Tarotblatt und Wilhelm Meisters Wanderjahre: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Wilhelm Meisters Wanderjahre Erstausgabe 1821 Titelbild.jpg|miniatur|<center>Titelblatt der Erstausgabe von 1821</center>]]
[[Datei:Goethe (Stieler 1828).jpg|miniatur|<center>Goethe im Jahre 1828</center>]]


Das '''Tarotblatt''' enthält die [[Wikipedia:Spielkarte|Spielkarte]]n des [[Tarot]].
'''Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden''' ist ein Roman von [[Johann Wolfgang von Goethe]]. Er gilt als die persönlichste aller Goethe’schen Dichtungen. 1821 erschien die erste Fassung, 1829 die vollständige. Ihr fehlen die vorangestellten Gedichte des Fragments von 1821.


== Die Karten der Großen Arcana (auch Trumpfkarten oder Trionfi) ==
__TOC__
=== 0 / XXII Der Narr ===
<small>Auf Kapitel im Buch wird mit einem Zahlenpaar in der Form (Buch, Kapitel) verwiesen.</small>
==== Darstellung ====
== Roman und Zeit ==
Die Karte zeigt meist einen Jüngling, doch gehen die Darstellungen oft weit auseinander.
Goethe selbst bezeichnet dieses Spätwerk als einen Roman.<ref>Zitat: „Der Redakteur dieser Bogen hier“ (2,8) versichert, wir „haben einen Roman in die Hand genommen.“ (1,10)</ref> Er besteht aus drei Büchern sowie ''Betrachtungen im Sinne der Wanderer'' und Materialien aus einem Archiv.


Beim [[Wikipedia:Visconti-Sforza-Trionfikarten|Visconti-Sforza]]-Spiel zeigt die Karte einen jungen, bärtigen Mann mit Doppelkinn und Federn im Haar, er trägt nur Lumpen, und die Hosen (oder Unterhosen?) hängen an seinen Beinen.
An zwei Stellen im Text erfährt der Leser, dass die Wanderung ins 18. Jahrhundert zurückführt. Der Wanderer '''Wilhelm''' Meister wird einmal unterwegs auf einem Schlosse ''in eine Galerie ''geführt'', worin nur Porträts aufgehängt bzw. aufgestellt waren, alles Personen, die im achtzehnten Jahrhundert gewirkt hatten'' (1,6). Und als ein andermal die Vorgeschichte des Romans erzählt wird, heißt es: ''Der lebhafte Trieb nach Amerika im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts war groß'' (1,7).


Bei [[Wikipedia:Arthur Edward Waite|Arthur Edward Waite]] sieht man einen reich gekleideten Jüngling, der unbeschwert und in den Himmel schauend auf einen Abgrund hin läuft. In der einen Hand trägt er eine kleine weiße Blume, in der anderen einen Stock, an dem ein Bündel hängt.
== Kategorisierung ==
Die Einordnung der ''Wanderjahre'' seitens der Fachwelt ändert sich mit den Jahren.
* [[Wikipedia:Erich Trunz|Erich Trunz]]<ref>Bahr, S. 379 unten</ref> bestimmte 1950 die ''Wanderjahre'' schlicht als Rahmenerzählung mit eingelegten Novellen.
* Volker Neuhaus<ref>Bahr, S. 380.</ref> bezeichnete 1968 die Wanderjahre als ''Archivroman'', wobei er unter anderem von ''Makariens Archiv'' und seinem Inhalt ausging. In der Tat wird manches im Roman brieflich verhandelt. Es geht zentral um Papiere.
* [[Wikipedia:Gero von Wilpert|Gero von Wilpert]]<ref>Wilpert, 1998, S. 1189 unten</ref> nannte die ''Wanderjahre'' einen ''Zeitroman''. Nach Wilpert<ref>Wilpert, 2001, S. 917.</ref> hat [[Wikipedia:Clemens Brentano|Brentano]] den Zeitroman als erweiterten [[Wikipedia:Gesellschaftsroman|Gesellschaftsroman]] definiert. Im Zeitroman wird definitionsgemäß gleichsam ein Bild der Gesellschaft, des Geistes, der Kultur, der Politik und der Ökonomie einer Zeit auf einen Rundhorizont gemalt. Im Falle der ''Wanderjahre'' handelt es sich um das Bild der Zeit, in der Goethe lebte und die Goethe ins 19. Jahrhundert hinein schreibend [[Wikipedia:Extrapolation#Gebrauch_in_der_Literatur|extrapolierte]].


Bei [[Aleister Crowley|Crowley]] sieht man einen vor Kraft und Geilheit strotzenden Dionysos, der in der Luft hängt. Er befindet sich in einem angedeuteten Ei.
== Darstellungsweise ==
Symbole, die auf der Karte zu finden sind: Stab des Hermes, Ei, Wein, Krokodil, zwei kleine Kinder, eine dreifaltige Blume, die Sonne als Phallus, einen Kelch, Weintrauben, Geldstücke sowie eine Luzifuge.
Zur Darstellungsweise der ''Wanderjahre'' hat Gidion<ref>Gidion, 1969.</ref> ein Buch geschrieben.


Bei [[Wikipedia:Hermann Haindl|Hermann Haindl]] sieht man einen [[Wikipedia:Hofnarr|Hofnarr]] mit stark androgyner Ausstrahlung und hat in der Darstellung des Gesichts eine ähnliche Unergründlichkeit wie die Mona Lisa. Ein Finger des Narres zeigt auf die Wunde in der Brust eines Schwanes, dessen Hals enorme Überlänge hat und nach oben hin mäandert.
Goethe belastet den Wanderer Wilhelm mit zwei Restriktionen, indem er ihn konstatieren lässt:
: 1. ''Nicht über drei Tage soll ich unter einem Dache bleiben.'' (1, 1)
: 2. ''Nun soll auf meiner Wanderschaft kein Dritter uns ein beständiger Geselle werden.'' (1,3)
Auch der daraus resultierende beständige Orts- und Personenwechsel erzeugt jene [[Wikipedia:Disparität|disparate]] Romanstruktur, auf die Goethe am [[#Selbstzeugnisse|28. Juli 1829]] hingewiesen und die dann etliche [[#Rezeption|Rezipienten]] zu unbedachten Äußerungen verleitet hat.


==== Deutung ====
Mehr noch als in den [[Wilhelm Meisters Lehrjahre|''Lehrjahren'']] fordert Goethe in den ''Wanderjahren'' einen geduldigen Leser. ''Jarno'' aus den ''Lehrjahren'' heißt in den ''Wanderjahren'' Montan. Hinter der ''Schönen-Guten'' und dem ''nußbraunen Mädchen'' verbirgt sich ''Nachodine''
Als 0 symbolisiert der Narr die jugendliche Unwissenheit und Unbekümmertheit, das Sorglose ins Leben hineintreten.
Als XXII symbolisiert er das Aufgehen des „Helden“ ins Nichts.
[[Eliphas Levi]], einer der Begründer des modernen [[Okkultismus]], ordnet den Narren als 0 zwischen den Karten ''Gericht'' (XX) und ''Die Welt'' (XXI) ein und deutet sie als Versagen auf der ganzen Linie, als Scheitern auf der Zielgerade.


==== Entsprechungen ====
== Entsagung ==
* Archetyp: Das Kind
Diesen zentralen Begriff seiner Ethik, den Verzicht auf Niederes zugunsten Höherem, hat Goethe in ''Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit'' in (4,16) definiert: ''Unser physisches sowohl als geselliges Leben, Sitten, Gewohnheiten, Weltklugheit, Philosophie, Religion, ja so manches zufällige Ereignis, alles ruft uns zu, daß wir entsagen sollen… Diese schwere Aufgabe jedoch zu lösen, hat die Natur den Menschen mit reichlicher Kraft, Tätigkeit und Zähigkeit ausgestattet.''
* Symbol: Brust oder Schoß
* der [[Hebräische Schrift|hebräische Buchstabe]] '''ת''' ([[Taw]])
* Zahlenwert 400


==== Geschichte ====
Weil Goethe den Terminus in den ''Wanderjahren'' sogar in den Titel hinein genommen hat, wird er in der Sekundärliteratur ausführlich besprochen. Wilpert (anno 1998, S. 1189 unten) zählt z.B. die in den Roman eingelegten Novellen als Beispiele für Geschichten um Personen auf, denen die Entsagung noch nicht geglückt ist.
Die Karte weist keine Nummerierung bis auf zwei alte Decks auf (z. B. Sola Busca mit „0“ sowie das belgische Tarot mit XXII). Die Karte ist historisch teilweise sowohl der höchste Trumpf als auch eine niedrigwertige Karte.[http://www.tarothermit.com/fool.htm].<!-- In the game of tarot, the Fool has a unique role. Playing the Fool is like momentarily exempting yourself from the rules of the game.


