An sich und Gewissheit: Unterschied zwischen den Seiten

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'''An sich''' ({{ELSalt|καθ` αύτὸ}}, ''kath auto''; [[lat.]] ''per se'') oder '''für sich''' ist ein in der [[Philosophie]] gebräuchlicher [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischer]] [[Begriff]], der das bezeichnet, was einem [[Sein|Seienden]] seinem [[Wesen]] gemäß aus sich selbst zukommt, unabhängig davon, ob und wie es '''für uns''', d.h. für das [[mensch]]liche [[Bewusstsein]] [[Erscheinung|erscheint]]. Nach [[Immanuel Kant]] sind die [[Ding an sich|Dinge an sich]] dem menschlichen Bewusstsein vollkommen [[transzendent]] und daher grundsätzlich unerkennbar. Dieser Auffassung hat [[Rudolf Steiner]] schon in seinen frühen erkenntnistheoretischen Schriften energisch widersprochen. Dass sich das Wesen der [[Ding]]e, ihr ''an sich'', gerade im menschlichen Bewusstsein - und ''nur'' dort - ausspricht, bildet einen Kernpunkt der [[Anthroposophie|anthroposophischen Geisteswissenschaft]].
Der Ausdruck '''Gewissheit''' bezeichnet alltagssprachlich meist die subjektive Sicherheit bezüglich bestimmter, für gut gerechtfertigt gehaltener Überzeugungen, die sich z. B. auf natürliche oder moralische Sachverhalte beziehen können.


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In verschiedenen Wissenschaften wird "Gewissheit" darüber hinaus in engerer, präziserer oder teils auch abweichender Bedeutung verwendet. So wird beispielsweise in der philosophischen [[Erkenntnistheorie]] von einigen Theoretikern Gewissheit für eines der Kriterien für [[Wissen]] gehalten. Viele diesbezügliche Debatten stehen in engem Zusammenhang zum Problem des [[Skeptizismus]]. Außerdem wird diskutiert, welche Elemente welche Rolle für das Zustandekommen subjektiver Gewissheit spielen, darunter etwa "Beweise", Verlässlichkeit von "Expertenmeinungen", äußere Umstände wie Häufigkeit der gebrachten Argumente oder innere Modalitäten wie emotionale Stabilität.
"Bei diesem
Kernpunkt handelt es sich nämlich darum, daß sowohl in
meinem Buche «Wahrheit und Wissenschaft» wie in meinem Buche
«Die Philosophie der Freiheit» ein bewußt anti-kantischer Standpunkt
einmal klar und deutlich formuliert worden ist. Und das,
worauf es dabei ankommt, das ist, daß von mir gezeigt worden ist,
daß man überhaupt nicht sich der sinnlichen Außenwelt so gegenüberstellen
kann wie Kant und alle seine Nachbeter sich dieser
sinnlichen Außenwelt gegenübergestellt haben, so daß man sie einfach
hinnimmt und fragt: Kann man nun tiefer in sie hineindringen
oder nicht? - Dasjenige, was ich habe zeigen wollen im Beginne
meiner schriftstellerischen Laufbahn, das war das, daß die äußere
Sinneswelt, so wie sie sich uns darbietet, deshalb ein bloßer Schein
ist, deshalb eine halbe Wirklichkeit ist, weil wir in die Welt nicht
so hereingeboren werden, daß unser Verhältnis zu der Außenwelt
ein fertiges ist, sondern daß unser Verhältnis zur Außenwelt ein
solches ist, das wir selber erst fertigzustellen haben, wenn wir über
die Welt denken, wenn wir über die Welt dies oder jenes an Erfahrungen,
an Erlebnissen uns aneignen. Wenn wir also im weitesten
Sinne uns Wissen über die Welt erwerben, dann erst kommen wir
zur Wirklichkeit.


