Thomas Piketty: Unterschied zwischen den Versionen

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== Werdegang ==
== Werdegang ==
Piketty machte mit sechzehn Jahren 1987 sein [[Baccalauréat]]. Nach den üblichen zwei Jahren in einer [[Classe préparatoire]] begann er 1989 im Alter von achtzehn Jahren Ökonomie an der [[École normale supérieure (Paris)|École normale supérieure]] (ENS) zu studieren. Mit 22 Jahren wurde Piketty  mit einer Arbeit über [[Umverteilung]] promoviert, die er an der École des Hautes Études en Sciences Sociales und der [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics]] geschrieben hatte, und die im ''European Doctoral Program in Quantitative Economics'' gefördert wurde. Von 1993 bis 1995 lehrte er als [[Assistant Professor]] am [[Massachusetts Institute of Technology]] (MIT). 1995 wurde er Mitglied des [[Centre national de la recherche scientifique]] (CNRS) und 2000 Direktor der EHESS. Seit 2007 unterrichtet er auch an der Paris School of Economics.<ref>[http://piketty.pse.ens.fr/files/cv-en.pdf ''Thomas Piketty : Curriculum vitae – September 2013'']; Paris School of Economics, abgerufen am 22. April 2014 (pdf; 52 kB)</ref><ref>[http://www.nytimes.com/2014/04/20/business/international/taking-on-adam-smith-and-karl-marx.html?utm_source=pocket&utm_medium=email&utm_campaign=pockethits&_r=0 Taking On Adam Smith (and Karl Marx)]; Steven Erlanger; The New York Times, abgerufen am 28. April 2014</ref>
Piketty machte mit sechzehn Jahren 1987 sein [[Baccalauréat]]. Nach den üblichen zwei Jahren in einer [[Classe préparatoire]] begann er 1989 im Alter von achtzehn Jahren Ökonomie an der [[École normale supérieure (Paris)|École normale supérieure]] (ENS) zu studieren. Mit 22 Jahren wurde Piketty  mit einer Arbeit über Umverteilung promoviert, die er an der École des Hautes Études en Sciences Sociales und der [[London School of Economics and Political Science|London School of Economics]] geschrieben hatte, und die im ''European Doctoral Program in Quantitative Economics'' gefördert wurde. Von 1993 bis 1995 lehrte er als [[Assistant Professor]] am [[Massachusetts Institute of Technology]] (MIT). 1995 wurde er Mitglied des [[Centre national de la recherche scientifique]] (CNRS) und 2000 Direktor der EHESS. Seit 2007 unterrichtet er auch an der Paris School of Economics.<ref>[http://piketty.pse.ens.fr/files/cv-en.pdf ''Thomas Piketty : Curriculum vitae – September 2013'']; Paris School of Economics, abgerufen am 22. April 2014</ref><ref>[http://www.nytimes.com/2014/04/20/business/international/taking-on-adam-smith-and-karl-marx.html?utm_source=pocket&utm_medium=email&utm_campaign=pockethits&_r=0 Taking On Adam Smith (and Karl Marx)]; Steven Erlanger; The New York Times, abgerufen am 28. April 2014</ref>


Während des Wahlkampfes zur [[Präsidentschaftswahl in Frankreich 2007]] war Piketty wirtschaftspolitischer Berater der sozialistischen Kandidatin [[Ségolène Royal]], die schließlich mit 46,94 Prozent der Stimmen dem Konservativen [[Nicolas Sarkozy]] unterlag.<ref>[http://www.newstatesman.com/2014/03/french-revolutionary ''Thomas Piketty: a modern French revolutionary''] [[New Statesman]], 3. April 2014</ref>
Während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl in Frankreich 2007 war Piketty wirtschaftspolitischer Berater der sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal, die schließlich mit 46,94 Prozent der Stimmen dem Konservativen Nicolas Sarkozy unterlag.<ref>[http://www.newstatesman.com/2014/03/french-revolutionary ''Thomas Piketty: a modern French revolutionary''] New Statesman, 3. April 2014</ref>


