zeit der Magyarisierung in den fünfziger, sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die deutsche Muttersprache, die deutsche Umgangssprache sich erhalten hatte, entfaltete sich noch so manches an Weihnachtspielen und Weihnachtsgebräuchen, was in den Hauptgegenden, im deutschen Mutterlande, längst hinuntergesunken war in den Strom der Vergessenheit. Die einzelnen Kolonisten, die im Laufe der vorherigen Jahrhunderte in die slawischen Gegenden eingewandert waren, bewahrten ihre alten Weihnachtspiele und erneuerten sie, wenn sich die richtigen Menschen fanden, die immer aus den Dorfleuten genommen wurden, um diese Weihnachtspiele darzustellen. Ich erinnere mich wohl noch - und Sie werden mir vielleicht doch zugestehen, solches beurteilen zu können -, mit welchem Enthusiasmus der alte Schröer über solche Weihnachtspiele sprach, wenn er davon erzählte, wie er dabeigewesen ist, wenn die Leute ihre Weihnachtspiele zu dieser Festeszeit gefeiert haben. Man bekommt sozusagen - das ist nicht zuviel gesagt - erst einen Begriff von dem innersten Wesen des Künstlerischen, wenn man zu diesen Dorfleuten geht und sieht, wie sie die einfache Kunst des Weihnachtspieles herausgeboren haben aus der heiligsten Stimmung. Die Menschen, welche heute glauben, von diesem oder jenem Lehrer deklamieren lernen zu können, die heute da- oder dorthin laufen, um diese oder jene Atemübungen zu machen, welche die rechten sind - es gibt ja heute viele Dutzende der rechten Methoden der Atmung für Gesang oder Deklamation -, diese Menschen glauben, es käme darauf an, den Menschenleib oder den Kehlkopf zum rechten Automaten zu machen, um in materialistischer Weise irgendeine Kunst zu pflegen. Ich möchte nur, daß diese kuriose Ansicht niemals in unseren Kreisen wirklich Wurzel fassen kann, denn diese Menschen haben keinen Begriff, wie aus heiligster Stimmung, aus Gebetes-Weihnachtsstimmung heraus eine einfache, aber eine wirkliche Kunst geboren worden ist, dargestellt worden ist mit tiefster Christenstimmung in der Seele und in der Brust von Dorfbuben, von denen oft während des Jahres recht lose und nichtsnutzige Streiche ausgeführt wurden. Denn diese einfachen Leute unter ihren Strohdächern haben unendlich viel mehr gewußt von dem Zusammenhange von Menschenseele, vom ganzen Menschen und von Kunst, als man heute in unseren modernen Theatern oder sonstigem Kunstwesen weiß, und wenn noch soviel Aufhebens davon gemacht wird: daß Kunst etwas ist, was aus dem ganzen Menschen, und, wenn sie heilige Kunst ist, aus der heiligen, frommen Stimmung des Menschen hervorgehen muß.

Das kann Ihnen zum Beispiel hervorgehen aus den vier Hauptbestimmungen, wie sie in Gegenden bestanden, die Schröer noch besuchen konnte.

Wenn Weihnachtspiele aufgeführt wurden in Gegenden Oberungarns, da sammelte, wenn der Oktober oder November herannahte, der, welcher die früher nie aufgeschrieben überlieferten Weihnachtspiele hatte - denn das Aufschreiben wurde als eine Profanierung angesehen -, diejenigen Menschen, die er für geeignet hielt. Und geeignet waren in dieser Weihnachtszeit wirklich Menschen, von denen man es vielleicht sonst nicht vorausgesetzt hatte: lose, nichtsnutzige Buben, die schon ihr gut Teil an allem möglichen Allotria während des Jahres getrieben hatten. Während dieser Zeit aber senkte sich in diese Seelen die nötige Stimmung. Es waren strenge Vorschriften für die Teilnehmer der Weihnachtspiele während der wochenlangen Probenzeit. Ein jeder, der mitwirken wollte, hatte die vier folgenden Regeln strenge zu beachten. Dazu muß man sich natürlich in das Dorfleben versetzen und bedenken, was es im Dorfleben bedeutet, bei einer solchen Sache nicht mittun dürfen.