Das ist der Grundfehler des Philosophierens des 19. Jahrhunderts,
Darüber hinaus findet der Ausdruck Gewissheit oder Sicherheit Anwendung u.&nbsp;a. in verschiedenen Ansätzen der Theorie der praktischen Rationalität, der Argumentationstheorie, Entscheidungstheorie, unterschiedlichen Teilbereichen der modernen Logik, in der Informationstheorie und Automatentheorie, der Ökonomie und Psychologie.
daß immer einfach die Sinneswelt als fertige genommen wird.
Man ist sich nicht bewußt geworden, daß zur wahren Wirklichkeit
der Mensch dazugehört, daß dasjenige, was im Menschen namentlich
an Gedanken auftritt, sich abspaltet von der Wirklichkeit,
indem der Mensch in die Wirklichkeit hineingeboren wird, daß die
Wirklichkeit zunächst verborgen ist, so daß sie uns als eine Scheinwirklichkeit
entgegentritt; und erst wenn wir diese Scheinwirklichkeit
durchdringen mit dem, was in uns aufleben kann, haben wir
die volle Wirklichkeit vor uns. Damit aber würde von vornherein
philosophisch, vom Gesichtspunkt einer gewissen Erkenntnistheorie,
alles dasjenige charakterisiert sein, was später wiederum meiner
Anthroposophie zugrundeliegt. Denn es ist vom Anfang an versucht
worden nachzuweisen, daß die Sinneswelt nicht eine Wirklichkeit
ist, sondern daß sie eine Scheinwirklichkeit ist, zu der erst
hinzukommen muß dasjenige, was der Mensch zu ihr hinzubringt,
was dem Menschen in seinem Inneren aufleuchtet und was er dann
erarbeitet. Die ganze kantische und nach-kantische Philosophie
geht im Grunde genommen davon aus, daß man eine fertige
Wirklichkeit vor sich habe und daß man dann die Frage aufstellen
könne: Ja, kann man denn diese fertige Wirklichkeit erkennen oder
kann man sie nicht erkennen? - Sie ist aber keine fertige Wirklichkeit,
sie ist nur eine halbe Wirklichkeit, und die ganze Wirklichkeit
entsteht erst, wenn der Mensch dazukommt und dasjenige in die
Wirklichkeit hineingießt, was ihm in seinem Innersten aufgeht." {{Lit|{{G|255b|40ff}}}}
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== Abgrenzung zu „Wissen“ und „Wahrheit“ ==
"Was aus dem menschlichen Geiste entspringt, wenn dieser sich
Wenn die Begriffe „[[Wissen]]“ und „Gewissheit“ unterschieden werden, dann meist so, dass Wissen sich auf die [[Kenntnis]] vorhandener [[Theorie]]n, Ereignisse oder Tatsachen bezieht und wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein kann.
beobachtend und denkend der Außenwelt gegenüberstellt, ist die
Wahrheit. Der Mensch kann keine andere Erkenntnis verlangen
als eine solche, die er selbst hervorbringt. Wer hinter den Dingen
noch etwas sucht, das deren eigentliches Wesen bedeuten soll,
der hat sich nicht zum Bewußtsein gebracht, daß alle Fragen
nach dem Wesen der Dinge nur aus einem menschlichen Bedürfnisse
entspringen: das, was man wahrnimmt, auch mit dem Gedanken
zu durchdringen. Die Dinge sprechen zu uns, und unser
Inneres spricht, wenn wir die Dinge beobachten. Diese zwei Sprachen
stammen aus demselben Urwesen, und der Mensch ist berufen,
deren gegenseitiges Verständnis zu bewirken. Darin besteht
das, was man Erkenntnis nennt. Und dies und nichts anderes
sucht der, der die Bedürfnisse der menschlichen Natur versteht.
Wer zu diesem Verständnisse nicht gelangt, dem bleiben die
Dinge der Außenwelt fremdartig. Er hört aus seinem Innern das
Wesen der Dinge nicht zu sich sprechen. Deshalb vermutet er,
daß dieses Wesen hinter den Dingen verborgen sei. Er glaubt an
eine Außenwelt noch hinter der Wahrnehmungswelt. Aber die
Dinge sind uns nur so lange fremd, solange wir sie bloß beobachten.
Für den Menschen besteht nur so lange der Gegensatz von
objektiver äußerer Wahrnehmung und subjektiver innerer Gedankenwelt,
als er die Zusammengehörigkeit dieser Welten nicht
erkennt. Die menschliche Innenwelt gehört als ein Glied zum
Weltprozeß wie jeder andere Vorgang.