==== Interpretation ====
Für Goethes Romankonzept ist die ''Entsagung'' Programm. Das ist aus Einzelheiten ablesbar:
: (1,4) ''Zu den sonderbaren Verpflichtungen der Entsagenden ''gehört'' auch die: daß sie, zusammentreffend, weder vom Vergangenen noch Künftigen sprechen ''dürfen'', nur das Gegenwärtige ''soll'' sie beschäftigen.''
Entsagt wird meist den Freuden der körperlichen Liebe zwischen Mann und Frau zugunsten höchster Werte. Vollkommenheit wird angestrebt.


In his [[Manual of Cartomancy]], [[Grand Orient]] has a curious suggestion of the office of Mystic Fool, as apart of his process in higher divination; but it might call for more than ordinary gifts to put it into operation. We shall see how the card fares according to the common arts of fortune-telling, and it will be an example, to those who can discern, of the fact, otherwise so evident, that the [[Major Arcana|Trumps Major]] had no place originally in the arts of psychic gambling, when cards are used as the counters and pretexts. Of the circumstances under which this art arose we know, however, very little.
== Allegorie und Symbol ==
Hinter der vordergründigen Handlung stecken in den ''Wanderjahren'' [[Allegorie|allegorische]] Figuren und [[Symbol]]e.


The conventional explanations say that the Fool signifies the flesh, the sensitive life, and by a peculiar satire its subsidiary name was at one time the alchemist, as depicting folly at the most insensate stage. -->
Zum Beispiel symbolisieren Kästchen und Schlüssel das Geheimnis des Lebens. Zudem ist das Symbol bei Goethe selten eindeutig. Etliche Goethe-Interpreten verstehen Kästchen und Schlüssel - um bei dem Beispiel zu bleiben - in Verbindung mit der Liebesgeschichte zwischen Hersilie und Felix (3,17) auch als sexuelle Attribute.


=== I Der Magier ===
Mit der unten stehenden, kurz gefassten Beschreibung der Roman-Handlung ist die enzyklopädische Deskription dieses viel sagenden Werkes also keinesfalls abgetan. Notgedrungen wird auf die sehr umfangreiche [[#Literatur|Sekundärliteratur]] verwiesen.
==== Darstellung ====
Meist sieht man den Magier mit der rechten Hand in den Himmel zeigen und mir der linken auf die Erde. Auf einem Tisch vor ihm liegen die Paraphernalien (Ritualwaffen), welche identisch sind mit den Symbolen der kleinen Arkana.


Bei Crowley ist der Magier der griechische Gott Hermes, dessen Arme und Paraphernalien ein Aleph bilden. Symbole der Karte sind: Geflügeltes Ei, Stab des Hermes, Pfeil, Schriftrolle und geflügelte Sonnenscheibe.
== Handlung ==
<small>Eine einzelne Zahl verweist auf das betreffende Kapitel. Die Titel der eingelegten Novellen sind unterstrichen. Mitunter gehen Novellen über Kapitelgrenzen hinweg. Das Ende der Beschreibung einer Novelle ist im Normalfall die Leerzeile. Ausnahme: Manche Novellen sind mit der nachfolgenden Rahmenerzählung verquickt.</small>


Bei Haindl sieht man einen zweigesichtigen Mann, der sowohl in den Tag wie auch in die Nacht blickt. Sein „Taggesicht“ ist alt und ruhig, sein „Nachtgesicht“ wirkt jung und unruhig.
=== Erstes Buch ===
<div class="center"><u>Die Flucht nach Ägypten</u></div>
1 Wilhelm, mit seinem Sohn '''Felix''' im Gebirge unterwegs, begegnet einer fünfköpfigen Familie. Der junge, rüstige Mann trägt Handwerkszeug eines Zimmermanns. Die Familienmutter, ''ein sanftes, liebenswürdiges Weib'', hat Wilhelm schon viel früher gesehen - auf dem Gemälde ''Die Flucht nach Ägypten''. Der freundliche Zimmermann lädt die beiden Wanderer zur Übernachtung nach ''Sankt Joseph'' ein.
<div class="center"><u>Sankt Joseph der Zweite</u></div>
2 Sankt Joseph erweist sich als ''ein großes, halb in Trümmern liegendes, halb wohlerhaltenes [[Wikipedia:Kloster|Kloster]]gebäude.'' Wilhelm wird von den Kindern des Zimmermanns vor ein Gemälde geführt, die ''die Geschichte des heiligen Joseph'' vorstellen. Auf einem Gemälde ist [[Wikipedia:Josef (Ziehvater Jesu)|Joseph]] ''mit einer Zimmerarbeit beschäftigt'', auf dem nächsten begegnet ''er [[Maria (Mutter Jesu)|Marien]], und eine [[Wikipedia:Lilien|Lilie]] ''sprosst'' zwischen beiden aus dem Boden''. Der Zimmermann, den Wilhelm in den Bergen traf, heißt auch Joseph und seine Frau heißt Marie.
<div class="center"><u>Die Heimsuchung, Der Lilienstengel</u></div>
Joseph erzählt Wilhelm, wie er um Marie, die schwangere Witwe, die ''den schönsten Knaben'' gebar, freite.


==== Deutung ====
3 Wilhelm, der Natalie entsagte, schreibt ihr über den Zimmermann Joseph: ''Jene Verehrung seines Weibes, gleicht sie nicht derjenigen, die ich für dich empfinde? und hat nicht selbst das Zusammentreffen dieser beiden Liebenden etwas Ähnliches mit dem unsrigen?'' Wilhelm beneidet Joseph, weil er mit Marie unter einem Dach wohnt und schreibt weiter an Natalie: ''Dagegen darf ich nicht einmal mein Schicksal beklagen, weil ich dir zugesagt habe, zu schweigen und zu dulden, wie du es auch übernommen hast.''
Der Magier symbolisiert Selbstvertrauen, Willen, zeigt einen Menschen, der sich seines Könnens absolut bewusst ist und deswegen gelegentlich zu ein wenig Überheblichkeit tendiert.
Als Mittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Materiellem und Geistigem, symbolisiert er den Menschen an sich, welcher aus Geist und Körper besteht.


==== Entsprechungen ====
Wilhelm und Felix wandern weiter und begegnen ''Jarno'', der Steine klopft und nun '''Montan''' genannt wird. Montan ist von den Menschen enttäuscht: ''Ihnen ist nicht zu helfen.'' Deshalb folgt er einer ''einsiedlerischen Neigung''. Montan weiß: ''Die Natur hat nur eine Schrift.'' Er will nicht länger reden, sondern jene Schrift der Natur entziffern.
* Archetyp: Der Zauberer
* Symbol: Mensch (Adam)
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''א''' ([[Aleph]])
* Zahlenwert: 1


=== II Die Hohepriesterin ===
4 Montan und Wilhelm reden aber doch weiter. Es geht um die naturkundliche Belehrung von Felix. Montan meint, Wilhelm sei als Lehrer ungeeignet: ''Wer andere lehren will, kann wohl oft das Beste verschweigen, was er weiß, aber er darf nicht halbwissend sein.'' Nach Montan ist ''die Zeit der Einseitigkeiten'' - sprich, der Entsagung - angebrochen und er weiß auch den Weg: ''von unten hinauf zu dienen, ist überall nötig. Sich auf ein Handwerk zu beschränken, ist das Beste. Um einen Gegenstand ganz zu besitzen, zu beherrschen, muß man ihn um sein selbst willen studieren. Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites Selbst von ihm ablösen.''
==== Darstellung ====
Die Hohepriesterin trägt eine [[Wikipedia:Tiara|Tiara]] (Papstkrone) sowie eine Halskette mit einem großen [[Kreuz (Symbol)|Kreuz]]. Zu ihren Füßen befindet sich eine [[Mondsichel]]. In ihrer Hand hält sie eine Papierrolle mit der Aufschrift [[Torah|Tora]] <!-- signifying the Greater Law, the Secret Law and the second sense of the Word. -->. Die Rolle wird etwas durch ihren Umhang verdeckt. Sie sitzt zwischen einer schwarzen und einer weißen Säule — 'J' steht für [[Jachin und Boas|Jachin]] und 'B' für [[Jachin und Boas|Boas]] — in einem mystischen Tempel. Der Vorhang des Tempels befindet sich hinter ihr, er enthält eingestickte [[Palmengewächse|Palmen]] und [[Wikipedia:Granatapfel|Granatäpfel]]. <!-- Ihr Gewand ist flowing and gauzy, and the mantle suggests light—a shimmering radiance. -->


==== Deutung ====
Wilhelm ist beeindruckt und will endlich einen ordentlichen Beruf erlernen. Montan soll ihm helfen, ''daß die lästigste aller Lebensbedingungen, nicht länger als drei Tage an einem Orte zu verweilen, baldigst aufgehoben und ihm vergönnt werde, sich zu Erreichung seines Zweckes da oder dort, wie es ihm belieben möge, aufzuhalten.'' Montan will sich für den Freund verwenden.
Die Bedeutung der Karte umfasst [[Intuition]], beide Seiten einer Situation sehen oder sich ansehen müssen, Klärung der [[Situation]] und deren [[Vergangenheit]] sowie [[Klugheit]] und [[Umsicht]].


