Hellsehen und Einweihung: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Steiner-reitman-1915.jpg|mini|[[Rudolf Steiner]]]]
Der [[geist]]ige '''Schulungsweg''' ist ein '''Erkenntnispfad''', welcher der '''geistigen Entwicklung''' dient und den [[Geistesschüler]] durch geeignete [[Konzentration]]s- und [[Meditation]]sübungen ([[Seelenübungen]]) stufenweise zur [[Einweihung]] führt. Er arbeitet dabei an seinem [[Ätherleib]], nachdem er zur Vorbereitung seinen [[Astralleib]] geläutert hat.


'''Hellsehen''' ([[Französische Sprache|frz.]] ''Clairvoyance'') bezeichnet ganz allgemein die Fähigkeit zur nicht-sinnlichen [[Wahrnehmung]], d.h. zur '''Geistesschau''' im weitesten Sinn. Menschen, die diese Fähigkeit besitzen, werden '''Hellseher''' - oder kurz '''Seher''' - genannt. Das Hellsehen in dem von [[Rudolf Steiner]] gemeinten Sinn richtet sich auf die Wahrnehmung der höheren [[Geistige Welt|übersinnlichen Welten]]. Das moderne Hellsehen beruht auf der [[Schulungsweg|geschulten]] Fähigkeit zur [[Imagination]], bei der er es sich, anders als beim alten [[traum]]artigen Hellsehen, um eine vollbewusste rein [[Seele|seelisch]]-[[geist]]ige Wahrnehmung handelt. Dazu zählt insbesondere auch das [[Lesen in der Akasha-Chronik]], dem geistigen Weltgedächtnis, bei dem man allerdings nicht unmittelbar die äußeren sinnlichen [[Ereignis]]se schaut, sondern die geistigen [[Urbild]]er, aus denen sie hervorgegangen sind.
<div style="margin-left:20px">
"Alles das, was nur auf den Astralleib wirkt, ist nur Vorbereitung
zur eigentlichen esoterischen Schulung, zur eigentlichen okkulten
Schulung. Die okkulte Schulung beginnt da, wo wir das Hineinarbeiten
in den Äther- oder Lebensleib lernen, wo der Mensch in den
Stand gesetzt wird, durch die Anleitung, die ihm der okkulte Lehrer
gibt, die Temperamente, Neigungen und Gewohnheiten umzuwandeln,
wo der Mensch ein anderer wird. Damit kommt erst die Einsicht
in die wirkliche höhere Welt, daß der Mensch ein anderer Mensch
wird." {{Lit|{{G|096|258f}}}}
</div>


Die Imagination unterscheidet sich von der [[Vision]], bei der imaginativ wahrgenommene [[geist]]ige Erscheinungen in der [[Astralwelt|astralen Welt]] unbewusst in das [[sinnlich]]e [[Tagesbewusstsein]] hinübergetragen und unmittelbar versinnlicht werden. Durch das gesteigerte sinnlichkeitsfreie imaginative [[Bewusstsein]], das heller ist als das normale [[Alltagsbewusstsein]], ist auch eine Verwechslung mit bloßen [[Phantasie]]gebilden, willkürlichen [[Vorstellung]]en oder gar [[Halluzination]]en ausgeschlossen. Die hellseherische Fähigkeit ist um so höher und reiner entwickelt, je höhere Weltbereiche dadurch rein [[übersinnlich]] wahrgenommen werden können. Die Imagination unterscheidet sich zudem von der [[außersinnliche Wahrnehmung|außersinnlichen Wahrnehmung]], wie sie auch in der [[Parapsychologie]] untersucht wird. Diese kann sich, wie das etwa bei [[Swedenborg]] der Fall war, auf gleichzeitig, aber weit entfernt stattfindende, aber auch auf vergangene oder künftige [[physisch]]e Ereignisse beziehen, wobei man in letzterem Fall von [[Präkognition]] spricht.
== Ein wichtiger Grundsatz der okkulten Entwicklung ==


== Die Evolution des menschlichen Bewusstseins ==
{{GZ|Ein wichtiger Grundsatz in der okkulten
Entwickelung ist der, sich keinen anderen Wert beizumessen als
denjenigen, der da kommt aus den Leistungen in der physischen
Welt innerhalb der gegenwärtigen Inkarnation. Das ist außerordentlich
wichtig. Jeder andere Wert muß erst auf Grundlage einer
höheren Entwickelung kommen, die sich erst dann ergeben kann,
wenn man zunächst feststeht auf dem Boden, daß man sich für
nichts anderes hält, als was man in dieser Inkarnation hat leisten
können. Es ist das auch natürlich, wenn man die Sache objektiv
betrachtet, denn das, was man geleistet hat in der gegenwärtigen
Inkarnation, ist das Ergebnis auch der früheren Inkarnationen; es
ist das, was Karma bisher aus uns gemacht hat. Was Karma noch
aus uns macht, müssen wir erst machen lassen, das dürfen wir nicht
in unseren Wert hineinrechnen.|136|41}}


Ein tieferes Verständnis für das heute vielen Menschen mit gewissem Recht anrüchig erscheinende Phänomen des Hellsehens wird man nur gewinnen, wenn man ins Auge fasst, dass das menschliche [[Bewusstsein]] nicht immer so war, wie wir es heute kennen. So wie sich der menschliche Leib erst im Lauf einer Jahrmillionen währenden Evolution zu seiner heutigen Form entwickelt hat, so hat sich auch das menschliche Bewusstsein im Zug der [[Menschheitsentwicklung]] entscheidend verändert. Während die [[Paläontologie]] versucht, die Entwicklung des modernen menschlichen Leibes aus mehr oder weniger spärlichen [[fossil]]en Funden zu rekonstruieren, sind wir bezüglich des Bewusstseins insofern in einer besseren Lage, weil ältere Formen des Bewusstseins heute noch bis zu einem gewissen Grad unserem unmittelbaren Erleben zugänglich sind, wenn auch nur in erheblich modifizierter Form. Neben dem modernen [[Wachbewusstsein]], das sich durch die moderne [[Subjekt-Objekt-Spaltung]] in ein [[Gegenstandsbewusstsein]] und in das [[Ich-Bewusstsein]] auseinanderlegt, kennen wir auch noch das [[Traumbewusstsein]] und das traumlose [[Schlafbewusstsein]]. Letzteres ist allerdings so dumpf, dass wir es nur indirekt durch die Abwesenheit jeglichen bewussten Erlebens erfahren. Hier haben wir es mit dem scheinbaren Paradoxon eine „unbewussten Bewusstseins“ bzw. mit einem [[Unterbewusstsein]] zu tun. Dass dieses aber dennoch einen wesentlichen Einfluss auf unser Leben hat, lehrt uns nicht zuletzt die [[Tiefenpsychologie]]. Eine noch schwerer zugängliche Bewusstseinsform ist das [[Trancebewusstsein]], wie es gelegentlich bei [[Medium (Person)|medial]] veranlagten Personen in Erscheinung treten kann. Das alte Hellsehen, über das die Menschheit lange verfügte, wurzelt in diesen alten Bewusstseinsformen. Sie verbindet, dass ihnen das klare [[Ich-Bewusstsein]] mangelt.
== Drei Wege in die geistige Welt ==


Die künftige Weiterentwicklung seine Leibes kann der Mensch nur wenig beeinflussen. Ganz anders steht es heute um das Bewusstsein. Dieses kann der Mensch, wenn er das will, aus seinem vollem Ich-Bewusstsein heraus durch eine entsprechende [[Geistesschulung]] aktiv weiterentwickeln. Darauf gründet sich die oben schon angedeute Fähigkeit der [[Imagination]], die ein besonnenes, mit der klaren Einsicht des vollen Ich-Bewusstseins verbundenes neues Hellsehen ermöglicht.
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten des Schulungs- und '''Erkenntniswegs''', die den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Denken]]s, [[Fühlen]]s und [[Wollen]]s entsprechen.  


{{GZ|Nun ist schon öfters darauf hingewiesen worden und wird noch weiter ausgeführt werden, daß die Entwickelung des menschlichen Bewußtseins so geschehen ist, daß traumhafte, hellseherische - das Wort soll hier nicht so mißbraucht werden, wie es auf vielen Gebieten heute der Fall ist — Zustände in alten Zeiten die Bewußtseinszustände des eigentlichen normalen Menschen waren, so daß der Mensch nicht so die Welt in Begriffen und Ideen, in streng umgrenzten sinnlichen Wahrnehmungen gesehen hat, wie er sie heute sieht. Man bekommt am besten ein Bild davon, wie der Mensch in Urzeiten die Welt um sich herum in sein Bewußtsein aufgenommen hat, wenn man an die letzten Reste des alten Urbewußtseins denkt: an das Traumbewußtsein. Jedem sind die auf- und ab wogenden, heute zum größten Teil für das menschliche Bewußtsein sinnlosen Traumbilder bekannt, die oft nur Reminiszenzen der äußeren Welt sind, obwohl auch höhere Bewußtseinsarten hineinragen können, die aber der heutige Mensch schwer zu deuten versteht. Das Traumbewußtsein — können wir sagen — verläuft bildhaft, in schnell wechselnden Bildern, aber zu gleicher Zeit symbolisch. Wer würde nicht erfahren haben, wie der Eindruck, das ganze Ereignis eines Feuers sich, sinnbildlich im Traume offenbart? Lenken Sie einmal den Blick auf dieses andersartige Bewußtsein, auf diesen andersartigen Bewußtseinshorizont, wie er im Traume vorhanden ist; so wie er da vorhanden ist, ist er nur der letzte Rest eines uralten Menschheitsbewußtseins. Aber dieses uralte Bewußtsein war so, daß der Mensch in der Tat in einer Art von Bildern lebte. Diese Bilder bezogen sich nicht auf Unbestimmtes oder auf nichts, sondern auf eine reale Außenwelt. Es gab in den Bewußtseinszuständen der alten Menschheit zwischen Wachen und Schlafen Zwischenzustände, und in diesen Zwischenzuständen lebte der Mensch gegenüber der geistigen Welt. Diese geistige Welt kam herein in sein Bewußtsein. Heute ist das Tor der geistigen Welt gegenüber dem normalen Menschenbewußtsein verschlossen. In alten Zeiten war dies nicht so. Da hatte der Mensch die Zwischenzustände zwischen Wachen und Schlafen; dann sah er in Bildern, die zwar den Traumbildern ähnlich waren, aber eindeutig geistiges Wesen und geistiges Weben darstellten, wie es hinter der physisch-sinnlichen Welt ist. So daß der Mensch in alten Zeiten wirklich - wenn auch zu Zarathustras Zeiten schon ziemlich undeutlich und unbestimmt - dennoch aber eine unmittelbare Beobachtung und Erfahrung der geistigen Welt hatte und sagen konnte: Ebenso wie ich die äußere physische Welt und das sinnliche Leben sehe, ebenso weiß ich, daß es Erfahrungen und Beobachtungen eines anderen Bewußtseinszustandes gibt, daß eine andere Welt, eine geistige, dem Sinnlichen zugrunde liegt.
<div style="margin-left:20px">
"Der Mensch muß so vorbereitet werden, daß er
während des gewöhnlichen Tageslebens jene Übungen macht, die
ihm von den Eingeweihtenschulen vorgeschrieben werden, [[Meditation]],
[[Konzentration]] und so weiter. Diese Übungen sind im
Grunde genommen in bezug auf ihre Bedeutung für den Menschen
bei allen Einweihungsschulen dieselben. Sie sind nur insofern ein
wenig voneinander verschieden, als sie, je weiter wir zurückgehen
in die vorchristlichen Einweihungsschulen, mehr darauf gerichtet
sind, das Denken, die Denkkräfte zu üben, zu trainieren. Je mehr
wir uns den christlichen Zeiten nähern, desto mehr sind sie darauf
gerichtet, die Gemütskräfte zu schulen, und je näher wir den
neueren Zeiten kommen, desto mehr sehen wir, wie in den sogenannten
Rosenkreuzerschulungen, durch die Forderungen und
Bedürfnisse der Menschheit bedingt, eine besondere Art der Willenskultur,
der Willensübungen eingeführt wird. Wenn auch die
Meditationen zunächst ähnliche sind wie in den anderen vorchristlichen
Schulen, so herrscht doch überall auf dem Grunde der Rosenkreuzerübungen
eine besondere Schulung des Willenselementes." {{Lit|{{G|104|53}}}}
</div>


Der Sinn der Menschheitsentwickelung besteht darin, daß von Epoche zu Epoche immer geringer und geringer die Fähigkeit des Menschen wurde, hineinzuschauen in die geistige Welt, weil sich die Fähigkeiten so entwickeln, daß immer die eine auf Kosten der anderen erkauft werden muß. Unser heutiges exaktes Denken, unser Vorstellungsvermögen, unsere Logik, alles, was wir als die wichtigsten Triebräder unserer Kultur bezeichnen, war damals nicht vorhanden. Das mußte sich der Mensch erst in jener Epoche, die auch schon die unsrige ist, auf Kosten des alten hellseherischen Bewußtseinszustandes erkaufen. Das hat der Mensch heute auszubilden. Und in der zukünftigen Menschheitsentwickelung wird dann zu dem rein physischen Bewußtsein mit der Intellektualität und der Logik wieder hinzukommen der alte Hellseherzustand. Ein Abstieg und ein Aufstieg ist also in bezug auf das menschliche Bewußtsein zu unterscheiden. Ein tiefer Sinn liegt in der Entwickelung, wenn wir sagen: Der Mensch lebte erst mit seinem ganzen Seelenleben noch in einer geistigen Welt drinnen, stieg dann herunter in die physische Welt und mußte dazu das alte hellseherische Bewußtsein aufgeben, damit er sich in Anlehnung an die physische Welt — erzogen durch die rein physische Welt - die Intellektualität, die Logik aneignen konnte, um dann in der Zukunft wieder hinaufzusteigen in die geistige Welt.|60|255ff}}
Auf dem [[Rosenkreuzer Schulungsweg]], der der modernste dieser drei Schulungswege ist, muss vor allem das im [[Denken]] waltende [[Wille]]nselement ergriffen werden:


== Erkenntnistheoretische Grundlage ==
<div style="margin-left:20px">
[[File:Johann gottlieb fichte.jpg|mini|[[Johann Gottlieb Fichte]]]]
"Denkübungen auf der einen Seite, Willensübungen auf der anderen
[[Datei:Nb pinacoteca stieler friedrich wilhelm joseph von schelling.jpg|miniatur|[[Friedrich Wilhelm Schelling]], Gemälde von [[Wikipedia:Joseph Karl Stieler|Joseph Karl Stieler]], 1835]]
Seite muß man machen, wenn sich das Tor öffnen soll zur übersinnlichen
[[Datei:Goethe (Stieler 1828).jpg|miniatur|''Johann Wolfgang von Goethe,''<br />Idealisierendes Ölgemälde von [[Wikipedia:Joseph Karl Stieler|Joseph Karl Stieler]], 1828
Welt, in die wir eintreten müssen, wenn wir uns unsererseits,
[[Datei:Signature of Johann Wolfgang von Goethe.svg|rechts|rahmenlos|Signatur]]]]
als Menschen, nach unserem Ewigen erkennen wollen, und wenn wir
[[Bild:Urpflanze.jpg|thumb|[[Rudolf Steiner]], [[Urpflanze]], Aquarell 1924]]
die Welt nach dem Ewigen erkennen wollen. Die Denkübungen, sie
[[Datei:Pauli.jpg|miniatur|Wolfgang Pauli 1945]]
werden gerade dadurch vollzogen, daß wir uns darauf besinnen, wie
 
immer Willensartiges in das Denken hineinspielt; die Willensübungen,
Ausgangspunkt des modernen [[Selbstbewusstsein|selbstbewussten]] Hellsehens ist für Steiner die [[Beobachtung des Denkens]], d.h. die [[intellektuelle Anschauung]] der eigenen [[Denktätigkeit]], durch die sich das [[Ich]] seiner selbst, ''unabhängig'' von der physischen Organisation, als ''rein'' [[geist]]ige [[Wesenheit]] bewusst wird. Steiner knüpft damit unmittelbar an die [[Philosophie]] des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] an, namentlich an [[Fichte]] und [[Schelling]]. Am 13. Januar 1881, 12 Uhr mitternachts, schrieb er diesbezüglich an seinen Jugendfreund ''Josef Köck'':
indem wir das Hineinspielen des Denkens in den Willen beachten. Nur
im gewöhnlichen Leben beachten wir dieses Willensartige nicht. Um
zur modernen Initiation zu kommen, müssen wir gerade den leisen
Willen, der in dem Vorstellungsleben darinnen ist, beachten. Das müssen
wir nach und nach erreichen durch die Übungen, die ich beschrieben
habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren
Welten?». Das ist es gerade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das,
was für gewöhnlich gerade das Wichtigste ist, den Gedankeninhalt zurücktreten
lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen lernen." {{Lit|{{G|211|144}}}}
</div>