«Ein jeder, der mitspielen will, darf 1. nicht zu 'n Diernen gehn, 2. keine Schelmliedel singen die ganze heilige Zeit über, 3. muß er ein ehrsames Leben führen, 4. muß er mir folgen. Für alles ist eine Geldstrafe, auch für jeden Gedächtnisfehler und dergleichen im Spiel.»

Klingt Ihnen nicht in dieser Gepflogenheit etwas nach von jenem Bewußtsein, das da war an heiligen Stätten in den alten Mysterien, wo man auch nicht gedacht hat, daß man zur Weisheit kommen kann durch eine gewöhnliche Schulung? So herrschte auch hier das Bewußtsein, daß der ganze Mensch mit seinem Gemüt und seiner Moral geläutert und gereinigt sein muß, wenn er in würdiger Weise an die Kunst herankommen will. Aus dem ganzen Menschen heraus sollten solche Dinge geboren sein. Und die Weihnachtsstimmung brachte so etwas zustande, daß Frommheit in den losesten Buben sein konnte.

Was ich Ihnen eben angeführt habe, was Schröer und andere noch an Weihnachtspielen sammeln konnten, die wie letzte Reste von alten Spielen gespielt worden sind, sind nur noch Ruinen. Wir schauen aber dabei zurück auf noch frühere Zeiten, auf Zeiten des 16., 15., 14.Jahrhunderts und so weiter, wo noch ganz andere Verhältnisse waren zwischen Dörfern und Städten, wo in der Tat die Seelen der Dorfbewohner zu dieser Christfestzeit in eine ganz andere Stimmung eintauchten durch das, was ihnen durch die Spiele gegeben werden konnte, wo mit den einfachsten, primitivsten Mitteln die heilige Legende dargestellt wurde, die Geburt des Christus, mit allem, was biblisch dazugehört. Und wie dem Weihnachtstag, dem 25. Dezember, im Kalender vorangeht der Adam- und Eva-Tag, so ging gewöhnlich dem Spiel, das als das eigentliche Weihnachtspiel galt, voran das sogenannte Paradeisspiel, das Spiel von Adam und Eva im Paradies, wie sie dem Teufel, der Schlange, zum Opfer gefallen sind. Man hatte in den einfachsten Gegenden unmittelbar Einblick gewinnen können in den Zusammenhang, der besteht zwischen dem Hinunterstieg des Menschen aus geistigen Höhen in die Sphäre des physischen Planes, und jenem Ruck, den der Mensch empfangen hat durch den Christus-Impuls, wieder hinauf in die geistigen Welten.

Wenn der Mensch die Paulusbriefe liest, das Grandiose der Paulinischen Auffassung verspürt von dem Menschen, der in Adam heruntergestiegen ist von der geistigen Welt in die sinnliche, und von dem «neuen Adam», dem Christus, in dem der Mensch wieder hinaufsteigt von der Sinneswelt in die geistige, wenn der Mensch an Paulus das in grandioser Art empfinden und fühlen kann - in inniger, liebevoller, gemütvoller Weise konnten es die einfachsten Menschen, bis hinunter zu den Kindern, in der Tiefe ihres Herzens, in der Tiefe ihrer Seele empfinden, wenn ihnen in der Zeit nacheinander vorgeführt wurde das Paradeisspiel von Adam und Eva, vom Sündenfall der Menschen und von der Offenbarung des Christus in dem Weihnachtspiel. Und tief, tief hatte man empfunden den gewaltigen Einschnitt, der gemacht worden war in der Menschheitsentwickelung durch das Christus-Ereignis. Eine Umkehrung des Entwickelungsweges, so wurde das Christus-Ereignis empfunden. Ein Weg vom Himmel sozusagen auf die Erde war der Weg von Adam bis zum Christus hin. Ein Weg von der Erde bis zum Himmel ist der Weg von Christus bis zum Ende der Erdenzeit. Das hat man in innigster Art empfunden, wenn diese zwei hier ein wenig charakterisierten Spiele in primitiver Art vor die Augen von Tausenden und aber Tausenden von Menschen getreten sind. Denn man hat wirklich die völlige Erneuerung dessen empfunden, was der menschliche Geist ist, durch den Christus-Impuls.

