Benjamin Libet und Leonardo da Vinci: Der vitruvianische Mensch: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Benjamin-libet.jpg|mini|250px|Benjamin Libet]]
[[Datei:Bild 142xyz.jpg|mini|[[Leonardo da Vinci]]: Vitruvianischer Mensch]]
Als '''vitruvianischer Mensch''' (lat. ''homo vitruvianus'', auch: ''Vitruvianische Figur'') wird eine Darstellung des Menschen nach den vom antiken Architekten und Ingenieur [[Vitruv]](ius) formulierten und idealisierten Proportionen bezeichnet. Das berühmteste Beispiel ist eine 34,4 cm × 24,5 cm große [[Zeichnung (Kunst)|Zeichnung]] von [[Leonardo da Vinci]], die um [[1490]] entstand. Es handelt sich um eine [[Skizze]] mit Notizen aus einem seiner [[Manuskripte Leonardo da Vincis|Tagebücher]], die einen [[Mann]] mit ausgestreckten [[Extremitäten]] in zwei überlagerten Positionen zeigt. Mit den Fingerspitzen und den Sohlen berührt die Figur ein sie umgebendes [[Quadrat (Geometrie)|Quadrat]] (''{{lang|la|homo ad quadratum}}'') bzw. einen [[Kreis]] (''{{lang|la|homo ad circulum}}'').


'''Benjamin Libet''' (* [[Wikipedia:12. April|12. April]] [[Wikipedia:1916|1916]] in [[Wikipedia:Chicago|Chicago]], [[Wikipedia:Illinois|Illinois]]; † [[Wikipedia:23. Juli|23. Juli]] [[Wikipedia:2007|2007]] in [[Wikipedia:Davis (Kalifornien)|Davis]], [[Wikipedia:Kalifornien|Kalifornien]]) war ein [[Amerika|US-amerikanischer]] [[Physiologe]] und arbeitete an der [[Wikipedia:University of California, San Francisco|University of California]]. Er gilt als Wegbereiter der [[experiment]]ellen [[Bewusstsein]]sforschung.  
Die Studie zeigt, wie sehr Leonardo an [[Körperbau]] und [[Körperproportionen|-proportionen]] interessiert war,<ref name="stanford">[http://leonardodavinci.stanford.edu/submissions/clabaugh/history/leonardo.html Vorlesungsmaterialien: ''The Worlds of Leonardo da Vinci''] bei der Stanford University</ref> und ist bis heute nicht nur ein Symbol für die [[Ästhetik]] der [[Renaissance]], sondern eines der berühmtesten und am meisten vervielfältigten Bildmotive.


== Leben und Forschungstätigkeit ==
== Herkunft des Namens ==
Der Name stammt nicht von [[Leonardo da Vinci]]. Er erinnert an den [[Römisches Reich|römischen]] [[Architekt]]en [[Vitruv]]ius, ca. 80–70&nbsp;v.&nbsp;Chr. bis ca. 10&nbsp;v.&nbsp;Chr. Dieser verfasste zwischen 33&nbsp;v.&nbsp;Chr. und 22&nbsp;v.&nbsp;Chr. die einzigen aus der Antike erhaltenen Architekturbücher ''Zehn Bücher über Architektur'' ([[Latein|lat.]] ''De architectura libri decem''). Diese Abhandlungen waren nicht illustriert und regten viele spätere Künstler zu eigenen Bebilderungen an, darunter [[Albrecht Dürer]]. Vitruvius stellt darin unter anderem die Theorie des ''wohlgeformten Menschen'' (lat. ''homo bene figuratus'') mit einem idealen Verhältnis der Körperteile zueinander auf:


Benjamin Libets Großvater väterlicherseits, Harry Libitsky, ein jüdischer Immigrant, war 1905 aus der Ortschaft [[Wikipedia:Brussyliw|Brussyliw]] in der [[Wikipedia:Ukraine|Ukraine]] in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] eingewandert<ref>Larry R. Squire (Hrsg.): ''The History of Neuroscience in Autobiography'', Volume 1, Society for Neuroscience 1996, S. 414ff, ISBN 0-916110-51-6 [https://www.sfn.org/~/media/SfN/Documents/TheHistoryofNeuroscience/Volume%201/c13.ashx pdf]</ref> und hatte sich in [[Wikipedia:Chicago|Chicago]] niedergelassen. Als äußerst geschickter Schneider nähte er Herrenanzüge ausschließlich mit der Hand; von ihm müsse er wohl seine mikrochirugische Fingerfertigkeit geerbt haben, dachte sich Libet später oft. Als Libets Großvater 1909 seine Heimat wieder besuchte, nahm er Libets Vater, der damals 13 oder 14 Jahre alt war, mit nach Amerika. Die restliche Familie folgte erst 1921, was Libets Großmutter ihrem Mann niemals verziehen hat.
{{Zitat|Ferner ist natürlicherweise der Mittelpunkt des Körpers der Nabel. Liegt nämlich ein Mensch mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken, und setzt man die Zirkelspitze an der Stelle des Nabels ein und schlägt einen Kreis, dann werden von dem Kreis die Fingerspitzen beider Hände und die Zehenspitzen berührt. Ebenso, wie sich am Körper ein Kreis ergibt, wird sich auch die Figur eines Quadrats an ihm finden. Wenn man nämlich von den Fußsohlen bis zum Scheitel Maß nimmt und wendet dieses Maß auf die ausgestreckten Hände an, so wird sich die gleiche Breite und Höhe ergeben, wie bei Flächen, die nach dem Winkelmaß quadratisch angelegt sind.|[[Vitruv]]}}


Libets Mutter, Anna Charovsky, stammte aus [[Wikipedia:Kiew|Kiew]], wo sie das Gymnasium besucht und Erfahrungen als Lehrerin gesammelt hatte - was für jüdische Mädchen damals noch recht ungewöhnlich war. 1913 kam sie  nach Chicago, wo sie 1915 Libets Vater Morris heiratete. Neun Monate später wurde Benjamin Libitsky geboren. Zuhause wurde anfangs nur [[Wikipedia:Jiddisch|Jiddisch]] gesprochen; [[Englisch]] lernte Libet zuerst von den Kindern, mit denen er auf der Straße spielte. Aber auch seine Eltern beherrschten die englische Sprache schon bald sehr gut.
== Leonardos Zeichnung ==
Das Original der Zeichnung Leonardos befindet sich seit 1822 in der ''[[Accademia (Venedig)|Galleria dell’ Accademia]]'' in Venedig, nachdem es ein österreichischer Gouverneur gemeinsam mit 25 anderen Leonardozeichnungen von den Erben des Mailänder Kunstsammlers [[Giuseppe Bossi]] (1777–1815) erwarb. Es wird aus Konservierungsgründen nur selten ausgestellt.
Leonardo lernte Vitruvs Text wahrscheinlich bei einer Reise im Jahr 1490 kennen, als er [[Francesco di Giorgio]] traf, der Vitruv ins Italienische übersetzte. Mit seiner Federzeichnung illustriert Leonardo da Vinci die These des Vitruvius, der aufrecht stehende Mensch füge sich sowohl in die geometrische Form des Quadrates wie des Kreises ein. Er war weder der einzige noch der erste Künstler, der Vitruvs Text illustrierte. Francesco di Giorgio selbst hat einen Vitruvianischen Menschen gezeichnet. Nur Leonardo gelang es allerdings, die Überlagerung von Kreis und Quadrat so zu lösen, dass eine zwingende, harmonisch proportionierte Gestalt entstand. Dafür wählte Leonardo für das Quadrat einen anderen Mittelpunkt als für den Kreis: Wie aus der Zeichnung ersichtlich, setzt der Künstler für den „homo ad circulum“ den Zirkel exakt im Nabel an. Beim „homo ad quadratum“ ist dagegen der Schritt der Mittelpunkt des Quadrates. Andere Illustratoren versuchten, Kreis- und Quadratmitte zur Deckung zu bringen.


Libets Mutter förderte Bens Ausbildung nach besten Kräften. Nach der Grundschule nahm er mit 12 Jahren an einem ''Summer Camp'' teil, wo der  Betreuer der Biologiegruppe demonstrierte, wie die inneren Organe eines [[Wikipedia:Froschlurche|Frosches]] auch nach Abtötung des Gehirns weiter arbeiteten. Das immer noch schlagende Herz zu sehen, beeindruckte Ben tief.  
Das Aussehen der Figur ist nicht allein durch Kreis und Quadrat bestimmt, sondern auch durch Proportionsregeln für die einzelnen Körperteile (Fuß, Kopf etc.). Vitruvius sagt dazu:


[[Datei:Libet 3.jpg|mini|400px|Diagramm zur Zeitordnung zweier unterschiedlicher Stimuli:<br />'''C''': Direkte Stimulation des Kortex mit wiederholten Impulsen (60 pps), die aber erst ab etwa 500 ms wahrgenommen wurden. Nach Libets Einschätzung ist diese Zeitspanne nötig, um das Bewusstsein für den Stimulus aufzubauen.<br />'''S''': Einzelner Impuls auf der Haut nach 200 ms. Erwartet wurde, dass dieser erst nach weiteren 500 ms bewusst wird, also bei etwa 700 ms. Tatsächlich wurde er aber praktisch unmittelbar wahrgenommen. Libet schloss daraus, dass er durch die Gehirntätigkeit zum tatsächlichen Zeitpunkt der Stimulation zurückdatiert wurde.<ref>Libet (1979), Fig. 1</ref>]]
{{Zitat|Der Körper des Menschen ist so geformt, dass das Gesicht vom Kinn bis zum oberen Ende der Stirn und dem unteren Rand des Haarschopfes 1/10 beträgt, die Handfläche von der Handwurzel bis zur Spitze des Fingers ebenso viel, der Kopf vom Kinn bis zum höchsten Punkt des Scheitels 1/8 [] Vom unteren Teil des Kinns aber bis zu den Nasenlöchern ist der dritte Teil der Länge des Gesichts selbst, ebenso viel die Nase von den Nasenlöchern bis zur Mitte der Linie der Augenbrauen. Von dieser Linie bis zum Haaransatz wird die Stirn gebildet, ebenfalls 1/3 […]|(''Vitruv: Zehn Bücher über Architektur 3,1,2'')}}
Mit 16 Jahren schloss Libet die [[Wikipedia:Marshall Metropolitan High School|Marshall Metropolitan High School]] ab und erhielt nach einem glänzenden dreistündigen Examen in [[Chemie]] ein halbes Stipendium von der [[Wikipedia:University of Chicago|University of Chicago]]; die andere Hälfte trug seine High School bei. 1936 machte Libet seinen [[Wikipedia:B.Sc.|B.Sc.]]. Danach schloss er sich der Forschungsgruppe des [[Neurophysiologe]]n [[Wikipedia:Ralph Gerard|Ralph Waldo Gerard]] (1900-1974) an, der damals schon international für seine Arbeiten zum Nervenmetabolismus bekannt war, und studierte hier die elektrische Aktivität isolierter, in [[Wikipedia:Ringerlösung|Ringerlösung]] aufbewahrter Froschgehirne. Gemeinsam mit Gerad fand er heraus, dass der spontan auftretende 6 Hz-Rhythmus durch Variation der ionischen Zusammensetzung Lösung zu einer Vielzahl von Rhythmen umgewandelt werden konnte<ref>Libet B., Gerard R. W.: ''Control of the potential rhythm of the isolated frog brain'', J. Neurophysiol. 1939;2, pp. 153-169, {{doi|10.1152/jn.1939.2.2.153}}</ref>. Für seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung änderte er seinen Namen auf Anraten Gerads wegen der selbst an den Universitäten verbreiteten [[Antisemitismus|antisemitischen]] Haltung von ''Libitsky'' zu ''Libet''- was auch ein wenig Französisch anmutete wie Gerads Name: „''Das führte später zu peinlichen Momenten, als meine französischen Kollegen annahmen, ich sei tatsächlich Franzose - meine Französischkenntnisse waren aber fast gleich Null.''“<ref>„That got me into embarrassing moments later when my French colleagues assumed I was indeed French - my ability to speak French was almost zero.“ (Squire, S. 424)</ref> 1939 vollendete er sein Studium mit dem [[Wikipedia:Ph.D.|Ph.D.]] und heiratete im selben Jahr Fannie „Fay“ Evans.