{{GZ|Es war die Nacht vom 10. auf den 11. Januar, in der ich
== Die drei grundlegenden Schulungswege ==
keinen Augenblick schlief. Ich hatte mich bis ½ 1 Uhr mitternachts
mit einzelnen philosophischen Problemen beschäftigt,
und da warf ich mich endlich auf mein Lager; mein
Bestreben war voriges Jahr, zu erforschen, ob es denn wahr
wäre, was Schelling sagt: «Uns allen wohnt ein geheimes,
wunderbares Vermögen bei, uns aus dem Wechsel der Zeit
in unser innerstes, von allem, was von außen hinzukam,
entkleidetes Selbst zurückzuziehen und da unter der Form
der Unwandelbarkeit das Ewige in uns anzuschauen.» Ich
glaubte und glaube nun noch, jenes innerste Vermögen ganz
klar an mir entdeckt zu haben - geahnt habe ich es ja schon
längst —; die ganze idealistische Philosophie steht nun in
einer wesentlich modifizierten Gestalt vor mir; was ist eine
schlaflose Nacht gegen solch einen Fund!|38|13}}


Eine weitere wichtige, anders geartete Grundlage für Steiner bildete [[Goethe]]s auf die ''[[sinnlich]]-[[übersinnlich]]e'' [[Anschauung]] der [[Natur]] gerichtete «[[Anschauende Urteilskraft]]», die diesen bis zum [[Erleben]] der [[Urpflanze]] geführt hatte. Sie ist das [[idee]]lle [[Urbild]], die [[begriff]]liche und zugleich anschauliche Urgestalt, aus der man sich alle [[Pflanzen]]arten durch Abwandlung hervorgegangen denken kann.
Alle Schulungswege sind Varianten oder Mischungen der drei grundlegenden Wege, die ihren Ausgang vom Denken, Fühlen oder Wollen nehmen. Jeder Geistesschüler sollte den Weg wählen, der seiner Wesensart angemessen ist. Diese drei Wege in die [[geistige Welt]] sind:


{{LZ|Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt, die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen.|Goethes Werke WA, S. 203 und 204}}
:::* [[Yoga Schulungsweg]] - [[Denken]]
 
:::* [[Christlicher Schulungsweg]] - [[Fühlen]]
Goethe geht von der sinnlichen Anschauung aus und endet bei der intellektuellen Anschauung, die sich ''mit'', ''aus'' und ''durch'' die sinnliche [[Wahrnehmung]] offenbart. Den unmittelbaren Sinneseindrücken widmete er seine volle Aufmerksamkeit; sein Denken entfernte sich niemals weit von der unmittelbaren Anschauung, ebenso wie sein Anschauen niemals gedankenlos war. Er schreibt dazu in seinem Aufsatz ''Bedeutende Förderung durch ein einziges geistreiches Wort'':
:::* [[Rosenkreuzer Schulungsweg]] - [[Wollen]]
 
{{LZ|Herr Dr. Heinroth in seiner Anthropologie ... spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will, daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei, welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will.|Goethes Werke, S 77}}
 
Goethe kannte nur eine Quelle der [[Erkenntnis]], die [[Erfahrung]]swelt, in der die [[objektiv]]e [[Ideenwelt]] mit eingeschlossen ist.
Die Urpflanze erschließt sich nicht dem [[diskursiv]]en, logisch ableitenden [[Denken]], sondern nur der unmittelbaren [[Intuition|intutiven]] [[Intellekt|intellektuellen]] [[Anschauung]]. Ein derartiges Vermögen hatte [[Immanuel Kant]] dem [[Mensch]]en abgesprochen. Dem widersprach Goethe energisch:


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
„Als ich die Kantische Lehre, wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, in dem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete. Er mochte freilich bemerkt haben, wie anmaßend und naseweis der Mensch verfährt, wenn er behaglich, mit wenigen Erfahrungen ausgerüstet, sogleich unbesonnen abspricht und voreilig etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegenständen aufzuheben trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine bestimmende ganz und gar. Sodann aber, nachdem er uns genugsam in die Enge getrieben, ja zur Verzweiflung gebracht, entschließt er sich zu den liberalsten Äußerungen und überläßt uns, welchen Gebrauch wir von der Freiheit machen wollen, die er einigermaßen zugesteht. In diesem Sinne war mir folgende Stelle höchst bedeutend:
"Eigentlich
müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg
geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen
zurück: Auf den [[Yoga Schulungsweg|Jogaweg]], die [[Christlicher Schulungsweg|christlich-gnostische Einweihung]]
und die [[Rosenkreuzer Schulungsweg|christlich-rosenkreuzerische Einweihung]]. Einen dieser drei
verschiedenen Wege kann man also beschreiten. Sie sind deshalb
verschieden, weil es drei Gattungen von Menschen gibt. Unter den
europäischen Menschen findet man nur wenige, welche den orientalischen
Jogaweg gehen können. Daher ist es für den Europäer im
allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient
leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem
ganz andern Sonnenlichte, Die Verschiedenheit des Orientalen vom
Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können,
aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied,
und dieser muß berücksichtigt werden, da die innere Entwickelung
tief eingreift in die seelische und geistige Natur des Menschen.
Die feinere Struktur des Hindugehirns ist für den Anatomen
nicht wahrnehmbar. Aber wenn man dem Europäer das zumutete,
was man dem Inder zumuten kann, dann würde man ihn zugrunde
richten. Man kann dem Inder gewisse Verrichtungen vorschreiben,
die dem Europäer gar nichts nutzen oder ihm sogar schlecht bekommen.
Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine
Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen
Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines [[Geisteslehrer|Lehrers]],
eines sogenannten [[Guru]]. Wer ihn gehen will, muß sich bis in
die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen.
Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen,
wenn man sich nicht aus den äußeren Lebensverhältnissen herausreißt.
Es ist nämlich notwendig, daß die verschiedensten äußeren
Maßnahmen getroffen werden, um die vorgeschriebenen Übungen
zu unterstützen. Wenn man gewisse Erlebnisse hat, die auf die Gefühlswelt
einen Eindruck machen, so wird dies, wenn man eine innere
okkulte Entwickelung durchmacht, einen tiefgehenden Einfluß
haben. Darum muß der orientalische Jogaschüler in allen Einzelheiten
des Lebens den Guru fragen. Wenn man irgendwelche Veränderungen
im Leben vornehmen will, so muß man sich von dem Guru
dazu die Richtung weisen lassen. Also ist der Jogaweg ein solcher,
der die absolute Unterwerfung unter den Guru voraussetzt. Man
muß lernen, mit den Augen des Guru zu sehen, und lernen, wie er
zu fühlen. Man kann diesen Weg nicht gehen ohne tiefes Vertrauen,
ohne vollkommene Liebe, vereint mit uneingeschränktem Vertrauen
und bedingungsloser Hingabe, die alles andere übersteigt.


<div style="margin-left:30px; margin-right:20px">
Bei dem [[Christlicher Schulungsweg|christlich-gnostischen Weg]] gibt es nur einen großen
«Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemeinen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besondern geht, das ist, von dem Ganzen zu den Teilen: Hierbei ist gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee eines intellectus archetypus geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.»
Lehrer, den zentralen Guru. Erforderlich ist da der Glaube an den
</div>
Christus Jesus selbst, nicht nur an seine Lehren. Der christlich-gnostische
Schüler muß glauben können, daß in dem Christus Jesus die
einzige hohe göttliche Individualität inkarniert war, eine Individualität,
die nicht zu vergleichen ist mit irgendeiner andern, selbst der
höchsten Individualität. Alle andern Individualitäten haben auf dieser
Erde auf einer niedrigeren Stufe angefangen und sind dann aufgestiegen,
wie Buddha, Hermes, Zoroaster, Pythagoras, so daß ihre
geistige Gestalt das Ergebnis vieler vorhergehender Inkarnationen
ist. Bei dem Christus Jesus ist das nicht der Fall. Er läßt sich nicht
vergleichen mit irgendeiner andern Individualität, mit irgend etwas
anderem auf der Erde. Ohne diesen Glauben würde man den rein
christlich-gnostischen Weg nicht gehen können.


Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen.{{Lit|Goethes Werke, S 91}}
Ein dritter Weg ist der [[Rosenkreuzer Schulungsweg|christlich-rosenkreuzerische]]. Da ist der
Lehrer der Ratgeber, der seinen Rat vorzugsweise auf die Maßnahmen
der geistigen Entwicklung selbst beschränkt. Diese geistige
Entwicklung muß so eingerichtet werden, daß sie einen durchgreifenden
Einfluß auf das Leben des Menschen hat. Ein Lehrer muß
bei der Einweihung immer da sein. Eine ernsthafte Einweihung
ohne Lehrer gibt es nicht. Wer das behaupten wollte, würde etwas
ebenso Törichtes sagen wie jemand, der die Geburt eines Kindes
ohne das Zusammenwirken der beiden Geschlechter als möglich erachtete.
Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn
dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler
herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang." {{Lit|{{G|097|193ff}}}}
</div>
</div>


Der österreichische Physiker und [[Wikipedia:Nobelpreis|Nobelpreis]]träger [[Wolfgang Pauli]] (1900-1958) hat dieses archetypische Denken in einem Brief vom 7. Januar 1948 an den Physiker [[Wikipedia:Markus Fierz|Markus Fierz]] sehr treffend so beschrieben:
== Überblick über die von Rudolf Steiner besprochenen Schulungswege ==


{{LZ|Mein Ausgangspunkt ist, welches die Brücke sei zwischen den Sinneswahrnehmungen
Neben den bereits genannten drei Grundtypen des Schulungswegs hat [[Rudolf Steiner]] auch die [[Mithras-Einweihung]] ausführlicher besprochen:
und den Begriffen. Zugestandenermaßen kann die Logik eine solche
Brücke nicht geben oder konstruieren. Wenn man die vorbewußte Stufe der
Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus "symbolischen"
Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe
des Denkens ist ein ''malendes Schauen'' dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht
allein und nicht in erster Linie auf die Sinneswahrnehmungen (des betreffenden
Individuums) zurückgeführt werden kann, sondern die durch einen "Instinkt des
Vorstellens" produziert und bei verschiedenen Individuen unabhängig, d. h.
kollektiv reproduziert werden...  Der frühere archaisch-magische Standpunkt ist nur ein
klein wenig unter der Oberfläche; ein geringes abaissement du niveau mental
genügt, um ihn völlig "nach oben" kommen zu lassen. Die archaische Einstellung
ist aber auch die notwendige Voraussetzung ''und die Quelle'' der wissenschaftlichen
Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder,
aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind.


Nun kommt eine Auffassung, wo ich vielleicht mehr ein Platonist bin als die
Der anthroposophische Schulungsweg ist die unmittelbare Fortsetzung des Rosenkreuzer-Weges. In der Regel umfassen ''alle'' Schulungswege, wie oben erwähnt, sieben Stufen. Den Yoga-Schulungsweg schildert Steiner allerdings auch als 8-stufigen Einweihungsweg. Er ist aber im Prinzip mit dem 7-stufigen Weg identisch, doch wird hier die 6. Stufe in zwei gesonderte Stufen aufgeteilt. In der nachstehenden Tabelle findet sich ein Vergleich verschiedener Schulungswege:
Psychologen der Jungschen Richtung. Was ist nun die Antwort auf die Frage nach
der Brücke zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Begriffen, die sich uns
nun reduziert auf die Frage nach der Brücke zwischen den äußeren Wahrnehmungen
und jenen inneren bildhaften Vorstellungen. Es scheint mir - wie immer man es
auch dreht, ob man vom "Teilhaben der Dinge an den Ideen" oder von "an sich
realen Dingen" spricht - es muß hier eine unserer Willkür entzogene kosmische
Ordnung der Natur postuliert werden, der ''sowohl'' die äußeren materiellen Objekte
''als auch'' die inneren Bilder unterworfen sind. (Was von beiden historisch das
frühere ist, dürfte sich als eine müßige Scherzfrage erweisen - so etwa wie "Was war
früher: das Huhn oder das Ei?") ''Das Ordnende und Regulierende muß jenseits der Unterscheidung von physisch und psychisch gestellt werden'' - so wie Platos "Ideen"
etwas von "Begriffen" und auch etwas von "Naturkräften" haben (sie erzeugen von
sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses "Ordnende und Regulierende"
"Archetypen" zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als ''psychische''
Inhalte zu ''definieren''. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder ("Dominanten
des kollektiven Unbewußten" nach Jung) die ''psychische'' Manifestation der
Archetypen, die aber ''auch alles'' naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt
hervorbringen, erzeugen, bedingen müßten. Die Naturgesetze der Körperwelt
wären dann die ''physikalische Manifestation der Archetypen''.


Zu dieser Auffassung paßt sowohl Ihr Vorschlag, die Physik und Psychologie
<table align="center" width="800px"><tr>
als komplementäre Betrachtungsweisen (bzw. Untersuchungsrichtungen) aufzufassen,
<td width="20px"> </td><td align="center">'''[[Mithras-Einweihung]]'''</td><td align="center">'''[[Christlicher Schulungsweg]]'''</td><td align="center">'''[[Rosenkreuzer Schulungsweg]]'''</td>
als auch die eigentümliche Psychologie der Alchemie (die als archaische
</tr><tr>
Stufe vor der eigentlichen Wissenschaft sehr aufschlußreich ist) so wie noch einiges
<td>
Andere. Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und
1<br>
umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann.|Meyenn, S. 496}}
2<br>
3<br>
4<br>
5<br>
6<br>
7
</td>
<td>
Rabe<br>
Okkulter<br>
Streiter<br>
Löwe<br>
Perser<br>
Sonnenheld<br>
Vater
</td>
<td>
Fußwaschung<br>
Geißelung<br>
Dornenkrönung<br>
Kreuzigung<br>
mystischer Tod<br>
Grablegung und [[Auferstehung]]<br>
Himmelfahrt
</td>
<td>
Studium<br>
Imaginative Erkenntnis <br>
Inspirierte Erkenntnis oder Lesen der okkulten Schrift <br>
Bereitung des [[Stein der Weisen|Steins der Weisen]]<br>
Entsprechung zwischen [[Makrokosmos]] und [[Mikrokosmos]]<br>
Hineinleben in den Makrokosmos <br>
Gottseligkeit
</td>
</tr></table>


Genau diese ''«Brücke zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Begriffen»'', von der Pauli spricht, hat Steiner in seinen philosophischen Grundlagenwerken geschlagen. Voraussetzung dafür ist ein [[reines Denken]], das nicht mehr an den [[Leib]] gebunden ist.
Dass geistige Schulungswege meist siebenstufig dargestellt werden, hängt unter anderem damit zusammen, dass im Laufe der Schulung durch geeignete [[Seelenübungen]] schrittweise die sieben hauptsächlichen seelischen Wahrnehmungsorgane des Menschen, die [[Lotosblumen#Die Lotosblumen in der abendländischen Überlieferung|Lotosblumen]] oder [[Chakren]], für die geistige Wahrnehmung erweckt werden, die ihrerseits wieder in einem gewissen Zusammenhang mit den sieben [[Planetensphären]] stehen. Die Lotosblumen sind ja Organe des [[Astralleib]]s – des Sternenleibes.  


{{GZ|Indem man so das Denken emanzipiert von
Die Siebengliedrigkeit des Schulungsweges ist also wohlbegründet in den kosmischen Verhältnissen. Dennoch darf man sie nicht pedantisch schematisch nehmen, denn in der Praxis können einzelne Stufen noch feiner untergliedert werden, wodurch man dann zu scheinbar abweichenden, größeren Zahlen kommt, die aber dennoch die Siebenzahl im Hintergrund haben. So hat etwa [[Rudolf Steiner]] selbst in den Motiven der 9 [[Glasfenster]] des [[Erstes Goetheanum|ersten Goetheanums]] bildhaft-eindringlich den modernen anthroposophisch-rosenkreuzerischen Einweihungsweg in 9 bzw. 10 Stufen anschaulich bildhaft geschildert.  
seinem Leiblichen, erlebt, fühlt man sich selbst so, wie wenn einem das
eigene Denken entrissen würde, wie wenn es im Raume und in der Zeit
sich ausweitete und ausbreitete. Das Denken, von dem wir sonst sagen:
Es verläuft in uns - , identifiziert sich mit der umgebenden geistigen
Welt, strömt in dieselbe hinein und erlangt gegenüber uns selbst
eine Selbständigkeit, die wir vergleichen können mit der annähernden
Selbständigkeit, die im physischen Leibe zum Beispiel das Auge hat,
das als eine Art selbständiges Organ in seiner Höhle drinnensitzt. So
ist das nun selbständige Denken zwar mit dem erhöhten Selbst verbunden,
aber so selbständig, daß es wie das geistige Wahrnehmungsorgan
für das Denken und Fühlen der anderen geistigen Wesenheiten
wirkt, so wie das Auge für das Wahrnehmen der sinnlichen Farbe und
des sinnlichen Lichtes wirkt. Man kommt allmählich dazu, zu sehen,
daß sich das Denken, das sonst in der Intelligenz beschlossen ist, wie
ein geistiges Wahrnehmungsorgan verselbständigt gegenüber unserer
eigenen Wesenheit.