Im weiteren Sinne stellt sie auch die Übermutter dar, d. h. ein helles Abbild derselben.
Wilhelm und Felix pilgern weiter, bis Felix ein ''Riesenschloß'' erblickt. ''Wände und Säulen ''ragen'' auf einem einsamen Gipfel hervor, geschlossene Säulenwände ''bilden'' Pforten an Pforten, Gänge nach Gängen.'' Während der nächsten Rast ist Felix verschwunden. In einer Felsspalte findet Felix ''ein Kästchen, nicht größer als ein kleiner Oktavband, von prächtigem altem Ansehn, es ''scheint'' von Gold zu sein, mit Schmelz geziert.'' Wilhelm und Felix schlagen ''den Weg ein nach jenen ausgedehnten Gütern eines großen Landbesitzers, von dessen Reichtum und Sonderbarkeiten man ihnen erzählt hatte.''


==== Entsprechungen ====
5 ''Der Hausherr, ein kleiner, lebhafter Mann von Jahren'', bewillkommt Wilhelm auf dem Schlosse. Es folgt sogleich die Begrüßung durch ''zwei Frauenzimmer, wovon die eine mit großer Heiterkeit zu ihm ''spricht'': „Sie finden hier kleine Gesellschaft, aber gute; ich, die jüngere Nichte, heiße '''''Hersilie''''', diese, meine ältere Schwester, nennt man ''Juliette''.“'' Hersilie, auf der Wilhelms Blick ruht, hat sich auf französische Literatur spezialisiert und gibt dem Ankömmling gleich eine Kostprobe ihrer Übersetzungstätigkeit zum Lesen:
* dem [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ב''' ([[Beth]])
<div class="center"><u>Die pilgernde Törin</u></div>
Die pilgernde Törin ist eine schöne [[Wikipedia:Fahrendes Volk|Vagantin]], der Herr von Revanne, ein reicher Provinzler, abseits der Landstraße begegnet, als sie anmutig auf einem Rasenstück ruht. Er nimmt sie mit in sein Schloss, wo sie wohlgelitten für zwei Jahre als Gesellschafterin bleibt. Nach Ablauf dieser Frist haben sich Herr von Ravenne und sein Sohn in sie verliebt. Als ihr beide - jeder für sich - ihre Liebe gestanden haben, werden sie von ihr gefoppt und die schöne Fremde verschwindet. Der Sohn behält sie als „Engel, oder vielmehr ein Dämon“ in Erinnerung, dem Vater erscheint sie „so flüchtig wie die Engel und so liebenswürdig“.


=== III Die Herrscherin ===
6 Hersilie unterrichtet Wilhelm über '''Lenardo''', einen ''Vetter, der drei Jahre abwesend, demnächst erwartet'' wird. Des Weiteren ist die Rede von '''Makarie''', '' einer würdigen Tante, die, unfern in ihrem Schlosse wohnend, als ein Schutzgeist der Familie zu betrachten sei. In krankem Verfall des Körpers, in blühender Gesundheit des Geistes ''wird'' sie geschildert.'' Hersilie will Wilhelm Briefe geben, ''woraus das Weitere zu ersehen ist'' und sagt: ''Gestern machte ich Sie mit einer törigen Landläuferin bekannt, heute sollen Sie von einem verrückten Reisenden vernehmen.''
==== Darstellung ====
Meist sieht man eine üppige Frau in einem Garten.


(In manchen esoterischen Schulen heißt die Karte nicht „Herrscherin“ sondern „Horus“ und hat als Symbol ein Kreuz)
Felix macht Hersilie den Hof und stürzt während eines Ausritts in einen Graben. Ein Wundarzt ist zur Stelle.


==== Deutung ====
Lenardo kündigt sich mit einem Brief an die Tante an. Hersilie kommentiert diesen Brief in einem weiteren Brief an die Tante. Darin kommt Lenardo nicht gut weg. In letzterem Brief werden Valerine und Nachodine genannt. Lenardo, der Abwesende, verwechselte sie und Hersilie korrigiert. Wilhelm schreibt an Natalie lakonisch: ''Man vertraut mir, man gibt mir einen Pack Briefe,… ich kenne die Personen, deren Bekanntschaft ich machen werde.''
Die Karte steht für [[Fruchtbarkeit]], Mütterlichkeit, Natur, Schönheit und Üppigkeit, kann aber auch den reinen [[Hedonismus]] bedeuten.


==== Entsprechungen ====
7 Über den Hausherrn auf dem Schlosse wird mitgeteilt: Sein Vater wurde in Philadelphia geboren. Der Hausherr gelangte als Jüngling nach Europa. ''Er übernahm die Familiengüter, wußte sie freisinnig zu behandeln, sie wirtschaftlich einzurichten.''
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ג''' ([[Gimel (Hebräisch)|Gimel]])
<div class="center"><u>Wer ist der Verräter?</u></div>
8 ''Lucidor'' studiert, gefördert vom Oberamtmann, die Rechtswissenschaft, um einmal Oberamtmann zu werden. Die Töchter des Oberamtmanns, ''Julie'' und ''Lucinde'', wachsen heran. Nach dem Willen des verehrten, gelehrten Vaters, soll Lucidor einmal Julie heiraten. Beim ersten Treffen fühlt Lucidor eine ''Entfremdung gegen Julien, Lucinde dagegen ''zieht'' ihn an, dass er ''zittert'', wenn sie ihn mit ihren vollen, reinen, ruhigen Augen'' ansieht. Lucidor, der sich im Hause des Oberamtmanns zu Besuch aufhält, offenbart, sobald er im Bett allein ist, dem Leser in Selbstgesprächen sein Innerstes: Nur Lucinde kann die Glückliche sein. Doch es scheint ihm, als ob Lucinde bereits an Antoni vergeben ist. Lucidor muss erkennen, der Schein trügt nicht. Also reist er ab. Jedoch der Unglückliche kommt nicht weit: ''da erblickt er Lucinden. Sie faßt ihn sanft in ihren Arm'' und ruft: ''Sie sind mein, ich die Ihre!'' Schließlich, später, auf einer Kutschfahrt, eröffnet Julie unter vier Augen Lucidor, ihre Familie habe seine heftigen Monologe vom Nebenzimmer aus von Anfang an belauscht und also gewusst, dass er Lucinde begehrte. Mit seinem lauten Gerede im Bett habe er sich selbst verraten. Das Happy End ist perfekt. Antoni bekommt Julie und Lucidor bekommt Lucinde.


=== IV Der Herrscher ===
9 Wilhelm und Felix wandern ''auf ein altes Gebäude'' zu. Darin sitzen ''Makarie'' auf einem Lehnsessel (der von zwei hübschen jungen Mädchen geschoben wird), Makaries '''Astronom''' und ihre Archivarin '''Angela'''. ''Makarie ''spricht'' zu Wilhelm als einen Vertrauten: da wir unter uns sind, nichts festsetzen, nichts nach außen wirken, sondern nur uns aufklären wollen, so kann das Gespräch immer vorwärtsgehen.'' Der Astronom kündigt an, ''von der Mathematik ist die Rede''. Es wird aber nicht von der Mathematik gesprochen. Felix kämpft gegen die Langeweile. Wilhelm betrachtet mit dem Astronomen die ''Gestirne'', diese ''himmlischen Heerscharen. Durch ein vollkommenes Fernrohr'' wird ''Jupiter, begleitet von seinen Monden'', angeschaut. Wilhelm schläft in der Sternwarte ein Weilchen und träumt von Makarie - ''priesterlich, ihr Anblick''. Wilhelm erzählt: ''An der Stelle ihres herrlichen Angesichtes sah ich zuletzt, zwischen sich teilendem Gewölk, einen Stern blinken, der immer aufwärts getragen wurde und durch das eröffnete Deckengewölb sich mit dem ganzen Sternhimmel vereinigte, der sich immer zu verbreiten und alles zu umschließen schien. In dem Augenblick wecken Sie mich auf; schlaftrunken taumle ich nach dem Fenster, den Stern noch lebhaft in meinem Auge, und wie ich nun hinblicke - der Morgenstern, von gleicher Schönheit, obschon vielleicht nicht von gleicher strahlender Herrlichkeit, wirklich vor mir!'' Am ''andern Morgen'' sucht Wilhelm seinen Felix und findet Angela im Garten, die junge arbeitende Mädchen, ''alle, wo nicht schön, doch keine häßlich,'' beaufsichtigt. Angela erklärt, ''sämtliche Bewohnerinnen unserer Stiftung'' werden ''ins tätige Leben treten''. Darauf erläutert Angela ihre Tätigkeit als Archivarin: ''Deshalb machte sie ''[Makarie]'' mirs zur Pflicht, einzelne gute Gedanken aufzubewahren, die aus einem geistreichen Gespräch hervorspringen.'' Das Archiv wird als Lose-Blatt-Sammlung beschrieben. Wilhelm entdeckt einen emsig schreibenden Felix. Bevor sich Wilhelm auf Wanderschaft begibt, wird er von Angela ermutigt: „Wir haben ''Ihr unvermutetes Erfassen der tiefsten Geheimnisse betrachtet und überlegt, und wir dürfen uns ermutigen, Sie weiter zu führen.''“
==== Darstellung ====
Ein König sitzt auf einem Steinblock und kreuzt seine Beine. In den Händen hält er ein [[Zepter]] und einen [[Reichsapfel]], oft sind noch Widdersymbole vorhanden.