Man kann darin vielleicht auch noch etwas wie einen Nachklang dessen fühlen, was man empfand in bezug auf diese Umkehrung des ganzen Menschheitsfortschrittes in jenen Worten, die aus alten, alten Zeiten, aus den ersten christlichen Jahrhunderten stammen, und die oft und oft gesprochen worden sind, auch noch im 8., 9., l0.Jahrhundert in Gegenden, in denen sich, namentlich innerhalb Europas, das Christentum ausgebreitet hat. Da fühlte man etwas Ungeheures bei Worten, wie die folgenden sind:

Ave maris stella
Dei mater alma
Atque semper virgo
Felix coeli porta.
Sumens illud Ave
Gabrielis ore
Funda nos in pace
Mutans nomen Evae!

Man fühlte, wenn diese Worte gesprochen wurden, den Weg des Menschen vom Himmel zur Erde durch den Sündenfall und den Aufstieg des Menschen durch den Christus von der Erde zum Himmel, und man fühlte ihn an den beiden Frauengestalten, an «Eva» und an dem Namen, den man der Jesus-Mutter beilegte, mit dem man sie sozusagen begrüßte, «Ave». Ave ist die Umkehrung des Namens Eva, wenn man Ave zurückliest, erhält man Eva. Das wurde in seiner ganzen vollen Bedeutung empfunden. Daher diese Worte, die zu gleicher Zeit zeigen, was man empfand innerhalb der elementarsten Naturerscheinungen, und zugleich das, was man Menschliches in der Legende sah:

Ave, Stern des Meeres,
Göttlich junge Mutter
Und ewige Jungfrau,
Du glückliche Pforte des Himmels.
Nehmend jenes Ave
Als eine Gabe Gabriels,
Wurdest du uns die Grundlage zum Frieden,
Indem du umwendetest
Den Namen Eva!

In solchen einfachen Worten wurden die größten Mysterien, die größten Geheimnisse der Menschheitsentwickelung empfunden. Und in der Umkehrung des Namens Eva zu Ave empfand ein jeder das in inniger Art, was man in grandioser Weise den Paulusbriefen dann entnehmen kann, wenn man die Stellen liest von Adam, dem «alten» Adam, und von Christus, dem «neuen» Adam. Diese Stimmung war dann da, wenn in den Tagen des Christfestes nacheinander gespielt wurden in primitiver Art das Paradeisspiel, das den Sündenfall darstellte, und das Weihnachtspiel, das darstellte die Hoffnung, die jeglicher Menschenseele für die Zukunft werden kann, wenn sie jene Kraft, die im Christus-Impuls liegt, aufnimmt. Aber es gehört, um das fühlen zu können, eine Gemütsstimmung dazu, von der wir uns nur klarmachen sollen, daß sie heute in dieser Art nicht mehr da sein kann. Die Zeiten sind andere geworden. Eine solche Unmöglichkeit, hinzuschauen zu den geistigen Welten, wie sie heute für die primitivste und für die intelligenteste Bevölkerung besteht, ein solches grundmaterialistisches Element im Menschengemüt gab es allerdings dazumal nicht. Die geistige Welt vorauszusetzen, war eine Selbstverständlichkeit. Und ein gewisses Verständnis für diese geistige Welt in ihrem Unterschiede von der Sinneswelt war ebenso eine Selbstverständlichkeit. Die Menschen machen sich heute wenig einen Begriff, wie man spirituell fühlen konnte bis ins 15., 16. Jahrhundert herein, und wie im Grunde genommen überall ein Bewußtsein von Spiritualität vorhanden war.