Ich kann das, was ich eben dargestellt habe, auch in anderen Worten
Auch in einer weiteren Hinsicht darf man nicht einfach schematisch vorgehen. Die Lotosblumen werden nämlich keineswegs einfach nacheinander in der planetarischen Reihenfolge erweckt, sondern hier gibt es bei den einzelnen Schulungswegen große Unterschiede, die mit dem voranschreitenden geistigen Entwicklungsweg der Menschheit zusammenhängen. Als Faustregel kann man aber sagen, dass man bei den alten orientalischen Wegen von den unteren Chakren bzw. überhaupt vom Wurzelchakra ausging und von hier aus annähernd in der planetarischen Reihenfolge aufsteigend nach und nach die anderen seelischen Wahrnehmungsorgane erweckte. Damit beginnt aber die geistige Arbeit bei tief unterbewussten Kräften, was unserem heutigen Bewusstseinsseelenzeitalter nicht mehr angemessen ist. Moderne geistige Einweihungswege müssen ihren Ausgang von den oberen Lotosblumen suchen, deren Tätigkeit leichter ins Bewusstsein zu heben ist. Man beginnt heute vornehmlich beim Stirn-, Hals- und Herzchakra. Auch werden die Lotosblumen nicht streng nacheinander aktiviert, sondern teilweise auch gemeinsam, wobei dann nur auf dem einen oder anderen Chakra das Schwergewicht der Übungen liegt. Allen Wegen gemeinsam aber ist, dass das oberste Chakra, der 1000-blättrige Lotos, der sich durch die [[Kopfaura]] kundtut, erst ganz am Ende jedes Weges voll erwacht, und zwar gar nicht durch einzelne spezielle Übungen, sondern als Ergebnis des ganzen voll durchschrittenen Schulungsweges. Im christlichen Schulungsweg entspricht das der Stufe der „Himmelfahrt“, im Rosenkreuzerweg der „Gottseligkeit“.
sagen. Dasjenige, was man wirklich subjektiv erlebt, das, was die
Intelligenz umschließt, das äußere Denken, sind schattenhafte Wesenheiten,
eben Gedankenwesenheiten, bloß Gedanken, die abbilden äußere
Wesenheiten. Indem das Denken hellsichtig wird, sich absondert von
Gehirn und Nervensystem, beginnt es, innere Regsamkeit, Eigenleben
zu entwickeln und strömt als eigenes Erleben in die übrige geistige Welt
hinaus. Die Fühlhörner des Denkens - ich muß es etwas grob ausdrücken
- , des hellsichtig gewordenen Denkens, strecken wir hinaus
in die geistige Welt, und sie nehmen im Untertauchen wahr das fühlende
Wollen, das wollende Fühlen der anderen Wesen, die um uns sind
auf dem geistigen Felde.|154|119}}


{{GZ|Aus
== Spirituelle Tugenden, die schädliche Einflüsse abhalten ==
meinen getanen Äußerungen geht hervor, daß das selbständig gewordene
Denken gleichsam das geistige Auge wird für die Wahrnehmung
der geistigen Außenwelt. Allerdings zeigt sich vor der hellsichtigen
Forschung, die dieses geistige Auge zu dem, was hellsichtiges Denken
ist, gebraucht, daß dieses geistige Auge ein aktives, ein tätiges ist, daß
die geistigen Fühlhörner sich überall hin ausstrecken, während das physische
Auge ein passives ist, das die Eindrücke passiv an sich herankommen
läßt. Hat daher der Geistesforscher in seine Gedanken die
Offenbarungen der geistigen Welt aufgenommen, dann leben sie in den
Gedanken darinnen. Und versucht er dann dasjenige, was er sich bemüht
hat, in seine lebenden Gedanken hineinzubringen, seinen Mitmenschen
mitzuteilen, so ist es den Mitmenschen möglich, ihn zu verstehen,
ihn zu begreifen, wenn sie sich diese Wege, ihn zu verstehen,
nur nicht durch materialistische Vorurteile verlegen lassen.|154|121}}


== Denken und Imagination ==
Der Schulungsweg ist auch mit gewissen Gefahren für den [[Geistesschüler]] verbunden. Sobald sich sein [[Geist]]ig-[[Seele|Seelisches]] im Zuge der Schulung vom [[Leib]] zu lösen beginnt, ist er schädlichen Einflüssen aus den [[Elementarreiche]]n ausgesetzt und [[luziferisch]]e und [[ahrimanisch]]e [[Elementarwesen]] können seine zurückgelassenen Leibeshüllen ergreifen. Ein dramatisches Beispiel dafür hat [[Rudolf Steiner]] im 3. Bild seines ersten [[Mysteriendrama]]s «[[Die Pforte der Einweihung]]» gegeben, wo die Leibeshüllen [[Maria (Mysteriendrama)|Marias]], der Protagonistin des Dramas, in dem Moment, wo sich ihr [[Geist]] in die [[Himmlische Welt]] aufschwingt, von einem ahrimanischen Wesen ergriffen werden. Schützen kann man sich gegen solche Einflüsse nur durch die bewusste Ausbildung bestimmter spiritueller Tugenden, zu denen ganz besonders auch die sogenannten [[Nebenübungen]] zu rechnen sind:


Hellsehen beruht auf der Fähigkeit zur [[Imagination]], dem ''„malenden Schauen innerer Bilder“'', durch die sich die [[Wirklichkeit]] in archetypischen Sinnbildern offenbart. Das [[Sehen]] bezeichnet dabei nur einen besonders hervorstechenden Aspekt des Hellsehens, die Clairvoyance kann sich auch in andere [[astral]]e Sinnesqualitäten kleiden, so dass man auch vom '''Hellhören''', '''Hellfühlen''' usw., ja insbesondere sogar vom '''Hellschmecken''' sprechen kann. Das Hellsehen ist dabei scharf zu unterscheiden von der [[Halluzination]], bei der eine sinnliche Wahrnehmung erregt bzw. vorgetäuscht wird, ohne dass dazu ein entsprechender äußerer Reiz vorhanden ist. Auch [[Vision]]en, die aus zurückgebliebenen Resten des alten Hellsehens entspringen, unterscheiden sich deutlich von den zeitgemäßen Formen der geistigen Wahrnehmung. Ähnlich wie bei [[Traum]]bildern ist das Erleben hier noch sehr stark an den [[Leib]] gebunden. Beim modernen Hellsehen ist diese Bindung an den Leib weitgehend überwunden. Es kann sich daher frei auf die geistige Außenwelt richten.
<div style="margin-left:20px">
"In dem Augenblicke nun, in dem die
Seele ihre Tätigkeit zum Teil dem Leibe entzieht, können
sich seiner verderbliche Kräfte aus den Elementarreichen
bemächtigen. Darin besteht eine
Gefahr der höheren Entwickelung. Es muß daher dafür
gesorgt werden, daß, sobald sich die Seele vom Körper
zurückzieht, er durch sich selbst nur guten Einflüssen von
Seiten der elementaren Welt zugänglich ist. - Wird darauf
nicht geachtet, so verkommt der gewöhnliche Mensch in
einer gewissen Beziehung physisch und auch moralisch,
trotzdem er den Zugang zu höheren Welten gewinnt.
Während die Seele in höheren Gebieten lebt, nisten sich im
dichten physischen Leib und im Ätherleib schädliche
Kräfte ein. Dies ist der Grund, warum gewisse schlechte
Eigenschaften, die vor der höheren Entwickelung durch die
ausgleichende Wirkung der Seele niedergehalten worden
sind, bei Mangel an Vorsicht zum Ausdruck kommen
können. Menschen, welche vorher gute, moralische
Naturen waren, können unter solchen Umständen dann,
wenn sie an höhere Welten herantreten, allerlei niedrige
Neigungen, erhöhte Selbstsucht, Unwahrhaftigkeit,
Rachsucht, Zorn usw. usw. hervorkehren. - Niemand darf
von dieser Tatsache sich zurückschrecken lassen, in die
höheren Welten aufzusteigen; aber vorgesorgt muß werden,
daß solche Dinge nicht eintreten. Die niedere Natur des
Menschen muß gefestet und unzugänglich gemacht werden
gefährlichen elementarischen Einflüssen. Das eben
geschieht durch die bewußte Ausbildung gewisser
Tugenden. Diese Tugenden werden in den theosophischen
Handbüchern, welche von geistiger Entwickelung handeln,
angegeben. Hier aber hat man den Grund, warum auf sie
Sorgfalt gelegt werden muß. Es sind die folgenden.


{{GZ|Die berechtigten Bedenken, welche das gewöhnliche Bewußtsein
Zuerst muß der Mensch in ganz bewußter Weise bei
gegen die Geistesforschung zunächst erheben muß,
allen Dingen fortwährend darauf bedacht sein, das Bleibende,
sind außer vielem andern noch die folgenden. Man kann
Unvergängliche von dem Vergänglichen abzusondern,
sich die Ergebnisse dieser Forschung ansehen (wie sie in der
und auf das erstere seine Aufmerksamkeit richten.
gegenwärtigen Literatur vorliegen) und kann sagen: Ja,
In jedem Dinge und Wesen kann der Mensch ein Etwas
was ihr da beschreibt als Inhalt der übersinnlichen Erkenntnis,
vermuten oder erkennen, das bleibt, wenn die vergängliche
erweist sich doch bei näherem Zusehen als nichts anderes
Erscheinung entschwindet. Sehe ich eine Pflanze, dann
denn als Kombinationen der gewöhnlichen aus der Sinnenwelt
kann ich sie zunächst betrachten, wie sie sich den Sinnen
gekommenen Vorstellungen. — Und so ist es in der
darbietet. Das soll man gewiß nicht versäumen. Und
Tat. (Auch in den Darstellungen der höheren Welten,
niemand wird das Ewige in den Dingen entdecken, der sich
welche ich selbst in meiner «Theosophie» und in meiner
nicht zuerst mit dem Vergänglichen gründlich bekannt
«GeheimWissenschaft» geben durfte, findet man, wie es
gemacht hat. Diejenigen, welche sich immer besorgt
scheint, nichts als Kombinationen der aus der Sinnenwelt
zeigen, daß dem Menschen, der den Blick auf das Geistig-
genommenen Vorstellungen. So wenn die Entwickelung der
Unvergängliche richtet, die «Frische und Natürlichkeit des
Erde durch Kombinationen von Wärme-, Licht- und so
Lebens» verlorengehe: sie wissen eben noch nicht, um was
weiter Entitäten dargestellt wird.) — Dagegen aber muß
es sich dabei eigentlich handelt. Aber, wenn ich so die
folgendes gesagt werden. Wenn der Geistesforscher seine
Pflanze anschaue, kann mir klarwerden, daß in ihr ein
Erlebnisse ''zum Ausdruck bringen will'', so ist er genötigt,
bleibender Lebenstrieb ist, der in einer neuen zum
das in einer übersinnlichen Sphäre Erlebte durch die
Vorschein kommen werde, wenn die gegenwärtige Pflanze
''Mittel'' des sinnlichen Vorstellens darzustellen. Sein Erleben
längst zerstoben sein wird. Solche Art, sich zu den Dingen
ist dann nicht aufzufassen, wie wenn es gleich wäre
zu stellen, muß man in die ganze Verfassung seines
seinen Ausdrucksmitteln, sondern so, daß er sich dieser
Gemütes aufnehmen. - Dann muß man sein Herz auf das
Ausdrucksmittel nur bedient wie der Worte einer ihm notwendigen
Wertvolle, Gediegene heften und dieses höher schätzen
''Sprache''. Man muß den Inhalt seines Erlebens
lernen als das Vorübergehende, Bedeutungslose. Man soll
''nicht'' in den Ausdrucksmitteln, das heißt, in den versinnlichenden
sich bei allen seinen Empfindungen und Handlungen den
Vorstellungen suchen, sondern in der Art, wie er
Wert vor Augen halten, den etwas im Zusammenhange
sich dieser Ausdrucksmittel bedient. Der Unterschied seiner
eines Ganzen hat. - Zum dritten soll man sechs
Darstellung von einem phantastischen Kombinieren sinnlicher
Eigenschaften in sich ausbilden: Kontrolle der
Vorstellungen liegt in der Tat nur darin, daß phantastisches
Gedankenwelt, Kontrolle der Handlungen, Ertragsamkeit,
Kombinieren der subjektiven Willkür entspringt,
Unbefangenheit, Vertrauen in die Umwelt und inneres
die Darstellung des Geistesforschers aber auf dem durch
Gleichgewicht. Kontrolle der Gedankenwelt erreicht man,
Übung erlangten Einleben in die übersinnliche Gesetzmäßigkeit
wenn man sich bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken
beruht. Hier aber ist auch der Grund zu suchen,
und Empfindungen,
warum die Darstellungen des Geistesforschers so leicht mißverstanden
die beim gewöhnlichen Menschen immer
werden können. Es kommt nämlich bei ihm
auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen
wirklich weniger darauf an, ''was'' er sagt, sondern ''wie'' er
Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken;
spricht. In dem «Wie» liegt der Abglanz seiner übersinnlichen
sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich
Erlebnisse.|35|127ff}}
auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den
Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem
Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen
Lebens wird das gar nicht anders sein können.
Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß
man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in
denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt
macht. Man stellt da einen Gedanken aus
völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele,
während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen.
Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken
und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem
ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will,
daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig
auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt
den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß
er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele
auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt. - Kontrolle der
Handlungen besteht in einer ähnlichen Regelung derselben
durch innere Freiheit. Man beginnt gut damit,
daß man sich anschickt, irgend etwas regelmäßig zu tun,
wozu man durch das gewöhnliche Leben nicht gekommen
wäre. In dem letzteren wird ja der Mensch von
außen zu seinen Handlungen getrieben. Die kleinste Tat
aber, die man aus der ureigensten Initiative heraus unternimmt,
wirkt in der angegebenen Richtung mehr als
alles, wozu man vom äußeren Leben gedrängt wird. - Ertragsamkeit
ist das Entfernthalten von jener Stimmung, die
man bezeichnen kann mit dem Wechsel zwischen
«Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt». Der Mensch
wird hin- und hergetrieben zwischen allen möglichen
Stimmungen. Die Lust macht ihn froh, der Schmerz drückt
ihn herab. Das hat seine Berechtigung. Wer aber den Weg
sucht zu höherer Erkenntnis, der muß sich in der Lust und
auch im Schmerze mäßigen können. Er muß «ertragsam»
werden. Maßvoll muß er sich den lusterregenden
Eindrücken hingeben können und auch den schmerzlichen
Erlebnissen: immer durch beides mit Würde
hindurchschreiten. Von nichts sich übermannen, außer
Fassung bringen lassen. Das begründet nicht
Gefühllosigkeit, sondern macht den Menschen zum festen
Mittelpunkt innerhalb der Lebenswellen, die rings um ihn
auf- und niedersteigen. Er hat sich stets in der Hand.


Für das moderne vollbewusste Hellsehen ist streng zu beachten, dass das imaginativ „Geschaute“ durchaus unsichtbar, das „Gehörte“ völlig unhörbar ist, da es sich eben nicht um eine [[sinnlich]]e, sondern um eine durch die eigene geistige Tätigkeit aktiv und bewusst hervorgebrachte, aber inhaltlich vollkommen durch sich selbst bestimmte, rein übersinnliche Wahrnehmung handelt. Da aber beim irdisch verkörperten Menschen die Leibestätigkeit und insbesondere die Sinnessphäre auch heute noch immer leise mitschwingt, ist es dennoch ganz natürlich und sachgemäß, das imaginativ Erlebte in sinnlichen Ausdrücken zu beschreiben:
Eine ganz besonders wichtige Eigenschaft ist der «Sinn
für die Bejahung». Es kann ihn derjenige bei sich
entwickeln, welcher das Augenmerk in allen Dingen auf
die guten, schönen und zweckvollen Eigenheiten richtet
und nicht in erster Linie auf das Tadelnswerte, Häßliche
und Widerspruchsvolle. Es gibt eine schöne, in der persischen
Dichtung vorhandene Legende von Christus, die
zur Anschauung bringt, was mit dieser Eigenschaft gemeint
ist: Ein toter Hund liegt an einem Wege. Unter den an ihm
Vorübergehenden ist auch Christus. Alle anderen wenden
sich ab von dem häßlichen Anblick, den das Tier bietet; nur
Christus spricht bewundernd von den schönen Zähnen des
Tieres. So kann man den Dingen gegenüber empfinden;
in allem, auch dem
Widrigsten, mag sich für den, welcher ernstlich sucht, etwas
Anerkennenswertes finden. Und das Fruchtbare an den
Dingen ist ja nicht, was ihnen fehlt, sondern dasjenige, was
sie haben. - Weiter ist bedeutsam, die Eigenschaft der
«Unbefangenheit» zu entwickeln. Ein jeder Mensch hat ja
seine Erfahrungen gemacht und sich dadurch eine
bestimmte Menge von Meinungen gebildet, die ihm dann
im Leben zur Richtschnur werden. So selbstverständlich es
auf der einen Seite ist, sich nach seinen Erfahrungen zu
richten, so wichtig ist es für den, welcher eine geistige
Entwickelung zur höheren Erkenntnis hin durchmachen
will, daß er sich stets den Blick frei erhält für alles Neue,
ihm noch Unbekannte, das ihm entgegentritt. Er wird so
vorsichtig wie irgend möglich sein mit dem Urteil: «das ist
unmöglich», «das kann ja gar nicht sein». Mag ihm seine
Meinung nach den bisherigen Erfahrungen was immer
sagen: er ist in jedem Augenblick bereit, sich von etwas
Neuem, das ihm entgegenkommt, zu einer anderen
Meinung bringen zu lassen. Jede Eigenliebe der Meinung
gegenüber muß schwinden. - Wenn die bisher genannten
fünf Eigenschaften von der Seele erworben sind, dann stellt
sich eine sechste ganz von selbst ein: das innere Gleichgewicht,
die Harmonie der geistigen Kräfte. Der Mensch
muß etwas in sich finden wie einen geistigen Schwerpunkt,
der ihm Festigkeit und Sicherheit gibt gegenüber allem,
was im Leben da- oder dorthin zieht. Man muß nicht etwa
vermeiden, mit allem mitzuleben, alles auf sich wirken zu
lassen. Nicht die Flucht vor den hin- und widerziehenden
Tatsachen des Lebens ist das Richtige, sondern im
Gegenteil: das volle Hingeben an das Leben
und trotzdem die sichere, feste Bewahrung von innerem
Gleichgewicht und Harmonie.