==== Deutung ====
<div class="center"><u>Das nußbraune Mädchen</u></div>
Sie symbolisiert den Wunsch nach Macht im persönlichen Nahbereich oder auch die notwendige Akzeptanz, beherrscht zu werden.
10 Wilhelm wandert dem anreisenden Lenardo entgegen. Letzterer erzählt dem Wanderer folgende Geschichte. Die Bildungsreise Lenardos ''durch das gesittete Europa'' wurde finanziert, indem der Oheim Pacht eintreiben ließ. Die Pächterstochter Nachodine, wegen ihrer ''bräunlichen Gesichtsfarbe'' das nußbraune Mädchen genannt, bat Lenardo, sich für ihren zahlungsunfähigen Vater beim Oheim zu verwenden. Lenardo, leichtsinnig, hielt sein Versprechen nicht und macht sich nun Gewissensbisse. Wilhelm und Lenardo suchen das nußbraune Mädchen auf, finden aber die Blondine Valerine vor. Wilhelm bekommt von Lenardo den Auftrag, das nußbraune Mädchen zu suchen. Lenardo sagt zu seinem neuen Freund zum Abschied ''Leisten Sie mir diesen Dienst, und ich werde dankbar sein.''


==== Entsprechungen ====
11 Wilhelm, unmittelbar vor einer Reise ins Ungewisse, deponiert das kostbare Kästchen bei einem ''kuriosen Antiquitätenkrämer''. Letzterer meint, ''wenn dieses Kästchen etwas bedeutet, so muß sich gelegentlich der Schlüssel dazu finden, und gerade da, wo Sie ihn am wenigsten erwarten.'' Außerdem wird Wilhelm eingeschärft: ''Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen.''
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ד''' ([[Daleth]])


=== V Der Hierophant ===
=== Zweites Buch ===
==== Darstellung ====
1,2 Wilhelm, auf der Suche nach Nachodine, bringt unterwegs seinen Felix in einer pädagogischen Provinz unter, in der Jugendliche erzogen werden. Er dringt zu den Oberen vor und wird - bis an eine gewisse Grenze - in die Geheimnisse der Erziehenden eingeweiht. Hervorragende Erziehungselemente sind die Musik und der Chorgesang. Die Oberen setzen Wilhelm auseinander, welche Religionen zu unterscheiden sind und welche zu favorisieren sei. Insbesondere bekommen die Jugendlichen in der Provinz ''Ehrfurcht'' vor dem Himmel und der Erde beigebracht. Es gibt ''drei Ehrfurchten''. Die oberste ist ''die Ehrfurcht vor sich selbst''.
Ein Hohepriester mit [[Tiara]] sitzt zwischen zwei Säulen und hält ein Stab mit drei Querbalken, die andere Hand ist segnend über zwei Schüler erhoben.
<div class="center"><u>Der Mann von funfzig Jahren</u></div>
3 Der Major ist fünfzig Jahre alt. Seine geliebte Schwester, die verwitwete Baronin, eröffnet ihm, ihre Tochter Hilarie liebe ''ihn wirklich und von ganzer Seele''. Der Major nimmt einen ''Verjüngungsdiener''; erprobt an sich ''Toilettenkästchen''. Die ''Verjüngung ''gibt'' dem Major einen besonders heiteren Sinn.'' Der Major sagt zu Hilarie ''Du machst mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne! Willst du mein sein?'' Darauf Hilarie: ''Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig.'' Die Baronin ertappt das Paar und hat keine Einwände. ''Alle drei ''vereinigen'' sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so ''fließen'' für sie die glücklichsten Stunden dahin.'' Der Major sucht den Lieutenant Flavio, seinen Sohn, auf. Eigentlich sollen Flavio und Hilarie ein Paar werden. Flavio kommt dem betretenen Major unverhofft zu Hilfe. Flavio gesteht, er liebe eine schöne Witwe. Die Heirat von Hilarie und Flavio muss sein. Der Besitz muss zusammengehalten werden. Der Major weiß einen Ausweg. Er wird sich für Flavio opfern und Hilarie heiraten. Flavio ist zufrieden und stellt der Witwe seinen Vater vor.


==== Deutung ====
4 Der Major reist ab und wendet sich seinen Geschäften zu. Er schickt der Witwe ein paar selbst verfasste Verse, trennt sich von seinem ''Schönheits-Erhaltungslehrer'' und möchte wieder Hilaries Bräutigam sein.
Der Hierophant repräsentiert den Willen [[Gott]]es und dessen Auslegung auf der Erde.
Im Tarot steht der Hierophant für Fragen nach dem Sinn und die Wahrheitssuche. Der göttliche Aspekt kann als Offenbarung oder auch Erleuchtung gedeutet werden. Im Extrem können die Eigenschaften des Hierophanten bis hin zur Intoleranz oder gar Anmaßung reichen.


==== Entsprechungen ====
5 Die schöne Witwe will ''Flavio einer andern Liebenswürdigen nicht überlassen ''und'' wendet an ihn mehr scheinbare Gunst, als billig ist. ''Flavio'', aufgeregt und ermutigt, ''wird'' heftig bis ins Ungehörige. Ein entschiedener Bruch macht dem ganzen Verhältnis unwiederbringlich ein Ende.'' Flavio geht zu Hilarie. Deren ''Neigung ''ist'' im Umwenden begriffen''. Der Baronin missfällt, dass Flavio sich Hilarie zuwendet, und sie mag die schöne Witwe nicht leiden. Da die Baronin ''ein schönes Verhältnis zu Makarien'' hat, beklagt sie sich bei dieser brieflich. Makarie leitet diese Papiere, mit eigenen Kommentaren im Anschreiben, an die schöne Witwe weiter. Die Witwe ist darauf über die Familienverhältnisse der Baronin und des Majors haarklein unterrichtet. Der abwesende Major bekommt von diesen Vorgängen keine Kenntnis. Als dem Major ''ein Vorderzahn'' ausfällt, geht ihm endlich auf, dass er doch nicht der Richtige für die junge Hilarie ist. Auf einer seiner zahlreichen Reisen trifft der Major die Witwe. Die zeigt ihm die Briefe von seiner Schwester und Makarie. Die Witwe bedauert ausnahmslos jeden in der Familie des Majors.
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ה''' ([[He (Hebräisch)|He]])


=== VI Die Liebenden (Die Entscheidung) ===
6 Wilhelm wiederholt in einem Schreiben an den Abbé, sein Gesuch - ''durch Montan vorlängst angebracht''.
==== Darstellung ====
Sie zeigt einen jungen Mann und eine junge Frau, meistens Seite an Seite, und oft entblößt. Das [[Tarot#Rider-Waite-Tarot|Rider-Waite-Tarot]] stellt sie als [[Adam und Eva]] im [[Garten Eden]] dar. Der [[Baum des Lebens]] erscheint hinter Adam, und der [[Baum der Erkenntnis]] erscheint hinter Eva (mit [[Serpent (Mythologie)|Serpent]]). Die [[Sonne]] scheint direkt über ihren Köpfen. <!-- unter ihnen wird eine Figur gezeigt, die ihre Arme ausstreckt. -->


==== Deutung ====
7 Vom Hochgebirge steigt Wilhelm zum [[Wikipedia:Lago Maggiore|Lago Maggiore]] herab und wandelt auf [[Wilhelm Meisters Lehrjahre#Handlung|Mignons]] Spuren. Am See begegnet Wilhelm Hilarie und der schönen Witwe. Alle drei gehören jenem ''Orden'' der ''Entsagenden'' an. Alle drei entsagen dem anderen Geschlecht.
Die Karte repräsentiert [[Relation|Beziehungen]] und [[Option]]en.


