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Coincidentia oppositorum
Die Coincidentia oppositorum (lat.) bedeutet den Zusammenfall der Gegensätze im Unendlichen. Anaximander nahm sie schon in dem, allerdings geistig zu denkenden, Urstoff, dem Ápeiron (άπειρον, das Unendliche) an. Er ist unbegrenzt und daher auch eigenschaftslos; die geschaffene Welt entsteht aus ihm durch Ausscheidung der Gegensätze.
Nikolaus von Kues (Cusanus) sieht schon in seiner Schrift «De docta ignorantia» („Über die belehrte Unwissenheit“, 1440) den Zusammenfall der Gegensätze am unmittelbarsten in Gott selbst, der zugleich das absolute Maximum, allmächtig, allwissend, ewig usw. ist, als auch das absolute Minimum, weil er in allen Dingen enthalten ist. Dem unendlichen Wesen Gottes kann man sich darum nur nähern, wenn man das rationale verstandesmäßige Unterscheidungsvermögen transzendiert, um die einfache und ungeteilte Einheit zu erreichen, in der alle Widersprüche zusammenfallen (lat. ubi contradictoria coincidunt). Cusanus hat den Zusammenfall der Gegensätze in der Unendlichkeit vielfach durch geometrische Beispiele illustriert. Das Krumme und das Gerade sind im Endlichen Gegensätze. Läßt man einen Kreis immer weiter anwachsen, so nähert sich seine Krümmung immer mehr der Geraden und der unendlich große Kreis ist zugleich ein Gerade oder, umgekehrt ausgedrückt: die Gerade ist ein unendlich großer Kreis. Sinnlich läßt sich das nicht vorstellen, wohl aber gedanklich nachvollziehen. Vorallem aber bieten solche geometrischen Übungen ein gute Grundlage für die Meditation, die schließlich das geistige Auge der Vernunft für eine erste unmittelbare Einsicht in die ungeteilte Einheit der göttlichen Welt öffnet. Es wird damit der Weg zu einer Art vollbewusster Gedankenmystik geöffnet.
Die Ideen des Cusaners wurden u.a. von Giordano Bruno und Schelling aufgenommen.