Der breiten Öffentlichkeit wurde Piketty mit der englischsprachigen Ausgabe seines Werkes ''Capital in the Twenty-First Century'' im Jahr 2014 bekannt, das bei seinem Erscheinen sowohl innerhalb von Fachkreisen als auch in den allgemeinen Medien für ein Ökonomiebuch außergewöhnlich viel diskutiert wurde.
Der breiten Öffentlichkeit wurde Piketty mit der englischsprachigen Ausgabe seines Werkes ''Capital in the Twenty-First Century'' im Jahr 2014 bekannt, das bei seinem Erscheinen sowohl innerhalb von Fachkreisen als auch in den allgemeinen Medien für ein Ökonomiebuch außergewöhnlich viel diskutiert wurde.


Er ist seit 2014 mit der Wirtschaftswissenschaftlerin [[Julia Cagé]] verheiratet.
Er ist seit 2014 mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Cagé verheiratet.


== Forschung ==
== Forschung ==
Piketty forscht insbesondere  zu den Themen [[Einkommensverteilung]], [[Vermögensverteilung]] und [[soziale Ungleichheit]]. Er versteht, laut FAZ, die Wirtschaftswissenschaft als ''Sozialwissenschaft, der es darum gehen sollte, mit realen Daten reale Probleme zu erörtern oder gar zu lösen.''<ref>[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zu-besuch-bei-thomas-piketty-der-neue-star-der-intellektuellenszene-12927888.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 FAZ], 8. Mai 2014</ref> Sein Ansatz sei eine ''sozialdemokratisch-[[Karl Popper|popperianische]] Anthropologie des Kapitals''. <ref>[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zu-besuch-bei-thomas-piketty-der-neue-star-der-intellektuellenszene-12927888.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2</ Der neue Star der Intellektuellenszene]ref>
Piketty forscht insbesondere  zu den Themen [[Einkommensverteilung]], [[Vermögensverteilung]] und [[soziale Ungleichheit]]. Er versteht, laut FAZ, die Wirtschaftswissenschaft als ''Sozialwissenschaft, der es darum gehen sollte, mit realen Daten reale Probleme zu erörtern oder gar zu lösen.''<ref>[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zu-besuch-bei-thomas-piketty-der-neue-star-der-intellektuellenszene-12927888.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 FAZ], 8. Mai 2014</ref> Sein Ansatz sei eine ''sozialdemokratisch-[[Karl Popper|popperianische]] Anthropologie des Kapitals''. <ref>[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zu-besuch-bei-thomas-piketty-der-neue-star-der-intellektuellenszene-12927888.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Der neue Star der Intellektuellenszene]</ref>


=== Einkommen ===
=== Einkommen ===
Langjährige Forschungen in Zusammenarbeit mit Kollegen (insbesondere [[Anthony Atkinson]] und [[Emmanuel Saez]]) zur Einkommensverteilung zeigen, dass nach einem [[Große Kompression|Rückgang der ökonomischen Ungleichheit]] in den westlichen Industrienationen zwischen den 1940er und 1970er Jahren die soziale Ungleichheit wieder zugenommen hat.
Langjährige Forschungen in Zusammenarbeit mit Kollegen (insbesondere Anthony Atkinson und Emmanuel Saez) zur Einkommensverteilung zeigen, dass nach einem [[Wikipedia:Große Kompression|Rückgang der ökonomischen Ungleichheit]] in den westlichen Industrienationen zwischen den 1940er und 1970er Jahren die soziale Ungleichheit wieder zugenommen hat.


Piketty zeigte mithilfe der Untersuchung von Einkommensteuern, dass in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg die Einkommensungleichheit abnahm. Er führt dies auf den Anstieg der [[Steuerprogression]] in Frankreich in der damaligen Phase zurück.
Piketty zeigte mithilfe der Untersuchung von Einkommensteuern, dass in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg die Einkommensungleichheit abnahm. Er führt dies auf den Anstieg der [[Wikipedia:Steuerprogression|Steuerprogression]] in Frankreich in der damaligen Phase zurück.