Diese Gedanken werden nicht widerlegt durch die Tatsache,
Gewissheit bezieht sich dagegen auf die ''[[Überzeugung]]'' einer Person, dass das Wissen wahr ist oder sich so ableiten lässt, dass ohne Probleme die [[Wahrheit]] angenommen werden kann. Gewissheit ist daher nicht Eigenschaft der Sachverhalte oder Urteile, sondern Resultat eines psychischen Prozesses und vom Subjekt abhängig. Eine vollständige Aussage kann dann nicht lauten: „Das Urteil U ist gewiss“, sondern: „Das Urteil U ist gewiss für das Subjekt S.
daß verschiedene Menschen sich verschiedene Vorstellungen von
den Dingen machen. Auch nicht dadurch, daß die Organisationen
der Menschen verschieden sind, so daß man nicht weiß, ob eine
und dieselbe Farbe von verschiedenen Menschen in der ganz
gleichen Weise gesehen wird. Denn nicht darauf kommt es an,
ob sich die Menschen über eine und dieselbe Sache genau das
gleiche Urteil bilden, sondern darauf, ob die Sprache, die das
Innere des Menschen spricht, eben die Sprache ist, die das Wesen
der Dinge ausdrückt. Die einzelnen Urteile sind nach der Organisation
des Menschen und nach dem Standpunkte, von dem aus er
die Dinge betrachtet, verschieden; aber alle Urteile entspringen
dem gleichen Elemente und führen in das Wesen der Dinge." {{Lit|{{G|030|203f}}}}
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== Literatur ==
Bei dieser Unterscheidung treten aber verschiedene [[Paradoxon|Paradoxien]] auf, die auf dem Unterschied zwischen „etwas für wahr halten“ und „wahr sein“ bzw. dem allgemeinen Problem, was unter „Wahrheit“ zu verstehen ist, beruhen. Dabei kann etwa das für wahr Gehaltene auch objektiv als wahr gelten, obwohl die Gründe für die persönliche Überzeugung falsch sind.


#Rudolf Steiner: ''Methodische Grundlagen der Anthroposophie'', [[GA 30]] (1989), ISBN 3-7274-0300-4 {{Vorträge|030}}
Dies tritt bei [[wikipedia:Gettiers Problem|Gettiers Problem]] auf. Gettier untersucht, welche Gründe es für Gewissheit gibt und stellt fest, dass jeder Grund täuschen kann<ref>* Edmund Gettier: [http://www.ditext.com/gettier/gettier.html ''Is Justified True Belief Knowledge?''] in: ''Analysis'', 23, 1963, S.&nbsp;121–123. Deutsch ''Ist gerechtfertigte, wahre Meinung Wissen?'' In: [[wikipedia:Peter Bieri|Peter Bieri]] (Hrsg.): ''Analytische Philosophie der Erkenntnis.'' Frankfurt/M. 1987, S.&nbsp;91–93.</ref>.
#Rudolf Steiner: ''Die Anthroposophie und ihre Gegner 1919 – 1921'', [[GA 255b]] (2003), ISBN 3-7274-2555-5 {{Geschichte|255b}}


{{GA}}
Da sich nach dieser Definition Gewissheit und Wahrheit unterscheiden und Gewissheit kein [[Wahrheitskriterium]] ist, ist Gewissheit etwa bei Zeugen durchaus problematisch. Sie berichten, was sie gesehen haben und sind sich dessen gewiss; trotzdem kann es falsch sein. Ebenso kann umgekehrt die Gewissheit bestehen, dass etwas nicht sein kann, obgleich alle Fakten dafür sprechen.


[[Kategorie:Philosophie|Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Anthroposophie]]
== Philosophische Betrachtungen der Gewissheit ==
Einige Theoretiker, als erster [[Platon]], unterscheiden ''Stufen'' der Gewissheit von der bloßen Meinung bis hin zur festen Überzeugung. Diese Begriffe werden allerdings nicht einheitlich gebraucht.
 
Gegenstand dauernder philosophischer Auseinandersetzungen ist die Frage, ob es sichere Gewissheit geben kann. Schon früh wurde hierbei erkannt, dass jede Beweiskette, wenn sie nicht unendlich weit laufen oder in einem [[Zirkelschluss]] münden soll (siehe auch [[infiniter Regress]]), irgendwann von Aussagen ([[Axiom]]en) ausgehen muss, die nicht weiter begründbar sind, also für offensichtlich wahr erklärt werden müssen. Ob es solche Aussagen gibt und welche es sein sollen, ist stark umstritten.
 