Die Karte wird mit dem [[Tierkreiszeichen]] Zwillinge assoziiert und wird auch in einigen Decks mit der Karte ''Die Zwillinge'' in Verbindung gebracht. Andere assoziieren die Karte mit [[Luft]], [[Merkur (Planet)|Merkur]] oder dem [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Buchstaben]] <big>'''ז'''</big> ([[Zajin]]).
Der Abbé erwähnt in einem Schreiben an Wilhelm [[Wilhelm Meisters Lehrjahre#Handlung|Lotharios]] Tätigkeit für den Orden und spricht Wilhelm frei: ''Sie sind von aller Beschränktheit entbunden. Reisen Sie, halten Sie sich auf, bewegen Sie sich, verharren Sie! was Ihnen gelingt, wird recht sein; möchten Sie sich zum notwendigsten Glied unsrer Kette bilden.''
<div class="center">Zwischenrede - ''dem Leser'' wird ''eine Pause und zwar von einigen Jahren'' angekündigt.</div>
8 Wilhelm sucht seinen Sohn Felix in der pädagogischen Provinz auf dem flachen Lande auf. ''Felix hat sich zum Italienischen bestimmt.''


==== Entsprechungen ====
9 Auf einem Fest begegnet Wilhelm Montan. Letzterer spricht: ''Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit.''
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ו''' ([[Waw (Hebräisch)|Waw]])


==== Geschichte ====
10 Hersilie schreibt an Wilhelm, Felix, der zum Jüngling heranreifende Knabe, liebe sie, die ältere Frau.
Die Karte hat zwei verschiedene Traditionen:


# Die italienische Geschichte, in der eine einfache [[Allegorie]] mit [[Liebe]] hergestellt wird.
11 Wilhelm erinnert Natalie brieflich an jenes Wundarztbesteck: ''es war Zeuge des Augenblicks, wo mein Glück begann''. Wilhelm spielt auf die Szene in den ''Lehrjahren'' an, als er, von Räubern im Walde überfallen, von Natalies Gefolge gerettet wurde. Wilhelm will Wundarzt werden.
# Die Marseiller Tradition, die eine [[Permutation]] der Themen „Wahl“ oder „[[Versuchung]]“ darstellen.


=== VII Der Wagen ===
=== Betrachtungen im Sinne der Wanderer ===
==== Darstellung ====
Siehe [[#Zitate|Zitate]].
Meist zeigt die Karte einen reich gekleideten und gepanzerten Jüngling, der in einem Wagen sitzt, der aus Stein zu sein scheint. Gezogen wird der Wagen von einer weißen und einer schwarzen [[Sphinx (griechisch)|Sphinx]].
=== Drittes Buch ===
1 ''Friedrich'' aus den ''Lehrjahren'' wird von Lenardo begrüßt. In den ''Wanderjahren'' liefert Friedrich Beiträge zu diesem Archivroman. Hinter dem ''Band'', einem Auswandererbund der ''Wanderjahre'', steht die Turmgesellschaft der ''Lehrjahre''. ''Wandern'' erhält u.a. die Bedeutung ''auswandern''.


==== Deutung ====
2 ''Parierend, ablehnend sind Ihre Briefe!'' beschwert sich Hersilie schriftlich bei Wilhelm. Das ''Schlüsselchen'' zum ''Prachtkästchen'' ist in ihre Hände gefallen. Hersilie möchte Felix wiedersehen. Wilhelm soll Hersilie besuchen und den Sohn sowie auch das Kästchen mitbringen. Wilhelm, der Entsagende, lässt sich nicht zu einem Besuch der Dame verlocken.
Die Karte wird oft als äußere Vollendung gewertet, sie stellt einen Menschen dar, der im Leben sicher verwurzelt ist und so den nötigen Hintergrund hat, um seine Persönlichkeit zu entfalten. Teilt man die große Arkana in drei Siebenerreihen, so kommt der Wagen unter der Mäßigkeit und der Welt zu liegen. Dies deutet man als die drei Ebenen des Menschen, die Karte VII als das Äußere, den Körper (äußere Festigkeit), die XIV. Karte als das Geistige (Gleichmaß, Gleichmut, innere Ruhe) und die XXI. Karte als das Spirituelle / Seelische (Unio Mysica). In dieser Anordnung bedeutet der Wagen auch der vollendete Magier bzw. den vollendeten Weisen.


==== Entsprechungen ====
3 Wilhelm nimmt seine ''Studien als Wundarzt'' auf. Im Fach ''Anatomie als Grundstudium'' soll er den ''schönsten weiblichen Arm'' einer Wasserleiche sezieren. Ein ''plastischer Anatom'' lenkt Wilhelm von jener analytischen Aufgabe ab. Unter der Anleitung des Anatomen synthetisiert Wilhelm einen Arm aus Knochen und Sehnen.
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ז''' ([[Zajin]])


=== VIII Die Gerechtigkeit ===
4 Dabei folgt Wilhelm einer Maxime der Turmgesellschaft, an die ihn Friedrich erinnert: ''Das Grundgesetz unserer Verbindung: in irgendeinem Fache muß einer vollkommen sein, wenn er Anspruch auf Mitgenossenschaft machen will.''
==== Darstellung ====
<div class="center"><u>Lenardos Tagebuch</u></div>
Meist wird eine [[Justitia]] mit verbundenen Augen dargestellt, die in der einen Hand eine Waage, in der anderen ein Schwert hält.
5 Wilhelm erhält und studiert Lenardos Aufzeichnungen über die bienenfleißigen Garnspinner und Baumwollweber im Gebirge.
<div class="center"><u>Die neue Melusine</u></div>
6 Ins Reich ''der Nixen und Gnomen'' führt diese erzählerisch sorgfältig ausgearbeitete Version des Schlüssel-Kästchen-Motivs. Eine schöne Zwergenprinzessin entschlüpft gelegentlich dem Kästchen und lockt den verliebten, liederlichen, von Geldsorgen geplagten Ich-Erzähler in ihr arg begrenztes Reich. Mit einer Feile kann sich der künftige Schwiegersohn des Zwergenkönigs Eckwald befreien, entflieht dem Eheglück und erreicht - wieder in normaler Größe - unsere Alltags-Welt.


==== Deutung ====
7 Der ''kuriose Antiquitätenkrämer'' ist gestorben. Hersilie besitzt nun Schlüssel und Kästchen. Die Frau sehnt Wilhelm und Felix herbei; schreibt von ''Trennen und Vereinigen''.
Die Karte symbolisiert Fairness, Verantwortlichkeit, Regelung von öffentlichen Angelegenheiten, Gerechtigkeit und Richterspruch (auch im eigenen Inneren).


==== Entsprechungen ====
<div class="center"><u>Die gefährliche Wette</u></div>
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ח''' ([[Chet]])
8 Weil die ''Angelegenheiten immer ernsthafter werden'', schaltet die ''Redaktion'' rasch noch einen ''Schwank'' ein: Ein mutwilliger Student wettet mit seinen Kommilitonen, dass er einem gesetzten Herrn, der in ''schöner Equipage'' vorfährt, ''bei der Nase'' zupft und dafür noch belohnt wird. Der Student gewinnt die Wette. Der Verhöhnte stirbt ohne Rache, aber dessen Sohn rächt sich an einem der Studenten.


=== IX Der Eremit ===
9 ''Odoard'' will eine von den ''grenzenlosen Weiten'' Europas besiedeln.
==== Darstellung ====
<div class="center"><u>Nicht zu weit</u></div>
Ein alter Mann in einem langen Kapuzenmantel steht einsam auf einem Berg und stützt sich auf einen Stock. Er hält eine Laterne.
10 Die Geschichte Odoards und seiner Liebe zur Prinzessin ''Sophronie'' wird erzählt.
Bei Haindl sieht man den Eremiten auf einem Berg den Mond preisen, im Hintergrund sieht man das Auge Gottes (Pyramide mit Auge). Er ist umgeben von Käuzen.


==== Deutung ====
11 Friedrich und Wilhelm tauschen sich in ''stiller Unterhaltung'' u.a. über ''die Zeit, die höchste Gabe der Natur'', aus
Die Karte IX simbolisiert die innere Umkehr, die Andacht, aber auch Weltentfremdung, ''innere Emigration''


==== Entsprechungen ====
12 Odoard trägt sein Besiedlungsprojekt vor.
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ט''' ([[Tet (Buchstabe)|Tet]])
<div class="center"><u>Lenardos Tagebuch - Fortsetzung</u></div>
13 Wilhelm liest den Rest von Lenardos Aufzeichnungen übers ''Muggengarn''.