Die Zunahme der Einkommensungleichheit nach den 1970er Jahren erklärt nach Piketty auch einen Teil der [[Finanzkrise ab 2007]]: „Wenn die Finanzbranche zu stark wachse, fördere dies das Einkommensgefälle, weil entsprechende Vermögensgewinne vor allem den obersten Einkommen zugutekämen“.<ref>Mathias Ohanian, [[Thomas Fricke]]: {{Webarchiv |url=http://www.ftd.de/politik/konjunktur/:neue-denker-3-piketty-wenn-reiche-zu-wenig-steuern-zahlen/50095097.html?mode=print |archive-is=20120730164844|text=''Neue Denker (3): Piketty – Wenn Reiche zu wenig Steuern zahlen''}}; Porträt in der [[Financial Times Deutschland]] vom 30. März 2010.</ref>
Die Zunahme der Einkommensungleichheit nach den 1970er Jahren erklärt nach Piketty auch einen Teil der Finanzkrise ab 2007: „Wenn die Finanzbranche zu stark wachse, fördere dies das Einkommensgefälle, weil entsprechende Vermögensgewinne vor allem den obersten Einkommen zugutekämen“.<ref>Mathias Ohanian, Thomas Fricke: {{Webarchiv |url=http://www.ftd.de/politik/konjunktur/:neue-denker-3-piketty-wenn-reiche-zu-wenig-steuern-zahlen/50095097.html?mode=print |archive-is=20120730164844|text=''Neue Denker (3): Piketty – Wenn Reiche zu wenig Steuern zahlen''}}; Porträt in der Financial Times Deutschland vom 30. März 2010.</ref>


Die Daten von Piketty und seinen Kollegen zur Einkommensverteilung und insbesondere zu Top-Vermögen in verschiedenen Ländern führten zur Datenbank ''World Top Income Database'', die seit 2011 online zugänglich ist.<ref>Online-Datenbank: [http://topincomes.parisschoolofeconomics.eu/ ''The World Top Income Database.''] Facundo Alvaredo, Anthony Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez (Hrsg.), abgerufen am 27. April 2014.</ref>
Die Daten von Piketty und seinen Kollegen zur Einkommensverteilung und insbesondere zu Top-Vermögen in verschiedenen Ländern führten zur Datenbank ''World Top Income Database'', die seit 2011 online zugänglich ist.<ref>Online-Datenbank: [http://topincomes.parisschoolofeconomics.eu/ ''The World Top Income Database.''] Facundo Alvaredo, Anthony Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez (Hrsg.), abgerufen am 27. April 2014.</ref>


=== Vermögen ===
=== Vermögen ===
[[Datei:Capital in the Twenty-First Century Book by Thomas Piketty.jpg|mini|'''[[Das Kapital im 21. Jahrhundert]]''' ist ein Buch des französischen Ökonomen Thomas Piketty]]
In ''Das Kapital im 21. Jahrhundert'' verknüpft Piketty seine vorangehenden historischen Forschungen zur Einkommensverteilung und Vermögensverteilung mit einer Theorie des Kapitalismus. Er argumentiert, dass unregulierter Kapitalismus unweigerlich zu steigender Vermögenskonzentration führt. Starke Vermögenskonzentration führe zu einer stagnierenden Wirtschaft und sei eine Bedrohung für die Demokratie.
In ''Das Kapital im 21. Jahrhundert'' verknüpft Piketty seine vorangehenden historischen Forschungen zur Einkommensverteilung und Vermögensverteilung mit einer Theorie des Kapitalismus. Er argumentiert, dass unregulierter Kapitalismus unweigerlich zu steigender Vermögenskonzentration führt. Starke Vermögenskonzentration führe zu einer stagnierenden Wirtschaft und sei eine Bedrohung für die Demokratie.