Durch seine Arbeit entwickelte Libet eine heftige [[Wikipedia:Allergie|Allergie]] gegen Froschblut, verbunden mit einem starken [[Wikipedia:Asthma bronchiale|Bronchialasthma]], dem die kalten Winter in Chiacago nicht gut taten. 1949 wechselte Libet daher an die [[Wikipedia:University of California, San Francisco|University of California, San Francisco]]. 1958 übersiedelte die ''School of Medicine'' mit vielen führenden Forschern von der [[Wikipedia:University of California, Berkeley|University of California, Berkeley]] nach [[Wikipedia:San Francisco|San Francisco]]. Dadurch entstand eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit mit dem [[Wikipedia:Neurochirurgie|Neurochirurgen]] ''Bertram Feinstein'' (1914-1978), der es Libet ermöglichte, mit neurologischen Patienten, die damit einverstanden waren, Untersuchungen am offenen [[Gehirn]] durchzuführen. Libet reizte die [[Hirnrinde]] der wachen Patienten mit winzigen pulsartigen Stromstößen unterschiedlicher Frequenz, um herauszufinden, wann dadurch eine [[bewusst]]e [[Empfindung]] ausgelöst wurde. Stimulierte Libet jenen Teil der Hirnrinde, der Reize aus einem Finger der rechten Hand registriert, verspürten die Versuchspersonen ein unspezifisches Prickeln in diesem Finger. Überraschend war allerdings, dass der Reiz etwa eine halbe Sekunde (500 ms) einwirken musste, ehe er bewusst erlebt wurde. Es kam also zu einer ''verzögerten Wahrnehmung'' ({{EnS|''delayed awareness''}}). Kürzere Reize drangen überhaupt nicht ins [[Bewusstsein]] vor, längere Reize und solche mit höherer Pulsrate wurden intensiver empfunden<ref>Libet et al. (1964)</ref>. Wird anderseits der Finger direkt durch einen einzigen kurzen Impuls gereizt, tritt die viel schärfere Empfindung fast augenblicklich schon nach weniger als 50 ms auf, obwohl auch hier das für die Bewusstwerdung nötig scheinende Hirnrindenpotential erst über einen längeren Zeitraum aufgebaut wird. Libet stellte daraufhin die bis heute umstrittene [[Hypothese]] auf, dass das Gehirn den direkten Haut-Reiz entsprechend ''zurückdatiert''<ref>Libet et al. (1979)</ref>.
Leonardos Beschriftung seiner Zeichnung legt ebenfalls die Körperverhältnisse fest, indem er das seit der Antike verbreitete, vom Menschen abgeleitete [[Alte Maße und Gewichte (Römische Antike)|Maßsystem]] referiert: 4 Finger sollen einen Palm (Handbreite) ergeben, 4 Palm einen Fuß, 6 Palm eine Elle, 4 Ellen die Gesamtgröße eines Menschen, dieselben 4 Ellen ein [[Klafter]] (d.&nbsp;h. eine Armspanne).<ref>Frank Zöllner: ''Anthropomorphismus: Das Maß des Menschen in der Architektur von Vitruv bis Le Corbusier'', in: Otto Neumaier (Hrsg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras. Bibliopolis, Möhnesee 2004 (Arianna. Wunschbilder der Antike, Bd. 4), S. 307–344. ([http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2006/162/ Weblink ART-Dok])</ref> Das Idealbild der menschlichen Schönheit ist daher kein absolutes, sondern besteht aus der Beziehung einzelner Teile zueinander.<ref>Der erhaltene Teil von Leonardos Beschriftung nimmt weniger auf Kreis und Quadrat Bezug als auf die Proportionierung der einzelnen Körperteile. Im oberen Teil des Blattes ist folgender Text geschrieben
« ''Vetruvio, architecto, mecte nella sua op(er)a d'architectura, chelle misure dell'omo sono dalla natura disstribuite inquessto modo cioè che 4 diti fa 1 palmo, et 4 palmi fa 1 pie, 6 palmi fa un chubito, 4 cubiti fa 1 homo, he 4 chubiti fa 1 passo, he 24 palmi fa 1 homo ecqueste misure son ne' sua edifiti. Settu ap(r)i ta(n)to le ga(m)be chettu chali da chapo 1/14 di tua altez(z)a e ap(r)i e alza tanto le b(r)acia che cholle lunge dita tu tochi la linia della somita del chapo, sappi che 'l cie(n)tro delle stremita delle ap(er)te me(m)bra fia il bellicho. Ello spatio chessi truova infralle ga(m)be fia tria(n)golo equilatero'' »


== Libet-Experiment ==
Unter der Illustration steht: « ''Tanto ap(r)e l'omo nele b(r)accia, qua(n)to ella sua alteza. Dal nasscimento de chapegli al fine di sotto del mento è il decimo dell'altez(z)a del(l)'uomo. Dal di socto del mento alla som(m)ità del chapo he l'octavo dell'altez(z)a dell'omo. Dal di sop(r)a del pecto alla som(m)ità del chapo fia il sexto dell'omo. Dal di sop(r)a del pecto al nasscime(n)to de chapegli fia la sectima parte di tucto l'omo. Dalle tette al di sop(r)a del chapo fia la quarta parte dell'omo. La mag(g)iore larg(h)ez(z)a delle spalli chontiene insè [la oct] la quarta parte dell'omo. Dal gomito alla punta della mano fia la quarta parte dell'omo, da esso gomito al termine della isspalla fia la octava parte d'esso omo; tucta la mano fia la decima parte dell'omo. Il menb(r)o birile nasscie nel mez(z)o dell'omo. Il piè fia la sectima parte dell'omo. Dal di socto del piè al di socto del ginochio fia la quarta parte dell'omo. Dal di socto del ginochio al nasscime(n)to del memb(r)o fia la quarta parte dell'omo. Le parti chessi truovano infra'' »</ref>
Leonardo gewann seine Proportionsvorstellungen nicht nur aus der antiken Überlieferung, sondern auch durch Vermessung der Anatomie junger Männer in den Jahren 1489/90.<ref>Frank Zöllner: ''Die Bedeutung von Codex Huygens und Codex Urbinas für die Proportions- und Bewegungsstudien Leonardos da Vinci'', in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 52, 1989, S. 334–352. [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2006/155/ (Weblink ART-Dok, S. 6)]</ref>


[[Datei:Libet_Uhr.gif|mini|250px|Libets Oszilloskop-Uhr<ref>Libet 1999, p. 50</ref>]]
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[[Datei:Tektronix 465 Oscilloscope.jpg|mini|250px|Analoges Oszilloskop mit [[Wikipedia:Kathodenstrahlröhre|Röhrenanzeige]] aus den 1970er Jahren ([[Wikipedia:Tektronix|Tektronix 465)]]]]
FGMartini1.jpg|[[Francesco di Giorgio Martini]]
[[Datei:Libet 1.jpg|mini|400px|Nach verschiedenen Anweisungen ausgelöste [[Bereitschaftspotential]]e ('''RP''') bei zwei verschiedenen Versuchspersonen (S.S. und B.L.), die mittels [[EEG]] an verschiedenen Elektroden (C<sub>c"</sub>, C<sub>c'</sub>, C<sub>c</sub>, C<sub>z</sub>, C<sub>3</sub>) gemessen wurden.<ref>Libet et al. (1982), p. 327</ref> Die durchgezogenen vertikalen Linien (A, B, C) zeigen den mittels [[EMG]] gemessenen Nullpunkt an.<br />'''A''': Handbewegung mit Vorplanung<br />'''B''': spontane Handbewegung<br />'''C''': elektrische Hautstimulation]]
De Architectura030.jpg|[[Cesare Cesariano]]
[[Datei:Libet 2.jpg|mini|400px|Diagramm der Messergebnisse:<ref>Libet 1999, p. 51</ref><br />RP I: Bereitschaftspotential bei Vorausplanung (-1050 ms)<br />RP II: spontane Bewegung (-550 ms)<br />W: bewusster Willensentschluss (-200 ms)<br />S: Korrekturfaktor aus dem Vorversuch (-50 ms)<br />EMG: registrierte Muskelaktivität]]
Fotothek df tg 0001128 Geometrie ^ Zeichnung ^ Mensch ^ Proportion.jpg|[[Walther Hermann Ryff]]
</gallery>


Bekannt wurde Libet vor allem für sein 1979 durchgeführtes und später nach ihm benanntes „'''Libet-Experiment'''“, bei dem er den zeitlichen Zusammenhang [[willkürlich]] eingeleiteter [[Handlung]]en mit der damit verbundenen [[neuronal]]en Aktivität studierte. Er kam dabei zu dem für ihn erstaunlichen Ergebnis, dass das die Handlung einleitende [[Bereitschaftspotential]] ({{EnS|''readiness potential''}}, kurz '''RP''') bereits deutlich ''vor'' der [[bewusst]] erlebten Entscheidung zu dieser Handlung aufgebaut wird.  
Die Doppelfigur in Kreis und Quadrat kann auch als Lösungsvorschlag Leonardos zur in endlich vielen Konstruktionsschritten unmöglichen [[Quadratur des Kreises]] verstanden werden. Tatsächlich lässt sich der Zeichnung ein sehr eleganter Algorithmus zur annähernden Kreisquadratur (in unendlich vielen Konstruktionsschritten) entnehmen, der eine rekursive Folge von Paaren Kreis und Quadrat erzeugt, die mit hoher Genauigkeit gegen ein Flächenverhältnis von ca. 1,0003 konvergiert.<ref>Klaus Schröer, Klaus Irle: ''„Ich aber quadriere den Kreis …“. Leonardo da Vincis Proportionsstudie''. Neuaufl. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2007, ISBN 978-3-86582-547-6 (Erstauflage 1998). Der Algorithmus der Proportionsstudie wurde recht bekannt und ist heute Gegenstand des fächerübergreifenden Unterrichts Mathematik und Kunst nicht nur an deutschen Schulen. Das Verfahren wurde ferner auf Leonardoausstellungen in Wien und Berlin thematisiert und war mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Fachtagungen.</ref>


Libet knüpfte an die Arbeiten von [[Wikipedia:Hans Helmut Kornhuber|Hans Helmut Kornhuber]] (1928-2009) und [[Wikipedia:Lüder Deecke|Lüder Deecke]] (* 1938) an, die das Bereitschaftspotential 1964 entdeckt hatten<ref name="Kornhuber">[[Wikipedia:Hans Helmut Kornhuber|Hans H. Kornhuber]], [[Wikipedia:Lüder Deecke|Lüder Deecke]]: ''Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale.'' In: ''[[Wikipedia:Pflügers Arch|Pflügers Arch]]'' 284, 1965, S. 1–17; {{doi|10.1007/BF00412364}} [https://www.researchgate.net/publication/36191975_Hirnpotentialanderungen_be_Willkurbewegungen_und_passiven_Bewegungen_des_Menschen_Bereitschaftspotential_und_reafferente_Potentiale online]</ref>. Kornhubers und Deeckers Versuche zeigten, dass das Bereitschaftspotential schon etwa 0,4 bis 4 Sekunden ''vor'' der Bewegung flach anzusteigen beginnt und seinen Höhepunkt meist etwa 50 msec (zwischen 30-90 msec) ''nach'' Beginn der Bewegung erreicht. Das widersprach Libets Alltagserfahrung, wonach ihm die subjektiv ''empfundene'' Zeit zwischen Handlungsabsicht und -ausführung sehr viel kürzer erschien. Er wollte daher empirisch möglichst exakt feststellen, ''wann'' die Versuchsperson eine bewusste Handlungsentscheidung trifft, ''wann'' die zugehörige einleitende Aktivität im [[Motorischer Cortex|motorischen Cortex]] beginnt, und ''wann'' die betreffenden Muskeln tatsächlich tätig werden.
Das Verhältnis der Seitenlänge des Quadrates zum Radius des Kreises in Leonardos Bild entspricht mit einer Abweichung von 1,7 % dem [[Goldener Schnitt|Goldenen Schnitt]], weshalb oft gesagt wird, das Bild sei die „Darstellung des Menschen im Goldenen Schnitt“. Da die Strecken von Seitenlänge und Radius keine Einheit darstellen und in verschiedene Richtungen verlaufen, lässt sich ein Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen – so wie es der Goldene Schnitt beschreibt – nur schwerlich darstellen. Wegen der Abweichung von 1,7 % kann man deshalb über die genannte Formulierung streiten.


Libet errechnete seine Daten aus dem statistischen Mittelwert von jeweils 40 [[EEG]]-Aufzeichnungen pro Versuchsperson. Als zeitlichen Referenzpunkt legte er den Beginn der mittels [[Elektromyografie]] ([[EMG]]) gemessenen Muskelaktivität fest. Um den Zeitpunkt der Willensentscheidung der Versuchpersonen möglichst genau zu erfassen, ließ er sie auf einen mittels eines [[Wikipedia:Oszilloskop|Oszilloskop]]s realisierten Lichtpunkt blicken, der innerhalb von 2,56 Sekunden einen vollständigen Kreis beschrieb. Die Probanden sollten genau angeben, bei welcher Stellung des Lichtpunkts sie den bewussten „Drang“ („urge“) zur Bewegung verspürt hatten. Um dieses Verfahren zu kalibrieren, wurde zuvor eine Hauptpartie elektrisch stimuliert und der Beginn der Muskelaktivität gemessen. Die Versuchspersonen mussten anhand des kreisenden Lichtpunkts angeben, wann sie die Stimulation bewusst wahrgenommen hatten. Dabei ergab sich, dass der Reiz durchschnittliche 50 ms vor der durch den Reiz ausgelösten Muskelaktivität bewusst erlebt wurde.  
== Heutige Verwendung ==
War Leonardos Zeichnung bis in die 1930er Jahre vor allem dem engsten Kreis der Leonardo-Fachliteratur und in der Proportionslehre an den Kunstakademien bekannt, gewann die Figur durch Verwendung als Symbol von Leonardos naturwissenschaftlichem Ordnungsdenken in der Mailänder Ausstellung zu Ehren des Künstlers 1939 internationale Aufmerksamkeit.<ref>Eckhard Leuschner: ''Wie die Faschisten sich Leonardo unter den Nagel rissen Eine architekturgeschichtliche Station des „Vitruvianischen Menschen“ auf dem Weg zum populären Bild''. In: Christian Hecht (Hrsg.): ''Beständig im Wandel. Innovationen, Verwandlungen, Konkretisierungen. Festschrift für Karl Möseneder zum 60. Geburtstag''. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009, ISBN 978-3-88221-998-2, S. 425–440.</ref>


Im Hauptversuch wurden die Probanden gebeten, zu einem beliebigen Zeitpunkt die rechte Hand zu bewegen. In einem Teil der Versuche sollte diese Bewegung ganz spontan erfolgen, in einem anderen Teil sollten die Versuchspersonen die Bewegung bewusst vorausplanen und bis zur eigentlichen Ausführung noch bis zu einer Sekunde abwarten.
Heute ist ''der vitruvianische Mensch'' eine populäre und häufig adaptierte Figur. Neben [[Reproduktion]]en in Wandbildern oder Postern oder als [[Tätowierung|Tattoo-Motiv]], findet er sich auf der Rückseite der [[Italienische Euromünzen|italienischen 1-Euro-Münze]], auf dem [[Symbol|Emblem]] des [[Skylab 3]] oder als Logo der [[Krankenversicherungskarte (Deutschland)|Krankenversichertenkarte]] (KVK) und [[Elektronische Gesundheitskarte|elektronischer Gesundheitskarte]] (eGK) der deutschen [[Gesetzliche Krankenversicherung|gesetzlichen Krankenkassen]].