=== X Rad des Schicksals ===
14 Nachodine, die glücklich unter Webern aufgefunden wurde, gibt ihr Weberhandwerk angesichts des Konkurrenzdrucks der Maschinen auf und erhält bei Makarie Angelas Stelle. Lenardo und Nachodine finden einander. Lothario, Therese, Natalie und der Abbé wandern per Segelschiff aus. Philine, Lydie und auch Lenardo, Friedrich sowie Montan werden schließlich denselben Weg einschlagen. Da alle auswandern, muss sich Wilhelms Jugendfreund Werner nach neuen Geschäftspartnern umsehen.
==== Darstellung ====
Es ist ein Rad dargestellt in das meist ''TORA'' geschrieben steht. Eine Sphinx sitzt auf dem Rad, eine Schlange und ein Schakal sind auf den Seiten des Rades, die [[Cherub]]im sind in den vier Ecken der Karte abgebildet.


Bei Haindl ist oben das Gesicht eines Mannes abgebildet und unten das Gesicht einer Frau. Auf dem Rad sieht man eine Hand, die ein [[Stigmatisation|Stigmata]] trägt, welches die Nabe des Rades bildet. Bilder, die auf der Karte vorhanden sind: ein alter Mann, eine Schildkröte, Fliegenpilze, eine Schlange, ein Einhorn, ein Auge, Blitze und Wassertropfen.
15 Die Beziehung zwischen Makarie und dem Astronomen, ''diese ätherische Dichtung,'' wird ''Verzeihung hoffend'', beschlossen und das ''terrestrische Märchen'' zu Ende erzählt.


Beim Visconti-Sforza-Spiel sieht man ein Rad mit vier Figuren, welche jede ein Spruchband besitzt. Auf den Bändern steht (in Latein): ''Ich herrsche (oben), ich habe geherrscht'' (rechts), ''ich habe kein Reich'' (unten), ''ich werde herrschen'' (links).
16 ''Odoardo geht mit den Seinigen'' ab.


==== Deutung ====
17 Hersilie erzählt Wilhelm ihre zärtliche Begegnung mit Felix. Wilhelms Sohn drückte Hersilie beherzt an seine Brust. Hersilie konnte nicht anders, sie erwiderte die stürmischen Küsse. Dann wies die Entsagende den feurigen Liebhaber kühl ab. ''Gut! ''sagt der Verschmähte'' so reit ich in die Welt, bis ich umkomme.'' Felix sprengt auf dem Pferde davon.
Die Karte symbolisiert das Eingebundensein in das Wirken des Lebens, ins Schicksalsrad und zeigt uns, dass keine Situation ewig herrscht.


==== Entsprechungen ====
18 Ross und Reiter stürzen in den Abgrund. Wundarzt Wilhelm, mit dem unvermeidlichen Wundarztbesteck zur Stelle, rettet dem Sohn fachmännisch das Leben.
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''י''' ([[Jod (Hebräisch)|Jod]])


=== XI Die Kraft ===
=== Aus Makariens Archiv ===
==== Darstellung ====
Siehe [[#Zitate|Zitate]].
Die Karte zeigt eine Frau mit einem [[Löwe]]n an der Seite. Die Frau schaut ruhig und freundlich, erscheint jedoch dominant gegenüber dem Löwen.
== Figuren ==
=== Figuren aus [[Wilhelm Meisters Lehrjahre]]n ===
<small>Figuren sind jeweils alphabetisch geordnet. Eine Zahl meint die Seite, auf der der Name zuerst genannt wird.</small>
* 528 Der '''Abbé '.'' lenkt im Hintergrund die Geschicke Wilhelms.
* 388 '''Felix'.'' ist der Sohn Wilhelms.
* 587 '''Friedrich'.'' ist Mitglied der Turmgesellschaft sowie der Bruder Natalies und Lotharios.
* 539 Baron '''Lothario'.'' ist Mitglied der Turmgesellschaft und Natalies Bruder.
* 664 '''Lydie'.'' ist Montans Gattin.
* 402 '''Montan'.'' der ''Jarno.'' aus den [[Wilhelm Meisters Lehrjahre|''Lehrjahren'']], betätigt sich in den ''Wanderjahren'' als Geologe.
* 390 Baronesse '''Natalie'.'' ist Wilhelms Gattin und Lotharios Schwester.
* 664 '''Philine'.'' ist eine Schauspielerin, die seinerzeit von Friedrich schwanger wurde.
* 662 '''Therese'.'' ist die Gemahlin Lotharios.
* 668 Der Kaufmann '''Werner'.'' ist Wilhelms Jugendfreund.
* 388 '''Wilhelm'.'' siehe [[#Handlung|Handlung]], ist ein Entsagender.


==== Deutung ====
=== Neue Figuren ===
Sie bedeutet [[Kraft]], [[Stärke (Begriffsklärung)|Stärke]], [[Mut (Tugend)|Mut]], Mobilisierung von Energiereserven, innere geistige Kraft, [[Selbstvertrauen]], gute körperliche Konstitution u. a.
* 415 '''Hersilie'.'' eine Entsagende, ist die jüngere Nichte des Hausherrn auf dem Schlosse.
* 430 Baron '''Lenardo'.'' ist der Vetter von Hersilie.
* 435 '''Makarie'.'' die Tante von Lenardo und Hersilie, ist ''eine ältliche, wunderwürdige Dame''. Hinter ihr verbirgt sich die Herzogin [[Wikipedia:Charlotte von Sachsen-Meiningen|Charlotte von Sachsen-Meiningen]], Gattin von [[Wikipedia:Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg)|Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg]].
* 635 '''Odoard'.'' ist ''ein Mann von einnehmenden Wesen.'' der ein Besiedlungsprojekt in Europa forciert.


==== Entsprechungen ====
=== Nebenfiguren ===
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''כ''' ([[Kaph]])
: 458 '''Angela''' ist die Archivarin Makaries.
: 458 Der '''Arzt, Mathematiker und Astronom''' ist Mitarbeiter Makaries. Hinter ihm verbirgt sich der [[Wikipedia:Gotha|Gotha]]er [[Wikipedia:Hofastronom|Hofastronom]] [[Wikipedia:Franz Xaver von Zach|Franz Xaver von Zach]], dem Goethe in dem Roman ein subtiles Denkmal setzt.
: 415 '''Juliette''' ist die ältere Schwester von Hersilie.
: 433 '''Nachodine''' ist die Tochter eines liederlichen Pächters auf dem Schlosse.
: 415 Der '''Oheim''' (Onkel) von Lenardo und Hersilie ist der Hausherr auf dem Schlosse.
: 433: '''Valerine''' ist die Tochter des Gerichtshalters auf dem Schlosse.


==== Geschichte ====
<div class="center"><u>Die pilgernde Törin</u></div>
Die Karte hieß ursprünglich Fortitude. <!-- Sie begleitet die anderen beiden großen Arkana-Bilder Mäßigkeit and Justice. The meaning of Fortitude was different to the modern interpretation of the card: it meant moderation in our attitudes towards pain and danger; neither avoiding them at all costs, nor actively seeking them out. -->
: 416 Herr von '''Revanne''' ist ein reicher Provinzler, der die pilgernde Törin für zwei Jahre aufnimmt, sich in sie verliebt und von ihr gefoppt wird.
: 416 Die pilgernde '''Törin''' ist eine Allegorie der Poesie, die für zwei Jahre im Schloss des Herrn von Revanne hospitiert.
<div class="center"><u>Wer ist der Verräter?</u></div>
: 441 '''Antoni''' ist ''nicht mehr jung, von bedeutendem Ansehn, würdig, lebensgewandt und durch Kenntnis der weitesten Weltgegenden höchst unterhaltend.''
: 439 '''Julie''' ist vom Professor N. als Braut für Lucidor auserkoren.
: 439 '''Lucidor''' ist der Sohn des Professors N. zu N. Sein Gönner ist der Oberamtmann zu R.
: 439 '''Lucinde''' ist die Schwester von Julie.


=== XII Der Gehängte ===
<div class="center"><u>Der Mann von funfzig Jahren</u></div>
==== Darstellung ====
: 491 Die '''Baronin''' ist die Schwester des Majors und die Mutter von Hilarie.
Die Karte zeigt einen Mann an einem Fuße kopfüber aufgehängt über einem Abgrund. Der „Galgen“ wird aus zwei Baumstämmen und einem Querbalken gebildet, das freie Bein ist verschränkt und bildet mit dem anderen eine umgekehrte vier.
: 514 Lieutenant '''Flavio''' ist der Sohn des Majors.
Bei Crowely ist der Gehängte an eine Wand festgenagelt.
: 491 '''Hilarie''', eine Entsagende, ist die Tochter der Baronin.
Bei Haindl ist das Haar des Gehängten mit dem Boden verwachsen, welcher wie ein weiblicher Körper aussieht.
: 491 Der '''Major''' ist die Titelfigur der Novelle.
: 501 Die schöne '''Witwe''' verdreht Flavio und seinem Vater den Kopf und entsagt schließlich den Männern.