[[Datei:Capital in the Twenty-First Century Book by Thomas Piketty.jpg|mini|'''[[Das Kapital im 21. Jahrhundert]]''' ist ein Buch des französischen Ökonomen Thomas Piketty]]
Sobald die Kapitalrendite („''r''“) größer als das Wirtschaftswachstum („''g''“) sei, also „''r'' <nowiki>></nowiki> ''g''“, trete diese Entwicklung ein. In der Geschichte sei ''r'' in der Regel größer gewesen als ''g'', im 19. Jahrhundert sei dann erstmals ''g'' <nowiki>></nowiki> ''r'' gewesen. Allerdings hätten Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] die Kapitaleinkünfte gegenüber dem Wirtschaftswachstum stark zugenommen. Die starke Ungleichheit dieser (in Europa [[Belle Époque]] und in den USA [[Gilded Age]] genannten) Ära sei dann durch den Ersten Weltkrieg vorerst beendet worden. Dieser sowie die [[Great Depression]] und der [[Wikipedia:Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] hätten zu einem Abbau der Vermögenskonzentration geführt und somit dazu, dass das Wirtschaftswachstum größer als die Kapitaleinkünfte gewesen sei (''g'' <nowiki>></nowiki> ''r''). Diese Entwicklung habe Ende des 20. Jahrhunderts aufgehört.
 
Sobald die Kapitalrendite („''r''“) größer als das Wirtschaftswachstum („''g''“) sei, also „''r'' <nowiki>></nowiki> ''g''“, trete diese Entwicklung ein. In der Geschichte sei ''r'' in der Regel größer gewesen als ''g'', im 19. Jahrhundert sei dann erstmals ''g'' <nowiki>></nowiki> ''r'' gewesen. Allerdings hätten Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] die Kapitaleinkünfte gegenüber dem Wirtschaftswachstum stark zugenommen. Die starke Ungleichheit dieser (in Europa [[Belle Époque]] und in den USA [[Gilded Age]] genannten) Ära sei dann durch den Ersten Weltkrieg vorerst beendet worden. Dieser sowie die [[Great Depression]] und der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] hätten zu einem Abbau der Vermögenskonzentration geführt und somit dazu, dass das Wirtschaftswachstum größer als die Kapitaleinkünfte gewesen sei (''g'' <nowiki>></nowiki> ''r''). Diese Entwicklung habe Ende des 20. Jahrhunderts aufgehört.


Piketty behauptete in einem Interview mit der [[die Zeit|ZEIT]], dass Deutschland das Land sei, das nie seine Schulden aus den Weltkriegen bezahlt habe.<ref>[http://www.zeit.de/2015/26/thomas-piketty-schulden-griechenland/komplettansicht Thomas Piketty "Deutschland hat nie bezahlt"], Interview, [[Die Zeit]], 27. Juni 2015</ref> In einem Gastbeitrag in derselben Zeitschrift warf ihm Historiker Christopher Kopper daraufhin einen Irrtum bei der Analyse der historischen Präzedenzfälle vor.<ref>[http://www.zeit.de/2015/29/staatsschulden-deutschland-geschichte-thomas-piketty Christopher Kopper: "Zwei Krieg ein Desaster"] Die Zeit, 2. August 2015 </ref>
Piketty behauptete in einem Interview mit der ZEIT, dass Deutschland das Land sei, das nie seine Schulden aus den Weltkriegen bezahlt habe.<ref>[http://www.zeit.de/2015/26/thomas-piketty-schulden-griechenland/komplettansicht Thomas Piketty "Deutschland hat nie bezahlt"], Interview, Die Zeit, 27. Juni 2015</ref> In einem Gastbeitrag in derselben Zeitschrift warf ihm Historiker Christopher Kopper daraufhin einen Irrtum bei der Analyse der historischen Präzedenzfälle vor.<ref>[http://www.zeit.de/2015/29/staatsschulden-deutschland-geschichte-thomas-piketty Christopher Kopper: "Zwei Krieg ein Desaster"] Die Zeit, 2. August 2015 </ref>


In ''Le Monde'' machte Piketty die ungleiche Verteilung von Reichtum auch für Terrorismus verantwortlich. <ref>[https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2015/11/30/why-inequality-is-to-blame-for-the-rise-of-the-islamic-state/ Piketty]</ref>
In ''Le Monde'' machte Piketty die ungleiche Verteilung von Reichtum auch für Terrorismus verantwortlich. <ref>[https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2015/11/30/why-inequality-is-to-blame-for-the-rise-of-the-islamic-state/ This meight be the most controversial theory...]</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 10. September 2017, 20:15 Uhr

Thomas Piketty (2014)

Thomas Piketty (* 7. Mai 1971 in Clichy, Département Hauts-de-Seine) ist ein französischer Wirtschaftswissenschaftler. Er ist Professor an der Paris School of Economics und der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS).