Wenn die Wiederholung eines der Weihnachtspiele, eines oberpfälzischen Weihnachtspieles, die in unseren beiden Kunstzimmern veranstaltet werden soll, gelingt, dann kann vielleicht auch außerhalb unserer Kreise wieder ein Verständnis dafür erweckt werden, was an spiritueller Stimmung darinnen ist. Für uns sollte diese oder jene Zeile gerade eines solchen Weihnachtspieles zum Erkennungszeichen werden für den spirituellen Sinn, der bei denen vorhanden war, die zur Festeszeit dieses Weihnachtspiel verstehen sollten. Wenn zum Beispiel in diesem oder jenem Weihnachtspiel die Maria, erwartend das Jesuskind, sagt: Die Zeit ist gekommen, ich sehe ein Kindelein - das heißt, hellseherisch erblickte sie in den Tagen, die der Geburt vorangehen, visionär das herannahende Kind, wie es in vielen Weihnachtspielen ist -, dann frage ich einmal, wo Sie heute bei derselben Gelegenheit eine ähnliche Erzählung finden können? Die Zeiten des Zusammenhanges mit der spirituellen Welt, wie er damals noch bewußt vorhanden war, sind nicht mehr vorhanden. Darüber darf man sich weder einer optimistischen noch einer pessimistischen Gesinnung hingeben. Man muß heute schon sehr weit hinausgehen in die primitivsten ländlichen Gegenden, wenn man die Vision finden will, welche die des Kindes ist, das in ein paar Tagen kommen soll. So etwas gibt es noch.

Nur in eine solche Stimmung konnte natürlich dasjenige eingetaucht werden, was in diesen primitiven Erinnerungen und Gedanken an das größte Ereignis der Menschheitsentwickelung der Weihnachtszeit entgegengebracht wurde. Daher müssen wir es ganz begreiflich finden, daß anstelle jener früheren Poesie, jener einfachen, primitiven Kunst, die heutige Prosa der elektrischen Eisenbahnen und des Automobils getreten ist, die in so grotesker Weise zwischen den Alleen von Weihnachtsbäumen dahinsausen. Unmöglich für ein ästhetisch empfindendes Auge, die zwei Dinge zusammenzusehen: Weihnachtsbäume, Weihnachtsmärkte — und Automobile und elektrische Eisenbahnen dazwischen durchfahrend! Das Unmögliche ist natürlich heute eine Selbstverständlichkeit, aber für das ästhetisch empfindende Auge bleibt es dennoch ein Unmögliches. Trotzdem wollen wir Freunde, nicht Feinde der Kultur sein und verstehen, daß es eine Selbstverständlichkeit sein muß.

Wir wollen aber auch verstehen, wie es zusammenhängt mit dem materialistischen Zug, der durch alle Gemüter, nicht bloß der Städter, sondern auch der ländlichen Bevölkerung gegangen ist. Oh, wir können sie belauschen, die materialistische Stimmung, wie sie sich heranmacht an die Gemüter der Menschen. Gehen Sie ins 14., 13. Jahrhundert, da finden Sie, daß die Menschen vollständig wissen, daß sie etwas Spirituelles meinen, wenn sie zum Beispiel vom Baum der Erkenntnis im Paradiese reden. Sie wissen in der rechten Weise, was ihnen dargestellt wird in dem Paradeisspiel, wissen es spirituell zu beziehen auf das Richtige, was als der Baum der Erkenntnis oder als der Baum des Lebens dargestellt wird. Denn der Aberglaube war in jenen Zeiten noch keineswegs so verbreitet, wie er dann später im 15., 16., 17. Jahrhundert sich ausgebreitet hat. Dagegen finden wir schon im 15. Jahrhundert, zum Beispiel in der Gegend von Bamberg - das ist historisch nachzuweisen -, wie die Leute in der Weihnacht hinausgehen in die Apfelgärten, weil sie physisch, materiell erwarten, daß ein besonders ausersehener Apfelbaum in der Weihnacht blühen werde. Materialistisch ist das ganze Gemütsleben der Menschen geworden in der Epoche, die vom 13., 14. Jahrhundert angefangen über das 16., 17. Jahrhundert hinaufgeht, und nicht bloß in den Städten, sondern auch in den Seelen derjenigen, die einfache Dorfbewohner waren.