Beispielsweise hielt [[Immanuel Kant]] den [[Kategorischer Imperativ|kategorischen Imperativ]] für eine absolut gewisse ethische Norm; andere Philosophen bestreiten dies heftig. Auch die Frage, ob man solche Grundsätze etwa anders als mit einem logischen Beweis „begründen“ kann, wird immer wieder diskutiert.
Der [[wikipedia:Intuitionismus|Intuitionismus]] behauptet, einige Wahrheiten seien aus der Intuition klar und offensichtlich wahr. Der [[Realismus (Philosophie)|Realismus]]  verweist auf die (unmittelbaren) [[Evidenz]]en, d.&nbsp;h. Grundwahrheiten wie den [[Satz vom Widerspruch]], die nicht nur unwiderlegbar und unbeweisbar sind, sondern aus sich heraus einleuchten.
Der [[Dialektischer Materialismus|dialektische Materialismus]] sieht in der praktischen Durchführung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Grund für (relative) Gewissheit.
Der [[Kritischer Rationalismus|kritische Rationalismus]] lehnt Gewissheit überhaupt ab, kennt aber versuchsweise als wahr akzeptiertes Wissen und darin durchaus unterschiedliche Grade der Wahrheitsnähe, auch wenn sich daraus keine Gewissheit ableiten lässt.
Vertreter des [[wikipedia:Pespektivismus|Perspektivismus]] behaupten, es gebe überhaupt keine Wahrheiten, nur verschiedene Sichtweisen; vermeintliche Gewissheit könne sich zwar subjektiv einstellen, beweise aber überhaupt nichts. Schließlich gehen einige Philosophen so weit, nicht nur die Existenz „offensichtlich“ wahrer Sätze, sondern auch die Gültigkeit der logischen Schlußregeln anzuzweifeln. Dann sei allerdings jede Diskussion praktisch sinnlos.
 
Eine bedeutende Untersuchung des frühen 20. Jahrhunderts verfasste der österreichische Philosoph [[Ludwig Wittgenstein]] mit seiner Schrift [[wikipedia:Über Gewißheit|Über Gewißheit]].
[[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
 
== Weblinks ==
* {{Eisler|Gewißheit}}
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
[[Kategorie:Wissen]]
 
{{wikipedia}}

Version vom 12. Dezember 2018, 00:27 Uhr

Der Ausdruck Gewissheit bezeichnet alltagssprachlich meist die subjektive Sicherheit bezüglich bestimmter, für gut gerechtfertigt gehaltener Überzeugungen, die sich z. B. auf natürliche oder moralische Sachverhalte beziehen können.

In verschiedenen Wissenschaften wird "Gewissheit" darüber hinaus in engerer, präziserer oder teils auch abweichender Bedeutung verwendet. So wird beispielsweise in der philosophischen Erkenntnistheorie von einigen Theoretikern Gewissheit für eines der Kriterien für Wissen gehalten. Viele diesbezügliche Debatten stehen in engem Zusammenhang zum Problem des Skeptizismus. Außerdem wird diskutiert, welche Elemente welche Rolle für das Zustandekommen subjektiver Gewissheit spielen, darunter etwa "Beweise", Verlässlichkeit von "Expertenmeinungen", äußere Umstände wie Häufigkeit der gebrachten Argumente oder innere Modalitäten wie emotionale Stabilität.

Darüber hinaus findet der Ausdruck Gewissheit oder Sicherheit Anwendung u. a. in verschiedenen Ansätzen der Theorie der praktischen Rationalität, der Argumentationstheorie, Entscheidungstheorie, unterschiedlichen Teilbereichen der modernen Logik, in der Informationstheorie und Automatentheorie, der Ökonomie und Psychologie.

Abgrenzung zu „Wissen“ und „Wahrheit“

Wenn die Begriffe „Wissen“ und „Gewissheit“ unterschieden werden, dann meist so, dass Wissen sich auf die Kenntnis vorhandener Theorien, Ereignisse oder Tatsachen bezieht und wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein kann.