2014 sorgte seine Veröffentlichung Das Kapital im 21. Jahrhundert (französisch 2013: Le Capital au XXIe siècle) weltweit, besonders in den USA, für sehr große Aufmerksamkeit.

Werdegang

Piketty machte mit sechzehn Jahren 1987 sein Baccalauréat. Nach den üblichen zwei Jahren in einer Classe préparatoire begann er 1989 im Alter von achtzehn Jahren Ökonomie an der École normale supérieure (ENS) zu studieren. Mit 22 Jahren wurde Piketty mit einer Arbeit über Umverteilung promoviert, die er an der École des Hautes Études en Sciences Sociales und der London School of Economics geschrieben hatte, und die im European Doctoral Program in Quantitative Economics gefördert wurde. Von 1993 bis 1995 lehrte er als Assistant Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1995 wurde er Mitglied des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und 2000 Direktor der EHESS. Seit 2007 unterrichtet er auch an der Paris School of Economics.[1][2]

Während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl in Frankreich 2007 war Piketty wirtschaftspolitischer Berater der sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal, die schließlich mit 46,94 Prozent der Stimmen dem Konservativen Nicolas Sarkozy unterlag.[3]

Der breiten Öffentlichkeit wurde Piketty mit der englischsprachigen Ausgabe seines Werkes Capital in the Twenty-First Century im Jahr 2014 bekannt, das bei seinem Erscheinen sowohl innerhalb von Fachkreisen als auch in den allgemeinen Medien für ein Ökonomiebuch außergewöhnlich viel diskutiert wurde.

Er ist seit 2014 mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Cagé verheiratet.

Forschung

Piketty forscht insbesondere zu den Themen Einkommensverteilung, Vermögensverteilung und soziale Ungleichheit. Er versteht, laut FAZ, die Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft, der es darum gehen sollte, mit realen Daten reale Probleme zu erörtern oder gar zu lösen.[4] Sein Ansatz sei eine sozialdemokratisch-popperianische Anthropologie des Kapitals. [5]

Einkommen

Langjährige Forschungen in Zusammenarbeit mit Kollegen (insbesondere Anthony Atkinson und Emmanuel Saez) zur Einkommensverteilung zeigen, dass nach einem Rückgang der ökonomischen Ungleichheit in den westlichen Industrienationen zwischen den 1940er und 1970er Jahren die soziale Ungleichheit wieder zugenommen hat.

Piketty zeigte mithilfe der Untersuchung von Einkommensteuern, dass in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg die Einkommensungleichheit abnahm. Er führt dies auf den Anstieg der Steuerprogression in Frankreich in der damaligen Phase zurück.

Die Zunahme der Einkommensungleichheit nach den 1970er Jahren erklärt nach Piketty auch einen Teil der Finanzkrise ab 2007: „Wenn die Finanzbranche zu stark wachse, fördere dies das Einkommensgefälle, weil entsprechende Vermögensgewinne vor allem den obersten Einkommen zugutekämen“.[6]

Die Daten von Piketty und seinen Kollegen zur Einkommensverteilung und insbesondere zu Top-Vermögen in verschiedenen Ländern führten zur Datenbank World Top Income Database, die seit 2011 online zugänglich ist.[7]

Vermögen

Das Kapital im 21. Jahrhundert ist ein Buch des französischen Ökonomen Thomas Piketty

In Das Kapital im 21. Jahrhundert verknüpft Piketty seine vorangehenden historischen Forschungen zur Einkommensverteilung und Vermögensverteilung mit einer Theorie des Kapitalismus. Er argumentiert, dass unregulierter Kapitalismus unweigerlich zu steigender Vermögenskonzentration führt. Starke Vermögenskonzentration führe zu einer stagnierenden Wirtschaft und sei eine Bedrohung für die Demokratie.