Es hat sich noch vieles von dem, was die alte Poesie war, in die Häuser mit ihrem Weihnachtsbaum hineingeschlichen. Aber es ist schon das, was in heiligster Stimmung die Dörfer wie ein Mysterium durchwehte, zu einer bloßen äußeren Poesie geworden, zur Poesie des Weihnachtsbaumes, die zwar noch immer schön ist, aber doch nur ein Nachklang eines Großen ist. Warum ist das so? Weil die Menschheit im Laufe der Zeiten eine Entwickelung durchmachen muß, weil das, was das Innige, das Große und Bedeutsame in einer Zeit ist, in derselben Art nicht für alle Zeiten bleiben kann. Denn der wäre ein Feind der Entwickelung der Menschheit, welcher das, was für eine Zeit groß ist, hinüberschleppen wollte in andere Zeiten. Eine jede Zeit hat ihre besonderen Aufgaben, und in einer jeden Zeit muß man verstehen, das, was in die Seelen und Herzen der Menschen dringen soll, in einer neuen Weise zu beleben. Unsere Zeit kann sich ganz gewiß in jene wirklichen Weihnachtsstimmungen, die wir andeutend schildern konnten, nur versenken wie in eine historische Erinnerung, wie in ein Stück Vergangenheit. Wenn wir aber doch das Symbol des Weihnachtsbaumes auch in unsere festlichen Versammlungen hereinholen, so tun wir es gerade aus dem Grunde, weil wir mit der anthroposophischen Geisteswissenschaft selber verbinden den Gedanken an eine neue Weihnachtsstimmung der Menschheit, der fortgeschrittenen Menschheit. Denn die Geisteswissenschaft soll die Geheimnisse des Christus in einer solchen Weise in die Herzen und Seelen der Menschen senken, wie es unserer Zeit angemessen ist. Trotzdem unsere heutigen Verkehrsmittel an uns vorbeisausen, wenn wir vor unsere Türen hinaustreten, oder vielleicht sogar mit uns in die Lüfte davonfliegen werden - bald werden diese Dinge noch ganz anders die Menschheit zur nüchternsten, zur fürchterlichsten Prosa bringen -, trotzdem müssen die Menschen der heutigen Zeit Gelegenheit haben, gerade in einer um so stärkeren, in einer um so bedeutungsvolleren Vertiefung ihrer Seele das Göttlich-Geistige wiederzufinden, das in einer so einfachen Weise für die primitiven Gemüter abgelebter Jahrhunderte vor die Augen treten konnte, wenn sie das heilige Kindlein in der Krippe zur Weihnachtszeit sahen. Wir brauchen heute andere Mittel, um diese Stimmung in der Seele wachzurufen. Wir versenken uns gewiß gern in das, was die Vorzeiten gehabt haben, um die Wege zum Christus-Ereignis zu finden, aber wir müssen auch unabhängig sein von der Zeit. Wie sich die Menschen der Vorzeit in die Naturgeheimnisse ganz hineingefühlt haben, so war es nur in einer primitiven Zeit möglich. Wir brauchen heute andere Mittel.

Ich möchte Ihnen nur noch einen Begriff davon geben, wie sich die Menschen in die Natur hineingefühlt haben, wenn das Weihnachtsfest herangetreten ist, sich hineingefühlt haben in einer ganz primitiven Weise und dennoch vollsaftig in ihrem Gemüt aus dem Fühlen der Naturelemente gesprochen haben. Sie werden vielleicht, wenn ich Ihnen einen anderen kleinen Sterngesang mitteilen darf, es so recht nur an einer einzigen Stelle fühlen, wie aus der Seele die Elemente der Natur sprachen. Das übrige ist ziemlich primitiv. Hören Sie jedoch genauer zu, dann werden Sie jene Naturstimmung aus noch mehrerem herausfühlen.