{{GZ|Man wird nun finden, daß diejenigen Menschen, welche
Endlich kommt für den Suchenden der «Wille zur
übersinnliche Beobachtungen machen können, dasjenige,
Freiheit» in Betracht. Es hat ihn jemand, der zu allem, was
was sie schauen, so beschreiben, daß sie sich der
er vollbringt, die Stütze und Grundlage in sich selbst findet.
Ausdrücke bedienen, welche den sinnlichen Empfindungen
Er ist deshalb so schwer zu erringen, weil taktvoll der
entlehnt sind. So kann man den elementarischen Leib
Ausgleich notwendig ist zwischen dem Öffnen des Sinnes
eines Wesens der Sinnenwelt, oder ein rein elementarisches
gegenüber allem Großen und Guten und der gleichzeitigen
Wesen so beschrieben finden, daß gesagt wird, es offenbare
Ablehnung eines jeglichen Zwanges. Man sagt so leicht:
sich als in sich geschlossener, mannigfaltig gefärbter
Einwirkung von außen und Freiheit vertragen sich nicht.
Lichtleib. Es blitze in Farben auf, glimmere oder leuchte
Daß sie sich in der Seele vertragen: darauf kommt es aber
und lasse bemerken, daß diese Farben- oder Lichterscheinung
gerade an. Wenn mir jemand etwas mitteilt, und ich nehme
seine Lebensäußerung sei. Wovon der Beobachter da
es unter dem Zwange seiner Autorität an: dann bin ich
eigentlich spricht, ist durchaus unsichtbar, und er ist sich
unfrei. Aber ich bin nicht minder unfrei, wenn ich mich
dessen bewußt, daß mit dem, was er wahrnimmt, das
verschließe vor dem Guten, das ich auf diese Art
Licht- oder Farbenbild nichts anderes zu tun hat, als etwa
empfangen kann. Denn dann übt in der eigenen Seele das
die Schrift, in welcher eine Tatsache mitgeteilt wird, mit
Schlechtere, das ich habe, auf mich einen Zwang aus. Und
dieser Tatsache selbst. Dennoch hat man nicht etwa bloß
bei der Freiheit kommt es nicht allein darauf an, daß ich
ein Übersinnliches in willkürlicher Art durch sinnliche
nicht unter dem Zwange einer äußeren Autorität stehe,
Empfindungsvorstellungen ausgedrückt; sondern man hat
sondern vor allen Dingen auch nicht unter derjenigen
während der Beobachtung das Erlebnis wirklich gemacht,
eigener Vorurteile, Meinungen, Empfindungen und
das einem Sinneseindruck ähnlich ist. Es kommt dies davon
Gefühle. Nicht blinde Unterwerfung unter das Empfangene
her, daß im übersinnlichen Erleben die Befreiung von
ist das Richtige, sondern sich von ihm anregen lassen, es
dem sinnlichen Leibe keine vollkommene ist. Dieser lebt
ganz unbefangen aufnehmen, um sich «frei» dazu zu
mit dem elementarischen Leibe doch noch mit und bringt
bekennen. Eine fremde Autorität soll nicht anders als so
das übersinnliche Erlebnis in eine sinnliche Form. Die
wirken, daß man sich sagt: Ich mache mich gerade dadurch
Beschreibung, die man so gibt von einer elementarischen
frei, daß ich ihrem Guten folge, d.h. es zu dem meinigen
Wesenheit, ist dann tatsächlich so gehalten, daß sie sich
mache. Und eine auf der Geheimwissenschaft fußende
wie eine visionäre, oder phantastische Zusammenstellung
Autorität will auch gar nicht anders als in dieser Art
von Sinneseindrücken zeigt. Wenn die Beschreibung so
wirken. Sie gibt, was sie zu geben hat, nicht um selbst
gegeben wird, dann ist sie trotzdem die wahre Wiedergabe
Macht über den Beschenkten zu gewinnen, sondern allein
des Erlebten. Denn man hat geschaut, was man schildert.
darum, daß der Beschenkte durch die Gabe reicher und
Der Fehler, der gemacht werden kann, liegt nicht darin,
freier werde." {{Lit|{{G|012|26ff}}}}
daß man das Bild als solches schildert. Es liegt ein Fehler
</div>
erst dann vor, wenn man das Bild für die Wirklichkeit
hält, und nicht dasjenige, auf was das Bild, als auf die ihm
entsprechende Wirklichkeit, hindeutet.


Ein Mensch, welcher niemals Farben wahrgenommen
== Künftige Bedeutung des Schulungswegs ==
hat - ein Blindgeborener - wird, wenn er sich die entsprechende
Fähigkeit erwirbt, elementarische Wesenheiten
nicht so beschreiben, daß er sagt, sie blitzen als Farbenerscheinungen
auf. Er wird sich derjenigen Empfindungsvorstellungen
zum Ausdrucke bedienen, welche ihm gewohnt
sind. Für die Menschen aber, welche sinnlich sehen
können, ist eine Schilderung durchaus geeignet, welche sich
etwa des Ausdruckes bedient, es blitzte eine Farbengestalt
auf. Sie können dadurch sich die Empfindung von dem bilden,
was der Beobachter der elementarischen Welt geschaut
hat. Und das gilt nicht etwa nur für Mitteilungen, welche
ein Hellsichtiger - es sei ein Mensch so genannt, der durch
seinen elementarischen Leib beobachten kann - einem
Nicht-Hellsichtigen macht, sondern auch für die Verständigung
der Hellsichtigen untereinander. In der Sinnenwelt
lebt der Mensch eben in seinem sinnlichen Leib, und dieser
kleidet ihm die übersinnlichen Beobachtungen in Sinnesformen
ein; daher ist innerhalb des menschlichen Erdenlebens
der Ausdruck der übersinnlichen Beobachtungen
durch die von ihnen erzeugten Sinnesbilder denn doch zunächst
eine brauchbare Art der Mitteilung.


Es kommt darauf an, daß derjenige, welcher eine solche
«Die kommende Jugend kommt aus ganz anderen kosmischen Welten her als wir, das wird sich steigern. Sie bringt eine ungeheure Denkfähigkeit, eine Virtuosität des Denkens mit. Das ist aber die größte Versuchung und zugleich der größte ahrimanische Angriff gegen die Anthroposophie. Da wird die Gefahr sein, daß durch die ungeheure Leichtigkeit der Auffassung der anthroposophischen Begriffe die Sache im Denken stecken bleibt und sich ein ungeheures Wohlgefühl im Denken der Anthroposophie entwickelt; aber man wird nicht durchstoßen zur Schulung.
Mitteilung empfängt, in seiner Seele ein Erlebnis hat, welches
Das einzige, was die Jugend bekommen kann, was sie stählen wird, um die künftigen Ereignisse zu bestehen, das ist, daß sie der Anthroposophie in der Schulung begegnet. Die Schulung ist das Fundament, durch das das Studium allein zu einem wahren Ziel geführt werden kann. - Wenn Anthroposophie als Wissenschaft gelehrt wird, wird sie schädlich. Anthroposophie darf niemals bloß Theorie sein; sie muß unmittelbares Leben werden. Läßt man sie bloß Lehre sein, so tötet man sie und übergibt sie Ahriman, dem Herrn des Todes. - Es ist aber den Menschen heute viel bequemer zu denken und einige anthroposophische Begriffe sich anzueignen, als nur eine einzige Gewohnheit abzulegen.
zu der in Betracht kommenden Tatsache in dem richtigen
Was die Anthroposophie aus unseren Seelen macht, das ist viel wichtiger als noch so viel theoretisches Wissen über geisteswissenschaftliche Begriffe.»<ref>"Rudolf Steiner über die kommende Jugend". Mündliche Äußerung Rudolf Steiners gegenüber Frau Sybell-Petersen, übermittelt von Adelheid Petersen in einem Vortrag, gehalten im August 1950</ref>
Verhältnisse steht. Die sinnlichen Bilder werden nur
mitgeteilt, damit durch sie etwas erlebt wird. So wie sie sich
darbieten, können sie nicht in der Sinnenwelt vorkommen.
Das ist eben ihre Eigentümlichkeit. Und deswegen rufen
sie auch Erlebnisse hervor, die sich auf nichts Sinnliches
beziehen.|16|32ff}}


{{GZ|In meiner «[[GA 9|Theosophie]]» finden
== Literatur ==
Sie, daß man das Seelische in Form einer Art [[Aura]] sieht. Sie
wird in Farben beschrieben. Grobklotzige Menschen, die nicht
weiter eingehen auf die Sachen, sondern selbst Bücher schreiben,
die glauben, daß der Seher die Aura schildert, sie beschreibt,
indem er die Meinung hat, daß da wirklich so ein Nebeldunst
vor ihm ist. Was der Seher vor sich hat, ist ein geistiges Erlebnis.
Wenn er sagt, die Aura ist blau, so sagt er, er hat ein seelisch-geistiges
Erlebnis, das so ist, als wenn er blau sehen würde. Er schildert
überhaupt alles das, was er in der geistigen Welt erlebt und
was analog ist dem, was in der sinnlichen Welt an den Farben
erlebt werden kann.|271|185}}


Die ersten Wahrnehmungen, die man in der übersinnlichen Seelenwelt macht, bestehen aus reich differenzierten [[Sympathie]]n und [[Antipathie]]n, die mit den Wesen verbunden sind, die man hier schaut.
* [[Anton Kimpfler]]: ''Praktische Esoterik. Der Weg ins dritte Jahrtausend'', Verlag am Goetheanum, Dornach 1999, ISBN 978-3723510629
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Stufen der höheren Erkenntnis'', [[GA 12]] (1993), ISBN 3-7274-0120-6; '''Tb 641''', ISBN 978-3-7274-6410-2 {{Schriften|012}}
* Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
* Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
* Rudolf Steiner: ''Die Apokalypse des Johannes'', [[GA 104]] (1985), ISBN 3-7274-1040-X {{Vorträge|104}}
* Rudolf Steiner: ''Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen'', [[GA 136]] (1996), ISBN 3-7274-1361-1 {{Vorträge|136}}
* Rudolf Steiner: ''Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung'', [[GA 211]] (1986), ISBN 3-7274-2110-X {{Vorträge|211}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/anthroposophie_aetherisation.pdf Die Ätherisation des Blutes - Über den Initiations- und Einweihungsweg] PDF


{{GZ|Beim Eintritt in die übersinnliche Welt ist einer der ersten
{{GA}}
Wahrnehmungseindrücke der, daß man sich durch sein in
diese Welt hinaufgehobenes Selbstbewußtsein in Sympathien
und Antipathien mit den Wesenheiten dieser Welt
verbunden schaut. (Vgl. S. 54 ff. dieser Schrift.) Man bemerkt
bereits an den dadurch gemachten Erlebnissen, daß
man auch mit Bezug auf sein Vorstellen die sinnliche Welt
verlassen muß, wenn man in die übersinnliche wirklich
eintreten will. Man kann, was man im Übersinnlichen
schaut, wohl beschreiben durch Vorstellungen, die aus der
sinnlichen Welt genommen sind. Man kann zum Beispiel
sprechen davon, daß ein Wesen wie durch eine Farbenerscheinung
sich offenbare. Allein, wer solche Beschreibungen
des übersinnlich Wesenhaften entgegennimmt, sollte
nie außer acht lassen, daß der wirkliche Geistesforscher
mit der Angabe einer solchen Farbe meint: er erlebe etwas,
was von ihm seelisch so erfahren wird, wie die Wahrnehmung
der betreffenden Farbe durch das sinnliche Bewußtsein.
Wer mit seiner Schilderung zum Ausdruck
bringen will: er habe vor dem Bewußtsein etwas, das gleich
ist der sinnlichen Farbe, der ist nicht ein Geistesforscher,
sondern ein Visionär oder ein Halluzinierender. Aber mit
den Erlebnissen der Sympathie und Antipathie hat man
die ersten übersinnlichen Wahrnehmungseindrücke der
übersinnlichen Welt wirklich vor sich. - Es gibt Menschen,
die gerade dadurch enttäuscht sind, daß der Geistesforscher
ihnen sagen muß, wenn er sich durch Vorstellungen
ausspricht, die vom sinnlichen Erleben hergenommen
sind, so meine er nur Veranschaulichungen des von ihm
Geschauten. Denn solche Menschen streben eigentlich
nicht darnach, eine von der sinnlichen unterschiedene
übersinnliche Welt kennenzulernen, sondern sie wollen
eine Art Doppelgänger der sinnlichen als übersinnliche
Welt anerkennen. Diese übersinnliche soll feiner, «ätherischer
» sein als die sinnliche; aber im übrigen soll sie nur
ja nicht die Anforderung erheben, auch durch andere Vorstellungen
ergriffen werden zu müssen als die sinnliche.
Wer aber wirklich der geistigen Welt sich nähern will, der
muß sich auch dazu bequemen, neue Vorstellungen zu erwerben.
Wer nur ein verdünntes, dunstartiges Abbild der
sinnlichen Welt vorstellen will, der kann die übersinnliche
nicht erfassen.|17|97f}}
 
Hellsichtigkeit allein genügt nicht, um das übersinnlich wahrgenommene auch im richtigen Sinn zu deuten. Sehr häufig kommt es vor, dass hellsichtige Menschen, die Ergebnisse ihrer Schauungen in irrtümlicher Weise interpretieren. Die wahre Bedeutung geistiger Wahrnehmungen eröffnet sich erst dem [[Eingeweihter|Eingeweihten]] - egal ob es sich dabei unmittelbar um eigene Wahrnehmungen handelt, oder um solche, die von hellsichtigen Menschen überliefert wurden. In den alten [[Mysterien]] gab es tatsächlich eine strenge Trennung zwischen Eingeweihten und Hellsehern, die damit auch ganz aufeinander angewiesen waren. Heute ist diese Trennung kaum mehr durchzuhalten.
 
{{GZ|Derjenige nun, der, ohne selbst hellsichtig zu sein, alles
einsieht, was die Geheimwissenschaft zu sagen hat, ist ein
Eingeweihter. Wer aber selbst eintreten kann in diese Welten,
die wir die unsichtbaren nennen, der ist ein Hellseher.
In alten Zeiten, die noch gar nicht so lange hinter uns liegen,
bestand in den Geheimschulen eine strenge Trennung zwischen
Hellsehern und Eingeweihten. Man konnte als Eingeweihter,
ohne Hellseher zu sein, hinaufsteigen zu den
Erkenntnissen der höheren Welten, wenn man nur in richtiger
Weise den Verstand anwendete. Auf der anderen
Seite konnte man Hellseher sein, ohne in besonders hohem
Grade eingeweiht zu sein. Es wird Ihnen schon klar werden,
wie das gemeint ist. Denken Sie sich zwei Menschen,
einen sehr gelehrten Herrn, der alles mögliche weiß, was
die Physik und die Physiologie über das Licht und die Lichterscheinungen
zu sagen haben, jedoch so kurzsichtig ist, daß
er kaum zehn Zentimeter weit sehen kann: er sieht nicht
viel, ist aber eingeweiht in die Gesetze des Lichtwirkens.
So kann jemand eingeweiht sein in die übersinnliche Welt
und schlecht darin sehen. Ein anderer kann ausgezeichnet
in der äußeren sinnlichen Welt sehen, aber so gut wie nichts
wissen von dem, was der gelehrte Herr weiß. So kann es
auch Hellseher geben, vor deren geistigen Augen die geistigen
Welten offen daliegen. Sie können hineinschauen in die
geistige Welt, haben aber keine Wissenschaft, keine Erkenntnis
von derselben. Daher hat man eine lange Zeit
hindurch den Unterschied gemacht zwischen dem Hellseher
und dem Eingeweihten. Um die Fülle des Lebens zu umfangen,
brauchte man oft nicht einen, sondern viele Menschen.
Die einen wurden, um weiterzukommen, nicht hellsichtig
gemacht. Anderen wurden die geistigen Augen und
Ohren geschaffen. Das, was in der Geheimwissenschaft vorhanden
war, ist durch Mitteilung und Gedankenaustausch
zwischen Geheimwissenschaftern und Hellsehern zustande
gekommen.
 