Sobald die Kapitalrendite („r“) größer als das Wirtschaftswachstum („g“) sei, also „r > g“, trete diese Entwicklung ein. In der Geschichte sei r in der Regel größer gewesen als g, im 19. Jahrhundert sei dann erstmals g > r gewesen. Allerdings hätten Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs die Kapitaleinkünfte gegenüber dem Wirtschaftswachstum stark zugenommen. Die starke Ungleichheit dieser (in Europa Belle Époque und in den USA Gilded Age genannten) Ära sei dann durch den Ersten Weltkrieg vorerst beendet worden. Dieser sowie die Great Depression und der Zweite Weltkrieg hätten zu einem Abbau der Vermögenskonzentration geführt und somit dazu, dass das Wirtschaftswachstum größer als die Kapitaleinkünfte gewesen sei (g > r). Diese Entwicklung habe Ende des 20. Jahrhunderts aufgehört.

Piketty behauptete in einem Interview mit der ZEIT, dass Deutschland das Land sei, das nie seine Schulden aus den Weltkriegen bezahlt habe.[8] In einem Gastbeitrag in derselben Zeitschrift warf ihm Historiker Christopher Kopper daraufhin einen Irrtum bei der Analyse der historischen Präzedenzfälle vor.[9]

In Le Monde machte Piketty die ungleiche Verteilung von Reichtum auch für Terrorismus verantwortlich. [10]

Siehe auch

Publikationen

Bücher

Deutsch

Französisch

  • 2013: Le Capital au XXIe siècle. Le Seuil, Paris, ISBN 978-2-02-108228-9 (die englische Übersetzung erschien im März 2014, die deutsche Übersetzung erscheint im Herbst 2014).
  • 2011: mit Camille Landais und Emmanuel Saez: Pour une Révolution Fiscale. Un Impôt sur le Revenu pour le XXIème Siècle. Le Seuil, ISBN 2-02-103941-2 Materialien.
  • 2008: L’économie des inégalités. Découverte, Paris, ISBN 2-7071-5608-6.
  • 2006: Les hauts revenus en France au XXe siècle. Intégralités et redistributions, 1901–1998. Hachette, Paris 2006, ISBN 2-01-279292-8.
  • 1999: Introduction a la theorie de la redistribution des richesses. Economica, Paris 1999, ISBN 2-7178-2653-X.

Englisch

Fachaufsätze

Zeitungsartikel

Bücher über Piketty

  • Heinz-Josef Bontrup: Pikettys Krisen-Analyse. Warum die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. pad-verlag. Bergkamen 2014, ISBN 978-3-88515-260-6.
  • Albert F. Reiterer: Der Piketty-Hype – "The great U-Turn". Piketty's Kapital und die neoliberale Vermögenskonzentration. pad-Verlag, Bergkamen 2014, ISBN 978-3-88515-259-0.
  • Stephan Kaufmann, Ingo Stützle: Kapitalismus: Die ersten 200 Jahre. Thomas Pikettys "Das Kapital im 21. Jahrhundert": Einführung, Debatte, Kritik. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86505-730-3.

Weblinks

Commons: Thomas Piketty - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Thomas Piketty : Curriculum vitae – September 2013; Paris School of Economics, abgerufen am 22. April 2014
  2. Taking On Adam Smith (and Karl Marx); Steven Erlanger; The New York Times, abgerufen am 28. April 2014
  3. Thomas Piketty: a modern French revolutionary New Statesman, 3. April 2014
  4. FAZ, 8. Mai 2014
  5. Der neue Star der Intellektuellenszene
  6. Mathias Ohanian, Thomas Fricke: Neue Denker (3): Piketty – Wenn Reiche zu wenig Steuern zahlen (Memento vom 30. Juli 2012 im Webarchiv archive.is); Porträt in der Financial Times Deutschland vom 30. März 2010.
  7. Online-Datenbank: The World Top Income Database. Facundo Alvaredo, Anthony Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez (Hrsg.), abgerufen am 27. April 2014.
  8. Thomas Piketty "Deutschland hat nie bezahlt", Interview, Die Zeit, 27. Juni 2015
  9. Christopher Kopper: "Zwei Krieg ein Desaster" Die Zeit, 2. August 2015
  10. This meight be the most controversial theory...


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Thomas Piketty aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.