Wenn nämlich der, welcher seine Spieler für das Weihnachtspiel oder Drei-Könige-Spiel zu sammeln hatte, mit ihnen ging, und wenn sie da oder dort auftraten, dann begrüßten sie zuerst diejenigen, welche sich versammelt hatten, denn jene abstrakte Stimmung, wie sie heute herrscht zwischen Darstellern und Zuschauern, gab es früher nicht.

Die Menschen gehörten zusammen, und es war das Ganze eingetaucht in ein gemeinsames Milieu. Daher traten die Spieler so auf, daß sie die, welche da waren, und auch die, welche nicht da waren, in primitiver Weise begrüßten. Das gab wirklich Weihnachtsstimmung.

Der Sternsinger spricht:

Ir liabn meini singa samlet eng zsam
Gleiwia die krapfen in der pfann.
Ir liabn meini singa trets zsam in a scheibn,
Ma wölln uns de wail mit singa vertreibn.
Ir liabn meini singa fangts tapfer an.
Zu grüaß'n wölln ma's heben an.
Grüaß'n ma God Voda im hechsten thron
Und grüaß'n ma a sein einiga Son;
Grüaß'n ma a dazua den haligen Geist mit nama
Und grüaß'n ma's ålli drei zsamma.

Joseph und Maria gehen auf die Bühne.

Grüaß'n ma Joseph und Maria rein,
Und grüaß'n ma das kloane kindalein.
Grüaß'n ma a ochs und esulein,
Wölche stehn bei dem krippalein.
Grüaß'n ma sie durch sunn und mondenschein,
Der leucht't übers meer und über den Rhein.
Grüaß'n ma sie durch laub und gras,
Der haiige regen mächt uns und eng ålli naß.
Grüaß'n ma den kaiser mit der kron,
Grüaß'n ma den master, der's machen kan.
Grüaß'n ma a dö geistlinga herrn,
Wail's uns erlaubt hobn, des g'spül z'lern.
Grüaß'n ma den herrn richter mit seiner beschwörd,
Denn sie san der eren wert.
Und grüaß'n ma die gånzi ersame gmoan,
Alli, wie sie hier vasammelt san.
Grüaß'n ma den ganzen ersamen råt,
Wia sie God dazua verurdnet hat.
Grüaß'n ma sie durch ålli würzalein,
So vül als in der erden sein.
Ir liabn meini singa, fangt's anders an,
Den stern zu grüaß'n wölln ma's heben an.
Grüaß'n ma unser sternstanga,
Daran unser stern tuat hanga.
Grüaß'n ma unser sternschar,
Daran unser stern umanand fart,
Grüaß'n ma a ålli hölzalein,
So vül als in dem Sterne sein. -
Ir liabn meini singa, håbt's mi wol vernumma,
Daß ma den stern håm ångsunga.
Grüaß'n ma unsern mastersinger guat,
Und grüaß'n ma den mastersinger sein huat.
Grüaß'n ma a unsern lermaster in der tat,
Wail er uns mit der hilf Godes geleret hat.
Ir liabn meini singa, håbt's mi wol vernumma,
Daß ma dös alls håbn ångsunga.

Nun bitte ich Sie, acht darauf zu geben, was das heißt, so die Natur aufzurufen, daß man alle, die man begrüßen will, mit solcher Stimmung im Herzen begrüßt, daß man solche Stimmung fühlt aus «Ålli würzalein, so vül als in der erden sein»! Das ist Mitfühlen der Naturstimmung selber. So muß man anerkennen, wie damals der Mensch mit allem Heiligen, mit allem Großen und Spirituellen bis in die Wurzeln der Gräser und Bäume hinein verbunden war. Wer das nachempfinden kann, der fühlt bei einer solchen Zeile, wie der eben angedeuteten, etwas Grandioses in den Geheimnissen der Menschheitsentwickelung. Die Zeiten, wo das naturgemäß war, wo das selbstverständlich war, sind einmal vorüber, und wir brauchen heute andere Mittel. Wir brauchen gewissermaßen Mittel, die uns zu einem noch tieferen Quell der menschlichen Natur führen, zu jenem Quell der Menschennatur, der in einer gewissen Weise von der äußeren Zeit unabhängig ist. Denn die Kultur selber, wie sie heute abläuft, macht es uns unmöglich, uns genau an die Jahreszeiten zu binden. Wer daher wirklich jene Stimmung versteht, die als die Christus-Stimmung zur heiligen Weihnacht in alten Zeiten zu empfinden war, wird auch Verständnis für das haben, was wir wollen, indem wir wieder künstlerisch vertiefen wollen, was wir aus der Geisteswissenschaft heraus gewinnen können, was wir wollen, indem wir darnach streben, jenen Quell in den Menschengemütern zu beleben, der in sich aufnehmen kann den Christus-Impuls.