In unserer Zeit kann diese strenge Trennung zwischen
Hellsehern und Eingeweihten gar nicht durchgeführt werden.
Heute ist es notwendig, daß jedem, der einen bestimmten
Grad der Einweihung erreicht hat, wenigstens auch die
Möglichkeit gegeben wird, einen bestimmten Grad des Hellsehens
zu erlangen. Der Grund dafür ist, daß in unserer Zeit
das große restlose Vertrauen von Mensch zu Mensch nicht
herzustellen ist. Heute will ein jeder selbst wissen und selbst
sehen. Jener tiefe, hingebungsvolle Glaube, wie er früher
von Mensch zu Mensch geherrscht hat, machte es möglich,
daß es eine besondere Art von Hellsehern gab, von denen
man vernahm, was sie in den höheren Welten wahrnahmen.
Andere ordneten dann systematisch, was diese wahrgenommen
hatten. Heute ist eine Art Harmonie in der Entwickelung
der Fähigkeiten zum Eingeweihten und zum Hellseher
geschaffen. Daher kann ein Drittes, das [[Adept]]entum, heute
sehr stark zurücktreten.|56|26f}}
 
Um hellseherische Fähigkeiten bewusst zu entwickeln, muss der [[Astralleib]] zuvor durch [[Katharsis]] von allen [[Begierde]]n und [[Lust]] und [[Leid]] gereinigt werden, die wie eine dunkle Wolke den Blick auf die geistige Wirklichkeit verschleiern oder verfälscht. Niederes Hellsehen kann sehr leicht zur Wahrnehmung der eigenen unverwandelten [[Begierde]]kräfte führen, die fälschlich für eine äußere [[seelisch]]e oder [[geistig]]e Realität angesehen werden.
 
{{GZ|Hellsehen heißt nichts anderes, als es zu einer Entwickelungsstufe der menschlichen Wesenheit gebracht zu haben, durch welche der Mensch lust- und leidfrei die Welt um sich herum wahrzunehmen vermag.|52|202f}}
 
Hellsichtigkeit kann nur erwachen, wenn sich die Erlebnisse des [[Astralleib]]s im [[Ätherleib]] abbilden bzw. spiegeln. So wie die sinnliche Wahrnehmung der [[physisch]]en [[Sinne]] als Spiegelungsapparat bedarf, so müssen beim Hellsehen die übersinnlichen Erlebnisse durch den Ätherleib in das [[Bewusstsein]] reflektiert werden. In beiden Fällen sind die in der [[Astralwelt]] webenden [[Sinnesqualitäten]] das seelische Rohmaterial, aus dem sich die wahrgenommenen Bilder malen. Durch die äußere [[Sinneswahrnehmung]] erscheinen die Sinnesqualitäten allerdings nur in stark abgedämpfter Form. Erst dem hellsichtigen Bewusstsein erscheinen sie, abhängig vom geistigen Entwicklungsgrad des Hellsehers, in ihrer vollen ungetrübten Wirklichkeit.
 
{{GZ|Hellsichtig sein heißt, sich der Organe seines ätherischen Leibes bedienen können.
Wenn man sich nur der Organe seines astralischen Leibes bedienen kann, so
kann man zwar innerlich fühlen und empfinden, innerlich erleben die tiefsten Geheimnisse;
aber man kann sie nicht schauen. Erst wenn das, was im astralischen Leibe
erlebt wird, sich sozusagen seinen Abdruck verschafft im Ätherleibe, kann Hellsichtigkeit
eintreten.|114|67}}
 
== Denkende und nichdenkende visionäre Hellseher ==


{{GZ|Was
== Einzelnachweise ==
Offenbarungen, wirkliche Tatsachen gibt über die geistige Welt, das
<references/>
kann in der mannigfaltigsten Weise in die Menschenseele einziehen.
Gewiß ist es möglich und in zahlreichen Fällen heute wirklich so, daß
die Menschen zu einem visionären Sehen kommen, ohne scharfe
Denker zu sein - viel mehr Leute kommen zum Hellsehen, die keine
scharfen Denker sind, als scharfe Denker -, aber es ist ein großer
Unterschied zwischen den Erfahrungen in der geistigen Welt derjenigen,
die scharfe Denker sind, und derjenigen, die keine scharfen
Denker sind. Es ist ein Unterschied, den ich so ausdrücken kann: Was
sich aus den höheren Welten offenbart, das prägt sich am allerbesten
ein in diejenigen Formen des Vorstellens, die wir als Gedanken diesen
höheren Welten entgegenbringen; das ist das beste Gefäß.
 
Wenn wir nun keine Denker sind, dann müssen sich die Offenbarungen
andere Formen suchen, zum Beispiel die Form des Bildes,
die Form des Sinnbildes. Das ist die häufigste Art, wie derjenige, der
Nichtdenker ist, die Offenbarungen erhält. Und Sie können dann von
solchen, die visionäre Hellseher sind, ohne daß sie zugleich Denker
sind, hören, wie von ihnen in Sinnbildern die Offenbarungen erzählt
werden. Diese sind ja ganz schön, aber wir müssen uns zu gleicher
Zeit bewußt sein, daß das subjektive Erlebnis ein anderes ist, ob Sie
als Denker Offenbarungen haben oder als Nichtdenker. Wenn Sie als
Nichtdenker Offenbarungen haben, so ist das Sinnbild da; es steht da
diese oder jene Figur. Das offenbart sich aus der geistigen Welt heraus.
Sagen wir, Sie sehen eine Engelgestalt, dieses oder jenes Symbolum,
das dieses oder jenes ausdrückt, meinetwillen ein Kreuz, eine Monstranz,
einen Kelch - das ist da im übersinnlichen Felde, das sehen Sie
als fertiges Bild. Sie sind sich klar: Das ist keine Wirklichkeit, aber es
ist ein Bild.
 
In etwas anderer Weise werden schon für das subjektive Bewußtsein
die Erfahrungen aus der geistigen Welt für den Denker erlebt,
nicht ganz so wie bei dem Nichtdenker. Da stehen sie nicht sozusagen
auf einmal gegeben da, wie aus der Pistole heraus geschossen; da
haben Sie sie anders vor sich. Nehmen Sie, ich will sagen, einen
nichtdenkenden visionären Hellseher und einen denkenden. Der nichtdenkende
visionäre Hellseher und der denkende visionäre Hellseher
würden beide dieselben Erfahrungen empfangen. Wollen wir einen
bestimmten Fall setzen: Der nichtdenkende visionäre Hellseher sieht
diese oder jene Erscheinung der geistigen Welt, der denkende visionäre
Hellseher sieht sie noch nicht, sondern etwas später, und in dem
Momente, wo er sie sieht, da war sie bereits erfaßt von seinem Denken.
Da kann er sie schon unterscheiden, er kann schon wissen, ob sie
Wahrheit oder Unwahrheit ist. Er sieht sie etwas später. Es tritt ihm
aber, indem er sie etwas später sieht, die Erscheinung aus der geistigen
Welt so entgegen, daß er sie gedankendurchdrungen hat und unterscheiden
kann, ob sie Täuschung oder Wirklichkeit ist, so daß er
sozusagen früher etwas hat, bevor er es sieht. Er hat es natürlich im
selben Momente wie der nichtdenkende visionäre Hellseher, aber er
sieht es etwas später. Dann aber, wenn er es sieht, dann ist die Erscheinung
schon mit dem Urteil, mit dem Gedanken durchsetzt, und
er kann genau wissen, ob sie ein Scheinbild ist, ob da seine eigenen
Wünsche objektiviert sind, oder ob sie objektive Realität ist. Das ist
der Unterschied im subjektiven Erlebnis. Der nichtdenkende visionäre
Hellseher sieht die Erscheinung sogleich, der denkende etwas später.
Dafür aber wird sie auch beim ersteren so bleiben, wie er sie sieht,
er kann sie so beschreiben. Der Denker aber wird sie ganz einreihen
können in das, was dann in der gewöhnlichen physischen Welt ist.
Er wird sie in Beziehung bringen können zu dieser. Die physische
Welt ist eben auch, wie jene Erscheinung, eine Offenbarung aus der
geistigen Welt.|117|81f}}
 
== Kopf-, Brust- und Bauchhellsehen ==
 
[[Rudolf Steiner]] hat prinzipiell drei Arten des Hellsehens unterschieden, nämlich das Kopf-, Brust- und Bauchhellsehen, die mit der [[Dreigliederung des menschlichen Organismus]] zusammenhängen, wobei mit dem '''Kopfhellsehen''' zugleich meist auch das Brust- oder '''Herzhellsehen''' aktiviert wird. Es werden dabei die oberen [[Lotosblumen]] bis herunter zum [[Herzchakra]] in Tätigkeit gesetzt. Das Kopfhellsehen hat einen mehr [[Gedanke|gedanklich]]-[[vorstellung]]smäßigen, aber auch [[gefühl]]sartigen Charakter, während das '''Brusthellsehen''' mehr zur [[Wille]]sentwicklung führt. Das Kopfhellsehen liefert zudem vornehmlich Ergebnisse, die vom einzelnen [[Mensch]]en unabhängig und in diesem Sinne „objektiv“ sind, während das '''Bauchhellsehen''' vowiegend mit dem zusammenhängt, was im einzelnen Menschen selbst vorgeht und sehr leicht von [[subjektiv]]en persönlichen [[Egoismus|Egoismen]] durchdrungen wird. Das sogenannte „intuitive“ '''Bauchgefühl''' hängt namentlich mit der dem [[Lebenssinn]] zugehörigen [[Viszerozeption]] zusammen und unterscheidet sich damit deutlich von dem, was Rudolf Steiner als vollbewusste [[Intuition]] bezeichnet.
 
{{GZ|Nun handelt es sich darum, daß der sich mit Geisteswissenschaft Beschäftigende wirklich genau einsieht den Wert der geisteswissenschaftlichen Beschäftigung als solcher und das Verhältnis dieser geisteswissenschaftlichen Beschäftigung zu dem persönlichen Streben, welches durch Meditation und Konzentration der Gedanken, Empfindungen und Willensimpulse oder sonst irgendwie, den Menschen hineinbringt in die geistige Welt. Denn darüber müssen wir uns vor allen Dingen klar sein, und das ist eine tiefe, bedeutungsvolle Wahrheit, daß jene Einheitlichkeit, die uns gewissermaßen umringt in der gewöhnlichen Welt, nicht in derselben Art in der geistigen Welt vorhanden ist. Ich habe schon hingewiesen darauf, daß diese Einheitlichkeit in dem ganzen Gefüge des geistig-seelischen Menschen begründet ist. Wie streben doch die meisten Menschen danach, immer wieder und wieder zu fragen: Was ist die Einheit der Welt? - Wie finden sie sich erst befriedigt, wenn sie alles auf ein Prinzip zurückführen können!
 
In der Tat tritt uns die äußere physische Welt im eminenten Sinne als ein Ganzes, als ein einheitlich Gestaltetes entgegen, und diejenigen Menschen, welche gewissermaßen von dem Einheitsteufel ganz beherrscht sind, kommen zu allen möglichen Gedankenabstraktionen, indem sie suchen das einheitliche Prinzip der Welt...
 
Vor allen Dingen müssen wir demgegenüber im tiefsten Sinne das nehmen, was in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» ausgedrückt ist, daß, sobald wir die Schwelle der geistigen Welt überschreiten, wir wirklich in ein dreifaches Erleben hineingeführt werden. Das habe ich in diesem Buche ganz besonders betont, daß die Seele wie dreigespalten wird; und indem die Seele die Schwelle der geistigen Welt überschreitet, ist nichts mehr eigentlich vorhanden, was es einem möglich macht, an den Einheitsteufel, an diesen bequemen Einheitsteufel zu glauben.
 
Ja, wir fühlen selbst, daß wir, sobald wir die Schwelle der geistigen Welt überschreiten, mit unserem ganzen Wesen eigentlich in drei Welten eintreten, wirklich in drei Welten eintreten. Und wir müssen dies eigentlich nicht aus dem Auge verlieren, daß man nach dem Überschreiten der Schwelle der geistigen Welt das Erlebnis der drei Welten deutlich hat. Schon mit der ganzen Bildung unseres physischen Leibes gehören wir eigentlich drei Welten an. Ich möchte sagen: Zu diesem wunderbaren Gebilde «Mensch», das uns da entgegentritt in der physischen Welt, ist wirklich das Zusammenwirken von drei Welten, die eine verhältnismäßig starke Unabhängigkeit voneinander haben, notwendig. Und wenn wir die Bildung unseres Hauptes betrachten, die Bildung all dessen betrachten, was zum Haupte gehört, dann müssen wir, selbst wenn wir nur vom physischen Haupte sprechen, uns klar sein darüber, daß die Bildekraft unseres Hauptes und auch die Wesenheiten, die in diesen Bildekräften wirkend und schaffend sind, einer ganz anderen Welt angehören als zum Beispiel die Bildekraft unserer Brust, die Bildekraft alles dessen, was zu unserem Herzen gehört, einschließlich der Arme und Hände. Es ist gewissermaßen, wie wenn die Bildekraft zu diesen materiellen Teilen des Menschen einer ganz anderen Welt angehören würde als die Bildekräfte unseres Hauptes. Und wiederum gehören die Unterleibsorgane und die Beine einer ganz anderen Welt an als die beiden anderen Glieder, die genannt worden sind.
 
Nun können Sie fragen: Was hat denn das alles für eine Bedeutung? Es hat eine große Bedeutung, weil im Grunde genommen der gegenwärtige Menschheitszyklus so ist, daß man reine, echte, wirklich wahre Ergebnisse der Geisteswissenschaft nur dadurch bekommt, daß unser Geistig-Seelisches herausgehoben wird aus dem Haupte. So daß gewissermaßen dies der hellseherische Aspekt eines Menschen ist, welcher geisteswissenschaftliche Beobachtungen hervorzubringen hat, die heute der Menschheit in richtigem Sinne dienen können (siehe Zeichnung).
 
[[Bild:Aetherhaupt.gif|right|250px|Ätherhaupt]]
Dieser hellsichtige Aspekt ist so zu betrachten, daß das Geistig-Seelische hier vorzugsweise herausgehoben wird, und daß dieses Geistig-Seelische gleichsam angeschlossen wird, wie durch einen spirituell elektrischen Anschluß, an die Kräfte des Kosmos. Also es muß alles, das Ich und der astralische Leib bis zum Ätherleibe, herausgezogen werden. Dieses Herausziehen ist dann selbstverständlich verknüpft mit der Entwickelung der sogenannten Lotusblumen. Aber die Kräfte, welche die Lotusblumen in Bewegung setzen, liegen in diesem herausgehobenen oder herauszuhebenden Teile des Geistig-Seelischen des Menschen.
 
Dies, was so erlangt wird, daß das Hellsehen gewissermaßen ein Kopfhellsehen ist, das kann geisteswissenschaftliches Resultat in unserer Zeit sein; denn das dient der Menschheit, dieses kopfhellseherische Ergebnis. Von ganz anderer Art ist das hellseherische Ergebnis, das dadurch bewirkt wird, daß mehr das Geistig-Seelische der Organe des Herzens, der Arme und der Hände herausgehoben wird. Dieses Herausheben unterscheidet sich auch innerlich bedeutend von dem, was zustande kommt durch das, was ich nennen möchte das Kopfhellsehen. Das Herausheben aus dem materiellen Herzorgan wird mehr bewirkt durch die Meditation, die sich auf das Willensleben bezieht; es wird bewirkt durch die demütige Hingabe an den Weltenprozeß. Während das Kopfhellsehen mehr durch die Gedanken, vorstellungsmäßig, aber auch durch empfindungsmäßige Vorstellungen bewirkt wird.
 
Es ist im allgemeinen mit Bezug auf diese beiden Arten des Hellsehens so, daß im Grunde das Herzhellsehen oder das Brusthellsehen, in dem Grade, wie es sich entwickeln soll, mit dem Kopfhellsehen sich schon entwickelt. Es führt das Brusthellsehen mehr zur Willensentwickelung, zum Zusammenhang mit den Aktionen der geistigen Wesenheiten niederer Hierarchien, wie derjenigen, die in den verschiedenen Reichen der Erde verkörpert sind, während das Kopfhellsehen mehr zu dem Anschauen, dem Erkennen, dem Wahrnehmen in den wirklich dem Menschen zunächst wichtigeren höheren Welten führt; wichtigeren, höheren Welten in dem Sinne, daß das Wissen von diesen höheren Mächten zur Befriedigung gewisser Erkenntnisbedürfnisse notwendig ist, die immer mehr und mehr auftreten müssen in der gegenwärtigen Menschheit. Je mehr wir der Zukunft unserer Entwickelung auf der Erde entgegenrücken, desto weniger werden die Menschen, ohne daß ihr Seelenleben ausgedörrt wird, leben können, wenn sie nicht in ihre Erkenntnis aufnehmen können die Ergebnisse dieses Hellsehens.
 
Und wieder eine dritte Art von Hellsehen ist diejenige, die dadurch entsteht, daß aus dem übrigen Menschen gelockert wird, also herausgehoben wird dasjenige, was man das Geistig-Seelische nennen kann. Da müßte ich (auf der Zeichnung) da unten, gegen das Ende zu, das Herausrücken andeuten.
 