Relativ zur registrierten Muskelaktivität setzte das Bereitschaftspotential (RP) bei durchschnittlich -1050 ms ein, wenn die Versuchperson berichtete, dass sie die Handlung vorausgeplant hatte. Bei spontanen Bewegungen trat das Bereitschaftspotential hingegen erst bei -550 ms auf. Der Zeitpunkt der willentlichen Entscheidung (W-Urteil), den die Versuchspersonen angaben, lag in beiden Fällen durchschnittlich bei -200 ms, also deutlich ''nach'' dem Aufbau des Bereitschaftspotentials (rechnet man noch den im Vorversuch ermittelten Korrekturfaktor ein, kommt man auf -150 ms).
Verschiedene Autoren und Zeichner der Neuzeit verfremden Vincis Original [[karikatur]]haft. Ein Beispiel ist [[Donald Duck]], der als „Vitruvianische Ente“ die Titelseite des [[Lustiges Taschenbuch|Lustigen Taschenbuches]] Nr.&nbsp;357 ziert.<ref>[http://www.lustige-taschenbuecher.de/ltb-katalog-357.html Katalogeintrag für LTB 357], lustige-taschenbuecher.de</ref> Eine weitere comichafte Umsetzung ist das Logo der [[Linux]]-Distribution [[Knoppix]] („vitruvianischer [[Tux (Maskottchen)|Pinguin]]“). Die Figur findet auch Verwendung als Coverbild des Albums ''[[Clayman]]'', der Band [[In Flames]] verwendet die Figur, während das Cover des Albums ''[[Lola versus Powerman and the Moneygoround, Part One]]'' der britischen Band ''[[The Kinks]]'' darauf Bezug nimmt.


{{Zitat|Es wird gefolgert, dass die zerebrale Initiation eines spontanen, freiwilligen Aktes unbewusst beginnen kann, d.h. bevor es (zumindest abrufbar) ein subjektives Bewusstsein dafür gibt, dass eine "Entscheidung" zum Handeln bereits zerebral eingeleitet wurde. Dies führt zu gewissen Einschränkungen der Möglichkeiten zur bewussten Initiierung und Kontrolle von freiwilligen Handlungen.|B. Libet et al.|''Time of Conscious Intention to Act in Relation to Onset of Cerebral Activity'' (1983)|ref=<ref>„It is concluded that cerebral initiation of a spontaneous, freely voluntary act can begin unconsciously, that is, before there is any (at least recallable) subjective awareness that a ‘decision’ to act has already been initiated cerebrally. This introduces certain constraints on the potentiality for conscious initiation and control of voluntary acts.“ (Libet et al. 1983)</ref>}}
Eine große Rolle spielt Leonardos Zeichnung in der [[Esoterik]]- und [[New Age|New-Age]]-Szene. Mit einem Tierkreis umrandet, gilt der vitruvianische Mensch als Symbol des Neuen Menschen. Im Bestseller-Roman ''[[Sakrileg (Roman)|Sakrileg]]'' platziert sich der sterbende Jacques Saunière in Form des vitruvianischen Menschen, um seine Ziehtochter Sophie und Robert Langdon auf die Verwicklung der Werke Leonardo Da Vincis in ein Geheimnis aufmerksam zu machen.


Die unbewusste vorbereitende motorische Aktivität scheint also in jedem Fall dem bewussten Willensentschluss ganz klar ''voranzugehen''. Allerdings war die Streuung der Daten bezüglich der Willensentscheidung relativ groß.<ref>Libet et al. (1983)</ref>
Der „vitruvianische Mensch“ wird auch als Symbol in der [[Traditionelle chinesische Medizin|Traditionellen Chinesischen Medizin]] verwendet. Hier wird es als chinesisches Ideogramm bezeichnet. Begründung: „Das chinesische Ideogramm für ‚Mensch‘ zeigt eine Gestalt, die wie ein Baum in der Erde verwurzelt ist und deren Arme wie Äste zum Himmel emporgestreckt sind, sodass sie Kraft von oben und unten empfangen kann.


{{LZ|Die einzelnen Versuchspersonen in dem Libet-Experiment
Schließlich gilt der vitruvianische Mensch als orientierender Mittelpunkt in der "Wuppertaler Definition der unternehmerischen Persönlichkeit" von [[Ulrich Brauckmann]] in einem abgegrenzten Dreieck mit den Außenfaktoren "Normatives Regulativ", "Endogene Determiniertheit" und "Betriebswirtschaftliche Konmpetenz".
unterscheiden sich erheblich darin, zu welchem Zeitpunkt ihnen der
Willensakt bewusst wird. Die Datierung des Drangs, sich bewegen
zu wollen, schwankte zwischen 422 und 54 Millisekunden vor dem
Beginn der eigentlichen Fingerbewegung, in einem
Wiederholungsversuch sogar zwischen 984 und 4 Millisekunden.
Als Mittelwert aller Versuche ergaben sich für Libet daraus die
häufig zitierten 150 bis 200 Millisekunden, bei späteren
Wiederholungen der Versuche durch Patrick Haggard tauchte der
bewusste Wille dagegen schon 350 Millisekunden vor der Bewegung
auf, also deutlich früher.|Trötscher, S. 16}}


=== Schlussfolgerungen ===
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Vitruvianischer Mensch}}
Libet fasste 2002 seine gesammelten Erkenntnisse wie folgt zusammen:
* {{WikipediaDE|Anthropometrie}}
 
{{LZ|1. Die Aktivität der Hirnrinde als Antwort auf einen somatosensorischen Stimulus muss etwa 500 ms andauern, um eine bewusste Empfindung zu erzeugen (Libet et al., 1964, 1967, 1991, 1992a).<br />
2. Eine kürzere Aktivierung gleicher Stärke kann zu einer unbewussten Registrierung des Stimulus führen. Eine Verlängerung der Einwirkungsdauer des Stimulus auf den sensorischen Kortex um zusätzliche 400 ms wandelt die unbewusste Registrierung zu einer bewussten Erfahrung um (Libet et al., 1991). Das ist die Grundlage von Libets „time-on“-Theorie für den Übergang von unbewussten zu bewussten mentalen Funktionen.<br />
3. Ungeachtet der Verzögerung, mit der das kortikale Bewusstsein für einen sensorischen Stimulus erwacht, schlug Libet die Hypothese vor, dass der subjektiv empfundene Zeitpunkt der Stimulation rückdatiert wird, um mit der primär durch den Reiz ausgelösten Reaktion des sensorischen Kortex übereinzustimmen. Daraus entsteht die subjektive Erfahrung, durch die der Stimulus ohne Verzögerung wahrgenommen wird. Ein direkter experimenteller Test bestätigte diese Hypothese (Libet et al., 1979).<br />
4. Einem freien Willensakt geht für etwa 550 ms ein Bereitschaftspotential voran. Die Versuchspersonen berichteten aber, dass ihnen die Intention bzw. der Wunsch zu handeln erst ungefähr 200 ms (± 20 ms) vor der Ausführung bewusst wurde (Libet et al., 1983; Libet, 1985). Das bedeutet, dass das Gehirn den Willensakt unbewusst schon etwa 350 ms früher einleitete, ehe er von der Versuchsperson bewusst gewollt wurde.|Libet 2002, S. 291<ref>„1. Cerebral cortical activities, in response to a somatosensory stimulus, must proceed
for about 500 ms in order to elicit the conscious sensation (Libet et al., 1964,
1967, 1991, 1992a).<br />
2. Activations of shorter durations at the same intensities can produce unconscious
detection of that input. Increasing the duration of repetitive ascending inputs to the
sensory cortex by an additional 400 ms converts an unconscious correct detection
to a conscious sensory experience (Libet et al., 1991). This is the basis of Libet’s
„time-on“ theory for the transition between unconscious and conscious mental functions.<br />
3. Despite the delay for cortical achievement of awareness, for a sensory input,
Libet proposed the hypothesis that the subjective timing of the stimulus is referred
backward in time to coincide with the initial primary evoked response of the sensory
cortex to the stimulus. This response appears with a latency of up to about 30 ms
depending on the bodily location of the stimulus. This subjective „antedating“ results
in our experiencing a stimulus with no delay after its delivery. A direct experimental
test of such referral in time confirmed the hypothesis (Libet et al., 1979).<br />
4. A freely voluntary act was found to be preceded, by about 550 ms, by the
readiness potential (a slow surface negative electrical charge that is maximal at the
vertex). But subjects reported becoming first aware of the wish or intention to act
only about 200 ms (SE ± 20 ms) before the act (Libet et al., 1983; Libet, 1985).
This meant that the brain was initiating the volitional process unconsciously, at least
350 ms before the person was aware of wanting to act.“ (Libet 2002, S. 291)</ref>}}
 
Libets Erkenntnisse führten in den [[Neurowissenschaften]] und der [[Philosophie des Geistes]] zu heftigen Debatten über die [[Willensfreiheit]] des [[Mensch]]en. Viele Forscher sehen seitdem die [[Freiheit]] des menschlichen [[Wille]]ns als bloße Illusion an; in Wahrheit sei der Mensch durch seine [[Neuron|neurale]] Strukturen [[Determinismus|determiniert]]. So behauptet etwa der [[Neurophysiologe]] [[Wikipedia:Wolf Singer|Wolf Singer]]: „''Verschaltungen legen uns fest: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu sprechen''“<ref>Wolf Singer in:  Christian Geyer (Hrsg.): ''Hirnforschung und Willensfreiheit'', 2004, S. 30ff.</ref> und fordert entsprechende [[Ethik|ethische]] und [[Rechtsleben|juristische]] Konsequenzen bezüglich der [[Schuld]]fähigkeit des Menschen.
 
Libet selbst blieb in dieser Frage etwas vorsichtiger. Zwar ging auch er davon aus, dass die von ihm untersuchten Bewegungen schon vor der bewussten Entscheidung unbewusst neuronal angebahnt werden, doch gestand er - allerdings ohne [[Empirie|empirische]] Grundlage - dem Bewusstsein ein freies, ''nicht unbewusst'' eingeleitetes „Veto-Recht“ zu, durch das die angebahnte Handlung innerhalb eines kleinen Zeitfensters noch abgebrochen werden kann, ehe sie tatsächlich zur Ausführung kommen würde.
 
{{LZ|Die Rolle des bewußten freien Willens wäre also nicht, eine
Willenshandlung einzuleiten, sondern vielmehr zu kontrollieren,
ob die Handlung stattfindet. Wir können die unbewußten
Initiativen zu Willenshandlungen als ein «Hochsprudeln», im
Gehirn verstehen. Der bewußte Wille entscheidet dann, welche
dieser Initiativen sich in einer Handlung niederschlagen soll
oder welche verhindert und abgebrochen werden sollen, ohne
daß es zur Handlung kommt.<br />
Diese Art von Rolle für den freien Willen stimmt tatsächlich
mit religiösen und ethischen Mahnungen überein. Diese befürworten
gewöhnlich, daß man «sich selbst unter Kontrolle hat».
Die meisten der zehn Gebote geben die Anweisung, daß man
etwas nicht tun soll.|Libet 2016, S. 282<ref>„The role of conscious free will would be, then, not to initiate a voluntary act, but
rather to control whether the act takes place. We may view the unconscious initiatives
for voluntary actions as ‘bubbling up’ in the brain. The conscious-will then selects
which of these initiatives may go forward to an action or which ones to veto and abort,
with no act appearing.<br />
This kind of role for free will is actually in accord with religious and ethical stric
tures. These commonly advocate that you ‘control yourself’. Most of the Ten Com
mandments are ‘do not’ orders.“ (Libet 1999, p. 54}</ref>}}
 
Neuere Untersuchungen (2016) von [[Wikipedia:John-Dylan Haynes|John-Dylan Haynes]] (* 1971) scheinen das auch experimentell zu bestätigen<ref>Matthias Schultze-Kraft, Daniel Birman, Marco Rusconi, Carsten Allefeld, Kai Görgen, Sven Dähne, Benjamin Blankertz, [[Wikipedia:John-Dylan Haynes|John-Dylan Haynes]]: ''The point of no return in vetoing self-initiated movements'', Proceedings of the National Academy of Sciences January 2016, 113 (4) 1080-1085; {{doi|10.1073/pnas.1513569112}}</ref>. Zudem sah Libet den [[Indeterminismus]] als Voraussetzung des freien Willens an<ref>Libet 2016, S. 268 ff.</ref>.
 
{{LZ|Es bleibt eine tiefere Frage zum freien Willen übrig, die die vorangehenden
Betrachtungen nicht berührt haben. Was wir durch
unsere Experimente erreicht haben, ist ein Wissen darüber, wie
der freie Wille funktionieren könnte. Wir haben jedoch die
Frage nicht beantwortet, ob unsere bewußt gewollten Handlungen
völlig von Naturgesetzen determiniert sind, die die Aktivitäten
von Nervenzellen im Gehirn beherrschen, oder ob
Handlungen und die bewußten Entscheidungen, sie zu vollziehen,
bis zu einem bestimmten Grad unabhängig vom Determinismus
der Natur vonstatten gehen können. Die erste dieser
Optionen würde die Willensfreiheit zu einer Illusion machen.
Das bewußte Gefühl, daß man seinen Willen ausübt, würde
man dann als ein Epiphänomen ansehen, als ein bloßes Nebenprodukt
der Aktivitäten des Gehirns, aber ohne eigene kausale
Kräfte.
 
Erstens kann man darauf hinweisen, daß freie Entscheidungen
oder Handlungen nicht vorhersagbar sind, selbst wenn sie
vollständig determiniert sein sollten. Das Heisenbergsche «Unschärfeprinzip»
schließt aus, daß wir ein vollständiges Wissen
über die zugrundeliegenden molekularen Aktivitäten haben.
Die Quantenmechanik zwingt uns dazu, mit Wahrscheinlichkeiten
anstatt mit Gewißheiten von Ereignissen umzugehen.
Und nach der Chaostheorie kann ein zufälliges Ereignis das
Verhalten eines ganzen Systems auf nicht vorhersagbare Weise
verändern. Auch wenn die Ereignisse praktisch nicht vorhersagbar
sind, könnten sie dennoch in Übereinstimmung mit Naturgesetzen
stehen und deshalb determiniert sein.
 