Wir können zur Weihnachtszeit nicht mehr unmittelbar das Große wachrufen, so gern wir auch gerade zu dieser Zeit in unseren Seelen diesen Impuls wachrufen wollten, aber wir suchen es immerdar. Und wenn wir in dem, was die anthroposophische Geisteswissenschaft der Menschheit sein soll, selber ein Christfest dieses Menschheitsfortschrittes sehen, und wenn wir hinblicken zu dem, was der einfache Mensch fühlen konnte, wenn ihm zur heiligen Weihnacht das Kindlein in der Krippe dargeboten wurde, dann sagen wir uns: Solche Stimmungen, solche Gefühle sollen in uns wach werden, wenn wir hinblicken auf das, was geboren werden kann in unserer Seele dann, wenn uns die Geist-Erkenntnis unseren innersten Quell so heilig stimmt, so läutert, daß er in sich aufnehmen kann das heilige Mysterium des Christus-Impulses.

Von diesem Gesichtspunkt aus versuchen wir auch wieder die wahre, im Geistigen quellende Kunst zu finden, jene Kunst, welche nur ein Kind der Frommheit, ein Kind der heiligsten Empfindungen sein kann. Wenn wir in dieser Beziehung das ewige, das unvergängliche Christfest der Menschheit fühlen: wie geboren werden kann in dem Menschen, in der menschlichen Seele, in dem menschlichen Gemüt jener Christus-Impuls - wenn wir durch die Geisteswissenschaft wieder erfahren, wie dieser Christus-Impuls etwas Reales ist, etwas, was sich wirklich als eine lebendige Kraft hineinergießen kann in unsere Seelen, in unsere Herzen -, dann wird uns durch die Geisteswissenschaft der Christus-Impuls nicht ein Abstraktum, ein Dogmatisches bleiben, sondern dann wird uns dieser Christus-Impuls, der aus unserer spirituellen Bewegung hervorgeht, etwas werden, was uns Trost in den schlimmsten Augenblicken unseres Lebens geben kann, was uns froh machen kann in der Hoffnung, daß, wenn der Christus geboren wird in unserer Seele, zur Weihnachtszeit dieser Seele, wir erwarten dürfen die Osterzeit, die Auferstehung des Geistes in dem eigenen Inneren.

So müssen wir aus dem Materiellen, das in alle Geister, in alle Herzen eingezogen ist, wieder zum Spirituellen vorschreiten. Denn aus dem Geiste allein kann geboren werden jene Erneuerung, die notwendig ist gegenüber dem, was die heutige Prosa des Lebens ist. Wird es möglich sein, auch dann, wenn draußen die Automobile fahren, vielleicht die Luftballons durch die Luft fliegen, die elektrischen Bahnen dahinsausen, wird es dann möglich sein, daß in solchen Räumen, wie diese hier, sich etwas verbreitet von heiliger Stimmung, die allerdings nur durch das aufgenommen werden kann, was uns das ganze Jahr durch aus der Geist-Erkenntnis fließt, uns den Christus näherbringt, was in früherer Zeit in einer viel kindlicheren Stimmung aufleben durfte, dann besteht die Hoffnung, daß in einer gewissen Beziehung diese Versammlungsräume «Krippen» sein werden, auf die wir in einer ähnlichen Art blicken können, wie die Kinder und die Großen am Christabend, wenn die Krippe im Hause, oder früher in der Kirche, aufgerichtet war, hinblickten auf das Kindlein, auf die Hirten davor und auf «ochs und esulein, wölche stehn bei dem krippalein». Da haben sie gefühlt, daß von diesem Symbolum in ihr Herz strömte Kraft für alle Hoffnung, für alle Menschenliebe, für alle Menschengröße, für alle Erdenziele.