[[Bild:Aetherbauch.gif|right|250px|Lockerung des [[Ätherleib]] im Bauchbereich.]]
Wenn auch der Ausdruck nicht besonders ästhetisch ist, so darf ich aber doch vielleicht diese Art des Hellsehens das Bauchhellsehen nennen. So daß man wirklich unterscheiden kann: das Kopfhellsehen, das Brusthellsehen und das Bauchhellsehen.
 
Während das Kopfhellsehen für unseren Menschheitszyklus im eminentesten Sinne dahin führt, von dem Menschen unabhängige Ergebnisse zu gewinnen, führt das Bauchhellsehen dazu, vorzugsweise Ergebnisse zu gewinnen, welche zusammenhängen mit dem, was im Menschen selber vorgeht. Dasjenige, was im Menschen selber vorgeht, muß selbstverständlich auch Gegenstand des Forschens sein, gibt es doch auch auf dem Gebiete des physischen Forschens die Anatomie und die Physiologie, die sich mit alledem zu befassen haben. Es darf nicht die Meinung auftauchen, daß dieses Bauchhellsehen nicht einen gewissen Wert, im höchsten Sinne des Wortes, haben könnte. Selbstverständlich hat es seinen Wert. Aber klar muß man sich darüber sein, daß dieses Bauchhellsehen nur wenig den Menschen unterrichten kann über dasjenige, was unpersönlich in den kosmischen Vorgängen sich abspielt, daß es im wesentlichen den Menschen unterrichtet über das, was in dem Menschen, ich möchte sagen, innerhalb der Haut des Menschen vor sich geht. Über andere Gegensätze zwischen Kopfhellsehen und Bauchhellsehen werde ich noch sprechen, aber in bezug auf das Moralisch-Ethische sind diese beiden Arten im Grunde genommen auch innerlich recht gut zu unterscheiden. Das Brusthellsehen steht dazwischen, zwischen Kopfhellsehen und Bauchhellsehen. In bezug auf das Ethische ist verhältnismäßig am wichtigsten das Kopfhellsehen. Menschen, welche danach streben, in unpersönlicher Weise, in dem Sinne wie es angedeutet ist in «[[Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]]», zu einer Anschauung der höheren Welten zu kommen, Menschen, welche es sich nicht verdrießen lassen, diesen unbequemen, aber sicheren Weg zu gehen, die werden in bezug auf ihre Hellsichtigkeit auch etwas Unpersönliches in sich entwickeln, vor allen Dingen ein höheres Interesse für die objektive Welterkenntnis, für dasjenige, was in der Welt des kosmischen und in der Welt des geschichtlichen Werdens vor sich geht.
 
Von dem Menschen selber wird dieses Kopfhellsehen vorzugsweise in dem Sinne sprechen, daß es aufmerksam macht, wie der Mensch sich hineinstellt in den kosmischen, in den geschichtlichen Werdegang des Lebens, aufmerksam macht darauf, was der Mensch im Ganzen des Weltenprozesses ist, und es wird immer dasjenige, was herauskommt bei diesem Kopfhellsehen, einen unpersönlichen, ich möchte sagen, einen allgemein-wissenschaftlichen Charakter haben; es wird Mitteilungen enthalten, die Wichtigkeit haben - ich bitte das Wort wohl zu beachten - für alle Menschen, nicht nur für den einen oder den anderen.
 
Dasjenige, was Bauchhellsehen ist, das wird vorzugsweise durchdrungen sein von allen möglichen menschlichen Egoismen, wird überhaupt sehr leicht dazu verführen, daß sich der betreffende Hellseher viel mit sich, mit den okkulten Unterlagen seines eigenen Geschickes befaßt, mit den okkulten Unterlagen seines persönlichen Wertes und Charakters. Das ergibt sich wie eine selbstverständliche Neigung aus dem, was man das Bauchhellsehen nennt.
 
Nun tritt in bezug auf die anschauliche Natur zwischen den beiden Arten des Hellsehens ein starker Unterschied auf. Derjenige, der danach strebt, zunächst in dem Sinne, wie es gegeben ist in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», mit seinem Seelisch-Geistigen frei zu werden von dem Wahrnehmungsapparat des Kopfes, der also gewissermaßen den geistig-seelischen Teil des Kopfes herauslockert aus dem physischen Werkzeuge und mit diesem geistig-seelischen Kopfteile sich hineinzuversetzen vermag in die geistige Welt, der wird es außerordentlich schwer haben, aus bloß schattenhaft-hellseherischen Erlebnissen herauszukommen. Dieses Heraustreten aus dem Kopfe ist verbunden zunächst mit Erlebnissen, die wirklich nicht einmal die Farbe, die Gesättigtheit von lebhaften Erinnerungen haben, die also gewissermaßen innerlich sehr farblos auftreten, und erst wenn man in den Anstrengungen, die auf diesem Wege liegen, immer weiter und weiter dringt, stellt es sich heraus, daß der schattenhafte Charakter dieser Erlebnisse sich verliert, und daß gewissermaßen mit Farbigem und Tönendem die farblosen und schattenhaften Erlebnisse tingiert werden.
 
[[Bild:Aethersphaere.gif|right|250px|Äthersphäre]]
Denn der Prozeß, der sich da abspielt, ist der, daß wir herausrücken aus unserem Kopfe zunächst und wirklich in einer Welt darinnen sind, die wir sehr schwer haben zu bemerken. Dann, indem wir nach und nach, langsam uns erwerben die Möglichkeit, außerhalb unseres Kopfes zu leben, verstärken sich diese inneren Lebenskräfte, und die Folge davon ist, daß aus dem ganzen Umkreise der Welt die zuströmenden Kräfte zusammengezogen werden. Also denken Sie sich, aus dem ganzen Umkreise der Welt müssen die Kräfte zusammengezogen werden, und wenn wir aus dem Umkreise der Welt die ganzen Kräfte zusammenziehen, dann bekommen wir die Tingierung mit Farbigem und Tönendem. Denken Sie sich einmal, um sich das vorzustellen, Sie haben hier - a - eine Fläche, die sehr stark gefärbt ist, eine Kugelfläche. Und nun denken Sie sich diese Kugelfläche hinausgedehnt über eine große Fläche - b, c -. Da wird die Farbe viel blasser, und wenn wir sie noch weiter ausdehnen, so wird die Farbe immer blasser und blasser; wenn wir sie hereinbringen würden, so würden wir, wenn dies ein blasses Gelb ist, hier ein sehr gestärktes, gesättigtes Gelb bekommen, weil dieselbe Menge der Farbpunkte dann wieder mehr zusammenkonzentriert ist.
 
Nun steht das Kopfhellsehen dem ganzen Kosmos gegenüber, und über den ganzen Kosmos ist dasjenige ausgedehnt, was der Mensch erst zusammenkonzentrieren muß mit seinen Lebenskräften in das, was er selber ist hellseherisch seiner Wesenheit nach; so daß er wirklich nur im mühseligen Gang der inneren Entwickelung allmählich das Schattenhafte der Erlebnisse tingiert. Und dann, wenn man lange, lange sich Mühe gegeben hat, das allgemeine Erleben zu haben, das einem nur das Gefühl gibt, außerhalb seines Leibes zu sein, und wenn man dieses allgemeine Erleben lange gehabt hat und immer mehr ein Gefühl bekommen hat, ein intensiveres, aber noch nicht farbiges und tönendes, inneres Erleben zu haben, dann kommen allmählich die Gebiete aus dem Kosmos an das Kopfhellsehen heran.
 
Das ist eine Sache der langsamen, selbstlosen Entwickelung. Insbesondere muß gesagt werden, daß zu dieser Entwickelung unerläßlich ist das Studium der Geisteswissenschaft. Es muß immer wieder und wieder betont werden, daß die Geisteswissenschaft, wenn sie gegeben ist, wirklich verstanden werden kann. Man kann das nicht oft genug betonen, daß man kein Hellseher zu sein braucht, um Geisteswissenschaft zu verstehen. Selbstverständlich muß man Hellseher sein, um zu den Ergebnissen zu kommen; aber wenn sie einmal da sind, braucht man kein Hellseher zu sein.
 
Dieses Verständnis der Geisteswissenschaft muß vorangehen dem eigentlichen Schauen. Auch hier ist es so, daß man sagen kann: es ist der umgekehrte Weg von dem der richtige, der m der physisch-sinnlichen Welt der richtige ist. In der physisch-sinnlichen Welt haben wir zuerst die richtigen Anschauungen, dann gehen wir zum gedanklichen Betrachten über; wir bilden uns die wissenschaftlichen Urteile hinterher. Beim Aufsteigen in die geistige Welt ist es umgekehrt. Da müssen wir zuerst die Begriffe und Vorstellungen entwickeln, müssen uns anstrengen, um uns objektiv in die Geisteswissenschaft einzuleben; sonst können wir niemals sicher sein, daß irgendwelche Beobachtung in der geistigen Welt von uns im richtigen Sinne gedeutet wird. Da muß die Wissenschaft eben dem Schauen vorangehen. Und das ist es, was vielen so unendlich unbequem ist: daß sie die Geisteswissenschaft studieren sollen. Das nehmen viele als unbegreifliche Zumutung hin. Denn sie streben danach, Anschauungen zu haben in der geistigen Welt. Gewiß, die kann man relativ leicht haben; aber sie richtig zu deuten, dazu gehört, daß man wirklich objektiv, selbstlos sich in die Geisteswissenschaft einläßt, sich mit ihr durchdringt.
 
Nun ist gerade das Umgekehrte der Fall bei dem, was man nennen kann das Bauchhellsehen. Da gehen wir aus von demjenigen Geistig-Seelischen, das zunächst gearbeitet hat an unserem Leiblich-Physischen. Denn all dem, was es in der Welt gibt, liegt ein Geistiges zugrunde. Wenn Sie, sagen wir, ein Stück Kohlrabi gegessen haben - wir sind ja meist Vegetarier - und es dann verarbeitet wird in unserem Organismus, so hat man es nicht bloß mit dem physisch-chemischen Prozeß zu tun, den der Magen mit seinen Kräften und Säften ausführt, sondern hinter dem allem ist der Ätherleib, der Astralleib und das Ich tätig. Alle diese Prozesse haben hinter sich geistig-spirituelle Prozesse. Es würde ganz falsch sein zu glauben, daß es materielle Prozesse gibt, die nicht einen spirituellen Prozeß hinter sich haben.
 
Denken Sie sich nun, Sie legen sich nach einem mehr oder weniger opulenten Mittagsmahle hin und werden hellsichtig, aber so hellsichtig, daß sich das Geistig-Seelische der Verdauungsorgane vor allen Dingen aus diesen Verdauungsorganen heraushebt. Dann leben Sie, während Ihr Magen und die übrigen Organe richtig verdauen, mit Ihrem Geistig-Seelischen im Geistig-Seelischen selber. Und während Ihnen sonst der spirituelle Prozeß unbewußt bleibt, der sich in Ihrem Ätherleibe, Astralleibe und Ich vollzieht, kommt er Ihnen, wenn Sie hellseherisch werden, zum Bewußtsein, und Sie können dann, indem Sie sich erleben in dem Geistig-Seelischen, all jenes Arbeiten und Bilden und Schaffen des Geistig-Seelischen an den Leibesgliedern während der Verdauung sehen; sehen, indem es sich hinausprojiziert m die Welt, und Ihnen, bildhaft sich spiegelnd, im äußeren Äther erscheint. Dann bekommen Sie, weil Sie jetzt nicht so sehr aus dem Kosmos anzuziehen haben die Farbe, sondern weil Sie den ganzen Prozeß konzentriert in Ihrer eigenen Haut sich abspielen haben, die allerschönsten hellseherischen Gebilde. So daß ein Wunderbares, das sich abspielt um Sie in den herrlichsten, lichtesten Farben- und Gestaltungsprozessen, nichts anderes zu sein braucht als der in den Geistesorganen des Menschen vor sich gehende Verdauungsprozeß oder sonst ein im Leibe befindlicher Prozeß.
 
Dieses Hellsehen unterscheidet sich von dem anderen ganz besonders dadurch, daß während das andere Hellsehen von schattenhaften Gebilden ausgeht und erst mühselig die Tingierung mit Farbe und Ton erhält, dieses schon ausgeht von dem Schönsten und Herrlichsten, das man sehen kann. Man kann es geradezu als ein Gesetz aussprechen: wenn das Hellsehen beginnt mit den herrlichsten Gebilden, insbesondere mit Farbengebilden, dann ist es ein Hellsehen, das sich bezieht auf Prozesse, die sich innerhalb des Persönlichen abspielen. Ich betone aber noch ausdrücklich, daß es für das Erforschen der geistigen Welt von großem Wert sein kann. Geradeso wie der Anatom und der Physiologe den Verdauungsprozeß und andere Prozesse untersuchen müssen, so hat es auch einen höchsten wissenschaftlichen Wert, auf diese Weise das hinter den menschlichen Prozessen stehende Geistige, das Spirituelle zu erforschen. Aber schlimm wäre es, wenn man sich irgendwelchen Täuschungen hingeben würde, wenn man sich Illusionen hingeben und die Dinge nicht in der richtigen Weise deuten würde.
 
Wenn man glauben würde, daß ein solches, ohne die entsprechende Vorbereitung auftretendes Hellsehen mehr geben könnte, als was sich im Menschen abspielt und sich hinausprojiziert in die objektive Welt, wenn man glauben würde, daß man gewissermaßen den regierenden Weltenmächten, den tonangebenden geistigen Kräften durch ein solches Hellsehen näherkommen könnte, so würde man sich sehr täuschen. Ebensowenig wie man durch die Untersuchung der menschlichen Verdauung die Weltenrätsel lösen kann, ebensowenig kann man den Weltenrätseln und Geheimnissen dadurch näherkommen, daß man dieses Bauchhellsehen entwickelt.
 
Sie sehen also, wieviel dazugehört, sich in der Welt, in die wir eintreten durch das Freiwerden unserer geistig-seelischen Kräfte, wirklich richtig zu orientieren. Niemand sollte etwa durch die Erörterungen, die darüber gepflogen worden sind, einen Abscheu haben vor dem Bauchhellsehen. Aber jeder sollte sich klar sein darüber, wie sich ein solches Hellsehen verhält zu dem, was wirklich geistiges Hellsehen werden kann, und wie man fernhalten muß von aller äußeren Überschätzung dasjenige, was auf hellseherischem Wege so gewonnen wird, daß es nur einen persönlichen Inhalt haben kann. Erst dann, wenn man bei diesen Dingen, die auch persönlichen Inhalt haben, absehen kann von dem Persönlichen und sie so betrachten kann wie der Anatom, der Physiologe dasjenige betrachtet, was er durch die Sektion erlebt oder durch seine Untersuchungen erhält, erst wenn man da zur wissenschaftlichen Betrachtung übergeht, dann haben die Dinge einen besonderen Wert. Jedenfalls dürfen sich an diese Dinge nicht im entferntesten irgendwelche religiöse Gefühle anknüpfen; die können sich nur an die Ergebnisse des Kopfhellsehens anknüpfen. Und man wird dem anderen Hellsehen um so gerechter, je mehr man geradezu die Forderung stellt, daß seine Ergebnisse nur im wissenschaftlich-objektiven Sinne behandelt werden, wie die Ergebnisse der Anatomie, der Physiologie.
 
Nicht alles, was auf dem Wege des Hellsehens gefunden wird, ist - ich möchte diesen radikalen Satz aussprechen - anbetungswürdig; aber alles ist des Erlernens wert. Das ist es, was wir ins Auge fassen müssen. Ich sagte, für unseren Zyklus sei es ganz besonders wichtig, die Ergebnisse des Kopfhellsehens der allgemeinen geistigen Menschheitskultur einzuverleiben; und das ist wirklich wichtig. Ich will heute in bezug auf diese Wichtigkeit eine Seite der Sache einmal erwähnen. Wir leben wirklich in einer Zeit, in welcher sich die Menschheit vorbereiten muß, allmählich über den bloßen philosophischen Idealismus hinauszukommen und einzulaufen in ein wirkliches Bewußtsein von den geistigen Welten, von der allgemeinen geistigen Welt, in der wir darinnen leben, wie wir in der physischen Welt darinnen leben.
 
Nun, gehen wir von einem Erlebnisse des Kopfhellsehens aus, das wir leicht verstehen werden, wenn wir uns ein wenig vertieft haben in die Dinge, die gesagt worden sind in dem Münchner Zyklus, der zuletzt gehalten worden ist, und die auch ausgeführt worden sind in meinem Buche «Die Schwelle der geistigen Welt». Ich habe da besonders erwähnt, daß unser Denken eine Umänderung erfährt in dem Augenblicke, wo wir uns freimachen, besonders in bezug auf unsere Gedanken, von dem physischen Werkzeuge des Kopfes. Ich habe es damals grotesk ausgedrückt, indem ich gesagt habe: Wenn wir so frei werden, dann haben unsere Gedanken nicht mehr den Charakter, den sie haben im gewöhnlichen, alltäglichen Leben. Im gewöhnlichen, alltäglichen Erleben müssen wir das Gefühl haben - wenn wir nicht verrückt sind -, daß wir Herr sind über unsere Gedankenwelt, daß, wenn wir zwei Gedanken haben, wir es sind, die diese Gedanken verbinden oder trennen.
 