Wir wollen unsere Grundfrage folgendermaßen formulieren:
Müssen wir den Determinismus akzeptieren? Ist der Indeterminismus
eine lebensfähige Option? Wir sollten erkennen,
daß beide dieser alternativen Ansichten (der Determinismus
der Naturgesetze gegenüber dem Indeterminismus) unbewiesene
Theorien sind, d. h. unbewiesen in bezug auf die Existenz
von Willensfreiheit. Der Determinismus war im großen Ganzen
für die physikalische beobachtbare Welt erfolgreich. Diese
Tatsache hat viele Wissenschaftler und Philosophen dazu geführt,
jede Abweichung vom Determinismus als absurd und albern
und einer weiteren Betrachtung nicht wert anzusehen. Es
gab jedoch keine Belege oder gar den Vorschlag eines experimentellen
Versuchsplans, der endgültig und überzeugend die
Gültigkeit des Determinismus der Naturgesetze als Vermittler
oder Werkzeug der Willensfreiheit beweist.
 
Es gibt eine unerklärte Lücke zwischen der Kategorie der
physischen Phänomene und der Kategorie der subjektiven
Phänomene. Schon bei Leibniz wurde darauf hingewiesen, daß,
wenn man in das Gehirn mit einem vollständigen Wissen seines
physischen Aufbaus und der Aktivitäten von Nervenzellen
schauen würde, man nichts sehen würde, was subjektive Erfahrung
beschreibt. Die ganze Grundlage unserer eigenen experimentellen
Untersuchungen der Physiologie bewußter Erfahrung
(die in den späten 5oer Jahren begannen) bestand darin,
daß die von außen beobachtbaren und manipulierbaren Gehirnprozesse
und die damit verbundenen subjektiven introspektiven
Erlebnisse gleichzeitig als unabhängige Kategorien
untersucht werden müssen, um ihre Beziehung zu verstehen.
Die Annahme, daß die deterministische Natur der physikalisch
beobachtbaren Welt (in dem Maß, in dem sie zutrifft) subjektive
bewußte Funktionen und Ereignisse erklären kann, ist
ein spekulativer Glaube und keine wissenschaftlich bewiesene
Aussage.
 
Der Indeterminismus, die Ansicht, daß der bewußte Wille
manchmal Wirkungen ausüben kann, die nicht mit bekannten
physikalischen Gesetzen übereinstimmen, ist natürlich ebenfalls
ein nicht bewiesener, spekulativer Glaube. Die Ansicht,
daß der bewußte Wille die Funktion des Gehirns unter Verletzung
bekannter physikalischer Gesetze beeinflussen kann, erscheint
in zwei Formen. Nach der einen wird behauptet, daß
die Verletzungen nicht meßbar sind, da die Handlungen des
Geistes auf einer Ebene liegen, die sich unterhalb der Ebene der
Unschärfe befindet, die von der Quantenmechanik zugelassen
wird. (Ob letzterer Vorbehalt aufrechterhalten werden kann,
muß noch geklärt werden.) Diese Position würde also einen indeterministischen
freien Willen ohne eine wahrnehmbare Verletzung der Gesetze der Physik zulassen. Nach einer zweiten
Ansicht wird behauptet, daß die Verletzungen bekannter physikalischer
Gesetze groß genug sind, um entdeckt zu werden,
zumindest im Prinzip. Man kann aber dafür argumentieren,
daß die Meßbarkeit in der wirklichen Praxis unmöglich ist.
Diese Schwierigkeit der Messung wäre vor allem dann der Fall,
wenn der bewußte Wille in der Lage ist, seinen Einfluß durch
minimale Aktionen an relativ wenigen neuronalen Elementen
auszuüben; diese Aktionen könnten als Auslöser von verstärkten
Mustern neuronaler Aktivität im Gehirn dienen.Jedenfalls
haben wir keine wissenschaftliche Antwort auf die Frage, welche
Theorie (Determinismus oder Indeterminismus) die Natur
des freien Willens beschreibt.
 
Wir müssen jedoch anerkennen, daß die nahezu universale
Erfahrung, daß wir aus freier, unabhängiger Entscheidung handeln
können, eine Art von ''prima facie''-Beleg darstellt, daß bewußte
mentale Prozesse bestimmte Gehirnprozesse kausal
steuern können.<ref name="Libet1994">Libet (1994)</ref> Als Experimentalwissenschaftler bin ich der
Meinung, daß diese Tatsache eine größere Schwierigkeit für
eine deterministische als für eine indeterministische Option
darstellt...
 
Bei einer Frage, die von so grundlegender Bedeutung ist für
unser Selbstverständnis, sollte die Behauptung der illusorischen Natur von Willensfreiheit auf recht direkte Belege gegründet
werden. Solche Belege gibt es aber nicht; und die Deterministen
schlagen auch keinen Entwurf eines Experiments
vor, um die Theorie zu prüfen. Tatsächlich habe ich selbst einen
Versuchsplan vorgeschlagen, der die Frage prüfen könnte, ob
der bewußte Wille die Aktivitäten von Nervenzellen im Gehirn
beeinflussen kann, und zwar über ein angenommenes ‚bewußtes mentales Feld‘ das ohne jegliche neuronale Verbindungen
als Vermittler wirken könnte.<ref name="Libet1994" /> Dieses schwierige, aber durchführbare
Experiment ist leider immer noch nicht durchgeführt
worden. Wenn seine Ergebnisse die Vorhersage jener Feldtheorie
bestätigen würden, hätte das einen radikalen Wandel unserer
Ansichten bezüglich der Geist-Gehirn-Interaktion zur Folge.
 
Meine Schlußfolgerung zur Willensfreiheit, die wirklich frei
im Sinne der Nicht-Determiniertheit ist, besteht dann darin,
daß die Existenz eines freien Willens zumindest eine genauso
gute, wenn nicht bessere wissenschaftliche Option ist als ihre
Leugnung durch die deterministische Theorie.|Libet 2016, S. 284ff.}}
 
== Experiment von Haggard und Eimer ==
 
Der Neurophysiologe [[Wikipedia:Patrick Haggard|Patrick Haggard]] und der Psychologe [[Wikipedia:Martin Eimer|Martin Eimer]] (* 1959) kritisierten, dass bei Libets Versuchen keine wirklich freie Entscheidung möglich sei, da die auszuführende Bewegung schon vor Versuchsbeginn festgelegt sei. Sie führten daher 1999 Experimente mit modifizierten Versuchsbedingungen durch, bei denen sie ''Handlungsalternativen'' zuliessen. Die Versuchspersonen konnten frei entscheiden, ob sie den rechten oder linken Zeigefinger bewegen wollten. Gemessen das entsprechende ''kontralaterale'' Breitschaftspotential der linken bzw. rechten Gehirnhälfte. Auch bei diesen Versuchen baute sich das Bereitschaftspotential bereits vor der bewusst empfundenen Entscheidung auf. Ähnlich wie bei Libets Experimenten gab es auch hier eine starke Streuung bezüglich des berichteten Zeitpunkts der Willensentscheidung. Bei zwei von acht Personen lag die Entscheidung sogar ''vor'' dem ''lateralisierten Bereitschaftspotential'' (LRP).<ref>„We investigated the relation between neural events and the perceived time of voluntary actions or the perceived time of initiating those actions using the method of Libet. No differences were found in either movement-related potentials or perceived time of motor events between a fixed movement condition, where subjects made voluntary movements of a single finger in each block, and a free movement condition, in which subjects chose whether to respond with the left or the right index finger on each trial. We next calculated both the readiness potential (RP) and lateralised readiness potential (LRP) for trials with early and late times of awareness. The RP tended to occur later on trials with early awareness of movement initiation than on trials with late awareness, ruling out the RP as a cause of our awareness of movement intiation. However, the LRP occurred significantly earlier on trials with early awareness than on trials with late awareness, suggesting that the processes underlying the LRP may cause our awareness of movement initiation.“<br />Patrick Haggard, Martin Eimer: ''On the Relation between Brain Potentials and the Awareness of Voluntary Movements'', in: Experimental Brain Research 126 (1999), pp. 128–133, {{doi|10.1007/s002210050722}}</ref>
 
{{LZ|Unsere zweite Analyse zeigte, dass das W-Urteil
mit dem Beginn der lateralisierten Bereitschaftspotential
(LRP) [[Wikipedia:Kovarianz (Stochastik)|kovariierte]], aber nicht mit dem Einsetzen des Bereitschaftspotentials
(RP). Nach der Logik von Mill (1843), schließt dieser Befund
das RP als unbewusste Ursache des bewussten
Zustands aus, von dem das W-Urteil abhängt, aber es ist
im Einklang damit, dass das LRP diese Rolle hat. Dieses Ergebnis hat mehrere
Auswirkungen. Erstens zeigt es, dass W-Urteile Ereignisse im Zusammenhang mit der Umsetzung einer bestimmten
Bewegung widerspiegeln, anders als abstraktere Repräsentationen der Aktion in Verarbeitungsschritten, die vor der Auswahl
einer bestimmten Bewegung auftreten. Anders gesagt, mögen die Leute
bewussten Zugang zu prämotorischen Prozessen haben, die ''nach'' der Bewegungsauswahl auftreten, aber nicht zu denen
davor. Zweitens trägt die zeitliche Diskrepanz, die Libet (Libet et al. 1983) zwischen
RP-Anfang und W-Urteil beobachtet hat, tatsächlich nichts zur Aufklärung der intentionalen Prozesse und des freien Willens bei, denn bezüglich dieser zeitlichen Diskrepanz besteht kein kausaler Zusammenhang. Hingegen kann zwischen dem LRP und dem W-Urteil eine kausale Verbindung bestehen, doch ist das LRP ein relativ spätes Ereignis in der physiologischen Kette, die zum Handeln führt. In unserer Terminologie stellt der LRP-Beginn
die Bühne bereit, auf der die Repräsentation der abstrakten Handlung in die Repräsentation der spezifischen Bewegung übersetzt wird.
Somit ist der LRP-Beginn nicht der Ausgangspunkt der psychologischen Prozesse, die in der freiwillige Bewegung gipfeln, kann aber möglicherweise
der Ausgangspunkt für die Bewusstwerdung der motorischen Aktion sein.|Haggard/Eimer 1999, S. 132<ref>„Our second analysis showed that the W judgement
covaried with the onset of the lateralised readiness potential
(LRP) but not with the onset of the readiness potential
(RP). By the logic of Mill (1843), this finding
rules out the RP as the unconscious cause of the conscious
state upon which W judgement depends, but it is
consistent with LRP having that role. This result has several
implications. First, it shows that W judgements reflect
events pertaining to the implementation of a specific
movement, rather than more abstract representations
of action occurring at processing stages prior to selection
of a specific movement. Put another way, people may
have conscious access to premotor processes occurring
after the stage of movement selection, but not to those
occurring before. Second, we suggest that the temporal
discrepancy Libet (Libet et al. 1983) observed between
RP onset and W judgement does not, in fact, clarify the
processes of intention and free will, since this temporal
discrepancy does not amount to a causal relation. While
the LRP may bear a causal relation to W judgement, the
LRP is a relatively late event in the physiological chain
leading to action. In our terminology, LRP onset represents
the stage at which representation of abstract action
is translated into representation of specific movement.
Thus, the LRP onset is not the starting point of the psychological
processes that culminate in voluntary movement,
but it may be the starting point of conscious
awareness of our motor performance.“<br />Haggard/Eimer (1999), p. 132</ref>}}
 
== Kritik ==
 
=== Methodische Probleme ===
[[Datei:Libet 2017.jpg|mini|400px|Differenz zwischen bewusst gewordenem Willensimpuls (W) und subjektiv empfundenen Beginn der Muskelbewegung (M) (Tomáš Dominik et al. 2017)]]
 
Ein Problem der genannten Versuche besteht darin, dass der Zeitpunkt, zu dem eine Wahrnehmung bewusst erlebt wird, von der [[Aufmerksamkeit]] abhängt. Konzentriert man sich auf eine Wahrnehmung, so wird sie deutlich früher erlebt. Darüber hinaus ist eine „gefühlte Willensentscheidung“ auch keine zeitlich klar zu begrenzende Wahrnehmung wie etwa ein Signalton oder ein Lichtblitz. Damit sind aber die Aussagen der Versuchspersonen nur bedingt verlässlich, worauf auch die breite Streuung der Ergebnisse hindeutet. Möglicherweise ist die Bewusstwerdung der Handlungsintention auch ein mehrstufiger Prozess, der zum gemessenen Zeitpunkt kulminiert.<ref>„However,
this instantaneous appearance of consciousintentions might be
an artifact of the method used for assessing the contents of
consciousness. Studies using alternatives to the Libet clock have
suggested that intention consciousness is a multistage process just
as the neural mechanisms of motor decisions. The time of conscious intentions
reported by the participants therefore might be only the culmination of preceding conscious deliberations, not a unique and
instantaneous event. If this is true, the delay between the onset
of neural predictors of motor decisions and conscious intentions
reported with the Libet clock is not due to unconscious neural
processes but due to conscious evaluations which are not final
yet. The data currently available does not allow drawing definitive
conclusions and other interpretations are equally possible.“<br />
Adrian G. Guggisberg, Anaïs Mottaz: ''Timing and awareness of movement decisions: does consciousness really come too late?'', in: Frontiers in Human Neuroscience, July 2013 {{doi|10.3389/fnhum.2013.00385}}</ref><ref>Matsuhashi, M.,Hallett, M.: ''The timing of the conscious intention to move'', in: Eur. J. Neurosci. 28 (2008), 2344–2351, {{doi|10.1111/j.1460-9568.2008.06525.x}}</ref><ref>Fahle, M. W., Stemmler, T., Spang, K.M.: ''How much of the “unconscious” is just pre-threshold?'' Front. Hum. Neurosci. 5 (2011), 120 {{doi|10.3389/fnhum.2011.00120}}</ref>
 