Wenn wir an diesem Tage, der geweiht und gewidmet sein soll der Erinnerung an den Christus-Impuls, fühlen können, daß das ganze Jahr hindurch durch unser ernstes geisteswissenschaftliches Streben in unseren Herzen etwas angefacht wird, dann werden unsere Herzen an diesem Tage fühlen: Das sind Krippen, diese unsere Versammlungsorte, und diese Lichter sind die Symbole! Diese Krippen enthalten durch die heilige Stimmung, die in ihnen ist, und diese Lichter durch das Symbolische ihres Glanzes, sie enthalten das, was wie die Weihnachtszeit, die Osterzeit eine große Zeit für die Menschheit vorbereiten soll: die Auferstehung des heiligsten Geistes, des wahrhaftigen spirituellen Lebens!

Versuchen wir so zu empfinden, daß unsere Versammlungsräume zur Weihnachtszeit Krippen sind, Stätten, in denen sich, abgeschlossen von der äußeren Welt, ein Großes vorbereitet, lernen wir fühlen, wenn wir das ganze Jahr hindurch emsig lernen, daß unsere Einsichten, unsere Weistümer an diesem Weihnachtsabend sich zusammendrängen können in heiße Gefühle, die wie ein Feuer erglühen aus dem Brennmaterial, das wir das ganze Jahr hindurch durch die Vertiefung in große Lehren gewinnen. Und fühlen wir, daß wir dabei das Andenken an den größten Impuls der Menschheitsentwickelung pflegen, fühlen wir, wie deshalb an diesen Stätten der Glaube leben darf, daß einstmals dasjenige, was in so engem Krippenraum als ein heiliges Feuer und als ein hoffnungssicheres Licht erbrennt, hinausdringen wird in die Menschheit. Dann wird es stark genug, kräftig genug sein, um auch die härteste, die nüchternste Prosa des Lebens zu durchdringen, zu befeueren, zu erwärmen, zu erleuchten. Dann können wir Weihnachtsstimmung hier empfinden als Hoffnungsstimmung für jene Welt-Osterstimmung, welche der Ausdruck des lebendigen Geistes ist, der notwendig ist der neuen Menschheit.

Am besten feiern wir Weihnachten in unserer Seele, wenn wir die nächsten Tage mit dieser Stimmung ausfüllen, so ausfüllen, daß wir in unserem Weihnachten geistig vorbereiten Menschheits-Ostern, die Auferstehung des spirituellen Lebens. Ja, Krippen sollen unsere Arbeitsstätten zur Weihnachtszeit werden. Geboren soll werden das Lichtkind, das angefacht wird durch das ganze Jahr hindurch durch die Versenkung in die geisteswissenschaftlichen Weistümer. Geboren soll werden der Christ in der Menschenseele in unseren Arbeitsstätten, damit das spirituelle Leben auferstehen kann zur großen Osterzeit der Menschheit, die in ihrem Wesen die Spiritualität als eine Auferstehung empfinden muß durch das Hinausströmen der Weihnachtsstimmung aus unseren Räumen in die allgemeine Menschheit der Gegenwart und der Zukunft." (Lit.: GA 125, S 235 ff.)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Wege und Ziele des geistigen Menschen. Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft., GA 125 (1992), Berlin, 22. Dezember 1910
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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Weblinks

  1. Das Oberuferer Paradeis-Spiel - Der gesamte Text als PDF-Dukument.
  2. Das Oberuferer Christgeburt-Spiel - Der gesamte Text als PDF-Dokument.