==== Deutung ====
== Zitate ==
Früher war der Gehängte der Verräter, [[Judas Ischariot|Judas]], der schändliche Mensch. Heute gilt die Karte als Symbol der [[Einweihung]] (ähnlich wie Odin, der sich neun Tage an der Weltenesche [[Yggdrasil]] aufhängt) und der dazu notwendigen Geduld und die Fähigkeit, die Welt aus einem anderen [[Blickwinkel]] zu betrachten.
: (1,3) Joseph: ''Wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein.''
: (1,3) Montan: ''Gut Ding will Weile haben.''
: (1,10) Wilhelm: ''Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist.''
: (1,11) Lenardo: ''Der Helden Söhne werden Taugenichtse.''
: (1,12) Der Alte zu Wilhelm: ''Wer lange lebt, sieht manches versammelt und manches auseinander fallen.''
: (2,3) Der Freund zum Major: ''Man will sein und nicht scheinen. Das ist recht gut, so lange man etwas ist.''
<div class="center"><u>Betrachtungen im Sinne der Wanderer</u></div>
* ''Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken.''
* ''Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.''
* ''Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.''
* ''Aus Farbenreibern sind treffliche Maler hervorgegangen.''
* ''Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.''
* ''Ein großer Fehler: daß man sich mehr dünkt, als man ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist.''
* ''Tief und ernstlich denkende Menschen haben gegen das Publikum einen bösen Stand.''
* ''Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muß sie positiv ausgesprochen werden; Problematisches hab' ich in mir selbst genug.''
* ''Ich schweige zu vielem still, denn ich mag die Menschen nicht irremachen und bin wohl zufrieden, wenn sie sich freuen da wo ich mich ärgere.''
* ''Wenn man alt ist, muß man mehr tun, als da man jung war.''
* ''Wer zuviel verlangt, wer sich am Verwickelten erfreut, der ist den Verwirrungen ausgesetzt.''
* ''Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen.''
* ''Um zu begreifen, daß der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.''
* ''Das Falsche hat den Vorteil, daß man immer darüber schwätzen kann, das Wahre muß gleich genutzt werden, sonst ist es nicht da.''
<div class="center"><u>Aus Makariens Archiv</u></div>
* ''Was einem angehört, wird man nicht los, und wenn man es wegwürfe.''
* ''Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.''
* ''Man wird nie betrogen, man betrügt sich selbst.''
* ''Wen jemand lobt, dem stellt er sich gleich.''
* ''Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muß auch tun.''
* ''Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.''
* ''Die größten Schwierigkeiten liegen da, wo wir sie nicht suchen.''
* ''Sei nicht ungeduldig, wenn man deine Argumente nicht gelten läßt.''


==== Entsprechungen ====
== Rezeption ==
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ל''' ([[Lamed]])
<small>Geordnet nach dem Rezeptionsjahr</small>
* 1830: Der junge [[Wikipedia:Theodor Mundt|Theodor Mundt]] (*1808; †1861) : ''Wir müssen ehrlich sein, und, um dem Dichter nicht unrecht zu tun, die ''Wanderjahre'' sogleich, auch in ihrer jetzigen Gestalt noch für ein unausgearbeitetes Fragment, das nur in einzelnen Partien mehr oder weniger ausgebildet und vollendet erscheint, erklären.'' <small>(Blessin, S. 374)</small>
* 1895: [[Wikipedia:Friedrich Spielhagen|Friedrich Spielhagen]] will den ''dichterischen'' Roman und fragt, ''ob wir es hier überall noch mit einer Dichtung zu tun haben.'' <small>(Gidion, S. 11)</small>
* 1918: [[Wikipedia:Friedrich Gundolf|Friedrich Gundolf]] : ''So sind die ''Wanderjahre'' von einem Weisen geschrieben, der dichten kann, nicht von einem Dichter, der weise ist.'' <small>(Gidion, S. 15)</small>
* 1921 und 1932: [[Wikipedia:Thomas Mann|Thomas Mann]] setzt sich mit den ''Wanderjahren'' auseinander.
* 1936: [[Wikipedia:Hermann Broch|Hermann Broch]] bekräftigt, Goethe habe ''in den ''Wanderjahren'' den Grundstein der neuen Dichtung, des neuen Romans'', gelegt. <small>(Bahr, S. 363)</small>
* 1963: [[Wikipedia:Richard Friedenthal|Richard Friedenthal]] (S. 469/470): ''Die ''Wanderjahre'' sind schließlich kein Roman mehr, sondern ein Repositorium ''[Büchergestell, Aktenschrank]'' für Goethes Altersweisheit … Er ''[der'' Meister-Komplex'']'' spottet allen Regeln. Goethe selber hat oft darüber gespottet …''
* 1989: [[Wikipedia:Hannelore Schlaffer|Hannelore Schlaffer]] zitiert in ihrer Habilitationsschrift Arbeiten von
** [[Wikipedia:Ferdinand Gregorovius|Ferdinand Gregorovius]]: ''Göthe´s Wilhelm Meister in seinen socialistischen Elementen entwickelt.'' [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg|]] 1849,
** [[Wikipedia:Wilhelm Emrich|Wilhelm Emrich]]: ''Das Problem der Symbolinterpretation im Hinblick auf Goethes ›Wanderjahre‹.'' 1952,
** [[Wikipedia:Karl Schlechta (Philosoph)|Karl Schlechta]]: ''Goethes Wilhelm Meister.'' Frankfurt am Main 1953,
** [[Wikipedia:Arthur Henkel|Arthur Henkel]]: ''Entsagung. Eine Studie zu Goethes Altersroman''. Tübingen 1954,
** [[Wikipedia:Friedrich Ohly|Friedrich Ohly]]: ''Zum Kästchen in Goethes »Wanderjahren«.'' 1961,
** Hans-Jürgen Bastian: ''Zum Menschenbild des späten Goethe. Eine Interpretation seiner Erzählung »Sankt Joseph der Zweite«.'' Weimar 1966,
** Manfred Karnick: ''»Wilhelm Meisters Wanderjahre« oder die Kunst des Mittelbaren''. München 1968,
** [[Wikipedia:Benno von Wiese|Benno von Wiese]]: ''Der Mann von funfzig Jahren''. Düsseldorf 1968,
** Marianne Jabs-Kriegsmann: ''Felix und Hersilie'' (in: [[Wikipedia:Erich Trunz|Erich Trunz]] (Hrsg.): ''Studien zu Goethes Alterswerken''). Frankfurt am Main 1971,
** Peter Horwath: ''Zur Namensgebung des »nußbraunen Mädchens«''. 1972,
** Anneliese Klingenberg: ''Goethes Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«.'' Berlin 1972,
** [[Wikipedia:Wilhelm Voßkamp|Wilhelm Voßkamp]]: ''Romantheorie in Deutschland.'' Stuttgart 1973.


=== XIII Der Tod ===
== Selbstzeugnisse ==
==== Darstellung ====
{{Zitat|…sie [die kleineren Geschichten] sollten alle, durch einen romantischen Faden unter dem Titel ''Wilhelm Meisters Wanderjahre'' zusammengeschlungen, ein wunderlich anziehendes Ganzes bilden. Zu diesem Zweck finden sich bemerkt: Schluß der Neuen Melusine, Der Mann von fünfzig Jahren, Die pilgernde Törin.|Quelle=Goethe in den Tag- und Jahresheften 1807}}
Ein Skelett sitzt auf einem weißen Pferd, vor ihm knien verschiedene Menschen, auf dem Boden liegen Körperteile von Toten.


==== Deutung ====
{{Zitat|Es gehört dieses Werk [Wilhelm Meister] übrigens zu den incalculabelsten Productionen, wozu mir fast selbst der Schlüssel fehlt.|Quelle=Goethe im Gespräch mit [[Wikipedia:Friedrich Wilhelm Riemer|Riemer]], [[Wikipedia:Johann Peter Eckermann|Eckermann]] und Wilhelm Rehbein (Hofmedicus, Hofrat in Weimar (1776 - 1825)) am 18. Januar 1825}}
Sie steht symbolisch/archetypisch für einen [[Veränderung|Wechsel]], [[Abschied]] respektive ein [[Ende]], nicht jedoch zwingend den Tod. Die Karte muss also nicht unbedingt etwas Negatives bedeuten (Ende unangenehmer Lebenssituationen; Jedes Ende impliziert meist einen Neubeginn als logische Folge).
Die Karte bedeutet einen abrupten Wandel, ein freiwilliges oder unfreiwilliges Ende, das Werden und Vergehen oder den leiblichen Tod, in jedem Falle ein unabwendbares und endgültiges [[Ereignis]] (Scott Hollander, S. 89).