Untrainierte Versuchspersonen scheinen zudem den bewusst gewordenen Willensimpuls (W) mit dem subjektiv empfundenen Beginn der Muskelbewegung (M) zu verwechseln. Beide Werte wurden mittels der Oszilloskop-Uhr ermittelt. Wurde in einer ersten Versuchsserien W und anschließend in einer zweiten Versuchsserie M ermittelt, lag zwischen beiden Werten kein signifikanter Unterschied. Wurde hingegen zuerst M registiert, lagen die Werte für W zeitlich wesentlich früher. Die Autoren vermuten daher, dass die Differenz von den vorangegangenen Erfahrungen mit den M-Messungen abhängig ist.<ref>Tomáš Dominik, Daniel Dostál, Martin Zielina, Jan Šmahaj, Zuzana Sedláčková, Roman Procházka: ''Libet’s experiment: Questioning the validity of measuring the urge to move'', in: Consciousness and Cognition, Volume 49, March 2017, pp. 255-263, {{doi|10.1016/j.concog.2017.01.017}}</ref><ref> Tomáš Dominik, Daniel Dostál, Martin Zielina, Jan Šmahaj, Zuzana Sedláčková, Roman Procházka: ''Libet’s experiment: A complex replication'', in:
Consciousness and Cognition, Volume 65, October 2018, pp. 1-26 {{doi|10.1016/j.concog.2018.07.004}}</ref>
 
=== Erlauben die Versuche Aussagen über die Willensfreiheit? ===
 
Grundsätzlich zu hinterfragen ist, ob Libets Versuchsbedingungen (auch die von Haggard und Eimer) überhaupt geeignet sind, Aussagen über die Willensfreiheit zu machen. Einfache Fingerbewegungen, wie sie seinen Experimenten zugrunde liegen, scheinen dazu wenig geeignet, da die in solche elementaren Körperbewegungen involvierte [[Motorik]] selbst weitgehend unbewusst abläuft. Aber gerade auch komplexe, mühsam erlernte Bewegungmuster, etwa Radfahren, funktionieren nur dann gut, wenn sie weitestgehend [[automat]]isch ablaufen. Wir bestimmen zwar bewusst die Richtung unserer Fahrt, aber der Bewegungsablauf selbst vollzieht sich autonom und fast unbewusst. Dem [[Neurowissenschaftler]] [[Gerhard Roth]], der die Willensfreit des Menschen bestreitet, ist insofern zuzustimmen, wenn er schreibt:
 
{{Zitat|Bewußtsein tritt auf, wenn das Gehirn
mit kognitiven oder motorischen Aufgaben konfrontiert
ist, für die noch keine „zuständigen“
Nervennetze existieren. Dabei
finden synaptische Reorganisationen in spezifischen Nervennetzen
statt. Dies kann mit bildgebenden Verfahren
sichtbar gemacht werden. Sobald sich diese Netze konsolidieren,
werden die kognitiven oder motorischen Leistungen
automatisiert, und Bewußtsein, zum Beispiel in Form von
Aufmerksamkeit, ist nicht mehr nötig.|[[Gerhard Roth]]|''Entstehen und Funktion von Bewußtsein''|ref=<ref>[[Gerhard Roth]]: ''Entstehen und Funktion von Bewußtsein'', in: Deutsches Ärzteblatt 1999; 96: A-1957–1961 [Heft 30]</ref>}}
 
Wenn ich etwa den Entschluss fasse, spazieren zu gehen, so kann ich hingegen sehr wohl die Frage stellen, ob ich zu diesem Entschluss aus freier bewusster Entscheidung gekommen bin, oder etwa nur rein gewohnheitsmäßig spazierengehe. Die eigentlichen motorischen Bewegungen, durch die ich dann einen Schritt vor den anderen setze, haben mit der vorangegangenen Entscheidung, wie sie auch gefallen sein mag, frei oder unfrei, nicht das Geringste zu tun. Entscheidend ist hier nicht, wie die Bewegung ausgeführt wird, sondern wie der Entschluss zustande kommt, sie auszuführen. Es geht nicht darum ''wie'' und ''wann'' ich eine bestimmte Handlungsfolge ablaufen lasse, sondern ''warum''.
 
Dass eine Tat, bei der ich nicht weiß, warum ich sie ausführe, nicht frei ist, versteht sich von selbst. Wie ist es aber um eine Handlung bestellt, deren [[Grund|Gründe]] ich vollkommen überschauen kann? Ob ein Willensakt wirklich frei ist, werde ich nur beurteilen können, wenn ich klar erkenne, welche [[Triebfeder]] und welches [[Motiv]] mein Tun leitet. Alle damit zusammenhängenden Fragen hat [[Rudolf Steiner]] in seiner 1894 erschienen «[[Philosophie der Freiheit]]» ausführlich besprochen.
 
{{GZ|Eine Handlung wird als eine freie empfunden, soweit
deren Grund aus dem ideellen Teil meines individuellen
Wesens hervorgeht; jeder andere Teil einer Handlung,
gleichgültig, ob er aus dem Zwange der Natur oder aus der
Nötigung einer sittlichen Norm vollzogen wird, wird als
unfrei empfunden.
 
Frei ist nur der Mensch, insofern er in jedem Augenblicke
seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist. Eine sittliche
Tat ist nur meine Tat, wenn sie in dieser Auffassung
eine freie genannt werden kann.|4|164}}
 
Von der „[[Freiheit des Willens]]“ zu sprechen, ist daher nach [[Rudolf Steiner]] schlechthin ''unsinnig''. Die [[Freiheit]] des [[Mensch]]en liegt darin begründet, dass er die Gesetze ''seines'' Handelns erkennen und darauf ''seine'' [[Entscheidung]]en gründen kann. Ausgangspunkt der Freiheit ist daher niemals der [[Wille]], der unzugänglich tief unter der Schwelle des [[Bewusstsein]]s waltet, sondern vielmehr ''die Freiheit der [[Gedanken]]'', die sich der Mensch im reinen, sinnlichkeitsfreien [[Denken]] durch [[moralische Intuition]] erringen und dadurch sein Handeln frei gestalten kann. Darüber sagen die Experimente von Libet und seinen Nachfolgern rein gar nichts aus.
 
{{GZ|Lesen Sie nach in meiner «[[Philosophie der Freiheit]]», was für einen großen Wert ich darauf gelegt habe, daß nicht gefragt werde nach der Freiheit des Willens. Der sitzt unten, tief unten im Unbewußten, und es ist ein Unsinn, nach der Freiheit des Willens zu fragen; sondern man kann nur von der Freiheit der Gedanken sprechen. Ich habe das in meiner «Philosophie der Freiheit» wohl auseinandergehalten. Die freien Gedanken müssen dann den Willen impulsieren, dann ist der Mensch frei.|235|46ff}}
 
=== Leib-Seele-Problem ===
 
{{Hauptartikel|Leib-Seele-Problem}}
 
Der grundlegende Fehler, aus dem sich das mit der bewussten Willensentscheidung zusammenhängende [[Leib-Seele-Problem]] überhaupt erst ergibt, liegt darin, dass der rein [[idee]]lle Bezug zwischen [[Subjekt]] und [[Objekt]] fälschlich als äußerlicher [[Kausalbezug]] gedeutet wird. [[Rudolf Steiner]] hat darauf schon (in etwas anderem Zusammenhang) in seiner «[[Philosophie der Freiheit]]» hingewiesen:
 
{{GZ|Wir können nicht davon sprechen, daß es
außer dem unmittelbar Wahrgenommenen noch anderes
gibt, als dasjenige, was durch die ideellen (durch das Denken
aufzudeckenden) Zusammenhänge der Wahrnehmungen erkannt
wird. Die über das bloß Wahrgenommene hinausgehende
Beziehung der Wahrnehmungsobjekte zum Wahrnehmungssubjekte
ist also eine bloß ideelle, das heißt nur
durch Begriffe ausdrückbare. Nur in dem Falle, wenn ich
wahrnehmen könnte, wie das Wahrnehmungsobjekt das
Wahrnehmungssubjekt affiziert, oder umgekehrt, wenn ich
den Aufbau des Wahrnehmungsgebildes durch das Subjekt
beobachten könnte, wäre es möglich, so zu sprechen, wie es
die moderne Physiologie und der auf sie gebaute kritische
Idealismus tun. Diese Ansicht verwechselt einen ideellen
Bezug (des Objekts auf das Subjekt) mit einem Prozeß, von
dem nur gesprochen werden könnte, wenn er wahrzunehmen
wäre... Alle Bemühungen, zwischen
den Wahrnehmungen andere als Gedankenbezüge zu suchen,
müssen notwendig scheitern.|4|97f}}
 
Rudolf Steiner hat auch nachdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht bloß das Gehirn, sondern der ganze [[Leib]] die physische Grundlage des Seelenlebens ist.
 
{{GZ|Der
''Leib als Ganzes'', nicht bloß die in ihm eingeschlossene Nerventätigkeit
ist physische Grundlage des Seelenlebens. Und
wie das letztere für das gewöhnliche Bewußtsein sich umschreiben
läßt durch Vorstellen, Fühlen und Wollen, so das
leibliche Leben durch Nerventätigkeit, rhythmisches Geschehen
und Stoffwechselvorgänge.|21|158}}
 
Nur das [[Denken]] und [[Vorstellen]] stützt sich unmittelbar auf das [[Nervensystem]] und insbesondere auf das [[Gehirn]]. Das [[Fühlen]] hängt eng mit der Tätigkeit des [[Rhythmisches System|rhythmischen Systems]] zusammen und das [[Wollen]] mit dem [[Gliedmaßen-Stoffwechsel-System]].
 
=== Wille und Bewusstsein ===
 
Damit ein Willensimpuls überhaupt klar bewusst werden kann, muss er durch das [[Gehirn]] als [[Gedanke]] bzw. [[Vorstellung]] gespiegelt werden, denn das [[Bewusstsein]] [[Schlaf|schläft]] bezüglich der eigentlichen Willenstätigkeit. Um diese ins Bewusstsein zu heben, bedarf es des Gehirns als Spiegelungsorgan. Vollbewusst sind nur die [[Vorstellung]]en, die das Wollen begleiten und [[traum]]bewusst die [[Gefühl]]e, die dabei mitschwingen. Die realen Hintergründe des Wollens sind nur dem [[Hellsehen|schauenden Bewusstsein]] zugänglich.
 
{{GZ|Und wenn wir dann eintreten in jenes Gebiet, das man als den
Willen bezeichnet, so entzieht sich das ja sehr dem, was der Mensch
in seinem gewöhnlichen Bewußtsein hat. Was weiß der Mensch selbst
über das, was in ihm vorgeht, wenn der Gedanke: Ich will etwas
haben - sich zu einer Handbewegung gestaltet? Der eigentliche
Willensvorgang schläft im Menschen. Mit Bezug auf die Gefühle und
Affekte konnte man wenigstens sagen, der Mensch träumt im Menschen.
Deshalb ist die Frage über die Freiheit eine so schwierige, weil
der Wille schlafend ist dem gewöhnlichen Bewußtsein gegenüber.
Über das, was in dem Willen vorgeht, kommt man nur zu einer Erkenntnis,
indem man im schauenden Bewußtsein bis zum wirklichen
intuitiven Bewußtsein gelangt, nicht dem verschwommenen alltäglichen,
intuitiv genannten Bewußtsein, zu dem, was ich in meinen
Schriften die drei Stufen: imaginatives, inspiriertes und intuitives Erkennen
genannt habe. Da kommt man hinein in das Willensgebiet, in
dasjenige, was in uns wirken, leben soll. Das muß erst aus den unterseelischen
Tiefen heraufgeholt werden.|178|30f}}
 
=== Erscheinen des Bewusstseins durch Zurückdrängung der Leibesorganisation ===
 
Das ''Erscheinen des Denkens'' im Bewusstsein muss aber dadurch vorbereitet werden, das ''zuvor'' die Leibesorganisation ''zurückgedrängt'' wird. Dadurch treten namentlich bestimmte, durch das Denken bewirkte [[Gehirn]]prozesse auf, ''bevor'' uns ein [[Gedanke]] bzw. eine [[Vorstellung]] bewusst werden kann. Dem entspricht auch die Tatsache, dass ein Gedanke ''zuerst'' tätig hervorgebracht werden muss, ehe er beobachtet werden kann - wie es bei jeder [[schöpferisch]]en Tätigkeit der Fall ist. Das betrifft insbesondere auch die Bewusstwerdung der eigenen Willensentscheidung. Der [[Geist]] wirkt über den [[Wille]]n und stirbt zuletzt hinein in den Gedanken. Das bedeutet keineswegs, dass die Gehirnprozesse die [[Ursache]] der gebildeten Gedanken sind und deren Inhalt bestimmen, wie vielfach in den [[Neurowissenschaften]] fälschlich angenommen wird. Das gilt erst recht für die Willensentscheidung, die primär nichts mit dem [[Nervensystem]] zu tun hat (siehe unten).
 