Gewissheit bezieht sich dagegen auf die Überzeugung einer Person, dass das Wissen wahr ist oder sich so ableiten lässt, dass ohne Probleme die Wahrheit angenommen werden kann. Gewissheit ist daher nicht Eigenschaft der Sachverhalte oder Urteile, sondern Resultat eines psychischen Prozesses und vom Subjekt abhängig. Eine vollständige Aussage kann dann nicht lauten: „Das Urteil U ist gewiss“, sondern: „Das Urteil U ist gewiss für das Subjekt S.“

Bei dieser Unterscheidung treten aber verschiedene Paradoxien auf, die auf dem Unterschied zwischen „etwas für wahr halten“ und „wahr sein“ bzw. dem allgemeinen Problem, was unter „Wahrheit“ zu verstehen ist, beruhen. Dabei kann etwa das für wahr Gehaltene auch objektiv als wahr gelten, obwohl die Gründe für die persönliche Überzeugung falsch sind.

Dies tritt bei Gettiers Problem auf. Gettier untersucht, welche Gründe es für Gewissheit gibt und stellt fest, dass jeder Grund täuschen kann[1].

Da sich nach dieser Definition Gewissheit und Wahrheit unterscheiden und Gewissheit kein Wahrheitskriterium ist, ist Gewissheit etwa bei Zeugen durchaus problematisch. Sie berichten, was sie gesehen haben und sind sich dessen gewiss; trotzdem kann es falsch sein. Ebenso kann umgekehrt die Gewissheit bestehen, dass etwas nicht sein kann, obgleich alle Fakten dafür sprechen.

Philosophische Betrachtungen der Gewissheit

Einige Theoretiker, als erster Platon, unterscheiden Stufen der Gewissheit von der bloßen Meinung bis hin zur festen Überzeugung. Diese Begriffe werden allerdings nicht einheitlich gebraucht.

Gegenstand dauernder philosophischer Auseinandersetzungen ist die Frage, ob es sichere Gewissheit geben kann. Schon früh wurde hierbei erkannt, dass jede Beweiskette, wenn sie nicht unendlich weit laufen oder in einem Zirkelschluss münden soll (siehe auch infiniter Regress), irgendwann von Aussagen (Axiomen) ausgehen muss, die nicht weiter begründbar sind, also für offensichtlich wahr erklärt werden müssen. Ob es solche Aussagen gibt und welche es sein sollen, ist stark umstritten.

Beispielsweise hielt Immanuel Kant den kategorischen Imperativ für eine absolut gewisse ethische Norm; andere Philosophen bestreiten dies heftig. Auch die Frage, ob man solche Grundsätze etwa anders als mit einem logischen Beweis „begründen“ kann, wird immer wieder diskutiert. Der Intuitionismus behauptet, einige Wahrheiten seien aus der Intuition klar und offensichtlich wahr. Der Realismus verweist auf die (unmittelbaren) Evidenzen, d. h. Grundwahrheiten wie den Satz vom Widerspruch, die nicht nur unwiderlegbar und unbeweisbar sind, sondern aus sich heraus einleuchten. Der dialektische Materialismus sieht in der praktischen Durchführung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Grund für (relative) Gewissheit. Der kritische Rationalismus lehnt Gewissheit überhaupt ab, kennt aber versuchsweise als wahr akzeptiertes Wissen und darin durchaus unterschiedliche Grade der Wahrheitsnähe, auch wenn sich daraus keine Gewissheit ableiten lässt. Vertreter des Perspektivismus behaupten, es gebe überhaupt keine Wahrheiten, nur verschiedene Sichtweisen; vermeintliche Gewissheit könne sich zwar subjektiv einstellen, beweise aber überhaupt nichts. Schließlich gehen einige Philosophen so weit, nicht nur die Existenz „offensichtlich“ wahrer Sätze, sondern auch die Gültigkeit der logischen Schlußregeln anzuzweifeln. Dann sei allerdings jede Diskussion praktisch sinnlos.

Eine bedeutende Untersuchung des frühen 20. Jahrhunderts verfasste der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein mit seiner Schrift Über Gewißheit.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. * Edmund Gettier: Is Justified True Belief Knowledge? in: Analysis, 23, 1963, S. 121–123. Deutsch Ist gerechtfertigte, wahre Meinung Wissen? In: Peter Bieri (Hrsg.): Analytische Philosophie der Erkenntnis. Frankfurt/M. 1987, S. 91–93.


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