Wenn wir uns erinnern, sind wir uns bewußt: mit unserem Innenleben gehen wir von einem gegenwärtigen zu einem vergangenen Erlebnis über. Immer haben wir das Gefühl: wir sind es, die hinter dem Gewebe und Gewoge unserer Gedanken stehen. Das hört auf in dem Augenblicke, wo wir im Kopfteil das Geistig-Seelische freiwerden lassen vom physischen Werkzeug, wo wir ein Denken entwickeln, das leibbefreit ist. Ich habe dazumal radikal gesagt: Es ist, wie wenn wir den Kopf in einen Ameisenhaufen hineingesteckt hätten, in dem alles zu quirlen anfängt. So fangen die Gedanken auch an, ein eigenes Leben zu entwickeln und durcheinanderzuspielen. Und wenn wir im gewöhnlichen Leben zwei Gedanken haben und sie verbinden, wie zum Beispiel die zwei Gedanken «Rose» und «rot», so wissen wir, daß wir Herr sind in unserer Gedankenwelt, die Begriffe zu verbinden zu: «die Rose ist rot» und zu der Vorstellung «die rote Rose». Das ist nicht so, wenn wir draußen sind außer dem Leibe. Da bekommen wir in die Gedanken Leben, das Eigenleben der Gedanken. Jeder Gedanke wird zu einem Wesen. Der eine Gedanke läuft zu dem anderen hin, ein anderer läuft von dem anderen fort.
 
Also die Gedankenwelt gewinnt ein Eigenleben. Warum gewinnt sie ein Eigenleben? Nun, was wir im gewöhnlichen Denken des Alltags erleben, das sind nur Bilder, nur Schatten von Gedanken. Sie können das schon in meinem Buche «Theosophie» nachlesen. Sobald wir das Denken leibfrei entwickeln, wird jeder Gedanke so wie eine Hülse, und in die Hülse hinein schlüpft ein elementares Wesen. Der Gedanke ist nicht mehr in unserer Gewalt: Wir lassen ihn, wie einen Fühler, hinausgehen in die Welt, und da schlüpft ein elementarisches Wesen hinein. Unsere Gedanken sind so von elementarischen Wesen gleichsam ausgefüllt, und das quirlt und braust, das webt und west in uns. So daß wir sagen können: Wenn wir unseren geistig-seelischen Teil des Kopfes in die geistige Welt hineinstecken - wir haben ihn nur dadurch draußen, daß wir im physischen Kopfe nicht darinnen sind -, wenn wir ihn so hineinstecken in die geistige Welt, dann erleben wir nicht mehr solche Gedanken, wie wir sie erleben in der physischen Welt, sondern wir erleben das Leben von Wesen. Wir stecken unseren Kopf eben, wie ich damals sagte, gleichsam in einen Ameisenhaufen hinein. Wir erleben das Leben von Wesen.
 
So ist es im Grunde genommen bis hinauf zu den Wesenheiten der
höchsten Hierarchien. Und wenn wir einen Engel, einen Erzengel, einen
Geist der Persönlichkeit erleben wollen, so muß es so sein, daß wir in der
geschilderten Weise unsere Gedanken ausstrecken. Das Wesen muß sich
einhüllen in unsere Gedanken. Wir schicken unsere Gedanken aus, und das Wesen schlüpft hinein und bewegt sich darinnen. Wenn wir wahrnehmen die Wesen auf der Venus oder auf dem Saturn, so ist es so, daß wir unsere Gedanken hmausschlüpfen lassen, und die Venus- und Saturnwesen hineinschlüpfen. Wir dürfen uns nicht fürchten davor, nicht mehr irdisch-menschliche Gedanken zu haben, sondern Hierarchiengedanken. Wir müssen uns gewöhnen, mit unserem Kopfe in den höheren Hierarchien darinnen zu leben. Wir müssen uns sagen: unser Denken hört auf, und unser Kopf wird der Schauplatz des Wirkens der höheren Hierarchien.
 
Nun ist es so, daß in der Fichte-Schelling-Hegel-Philosophie der Gedanke bis zu seiner reinsten Gedankenklarheit gebracht worden ist im Beginn des 19. Jahrhunderts. Wozu sich der Gedanke aufschwingen kann, das ist in dieser Philosophie wirklich enthalten. Die Aufgabe, bis zu welcher der Gedanke gebracht werden kann, ist da gelöst. Der nächste Schritt aber ist der, daß der Gedanke aus sich herausgeht und man wirklich hineinkommt in das quirlende und webende Leben des Gedankens. So daß wir in der Zeit leben - man kann das sagen -, wo die Menschheit dazu berufen ist, wahrzunehmen die höheren Hierarchien. Hingenommen werden sollen wir von der Welt der höheren Hierarchien, und abstreifen müssen wir die Furcht vor dem Verlieren der Gedanken an das Leben und Weben in den höheren Hierarchien.|161|153ff}}
 
== Literatur ==
* Goethes Werke (WA). Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1887-1919. Abteilung  IV 8, Briefe
* [[Immanuel Kant]], Kritik der Urteilskraft, § 77
* Karl von Meyenn (Hrsg.): ''Wolfgang Pauli. Wissenschaftlicher Briefwechsel, Band III: 1940–1949. Springer. Berlin (1993) Brief #929, S. 496
* H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.), ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995
* Goethes Werke, ''Vollständige Ausgabe in vierzig Teilen'', Auf Grund der Hempelschen Ausgabe, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co, Berlin Leipzig Wien Stuttgart, 38. Teil
* [[Flensburger Hefte]] Nr. 66: ''Hellsehen - Der Blick über die Schwelle'', Flensburger Hefte Vlg., Flensburg 1999
* [[Flensburger Hefte]] Nr. 107: ''Neues Hellsehen'', Flensburger Hefte Vlg., Flensburg 2010
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen'', [[GA 16]] (2004), ISBN 3-7274-0160-5; zusammen mit [[GA 17]] in '''Tb 602''', ISBN 978-3-7274-6021-0 {{Schriften|016}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Schwelle der geistigen Welt'', [[GA 17]] (1987), ISBN 3-7274-0170-2 {{Schriften|017}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Philosophie und Anthroposophie'', [[GA 35]] (1984), ISBN 3-7274-0350-0 {{Vorträge|035}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Briefe Band I: 1881 – 1890'', [[GA 38]] (1985), ISBN 3-7274-0380-2 {{Briefe|038}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Spirituelle Seelenlehre und Weltbetrachtung'', [[GA 52]] (1986), 30. März 1904, Berlin {{Vorträge|52}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Erkenntnis der Seele und des Geistes'', [[GA 56]] (1985), ISBN 3-7274-0560-0 {{Vorträge|056}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins'', [[GA 60]] (1983), ISBN 3-7274-0600-3 {{Vorträge|060}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Lukas-Evangelium'', [[GA 114]] (2001) {{Vorträge|114}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die tieferen Geheimnisse des Menschheitswerdens im Lichte der Evangelien'', [[GA 117]] (1986), ISBN 3-7274-1170-8 {{Vorträge|117}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wie erwirbt man sich Verständnis für die geistige Welt?'', [[GA 154]] (1985), ISBN 3-7274-1540-1 {{Vorträge|154}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1980) {{Vorträge|161}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Kunst und Kunsterkenntnis'', [[GA 271]] (1985), ISBN 3-7274-2712-4 {{Vorträge|271}}
 
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]]
[[Kategorie:Anthroposophie]]
[[Kategorie:Anthroposophie]]
[[Kategorie:Schulungsweg]]
[[Kategorie:Schulungsweg]]
[[Kategorie:Einweihung|!]]
[[Kategorie:Erleuchtung]]
[[Kategorie:Erleuchtung]]
[[Kategorie:Einweihung]]
[[Kategorie:Hellsehen|!]]
[[Kategorie:Esoterik]]
[[Kategorie:Esoterik]]
[[en:Clairvoyance]]
[[Kategorie:Hellsehen]]

Version vom 25. August 2019, 11:28 Uhr

Der geistige Schulungsweg ist ein Erkenntnispfad, welcher der geistigen Entwicklung dient und den Geistesschüler durch geeignete Konzentrations- und Meditationsübungen (Seelenübungen) stufenweise zur Einweihung führt. Er arbeitet dabei an seinem Ätherleib, nachdem er zur Vorbereitung seinen Astralleib geläutert hat.

"Alles das, was nur auf den Astralleib wirkt, ist nur Vorbereitung zur eigentlichen esoterischen Schulung, zur eigentlichen okkulten Schulung. Die okkulte Schulung beginnt da, wo wir das Hineinarbeiten in den Äther- oder Lebensleib lernen, wo der Mensch in den Stand gesetzt wird, durch die Anleitung, die ihm der okkulte Lehrer gibt, die Temperamente, Neigungen und Gewohnheiten umzuwandeln, wo der Mensch ein anderer wird. Damit kommt erst die Einsicht in die wirkliche höhere Welt, daß der Mensch ein anderer Mensch wird." (Lit.: GA 096, S. 258f)

Ein wichtiger Grundsatz der okkulten Entwicklung

„Ein wichtiger Grundsatz in der okkulten Entwickelung ist der, sich keinen anderen Wert beizumessen als denjenigen, der da kommt aus den Leistungen in der physischen Welt innerhalb der gegenwärtigen Inkarnation. Das ist außerordentlich wichtig. Jeder andere Wert muß erst auf Grundlage einer höheren Entwickelung kommen, die sich erst dann ergeben kann, wenn man zunächst feststeht auf dem Boden, daß man sich für nichts anderes hält, als was man in dieser Inkarnation hat leisten können. Es ist das auch natürlich, wenn man die Sache objektiv betrachtet, denn das, was man geleistet hat in der gegenwärtigen Inkarnation, ist das Ergebnis auch der früheren Inkarnationen; es ist das, was Karma bisher aus uns gemacht hat. Was Karma noch aus uns macht, müssen wir erst machen lassen, das dürfen wir nicht in unseren Wert hineinrechnen.“ (Lit.:GA 136, S. 41)

Drei Wege in die geistige Welt

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten des Schulungs- und Erkenntniswegs, die den drei Seelenkräften des Denkens, Fühlens und Wollens entsprechen.

"Der Mensch muß so vorbereitet werden, daß er während des gewöhnlichen Tageslebens jene Übungen macht, die ihm von den Eingeweihtenschulen vorgeschrieben werden, Meditation, Konzentration und so weiter. Diese Übungen sind im Grunde genommen in bezug auf ihre Bedeutung für den Menschen bei allen Einweihungsschulen dieselben. Sie sind nur insofern ein wenig voneinander verschieden, als sie, je weiter wir zurückgehen in die vorchristlichen Einweihungsschulen, mehr darauf gerichtet sind, das Denken, die Denkkräfte zu üben, zu trainieren. Je mehr wir uns den christlichen Zeiten nähern, desto mehr sind sie darauf gerichtet, die Gemütskräfte zu schulen, und je näher wir den neueren Zeiten kommen, desto mehr sehen wir, wie in den sogenannten Rosenkreuzerschulungen, durch die Forderungen und Bedürfnisse der Menschheit bedingt, eine besondere Art der Willenskultur, der Willensübungen eingeführt wird. Wenn auch die Meditationen zunächst ähnliche sind wie in den anderen vorchristlichen Schulen, so herrscht doch überall auf dem Grunde der Rosenkreuzerübungen eine besondere Schulung des Willenselementes." (Lit.: GA 104, S. 53)

Auf dem Rosenkreuzer Schulungsweg, der der modernste dieser drei Schulungswege ist, muss vor allem das im Denken waltende Willenselement ergriffen werden:

"Denkübungen auf der einen Seite, Willensübungen auf der anderen Seite muß man machen, wenn sich das Tor öffnen soll zur übersinnlichen Welt, in die wir eintreten müssen, wenn wir uns unsererseits, als Menschen, nach unserem Ewigen erkennen wollen, und wenn wir die Welt nach dem Ewigen erkennen wollen. Die Denkübungen, sie werden gerade dadurch vollzogen, daß wir uns darauf besinnen, wie immer Willensartiges in das Denken hineinspielt; die Willensübungen, indem wir das Hineinspielen des Denkens in den Willen beachten. Nur im gewöhnlichen Leben beachten wir dieses Willensartige nicht. Um zur modernen Initiation zu kommen, müssen wir gerade den leisen Willen, der in dem Vorstellungsleben darinnen ist, beachten. Das müssen wir nach und nach erreichen durch die Übungen, die ich beschrieben habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?». Das ist es gerade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das, was für gewöhnlich gerade das Wichtigste ist, den Gedankeninhalt zurücktreten lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen lernen." (Lit.: GA 211, S. 144)

Die drei grundlegenden Schulungswege

Alle Schulungswege sind Varianten oder Mischungen der drei grundlegenden Wege, die ihren Ausgang vom Denken, Fühlen oder Wollen nehmen. Jeder Geistesschüler sollte den Weg wählen, der seiner Wesensart angemessen ist. Diese drei Wege in die geistige Welt sind:

"Eigentlich müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen zurück: Auf den Jogaweg, die christlich-gnostische Einweihung und die christlich-rosenkreuzerische Einweihung. Einen dieser drei verschiedenen Wege kann man also beschreiten. Sie sind deshalb verschieden, weil es drei Gattungen von Menschen gibt. Unter den europäischen Menschen findet man nur wenige, welche den orientalischen Jogaweg gehen können. Daher ist es für den Europäer im allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem ganz andern Sonnenlichte, Die Verschiedenheit des Orientalen vom Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können, aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied, und dieser muß berücksichtigt werden, da die innere Entwickelung tief eingreift in die seelische und geistige Natur des Menschen. Die feinere Struktur des Hindugehirns ist für den Anatomen nicht wahrnehmbar. Aber wenn man dem Europäer das zumutete, was man dem Inder zumuten kann, dann würde man ihn zugrunde richten. Man kann dem Inder gewisse Verrichtungen vorschreiben, die dem Europäer gar nichts nutzen oder ihm sogar schlecht bekommen. Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines Lehrers, eines sogenannten Guru. Wer ihn gehen will, muß sich bis in die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen. Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen, wenn man sich nicht aus den äußeren Lebensverhältnissen herausreißt. Es ist nämlich notwendig, daß die verschiedensten äußeren Maßnahmen getroffen werden, um die vorgeschriebenen Übungen zu unterstützen. Wenn man gewisse Erlebnisse hat, die auf die Gefühlswelt einen Eindruck machen, so wird dies, wenn man eine innere okkulte Entwickelung durchmacht, einen tiefgehenden Einfluß haben. Darum muß der orientalische Jogaschüler in allen Einzelheiten des Lebens den Guru fragen. Wenn man irgendwelche Veränderungen im Leben vornehmen will, so muß man sich von dem Guru dazu die Richtung weisen lassen. Also ist der Jogaweg ein solcher, der die absolute Unterwerfung unter den Guru voraussetzt. Man muß lernen, mit den Augen des Guru zu sehen, und lernen, wie er zu fühlen. Man kann diesen Weg nicht gehen ohne tiefes Vertrauen, ohne vollkommene Liebe, vereint mit uneingeschränktem Vertrauen und bedingungsloser Hingabe, die alles andere übersteigt.

Bei dem christlich-gnostischen Weg gibt es nur einen großen Lehrer, den zentralen Guru. Erforderlich ist da der Glaube an den Christus Jesus selbst, nicht nur an seine Lehren. Der christlich-gnostische Schüler muß glauben können, daß in dem Christus Jesus die einzige hohe göttliche Individualität inkarniert war, eine Individualität, die nicht zu vergleichen ist mit irgendeiner andern, selbst der höchsten Individualität. Alle andern Individualitäten haben auf dieser Erde auf einer niedrigeren Stufe angefangen und sind dann aufgestiegen, wie Buddha, Hermes, Zoroaster, Pythagoras, so daß ihre geistige Gestalt das Ergebnis vieler vorhergehender Inkarnationen ist. Bei dem Christus Jesus ist das nicht der Fall. Er läßt sich nicht vergleichen mit irgendeiner andern Individualität, mit irgend etwas anderem auf der Erde. Ohne diesen Glauben würde man den rein christlich-gnostischen Weg nicht gehen können.