{{GZ|Dem Wesenhaften, das im Denken wirkt, obliegt
ein Doppeltes: Erstens drängt es die menschliche Organisation
in deren eigener Tätigkeit zurück, und zweitens setzt
es sich selbst an deren Stelle. Denn auch das erste, die Zurückdrängung
der Leibesorganisation, ist Folge der Denktätigkeit.
Und zwar desjenigen Teiles derselben, der das
Erscheinen des Denkens vorbereitet. Man ersieht aus diesem,
in welchem Sinne das Denken in der Leibesorganisation sein
Gegenbild findet. Und wenn man dieses ersieht, wird man
nicht mehr die Bedeutung dieses Gegenbildes für das Denken
selbst verkennen können. Wer über einen erweichten
Boden geht, dessen Fußspuren graben sich in dem Boden ein.
Man wird nicht versucht sein, zu sagen, die Fußspurenformen
seien von Kräften des Bodens, von unten herauf, getrieben
worden. Man wird diesen Kräften keinen Anteil
an dem Zustandekommen der Spurenformen zuschreiben.
Ebensowenig wird, wer die Wesenheit des Denkens unbefangen
beobachtet, den Spuren im Leibesorganismus an dieser
Wesenheit einen Anteil zuschreiben, die dadurch entstehen,
daß das Denken sein Erscheinen durch den Leib
vorbereitet<ref>Wie innerhalb der Psychologie, der Physiologie usw. sich die obige
Anschauung geltend macht, hat der Verfasser in Schriften, die auf
dieses Buch gefolgt sind, nach verschiedenen Richtungen dargestellt.
Hier sollte nur das gekennzeichnet werden, was die unbefangene Beobachtung
des Denkens selbst ergibt.</ref>.|4|148}}
 
=== Das Gehirn als Spiegelungsapparat für das Denken ===
 
Das Gehirn bringt die Gedanken nicht hervor, aber es dient als Spiegelungsapparat für unser Denken, um uns dieses in Form abstrakter Gedanken bewusst zu machen:
 
{{GZ|Gerade dieselbe Bedeutung hat die Arbeit des Gehirns zu dem, was eigentlich vorgeht in unserer Seele, wenn wir vorstellen, denken, wie der Spiegel für den Menschen, der sich darin sieht. Wenn Sie mit Ihrer Persönlichkeit durch den Raum gehen, da sehen Sie sich nicht zunächst. Wenn Sie einem Spiegel entgegengehen, da sehen Sie das, was Sie sind, wie Sie aussehen. Derjenige, der nun behaupten wollte, das Gehirn denke, es ginge die Vorstellungsarbeit im Gehirn vor sich, der redet gerade so gescheit wie der, der einem Spiegel entgegengeht und sagt: Ich, ich bin nicht da, wo ich gehe; das bin nicht ich; ich muß einmal da hereingreifen - in den Spiegel -, da drinnen stecke ich. - Da würde er sich bald davon überzeugen, daß er im Spiegel gar nicht darin steckt, daß der Spiegel allerdings der Veranlasser ist, daß das, was außerhalb des Spiegels ist, sich sieht. Und so ist es überhaupt mit aller physischen Leibesorganisation. Das was da durch die Arbeit des Gehirns erscheint, das ist innere übersinnliche Tätigkeit der drei höheren Glieder der menschlichen Organisation. Daß diese für den Menschen selber erscheinen kann, dazu ist der Spiegel des Gehirns notwendig, so daß wir das, was wir übersinnlich sind, wahrnehmen durch den Spiegel des Gehirns. Und es ist lediglich eine Folge der gegenwärtigen menschlichen Organisation, daß das so sein muß. Der Mensch würde seine Gedanken zwar denken, aber er könnte nichts wissen von ihnen als gegenwärtiger Erdenmensch, wenn er nicht den spiegelnden Leibesorganismus, zunächst das Gehirn hätte. Aber alles das, was die modernen Physiologen und zum Teil die Psychologen tun, um das Denken zu erkennen, ist eben gerade so gescheit, als wenn ein Mensch im Spiegel darin seiner Wirklichkeit nach sich suchen würde. Das alles, was ich Ihnen hier mit ein paar Worten gesagt habe, das kann man heute auch schon vollständig erkenntnistheoretisch begründen, kann es streng wissenschaftlich aufbauen. Eine andere Frage ist diejenige, ob man natürlich mit einer solchen Sache irgendwie verstanden werden kann. Die Erfahrungen sprechen heute noch dagegen. Man kann diese Dinge heute in einer noch so strengen Weise auch Philosophen auseinandersetzen, sie werden kein Sterbenswörtchen davon verstehen, weil sie auf diese Dinge eben nicht eingehen wollen, ich sage ausdrücklich wollen. Denn es ist heute noch in der äußeren exoterischen Welt gar kein Wille vorhanden, auf die ernsthaftesten Fragen des menschlichen Erkenntnisvermögens wirklich einzugehen.
 
[[Bild:Denken.gif|right|250px|Das Gehirn als Spiegelungsapparat für das Denken]]
Wollen wir in einer richtigen Weise uns ein schematisches Bild von dem menschlichen Erkenntnisprozesse machen, so müssen wir sagen — nehmen wir das als das Schema der äußeren physischen menschlichen Leibesorganisation —: In alledem, was äußere physische Leibesorganisation ist, geht gar nichts vor von dem, was Denken, was Erkennen ist, sondern das geht in dem anschließenden Ätherleib, Astralleib und so weiter vor. Da drinnen sitzen die Gedanken, die ich hier schematisch mit diesen Kreisen anzeichne. Und diese Gedanken gehen nicht etwa in das Gehirn hinein — das zu denken wäre ein völliger Unsinn —, sondern sie werden gespiegelt durch die Tätigkeit des Gehirns und wiederum zurückgeworfen in den Ätherleib, Astralleib und das Ich, und die Spiegelbilder, die wir selbst erst erzeugen und die uns sichtbar werden durch das Gehirn, die sehen wir, wenn wir als Erdenmenschen gewahr werden, was wir eigentlich treiben in unserem Seelenleben. Da drinnen im Gehirn ist gar nichts von einem Gedanken. So wenig ist im Gehirn etwas von einem Gedanken, wie hinter dem Spiegel etwas von Ihnen ist, wenn Sie sich darin sehen. Aber das Gehirn ist ein sehr komplizierter Spiegel. Der Spiegel, in dem wir uns da draußen sehen, ist einfach, das Gehirn aber ist ein ungeheuer komplizierter Spiegel, und es muß eine komplizierte Tätigkeit stattfinden, damit das Gehirn das Werkzeug werden kann, um nicht unsere Gedanken zu erzeugen, sondern sie zurückzuspiegeln. Mit anderen Worten, bevor überhaupt von einem Erdenmenschen ein Gedanke zustande kommen konnte, mußte eine Vorbereitung geschehen. Und wir wissen, daß dies geschehen ist durch die alte Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit (→ [[Planetarische Weltentwicklungsstufen]]) und daß schließlich der heutige physische Leib, also auch das Gehirn, ein Ergebnis der Arbeit vieler geistigen Hierarchien ist. So daß wir sagen können: Mit dem Beginne der Erdenentwickelung war der Mensch auf der Erde so gestaltet, daß er sein physisches Gehirn ausbilden konnte, daß es werden konnte der spiegelnde Apparat für das, was der Mensch eigentlich ist und was erst in der Umgebung dieser physischen Leibesorganisation vorhanden ist.|129|140ff|138}}
 
=== Wille und Stoffwechselsystem ===
 
Primär hängt der Wille nicht mit dem [[Nervensystem]], sondern mit dem [[Stoffwechselsystem]] zusammen. [[Rudolf Steiner]] hat darum vielfach darauf hingewiesen, dass kein prinzipieller Unterschied zwischen den sog. ''motorischen'' und ''sensorischen'' [[Nerven]] bestehe; alle Nerven seien in Wahrheit sensorisch.
 
{{GZ|Ich habe gestern gesagt, daß unsere physiologische Wissenschaft in einem furchtbaren Irrtum befangen ist, in dem Irrtum nämlich, daß es zweierlei Nerven gebe, motorische und sensitive, während in Wahrheit alles sensitive sind und kein Unterschied besteht zwischen motorischen und sensitiven Nerven. Die sogenannten motorischen Nerven sind nur dazu da, daß wir innerlich unsere Bewegungen wahrnehmen, das heißt, daß wir sensitiv sind mit Bezug auf das, was wir selbst als Men­schen tun. Geradeso wie der Mensch mit dem sensitiven Augennerv die Farbe sich vermittelt, so vermittelt er sich die eigene Beinbewegung durch die «motorischen» Nerven, die nicht da sind, um das Bein in Bewegung zu setzen, sondern um wahrzunehmen, daß die Bewegung des Beines ausgeführt werde.|192|172}}
 
Das bestätigt auch der international angesehene [[Anatom]] [[Johannes W. Rohen]]. Er betont dabei auch den mit [[Denken]] (bzw. [[Vorstellung|Vorstellen]]), [[Fühlen]] und [[Wollen]] zusammenhängenden [[Dreigliederung des menschlichen Organismus|dreigliedrigen Aufbau des menschlichen Organismus]].
 
{{LZ|Die efferenten Nerven (Motoneurone), die über die
motorischen Endplatten direkt mit der Muskelmembran
verbunden sind, können durch Überträgerstoffe
(Acetylcholin usw.) den Natrium-Einstrom und damit
die intrazelluläre «Überschwemmung» mit Ca-Ionen
und nachfolgend die Kontraktion auslösen, sind damit
aber nicht die Ursache der Bewegung. Diese ist vielmehr
eine von den Stoffwechselvorgängen innerhalb
der Muskelzellen abhängige, eigenständige Leistung,
die vom Nervensystem geregelt und mit den Aktivitäten
des gesamten Bewegungssystems harmonisierend
in Einklang gebracht werden muss. Wenn z.B. eine
Muskelgruppe sich kontrahiert, muss eine andere dilatiert
werden, wenn es nicht zu Verkrampfungen oder
Bewegungsstörungen kommen soll. Das Nervensystem
hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, den
Fluss der Bewegungsenergien zu steuern und zu harmonisieren,
gewissermaßen Ordnung in das System zu
bringen, ähnlich wie beim Straßenverkehr die Signallampen
die Bewegungen der Verkehrsteilnehmer auslösen,
aber natürlich nicht verursachen. Die Ursache
der Bewegungen ist der Wille der Verkehrsteilnehmer,
ein bestimmtes Ziel zu erreichen; die Verkehrsregeln
und Signale dienen lediglich der Ordnung und Strukturierung
des Gesamtgeschehens.
 
Entsprechend ... muss man daher den der Bewegung zugrunde liegenden
Stoffwechselprozess als den eigentlichen Willensprozess,
den von den «motorischen» (efferenten) Motoneuronen ausgelösten Vorgang jedoch als einen
originär nervösen, d.h. informativen Prozess, ansehen.
Mithilfe der efferenten, direkt mit der Muskulatur
verbundenen Nerven können wir unsere Bewegungsvorstellungen
in relativ großem Umfang willkürlich
verwirklichen, nicht jedoch die Bewegung selbst ausführen.
Natürlich ist der Muskel gelähmt, wenn der Nerv
durchtrennt oder geschädigt wird, aber Bewegungsstörungen
oder Lähmungen können auch auftreten, wenn
die Stoffwechselprozesse innerhalb der Muskelzellen
Funktionsstörungen aufweisen.
 
Zwischen der «Willensseite» und der nervalen oder
«Vorstellungsseite» des Bewegungsgeschehens ist als
drittes, harmonisierendes und ausgleichendes Element
das Gefäßsystem, d.h. das rhythmische System
(Atmung und Kreislauf) eingeschaltet, wodurch seelisch
das Fühlen mit ins Spiel kommt. Jede Bewegung
enthält daher nicht nur eine informative oder
Vorstellungskomponente (Bewegungsbild) und ein
Willenselement (Kraft- und Energieeinsatz), sondern
auch eine Gefühlskomponente, durch die die Bewegung
erst im eigentlichen Sinne menschlich wird.|Rohen 2016, S. 245f.}}
 
=== Der Wille ergreift den Leib von außen ===
 
Der Wille wird nicht durch Impulse des Nervensystems ausgelöst, sondern ergreift den [[Leib]] von außen und wirkt dann wie oben beschrieben primär im Stoffwechselsystem.
 
{{GZ|Im Schlafe ist ja das Ich aus dem physischen
Leibe heraus. Im Wollen ist das Ich aus gewissen Orten unseres Organismus
heraus. Das ist dadurch der Fall, daß an diesem Orte sich in gewissen
Zeitaugenblicken eben nichts mineralisiert, sondern daß da alles
lebt. Aus denjenigen Stellen unseres Organismus, in denen alles lebt,
in denen in dem entsprechenden Augenblicke nichts Mineralisiertes
sich ablöst, abscheidet, da entfalten sich die Willensimpulse. Da wird
aber das Ich ausgestoßen. In das Mineralische wird das Ich hineingezogen.
Mit dem Mineralischen kann es hantieren; mit demjenigen, was
lebendig ist, kann es nicht hantieren. Aus dem wird es herausgetrieben,
wie in der Nacht, wenn wir schlafen, dieses Ich aus dem ganzen physischen
Leibe herausgetrieben wird. Nun ist aber dann das Ich außerhalb
des Leibes. Durch das Mineralisieren wird das Ich in den Leib
hineingetrieben. Durch das Vitalisieren wird das Ich aus Teilen des
Leibes herausgetrieben. Es ist dann gerade so außerhalb dieser Teile,
wie es im Schlafe ganz außerhalb des physischen Leibes ist. Und wir
können daher sagen: bei einer Willensbetätigung sind immer Teile des
Ich außerhalb derjenigen Orte des physischen Leibes, denen sie eigentlich
zugeteilt sind. Und wo sind dann diese Teile des Ich, die außerhalb
der ihnen entsprechenden Teile des physischen Leibes sind? Nun,
sie sind eben außerhalb, im übrigen Raume. Sie sind eingegliedert in
die Kräfte, welche diesen Raum durchweben. Wir sind, indem wir
unseren Willen betätigen, mit einem Teil unseres Ich außerhalb unser.
Wir gliedern uns Kräfte ein, die durch die Welt gelegt sind. Wenn ich
einen Arm bewege, so bewege ich ihn nicht durch etwas, was im Inneren
des Organismus entspringt, sondern durch eine Kraft, die außerhalb
meines Armes ist, und in die das Ich hineinkommt dadurch, daß es
aus gewissen Orten meines Armes herausgetrieben wird. Im Wollen
komme ich außerhalb meines Leibes, und durch Kräfte, die außerhalb
meiner liegen, bewege ich mich. Man hebt das Bein nicht durch Kräfte,
die im Inneren sind, sondern man hebt das Bein durch Kräfte, die tatsächlich
von außerhalb wirken; ebenso den Arm. Während man also
im Denken nach innen getrieben wird durch das Verhältnis des Ich
zu dem mineralisierten Teil des menschlichen Organismus, wird man
im Wollen geradeso wie im Schlafe nach außen getrieben. Und niemand
versteht das Wollen, der nicht den Menschen als kosmisches Wesen
auffaßt, der nicht hinausgeht aus den Grenzen des menschlichen Leibes,
der nicht weiß, daß der Mensch im Wollen sich außerhalb seines Leibes
liegende Kräfte eingliedert. Wir versenken uns in die Welt, wir geben
uns an die Welt hin, indem wir wollen. So daß wir sagen können: Die
materielle Begleiterscheinung des Denkens ist ein mineralischer Prozeß
in uns, ein Zeichnen des Ich in mineralisierte Teile des menschlichen
Organismus. Das Wollen in uns stellt dar ein Vitalisieren, ein Herausbreiten
des Ich, ein Eingliedern des Ich in die geistige Außenwelt,
und ein Wirken auf den Leib vom Ich aus, aus der geistigen Außenwelt
herein.|209|131}}
 