Ein dritter Weg ist der christlich-rosenkreuzerische. Da ist der Lehrer der Ratgeber, der seinen Rat vorzugsweise auf die Maßnahmen der geistigen Entwicklung selbst beschränkt. Diese geistige Entwicklung muß so eingerichtet werden, daß sie einen durchgreifenden Einfluß auf das Leben des Menschen hat. Ein Lehrer muß bei der Einweihung immer da sein. Eine ernsthafte Einweihung ohne Lehrer gibt es nicht. Wer das behaupten wollte, würde etwas ebenso Törichtes sagen wie jemand, der die Geburt eines Kindes ohne das Zusammenwirken der beiden Geschlechter als möglich erachtete. Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang." (Lit.: GA 097, S. 193ff)

Überblick über die von Rudolf Steiner besprochenen Schulungswege

Neben den bereits genannten drei Grundtypen des Schulungswegs hat Rudolf Steiner auch die Mithras-Einweihung ausführlicher besprochen:

Der anthroposophische Schulungsweg ist die unmittelbare Fortsetzung des Rosenkreuzer-Weges. In der Regel umfassen alle Schulungswege, wie oben erwähnt, sieben Stufen. Den Yoga-Schulungsweg schildert Steiner allerdings auch als 8-stufigen Einweihungsweg. Er ist aber im Prinzip mit dem 7-stufigen Weg identisch, doch wird hier die 6. Stufe in zwei gesonderte Stufen aufgeteilt. In der nachstehenden Tabelle findet sich ein Vergleich verschiedener Schulungswege:

Mithras-EinweihungChristlicher SchulungswegRosenkreuzer Schulungsweg

1
2
3
4
5
6
7

Rabe
Okkulter
Streiter
Löwe
Perser
Sonnenheld
Vater

Fußwaschung
Geißelung
Dornenkrönung
Kreuzigung
mystischer Tod
Grablegung und Auferstehung
Himmelfahrt

Studium
Imaginative Erkenntnis
Inspirierte Erkenntnis oder Lesen der okkulten Schrift
Bereitung des Steins der Weisen
Entsprechung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos
Hineinleben in den Makrokosmos
Gottseligkeit

Dass geistige Schulungswege meist siebenstufig dargestellt werden, hängt unter anderem damit zusammen, dass im Laufe der Schulung durch geeignete Seelenübungen schrittweise die sieben hauptsächlichen seelischen Wahrnehmungsorgane des Menschen, die Lotosblumen oder Chakren, für die geistige Wahrnehmung erweckt werden, die ihrerseits wieder in einem gewissen Zusammenhang mit den sieben Planetensphären stehen. Die Lotosblumen sind ja Organe des Astralleibs – des Sternenleibes.

Die Siebengliedrigkeit des Schulungsweges ist also wohlbegründet in den kosmischen Verhältnissen. Dennoch darf man sie nicht pedantisch schematisch nehmen, denn in der Praxis können einzelne Stufen noch feiner untergliedert werden, wodurch man dann zu scheinbar abweichenden, größeren Zahlen kommt, die aber dennoch die Siebenzahl im Hintergrund haben. So hat etwa Rudolf Steiner selbst in den Motiven der 9 Glasfenster des ersten Goetheanums bildhaft-eindringlich den modernen anthroposophisch-rosenkreuzerischen Einweihungsweg in 9 bzw. 10 Stufen anschaulich bildhaft geschildert.

Auch in einer weiteren Hinsicht darf man nicht einfach schematisch vorgehen. Die Lotosblumen werden nämlich keineswegs einfach nacheinander in der planetarischen Reihenfolge erweckt, sondern hier gibt es bei den einzelnen Schulungswegen große Unterschiede, die mit dem voranschreitenden geistigen Entwicklungsweg der Menschheit zusammenhängen. Als Faustregel kann man aber sagen, dass man bei den alten orientalischen Wegen von den unteren Chakren bzw. überhaupt vom Wurzelchakra ausging und von hier aus annähernd in der planetarischen Reihenfolge aufsteigend nach und nach die anderen seelischen Wahrnehmungsorgane erweckte. Damit beginnt aber die geistige Arbeit bei tief unterbewussten Kräften, was unserem heutigen Bewusstseinsseelenzeitalter nicht mehr angemessen ist. Moderne geistige Einweihungswege müssen ihren Ausgang von den oberen Lotosblumen suchen, deren Tätigkeit leichter ins Bewusstsein zu heben ist. Man beginnt heute vornehmlich beim Stirn-, Hals- und Herzchakra. Auch werden die Lotosblumen nicht streng nacheinander aktiviert, sondern teilweise auch gemeinsam, wobei dann nur auf dem einen oder anderen Chakra das Schwergewicht der Übungen liegt. Allen Wegen gemeinsam aber ist, dass das oberste Chakra, der 1000-blättrige Lotos, der sich durch die Kopfaura kundtut, erst ganz am Ende jedes Weges voll erwacht, und zwar gar nicht durch einzelne spezielle Übungen, sondern als Ergebnis des ganzen voll durchschrittenen Schulungsweges. Im christlichen Schulungsweg entspricht das der Stufe der „Himmelfahrt“, im Rosenkreuzerweg der „Gottseligkeit“.

Spirituelle Tugenden, die schädliche Einflüsse abhalten

Der Schulungsweg ist auch mit gewissen Gefahren für den Geistesschüler verbunden. Sobald sich sein Geistig-Seelisches im Zuge der Schulung vom Leib zu lösen beginnt, ist er schädlichen Einflüssen aus den Elementarreichen ausgesetzt und luziferische und ahrimanische Elementarwesen können seine zurückgelassenen Leibeshüllen ergreifen. Ein dramatisches Beispiel dafür hat Rudolf Steiner im 3. Bild seines ersten Mysteriendramas «Die Pforte der Einweihung» gegeben, wo die Leibeshüllen Marias, der Protagonistin des Dramas, in dem Moment, wo sich ihr Geist in die Himmlische Welt aufschwingt, von einem ahrimanischen Wesen ergriffen werden. Schützen kann man sich gegen solche Einflüsse nur durch die bewusste Ausbildung bestimmter spiritueller Tugenden, zu denen ganz besonders auch die sogenannten Nebenübungen zu rechnen sind:

"In dem Augenblicke nun, in dem die Seele ihre Tätigkeit zum Teil dem Leibe entzieht, können sich seiner verderbliche Kräfte aus den Elementarreichen bemächtigen. Darin besteht eine Gefahr der höheren Entwickelung. Es muß daher dafür gesorgt werden, daß, sobald sich die Seele vom Körper zurückzieht, er durch sich selbst nur guten Einflüssen von Seiten der elementaren Welt zugänglich ist. - Wird darauf nicht geachtet, so verkommt der gewöhnliche Mensch in einer gewissen Beziehung physisch und auch moralisch, trotzdem er den Zugang zu höheren Welten gewinnt. Während die Seele in höheren Gebieten lebt, nisten sich im dichten physischen Leib und im Ätherleib schädliche Kräfte ein. Dies ist der Grund, warum gewisse schlechte Eigenschaften, die vor der höheren Entwickelung durch die ausgleichende Wirkung der Seele niedergehalten worden sind, bei Mangel an Vorsicht zum Ausdruck kommen können. Menschen, welche vorher gute, moralische Naturen waren, können unter solchen Umständen dann, wenn sie an höhere Welten herantreten, allerlei niedrige Neigungen, erhöhte Selbstsucht, Unwahrhaftigkeit, Rachsucht, Zorn usw. usw. hervorkehren. - Niemand darf von dieser Tatsache sich zurückschrecken lassen, in die höheren Welten aufzusteigen; aber vorgesorgt muß werden, daß solche Dinge nicht eintreten. Die niedere Natur des Menschen muß gefestet und unzugänglich gemacht werden gefährlichen elementarischen Einflüssen. Das eben geschieht durch die bewußte Ausbildung gewisser Tugenden. Diese Tugenden werden in den theosophischen Handbüchern, welche von geistiger Entwickelung handeln, angegeben. Hier aber hat man den Grund, warum auf sie Sorgfalt gelegt werden muß. Es sind die folgenden.

Zuerst muß der Mensch in ganz bewußter Weise bei allen Dingen fortwährend darauf bedacht sein, das Bleibende, Unvergängliche von dem Vergänglichen abzusondern, und auf das erstere seine Aufmerksamkeit richten. In jedem Dinge und Wesen kann der Mensch ein Etwas vermuten oder erkennen, das bleibt, wenn die vergängliche Erscheinung entschwindet. Sehe ich eine Pflanze, dann kann ich sie zunächst betrachten, wie sie sich den Sinnen darbietet. Das soll man gewiß nicht versäumen. Und niemand wird das Ewige in den Dingen entdecken, der sich nicht zuerst mit dem Vergänglichen gründlich bekannt gemacht hat. Diejenigen, welche sich immer besorgt zeigen, daß dem Menschen, der den Blick auf das Geistig- Unvergängliche richtet, die «Frische und Natürlichkeit des Lebens» verlorengehe: sie wissen eben noch nicht, um was es sich dabei eigentlich handelt. Aber, wenn ich so die Pflanze anschaue, kann mir klarwerden, daß in ihr ein bleibender Lebenstrieb ist, der in einer neuen zum Vorschein kommen werde, wenn die gegenwärtige Pflanze längst zerstoben sein wird. Solche Art, sich zu den Dingen zu stellen, muß man in die ganze Verfassung seines Gemütes aufnehmen. - Dann muß man sein Herz auf das Wertvolle, Gediegene heften und dieses höher schätzen lernen als das Vorübergehende, Bedeutungslose. Man soll sich bei allen seinen Empfindungen und Handlungen den Wert vor Augen halten, den etwas im Zusammenhange eines Ganzen hat. - Zum dritten soll man sechs Eigenschaften in sich ausbilden: Kontrolle der Gedankenwelt, Kontrolle der Handlungen, Ertragsamkeit, Unbefangenheit, Vertrauen in die Umwelt und inneres Gleichgewicht. Kontrolle der Gedankenwelt erreicht man, wenn man sich bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken und Empfindungen, die beim gewöhnlichen Menschen immer auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken; sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen Lebens wird das gar nicht anders sein können. Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt macht. Man stellt da einen Gedanken aus völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele, während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen. Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will, daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt. - Kontrolle der Handlungen besteht in einer ähnlichen Regelung derselben durch innere Freiheit. Man beginnt gut damit, daß man sich anschickt, irgend etwas regelmäßig zu tun, wozu man durch das gewöhnliche Leben nicht gekommen wäre. In dem letzteren wird ja der Mensch von außen zu seinen Handlungen getrieben. Die kleinste Tat aber, die man aus der ureigensten Initiative heraus unternimmt, wirkt in der angegebenen Richtung mehr als alles, wozu man vom äußeren Leben gedrängt wird. - Ertragsamkeit ist das Entfernthalten von jener Stimmung, die man bezeichnen kann mit dem Wechsel zwischen «Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt». Der Mensch wird hin- und hergetrieben zwischen allen möglichen Stimmungen. Die Lust macht ihn froh, der Schmerz drückt ihn herab. Das hat seine Berechtigung. Wer aber den Weg sucht zu höherer Erkenntnis, der muß sich in der Lust und auch im Schmerze mäßigen können. Er muß «ertragsam» werden. Maßvoll muß er sich den lusterregenden Eindrücken hingeben können und auch den schmerzlichen Erlebnissen: immer durch beides mit Würde hindurchschreiten. Von nichts sich übermannen, außer Fassung bringen lassen. Das begründet nicht Gefühllosigkeit, sondern macht den Menschen zum festen Mittelpunkt innerhalb der Lebenswellen, die rings um ihn auf- und niedersteigen. Er hat sich stets in der Hand.

Eine ganz besonders wichtige Eigenschaft ist der «Sinn für die Bejahung». Es kann ihn derjenige bei sich entwickeln, welcher das Augenmerk in allen Dingen auf die guten, schönen und zweckvollen Eigenheiten richtet und nicht in erster Linie auf das Tadelnswerte, Häßliche und Widerspruchsvolle. Es gibt eine schöne, in der persischen Dichtung vorhandene Legende von Christus, die zur Anschauung bringt, was mit dieser Eigenschaft gemeint ist: Ein toter Hund liegt an einem Wege. Unter den an ihm Vorübergehenden ist auch Christus. Alle anderen wenden sich ab von dem häßlichen Anblick, den das Tier bietet; nur Christus spricht bewundernd von den schönen Zähnen des Tieres. So kann man den Dingen gegenüber empfinden; in allem, auch dem Widrigsten, mag sich für den, welcher ernstlich sucht, etwas Anerkennenswertes finden. Und das Fruchtbare an den Dingen ist ja nicht, was ihnen fehlt, sondern dasjenige, was sie haben. - Weiter ist bedeutsam, die Eigenschaft der «Unbefangenheit» zu entwickeln. Ein jeder Mensch hat ja seine Erfahrungen gemacht und sich dadurch eine bestimmte Menge von Meinungen gebildet, die ihm dann im Leben zur Richtschnur werden. So selbstverständlich es auf der einen Seite ist, sich nach seinen Erfahrungen zu richten, so wichtig ist es für den, welcher eine geistige Entwickelung zur höheren Erkenntnis hin durchmachen will, daß er sich stets den Blick frei erhält für alles Neue, ihm noch Unbekannte, das ihm entgegentritt. Er wird so vorsichtig wie irgend möglich sein mit dem Urteil: «das ist unmöglich», «das kann ja gar nicht sein». Mag ihm seine Meinung nach den bisherigen Erfahrungen was immer sagen: er ist in jedem Augenblick bereit, sich von etwas Neuem, das ihm entgegenkommt, zu einer anderen Meinung bringen zu lassen. Jede Eigenliebe der Meinung gegenüber muß schwinden. - Wenn die bisher genannten fünf Eigenschaften von der Seele erworben sind, dann stellt sich eine sechste ganz von selbst ein: das innere Gleichgewicht, die Harmonie der geistigen Kräfte. Der Mensch muß etwas in sich finden wie einen geistigen Schwerpunkt, der ihm Festigkeit und Sicherheit gibt gegenüber allem, was im Leben da- oder dorthin zieht. Man muß nicht etwa vermeiden, mit allem mitzuleben, alles auf sich wirken zu lassen. Nicht die Flucht vor den hin- und widerziehenden Tatsachen des Lebens ist das Richtige, sondern im Gegenteil: das volle Hingeben an das Leben und trotzdem die sichere, feste Bewahrung von innerem Gleichgewicht und Harmonie.

Endlich kommt für den Suchenden der «Wille zur Freiheit» in Betracht. Es hat ihn jemand, der zu allem, was er vollbringt, die Stütze und Grundlage in sich selbst findet. Er ist deshalb so schwer zu erringen, weil taktvoll der Ausgleich notwendig ist zwischen dem Öffnen des Sinnes gegenüber allem Großen und Guten und der gleichzeitigen Ablehnung eines jeglichen Zwanges. Man sagt so leicht: Einwirkung von außen und Freiheit vertragen sich nicht. Daß sie sich in der Seele vertragen: darauf kommt es aber gerade an. Wenn mir jemand etwas mitteilt, und ich nehme es unter dem Zwange seiner Autorität an: dann bin ich unfrei. Aber ich bin nicht minder unfrei, wenn ich mich verschließe vor dem Guten, das ich auf diese Art empfangen kann. Denn dann übt in der eigenen Seele das Schlechtere, das ich habe, auf mich einen Zwang aus. Und bei der Freiheit kommt es nicht allein darauf an, daß ich nicht unter dem Zwange einer äußeren Autorität stehe, sondern vor allen Dingen auch nicht unter derjenigen eigener Vorurteile, Meinungen, Empfindungen und Gefühle. Nicht blinde Unterwerfung unter das Empfangene ist das Richtige, sondern sich von ihm anregen lassen, es ganz unbefangen aufnehmen, um sich «frei» dazu zu bekennen. Eine fremde Autorität soll nicht anders als so wirken, daß man sich sagt: Ich mache mich gerade dadurch frei, daß ich ihrem Guten folge, d.h. es zu dem meinigen mache. Und eine auf der Geheimwissenschaft fußende Autorität will auch gar nicht anders als in dieser Art wirken. Sie gibt, was sie zu geben hat, nicht um selbst Macht über den Beschenkten zu gewinnen, sondern allein darum, daß der Beschenkte durch die Gabe reicher und freier werde." (Lit.: GA 012, S. 26ff)

Künftige Bedeutung des Schulungswegs

«Die kommende Jugend kommt aus ganz anderen kosmischen Welten her als wir, das wird sich steigern. Sie bringt eine ungeheure Denkfähigkeit, eine Virtuosität des Denkens mit. Das ist aber die größte Versuchung und zugleich der größte ahrimanische Angriff gegen die Anthroposophie. Da wird die Gefahr sein, daß durch die ungeheure Leichtigkeit der Auffassung der anthroposophischen Begriffe die Sache im Denken stecken bleibt und sich ein ungeheures Wohlgefühl im Denken der Anthroposophie entwickelt; aber man wird nicht durchstoßen zur Schulung. Das einzige, was die Jugend bekommen kann, was sie stählen wird, um die künftigen Ereignisse zu bestehen, das ist, daß sie der Anthroposophie in der Schulung begegnet. Die Schulung ist das Fundament, durch das das Studium allein zu einem wahren Ziel geführt werden kann. - Wenn Anthroposophie als Wissenschaft gelehrt wird, wird sie schädlich. Anthroposophie darf niemals bloß Theorie sein; sie muß unmittelbares Leben werden. Läßt man sie bloß Lehre sein, so tötet man sie und übergibt sie Ahriman, dem Herrn des Todes. - Es ist aber den Menschen heute viel bequemer zu denken und einige anthroposophische Begriffe sich anzueignen, als nur eine einzige Gewohnheit abzulegen. Was die Anthroposophie aus unseren Seelen macht, das ist viel wichtiger als noch so viel theoretisches Wissen über geisteswissenschaftliche Begriffe.»[1]

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. "Rudolf Steiner über die kommende Jugend". Mündliche Äußerung Rudolf Steiners gegenüber Frau Sybell-Petersen, übermittelt von Adelheid Petersen in einem Vortrag, gehalten im August 1950