== Publikationen (Auswahl) ==
 
* Libet, B., Alberts, W. W., Wright, E. W., Jr., Delattre, L. D., Levin, G., & Feinstein, B.: ''Production of threshold levels of conscious sensation by electrical stimulation of human somatosensory cortex'', in: Journal of Neurophysiology, 27 (1964), pp. 546–578, {{doi|10.1152/jn.1964.27.4.546}}
* Benjamin Libet: ''Cortical activation in conscious and unconscious experience'', in: Perspectives in Biology and Medicine, 9 (1965), 77-86
* Benjamin Libet: ''Brain stimulation and the threshold of conscious experience'', in: Brain and Conscious Experience. Edited by J. C. Eccles. Berlin: Springer-Verlag (1966), pp. 165-181
* Libet B, Alberts W. W., Wright E. W., Feinstein B.: Responses of human somatosensory cortex to stimuli below threshold for conscious sensation'', Science 158 (1967), pp. 1597-1600.
* Benjamin Libet: ''Electrical stimulation of cortex in human subjects, and conscious sensory aspects'', in: Handbook of Sensory Physiology. Edited by A. Iggo. Heidelberg: Springer-Verlag (1973), Volume 2, pp. 743-790
* Libet B., Wright E. W. JR, Feinstein B., Pearl D. K.: ''Subjective referral of the timing for a conscious sensory experience. A functional role for the somatosensory specific projection system'', in: man. Brain, 102 (1979), 193-224 [https://pdfs.semanticscholar.org/cdf5/8241fee058ac3e7887391582ee5cae12ed0f.pdf pdf]
* Benjamin Libet: ''The experimental evidence for subjective referral of a sensory experience backwards in time: reply to P. S. Churchland'', Philosophy of Science, 48 (1981a), 182-197 [https://www.researchgate.net/publication/22713806_Subjective_referral_of_the_timing_for_a_conscious_sensory_experience_A_functional_role_for_the_somatosensory_specific_projection_system_in_man pdf]
* Benjamin Libet: ''ERPs and conscious awareness; neurons and glia as generators'', in: Electrophysiological Approaches to Human Cognitive Processing, NRP Bulletin, Volume 20. Edited by R. Galambos and S. A. Hillyard. Cambridge, Mass. The MIT Press Journals (1981b), pp. 171-175,226-227
* Libet B., Wright E. W. Jr, Gleason CA.: ''Readiness-potentials preceding unrestricted 'spontaneous' vs. pre-planned voluntary acts'', in: Electroencephalogr Clin Neurophysiol. 1982 Sep;54(3), pp. 322-35, {{doi|10.1016/0013-4694(82)90181-X}}
* Libet, Benjamin; Gleason, Curtis A.; Wright, Elwood W.; Pearl, Dennis K.: ''Time of Conscious Intention to Act in Relation to Onset of Cerebral Activity (Readiness-Potential) - The Unconscious Initiation of a Freely Voluntary Act'', in: Brain 106 (1983), S. 623–642, {{doi|10.1093/brain/106.3.623}} [http://www.trans-techresearch.net/wp-content/uploads/2015/05/Brain-1983-LIBET.pdf pdf]
* Libet, Benjamin: ''Unconscious Cerebral Initiative and the Role of Conscious Will in Voluntary Action'', in: The Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), S. 529–566, {{doi|10.1017/s0140525x00044903}} [http://selfpace.uconn.edu/class/ccs/Libet1985UcsCerebralInitiative.pdf pdf]
* Libet, B., Pearl, D. K., Morledge, D. A., Gleason, C. A., Hosobuchi, Y., & Barbaro, N. M.: ''Control of the transition from sensory detection to sensory awareness in man by the duration of a thalamic stimulus: the cerebral ‘time-on’ factor'', in: Brain, 114 (1991), pp. 1731–1757, {{doi|10.1093/brain/114.4.1731}}
*Libet B., Wright E. W., Feinstein B., Pearl D. K.: ''Retroactive enhancement of a skin sensation by a delayed cortical stimulus in man: evidence for delay of a conscious sensory experience'', Consc. Cognition 1 (1992), pp. 367-375
* Libet B.: ''The neural time-factor in perception, volition, and free will'', in:  Rev. de Metaphysique et de Morale 97 (1992a), pp. 255-272 {{doi|10.1007/978-1-4612-0355-1_22}}
* Benjamin Libet: ''A testable field theory of mind-brain interaction'', in: Journal of Consciousness Studies, 1, No.1, Summer 1994, pp. 119-126
* Benjamin Libet: ''Neural time factors in conscious and unconscious mental functions'', in: S. R. Hameroff, A. W. Kaszniak, & A. C. Scott (Eds.): ''Complex adaptive systems. Toward a science of consciousness: The first Tucson discussions and debates'', Cambridge, MA, US: The MIT Press 1996, pp. 336-347, {{doi|10.1002/9780470514412.ch7}}
* Benjamin Libet: ''How does conscious experience arise? The neural time factor.'' in: Brain Research Bulletin, Vol. 50, Nos. 5/6 (1999), pp. 339-340
* Howard Shevrin, Jess H. Ghannam, Benjamin Libet: ''A Neural Correlate of Consciousness Related to Repression'', in: Consciousness and Cognition 11 (2002), 334–341, {{doi|10.1006/ccog.2002.0553}} [https://www.researchgate.net/profile/Jess_Ghannam/publication/11196098_A_Neural_Correlate_of_Consciousness_Related_to_Repression/links/5ae9bbcfa6fdcc03cd909df2/A-Neural-Correlate-of-Consciousness-Related-to-Repression.pdf?origin=publication_detail pdf]
* Benjamin Libet: ''The Timing of Mental Events: Libet’s Experimental Findings and Their Implications'', in: Consciousness and Cognition 11 (2002), 291–299, {{doi|10.1006/ccog.2002.0568}} [http://www.trans-techresearch.net/wp-content/uploads/2015/05/Consciousness-and-Cognition-2002-LIBET.pdf pdf]
* Benjamin Libet: ''Do We Have Free Will?'', in: Journal of Consciousness Studies, 6, No. 8–9, 1999, pp. 47–57
** deutsch: Benjamin Libet: ''Haben wir einen freien Willen?'' In: Christian Geyer (Hrsg.): ''Hirnforschung und Willensfreiheit. Zur Deutung der neuesten Experimente.'', 9. Auflage, Suhrkamp, 2016, ISBN 3-518-12387-4
* Benjamin Libet: ''Mind Time: The Temporal Factor in Consciousness'', Harvard University Press, Cambridge/Mass. 2004, ISBN 978-0674018464
** deutsch: Benjamin Libet, Jürgen Schröder (Übers.): ''Mind Time: Wie das Gehirn Bewusstsein produziert'', Suhrkamp Verlag 2005, ISBN 978-3518584279


== Literatur ==
== Literatur ==
* ''Leonardo : l'uomo vitruviano fra arte e scienza.'' Ausstellungskatalog Galleria dell'Accademia, Venedig 2009/2010. A cura di Annalisa Perissa Torrini. Marsilio, Venedig 2009. ISBN 978-88-317-9900-3
* Toby Lester: ''Die Symmetrie der Welt – Leonardo da Vinci und das Geheimnis seiner berühmtesten Zeichnung'', Berlin Vlg., Berlin 2012, ISBN 978-3-8270-1104-6
* Bernhard F. Scholz: ''Leonardo da Vincis Proportionsfigur: Beschreibung, Zeichnung, Stereotyp, Kontrafaktur.'' In: Texte, Bilder, Kontexte. Interdisziplinäre Beiträge zu Literatur, Kunst und Ästhetik der Neuzeit, Hrsg. von Ernst Rohmer, Werner Wilhelm Schnabel… (Beihefte zu Euphorion: Zeitschrift für Literaturgeschichte 36). Winter, Heidelberg 2000, S. 313–361.
* Klaus Schröer, Klaus Irle: ''„Ich aber quadriere den Kreis …“. Leonardo da Vincis Proportionsstudie''. Neuaufl. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2007, ISBN 978-3-86582-547-6 (Erstauflage 1998).
* Frank Zöllner: ''Vitruvs Proportionsfigur: Quellenkritische Studien zur Kunstliteratur im 15. und 16. Jahrhundert.'' Wernersche Verlags-Ges., Worms 1987. ISBN 3-88462-913-1.
* Frank Zöllner: ''Anthropomorphismus: Das Maß des Menschen in der Architektur von Vitruv bis Le Corbusier'', in: Otto Neumaier (Hrsg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras. Bibliopolis, Möhnesee 2004 (Arianna. Wunschbilder der Antike, Bd. 4), S. 307–344 ([http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2006/162/ Weblink ART-Dok])


* Hans Peter Trötscher: ''Hirnforschung: Das Abenteuer unseres Bewusstseins'', Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-89843-251-1 (eBook)
== Weblinks ==
* [[Peter Heusser]]: ''Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
{{Commonscat|Vitruvian Man|Vitruvianischer Mensch}}
* Johannes W. Rohen: ''Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners'', 1. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009, ISBN 978-3772520983
{{Wikisource|Scriptor:Marcus Vitruvius Pollio|Marcus Vitruvius Pollio|lang=la}}
* Johannes W. Rohen: ''Morphologie des menschlichen Organismus'', 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3772519987
* [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Vitruvius/home.html Lateinischer Text mit englischer Übersetzung]
* Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
* Rudolf Steiner: ''Von Seelenrätseln'', [[GA 21]] (1983), ISBN 3-7274-0210-5 {{Schriften|021}}
* Rudolf Steiner: ''Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen'', [[GA 129]] (1977), Siebenter Vortrag, München, 24. August 1911 {{Vorträge|129}}
* Rudolf Steiner: ''Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen'', [[GA 178]] (1992), ISBN 3-7274-1780-3 {{Vorträge|178}}
* Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen'', [[GA 192]] (1991), ISBN 3-7274-1920-2 {{Vorträge|192}}
* Rudolf Steiner: ''Nordische und mitteleuropäische Geistimpulse'', [[GA 209]] (1982), ISBN 3-7274-2090-1 {{Vorträge|209}}
 
{{GA}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />


<references />
{{Normdaten|TYP=w|GND=4447774-0}}


[[Kategorie:Mediziner]]  
{{SORTIERUNG:Leonardo}}
[[Kategorie:Physiologe]]
[[Kategorie:Künstlerisches Werk von Leonardo da Vinci]]
[[Kategorie:US-Amerikaner]]
[[Kategorie:Werk der Bildenden Kunst]]
[[Kategorie:Geboren 1916]]
[[Kategorie:Blume des Lebens]]
[[Kategorie:Gestorben 2007]]
[[Kategorie:Zeichnung]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Fünfheit]]
[[Kategorie:Mensch]]
{{Wikipedia}}

Version vom 26. Juni 2022, 05:15 Uhr

Leonardo da Vinci: Vitruvianischer Mensch

Als vitruvianischer Mensch (lat. homo vitruvianus, auch: Vitruvianische Figur) wird eine Darstellung des Menschen nach den vom antiken Architekten und Ingenieur Vitruv(ius) formulierten und idealisierten Proportionen bezeichnet. Das berühmteste Beispiel ist eine 34,4 cm × 24,5 cm große Zeichnung von Leonardo da Vinci, die um 1490 entstand. Es handelt sich um eine Skizze mit Notizen aus einem seiner Tagebücher, die einen Mann mit ausgestreckten Extremitäten in zwei überlagerten Positionen zeigt. Mit den Fingerspitzen und den Sohlen berührt die Figur ein sie umgebendes Quadrat (homo ad quadratum) bzw. einen Kreis (homo ad circulum).

Die Studie zeigt, wie sehr Leonardo an Körperbau und -proportionen interessiert war,[1] und ist bis heute nicht nur ein Symbol für die Ästhetik der Renaissance, sondern eines der berühmtesten und am meisten vervielfältigten Bildmotive.

Herkunft des Namens

Der Name stammt nicht von Leonardo da Vinci. Er erinnert an den römischen Architekten Vitruvius, ca. 80–70 v. Chr. bis ca. 10 v. Chr. Dieser verfasste zwischen 33 v. Chr. und 22 v. Chr. die einzigen aus der Antike erhaltenen Architekturbücher Zehn Bücher über Architektur (lat. De architectura libri decem). Diese Abhandlungen waren nicht illustriert und regten viele spätere Künstler zu eigenen Bebilderungen an, darunter Albrecht Dürer. Vitruvius stellt darin unter anderem die Theorie des wohlgeformten Menschen (lat. homo bene figuratus) mit einem idealen Verhältnis der Körperteile zueinander auf:

„Ferner ist natürlicherweise der Mittelpunkt des Körpers der Nabel. Liegt nämlich ein Mensch mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken, und setzt man die Zirkelspitze an der Stelle des Nabels ein und schlägt einen Kreis, dann werden von dem Kreis die Fingerspitzen beider Hände und die Zehenspitzen berührt. Ebenso, wie sich am Körper ein Kreis ergibt, wird sich auch die Figur eines Quadrats an ihm finden. Wenn man nämlich von den Fußsohlen bis zum Scheitel Maß nimmt und wendet dieses Maß auf die ausgestreckten Hände an, so wird sich die gleiche Breite und Höhe ergeben, wie bei Flächen, die nach dem Winkelmaß quadratisch angelegt sind.“

Vitruv

Leonardos Zeichnung

Das Original der Zeichnung Leonardos befindet sich seit 1822 in der Galleria dell’ Accademia in Venedig, nachdem es ein österreichischer Gouverneur gemeinsam mit 25 anderen Leonardozeichnungen von den Erben des Mailänder Kunstsammlers Giuseppe Bossi (1777–1815) erwarb. Es wird aus Konservierungsgründen nur selten ausgestellt. Leonardo lernte Vitruvs Text wahrscheinlich bei einer Reise im Jahr 1490 kennen, als er Francesco di Giorgio traf, der Vitruv ins Italienische übersetzte. Mit seiner Federzeichnung illustriert Leonardo da Vinci die These des Vitruvius, der aufrecht stehende Mensch füge sich sowohl in die geometrische Form des Quadrates wie des Kreises ein. Er war weder der einzige noch der erste Künstler, der Vitruvs Text illustrierte. Francesco di Giorgio selbst hat einen Vitruvianischen Menschen gezeichnet. Nur Leonardo gelang es allerdings, die Überlagerung von Kreis und Quadrat so zu lösen, dass eine zwingende, harmonisch proportionierte Gestalt entstand. Dafür wählte Leonardo für das Quadrat einen anderen Mittelpunkt als für den Kreis: Wie aus der Zeichnung ersichtlich, setzt der Künstler für den „homo ad circulum“ den Zirkel exakt im Nabel an. Beim „homo ad quadratum“ ist dagegen der Schritt der Mittelpunkt des Quadrates. Andere Illustratoren versuchten, Kreis- und Quadratmitte zur Deckung zu bringen.

Das Aussehen der Figur ist nicht allein durch Kreis und Quadrat bestimmt, sondern auch durch Proportionsregeln für die einzelnen Körperteile (Fuß, Kopf etc.). Vitruvius sagt dazu:

„Der Körper des Menschen ist so geformt, dass das Gesicht vom Kinn bis zum oberen Ende der Stirn und dem unteren Rand des Haarschopfes 1/10 beträgt, die Handfläche von der Handwurzel bis zur Spitze des Fingers ebenso viel, der Kopf vom Kinn bis zum höchsten Punkt des Scheitels 1/8 […] Vom unteren Teil des Kinns aber bis zu den Nasenlöchern ist der dritte Teil der Länge des Gesichts selbst, ebenso viel die Nase von den Nasenlöchern bis zur Mitte der Linie der Augenbrauen. Von dieser Linie bis zum Haaransatz wird die Stirn gebildet, ebenfalls 1/3 […]“

(Vitruv: Zehn Bücher über Architektur 3,1,2)

Leonardos Beschriftung seiner Zeichnung legt ebenfalls die Körperverhältnisse fest, indem er das seit der Antike verbreitete, vom Menschen abgeleitete Maßsystem referiert: 4 Finger sollen einen Palm (Handbreite) ergeben, 4 Palm einen Fuß, 6 Palm eine Elle, 4 Ellen die Gesamtgröße eines Menschen, dieselben 4 Ellen ein Klafter (d. h. eine Armspanne).[2] Das Idealbild der menschlichen Schönheit ist daher kein absolutes, sondern besteht aus der Beziehung einzelner Teile zueinander.[3] Leonardo gewann seine Proportionsvorstellungen nicht nur aus der antiken Überlieferung, sondern auch durch Vermessung der Anatomie junger Männer in den Jahren 1489/90.[4]

Die Doppelfigur in Kreis und Quadrat kann auch als Lösungsvorschlag Leonardos zur in endlich vielen Konstruktionsschritten unmöglichen Quadratur des Kreises verstanden werden. Tatsächlich lässt sich der Zeichnung ein sehr eleganter Algorithmus zur annähernden Kreisquadratur (in unendlich vielen Konstruktionsschritten) entnehmen, der eine rekursive Folge von Paaren Kreis und Quadrat erzeugt, die mit hoher Genauigkeit gegen ein Flächenverhältnis von ca. 1,0003 konvergiert.[5]

Das Verhältnis der Seitenlänge des Quadrates zum Radius des Kreises in Leonardos Bild entspricht mit einer Abweichung von 1,7 % dem Goldenen Schnitt, weshalb oft gesagt wird, das Bild sei die „Darstellung des Menschen im Goldenen Schnitt“. Da die Strecken von Seitenlänge und Radius keine Einheit darstellen und in verschiedene Richtungen verlaufen, lässt sich ein Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen – so wie es der Goldene Schnitt beschreibt – nur schwerlich darstellen. Wegen der Abweichung von 1,7 % kann man deshalb über die genannte Formulierung streiten.

Heutige Verwendung

War Leonardos Zeichnung bis in die 1930er Jahre vor allem dem engsten Kreis der Leonardo-Fachliteratur und in der Proportionslehre an den Kunstakademien bekannt, gewann die Figur durch Verwendung als Symbol von Leonardos naturwissenschaftlichem Ordnungsdenken in der Mailänder Ausstellung zu Ehren des Künstlers 1939 internationale Aufmerksamkeit.[6]

Heute ist der vitruvianische Mensch eine populäre und häufig adaptierte Figur. Neben Reproduktionen in Wandbildern oder Postern oder als Tattoo-Motiv, findet er sich auf der Rückseite der italienischen 1-Euro-Münze, auf dem Emblem des Skylab 3 oder als Logo der Krankenversichertenkarte (KVK) und elektronischer Gesundheitskarte (eGK) der deutschen gesetzlichen Krankenkassen.

Verschiedene Autoren und Zeichner der Neuzeit verfremden Vincis Original karikaturhaft. Ein Beispiel ist Donald Duck, der als „Vitruvianische Ente“ die Titelseite des Lustigen Taschenbuches Nr. 357 ziert.[7] Eine weitere comichafte Umsetzung ist das Logo der Linux-Distribution Knoppix („vitruvianischer Pinguin“). Die Figur findet auch Verwendung als Coverbild des Albums Clayman, der Band In Flames verwendet die Figur, während das Cover des Albums Lola versus Powerman and the Moneygoround, Part One der britischen Band The Kinks darauf Bezug nimmt.

Eine große Rolle spielt Leonardos Zeichnung in der Esoterik- und New-Age-Szene. Mit einem Tierkreis umrandet, gilt der vitruvianische Mensch als Symbol des Neuen Menschen. Im Bestseller-Roman Sakrileg platziert sich der sterbende Jacques Saunière in Form des vitruvianischen Menschen, um seine Ziehtochter Sophie und Robert Langdon auf die Verwicklung der Werke Leonardo Da Vincis in ein Geheimnis aufmerksam zu machen.

Der „vitruvianische Mensch“ wird auch als Symbol in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet. Hier wird es als chinesisches Ideogramm bezeichnet. Begründung: „Das chinesische Ideogramm für ‚Mensch‘ zeigt eine Gestalt, die wie ein Baum in der Erde verwurzelt ist und deren Arme wie Äste zum Himmel emporgestreckt sind, sodass sie Kraft von oben und unten empfangen kann.“

Schließlich gilt der vitruvianische Mensch als orientierender Mittelpunkt in der "Wuppertaler Definition der unternehmerischen Persönlichkeit" von Ulrich Brauckmann in einem abgegrenzten Dreieck mit den Außenfaktoren "Normatives Regulativ", "Endogene Determiniertheit" und "Betriebswirtschaftliche Konmpetenz".

Siehe auch

Literatur

  • Leonardo : l'uomo vitruviano fra arte e scienza. Ausstellungskatalog Galleria dell'Accademia, Venedig 2009/2010. A cura di Annalisa Perissa Torrini. Marsilio, Venedig 2009. ISBN 978-88-317-9900-3
  • Toby Lester: Die Symmetrie der Welt – Leonardo da Vinci und das Geheimnis seiner berühmtesten Zeichnung, Berlin Vlg., Berlin 2012, ISBN 978-3-8270-1104-6
  • Bernhard F. Scholz: Leonardo da Vincis Proportionsfigur: Beschreibung, Zeichnung, Stereotyp, Kontrafaktur. In: Texte, Bilder, Kontexte. Interdisziplinäre Beiträge zu Literatur, Kunst und Ästhetik der Neuzeit, Hrsg. von Ernst Rohmer, Werner Wilhelm Schnabel… (Beihefte zu Euphorion: Zeitschrift für Literaturgeschichte 36). Winter, Heidelberg 2000, S. 313–361.
  • Klaus Schröer, Klaus Irle: „Ich aber quadriere den Kreis …“. Leonardo da Vincis Proportionsstudie. Neuaufl. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2007, ISBN 978-3-86582-547-6 (Erstauflage 1998).
  • Frank Zöllner: Vitruvs Proportionsfigur: Quellenkritische Studien zur Kunstliteratur im 15. und 16. Jahrhundert. Wernersche Verlags-Ges., Worms 1987. ISBN 3-88462-913-1.
  • Frank Zöllner: Anthropomorphismus: Das Maß des Menschen in der Architektur von Vitruv bis Le Corbusier, in: Otto Neumaier (Hrsg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras. Bibliopolis, Möhnesee 2004 (Arianna. Wunschbilder der Antike, Bd. 4), S. 307–344 (Weblink ART-Dok)

Weblinks

Commons: Vitruvianischer Mensch - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Marcus Vitruvius Pollio – Quellen und Volltexte (latina)

Einzelnachweise

  1. Vorlesungsmaterialien: The Worlds of Leonardo da Vinci bei der Stanford University
  2. Frank Zöllner: Anthropomorphismus: Das Maß des Menschen in der Architektur von Vitruv bis Le Corbusier, in: Otto Neumaier (Hrsg.): Ist der Mensch das Maß aller Dinge? Beiträge zur Aktualität des Protagoras. Bibliopolis, Möhnesee 2004 (Arianna. Wunschbilder der Antike, Bd. 4), S. 307–344. (Weblink ART-Dok)
  3. Der erhaltene Teil von Leonardos Beschriftung nimmt weniger auf Kreis und Quadrat Bezug als auf die Proportionierung der einzelnen Körperteile. Im oberen Teil des Blattes ist folgender Text geschrieben « Vetruvio, architecto, mecte nella sua op(er)a d'architectura, chelle misure dell'omo sono dalla natura disstribuite inquessto modo cioè che 4 diti fa 1 palmo, et 4 palmi fa 1 pie, 6 palmi fa un chubito, 4 cubiti fa 1 homo, he 4 chubiti fa 1 passo, he 24 palmi fa 1 homo ecqueste misure son ne' sua edifiti. Settu ap(r)i ta(n)to le ga(m)be chettu chali da chapo 1/14 di tua altez(z)a e ap(r)i e alza tanto le b(r)acia che cholle lunge dita tu tochi la linia della somita del chapo, sappi che 'l cie(n)tro delle stremita delle ap(er)te me(m)bra fia il bellicho. Ello spatio chessi truova infralle ga(m)be fia tria(n)golo equilatero » Unter der Illustration steht: « Tanto ap(r)e l'omo nele b(r)accia, qua(n)to ella sua alteza. Dal nasscimento de chapegli al fine di sotto del mento è il decimo dell'altez(z)a del(l)'uomo. Dal di socto del mento alla som(m)ità del chapo he l'octavo dell'altez(z)a dell'omo. Dal di sop(r)a del pecto alla som(m)ità del chapo fia il sexto dell'omo. Dal di sop(r)a del pecto al nasscime(n)to de chapegli fia la sectima parte di tucto l'omo. Dalle tette al di sop(r)a del chapo fia la quarta parte dell'omo. La mag(g)iore larg(h)ez(z)a delle spalli chontiene insè [la oct] la quarta parte dell'omo. Dal gomito alla punta della mano fia la quarta parte dell'omo, da esso gomito al termine della isspalla fia la octava parte d'esso omo; tucta la mano fia la decima parte dell'omo. Il menb(r)o birile nasscie nel mez(z)o dell'omo. Il piè fia la sectima parte dell'omo. Dal di socto del piè al di socto del ginochio fia la quarta parte dell'omo. Dal di socto del ginochio al nasscime(n)to del memb(r)o fia la quarta parte dell'omo. Le parti chessi truovano infra »
  4. Frank Zöllner: Die Bedeutung von Codex Huygens und Codex Urbinas für die Proportions- und Bewegungsstudien Leonardos da Vinci, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 52, 1989, S. 334–352. (Weblink ART-Dok, S. 6)
  5. Klaus Schröer, Klaus Irle: „Ich aber quadriere den Kreis …“. Leonardo da Vincis Proportionsstudie. Neuaufl. Verlag Monsenstein und Vannerdat, Münster 2007, ISBN 978-3-86582-547-6 (Erstauflage 1998). Der Algorithmus der Proportionsstudie wurde recht bekannt und ist heute Gegenstand des fächerübergreifenden Unterrichts Mathematik und Kunst nicht nur an deutschen Schulen. Das Verfahren wurde ferner auf Leonardoausstellungen in Wien und Berlin thematisiert und war mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Fachtagungen.
  6. Eckhard Leuschner: Wie die Faschisten sich Leonardo unter den Nagel rissen Eine architekturgeschichtliche Station des „Vitruvianischen Menschen“ auf dem Weg zum populären Bild. In: Christian Hecht (Hrsg.): Beständig im Wandel. Innovationen, Verwandlungen, Konkretisierungen. Festschrift für Karl Möseneder zum 60. Geburtstag. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009, ISBN 978-3-88221-998-2, S. 425–440.
  7. Katalogeintrag für LTB 357, lustige-taschenbuecher.de
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Leonardo da Vinci: Der vitruvianische Mensch aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.