==== Entsprechungen ====
{{Zitat|Ich hoffe, meine ''Wanderjahre'' sind nun in Ihren Händen und haben Ihnen mancherlei zu denken gegeben; verschmähen Sie nicht einiges mitzutheilen. Unser Leben gleicht denn doch zuletzt den [[Wikipedia:Sibyllinische Bücher|sibyllinischen Büchern]]; es wird immer kostbarer, je weniger davon übrig bleibt.|Quelle=Brief Goethes vom 19. Juni 1829 an Christoph Ludwig Friedrich Schultz (Jurist, preußischer Staatsrat (1781 - 1834))}}
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''מ''' ([[Mem (Hebräisch)|Mem]])


=== XIV Die Mäßigkeit ===
{{Zitat|Eine Arbeit wie diese [die Wanderjahre], die sich selbst als collectiv ankündiget, indem sie gewissermaßen nur zum Verband der [[Wikipedia:Disparität|disparatesten]] Einzelheiten unternommen zu seyn scheint, erlaubt, ja fordert mehr als eine andere daß jeder sich zueigne was ihm gemäß ist, was in seiner Lage zur Beherzigung aufrief und sich harmonisch wohltätig erweisen mochte.|Quelle=Brief Goethes vom 28. Juli 1829 an [[Wikipedia:Johann Friedrich Rochlitz|Johann Friedrich Rochlitz]]}}
==== Darstellung ====
Ein Engel steht mit einem Fuß auf der Erde und hält den anderen in ein Gewässer. Er gießt eine Flüssigkeit von einem Kelch in einen anderen.


==== Deutung ====
{{Zitat|Mit solchem Büchlein [den Wanderjahren] aber ist es wie mit dem Leben selbst: es findet sich in dem Complex des Ganzen Nothwendiges und Zufälliges, Vorgesetztes und Angeschlossenes, bald gelungen, bald vereitelt, wodurch es eine Art von Unendlichkeit erhält, die sich in verständige und vernünftige Worte nicht durchaus fassen noch einschließen läßt. Wohin ich aber die Aufmerksamkeit meiner Freunde gerne lenke und auch die Ihrige gern gerichtet sähe, sind die verschieden, sich voneinander absondernden Einzelnheiten, die doch, besonders im gegenwärtigen Falle, den Werth des Buches entscheiden.|Quelle=Brief Goethes vom 23. November 1829 an Johann Friedrich Rochlitz}}
Die Karte symbolisiert den Fluss von Geschehnissen, gemäßigten [[Energiehaushalt]], [[Geduld]], Gleichklang der [[Energie (Esoterik)|Energien]] und [[Ausgewogenheit]].


Im weiteren Sinne bedeutet die Karte eine Einbindung von Elementen in eine Gesamtheit oder die [[Synthese]] von [[Gegensatz|Gegensätzen]].
== Literatur ==
=== Quellen ===
* Johann Wolfgang von Goethe: ''Poetische Werke.'' Band 7, Phaidon Verlag, Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6, S. 387–717.


==== Entsprechungen ====
=== Sekundärliteratur ===
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''נ''' ([[Nun (Hebräisch)|Nun]])
Geordnet nach dem Erscheinungsjahr
* [[Wikipedia:Richard Friedenthal|Richard Friedenthal]]: ''Goethe – sein Leben und seine Zeit.'' R. Piper Verlag, München 1963, S. 673–676.
* Heidi Gidion: ''Zur Darstellungsweise von Goethes ' Wilhelm Meisters Wanderjahre'''. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1969.
* [[Wikipedia:Adolf Muschg|Adolf Muschg]]: ''„Bis zum Durchsichtigen gebildet“. Nachwort zu „Goethe Wilhelm Meisters Wanderjahre“.'' Insel Taschenbuch, Frankfurt 1982, ISBN 3-458-32275-2, S. 495–523.
* Ehrhard Bahr in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.), James E. McLeod (Hrsg.): ''Goethes Erzählwerk. Interpretationen.'' Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008081-9, S. 363–395.
*{{Literatur
| Autor=[[Wikipedia:Hannelore Schlaffer|Hannelore Schlaffer]]
| Titel=Wilhelm Meister. Das Ende der Kunst und die Wiederkehr des Mythos
| Verlag=Metzler
| Ort=Stuttgart
| Jahr=1989
| ISBN=3-476-0655-7
}}
* [[Wikipedia:Gerhard Schulz (Literaturwissenschaftler)|Gerhard Schulz]]: ''Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration.'' Teil 2: ''Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806 - 1830.'' München 1989, ISBN 3-406-09399-X, S. 341–353.
* Stefan Blessin: ''Goethes Romane. Aufbruch in die Moderne''. Paderborn 1996, ISBN 3-506-71902-5, S. 239–382, S. 405–406.
* [[Wikipedia:Gero von Wilpert|Gero von Wilpert]]: ''Goethe-Lexikon.'' Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9, S. 1187–1191.
* [[Wikipedia:Karl Otto Conrady|Karl Otto Conrady]]: ''Goethe - Leben und Werk.'' Düsseldorf/ Zürich 1999, ISBN 3-538-06638-8, S. 983–1001.
* [[Wikipedia:Manfred Engel|Manfred Engel]]: ''Modernisierungskrise und neue Ethik in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden“''. In: Henning Kössler (Hrsg.): ''Wertwandel und neue Subjektivität. Fünf Vorträge.'' Erlangen 2000, S. 87–111. (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 91)
* Gero von Wilpert: ''Sachwörterbuch der Literatur.'' Stuttgart 2001, ISBN 3-520-23108-5.


==== Geschichte ====
== Weblinks ==
Sie wurde in älteren italienischen Decks auch mit VI oder VII nummeriert. Im [[Thoth-Tarot]] und deren [[Derivat]]e heißt die Karte ''Kunst''.
{{Wikiversity|Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie|Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie.}}
 
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/3679/1 Der Text] bei Gutenberg-de
=== XV Der Teufel ===
* [http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Romane/Wilhelm+Meisters+Wanderjahre Der Text] bei [[Wikipedia:Zeno.org|Zeno.org]]
==== Darstellung ====
* ''Wilhelm Meisters Wanderjahre.'' bei [[Wikipedia:Project Gutenberg|Project Gutenberg]]: [http://www.gutenberg.org/ebooks/2409 Band 1], [http://www.gutenberg.org/ebooks/2410 Band 2], [http://www.gutenberg.org/ebooks/2411 Band 3]
Ein gehörnter und geflügelter Dämon mit Adlerklauen steht auf einem Altar, an dem zwei kleinere Teufel festgebunden sind. In der linken Hand hält er eine [[Fackel]].
* [http://librivox.org/wilhelm-meisters-wanderjahre-by-johann-wolfgang-von-goethe/ gemeinfreies Hörbuch Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe bei LibriVox]
 
* [http://myrrhwolf.piranho.com/goethe_wanderjahre.htm Literaturbrevier: Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe] - Ausgewählte Passagen aus dem Roman „Wilhelm Meisters Wandjahre“
==== Deutung ====
* [http://www.ludorff.com/ap/liebermann/liebermann7.html Originalzeichnung Max Liebermanns als Entwurf zum Holschnitt von Otto Bangemann, welcher der Vorzugsausgabe des Buches beigegeben wurde.]
Der Teufel symbolisiert das Totale und Widerspruchslose, seine Thematik ist die Macht und die Ohnmacht.
* [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=2983 Hans-Jürgen Schatz: Lesung von Johann Wolfgang von Goethe „Der Mann von funfzig Jahren“]
Auf dem Weg des Helden symbolisiert sie die Gewissensprüfung.
 
==== Entsprechungen ====
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ס''' ([[Samech]])
 
=== XVI Der Turm ===
==== Darstellung ====
Bei den meisten Darstellungen sieht man einen Blitz in einen Turm einschlagen und zwei Menschen, die aus diesem Turm herausfallen.
Bei Crowely sieht man eine Schlange aus dem Turm wachsen, deren Feuer dann die Wurzel des Turms in Asche legt.
Bei Haindl wird ein Feuerball inmitten eines Turmes gezeigt, bei dem man weder den Grund noch die Spitze sieht.
 
==== Deutung ====
Der Turm symbolisiert das Gefängnis der Gedankenkonstrukte, Weltbilder usw., in das wir Menschen uns selber einspinnen. Der Blitz zeigt an, dass äußere Umstände unser Weltbild oft erschüttern oder gar zerstören, vor allem dann, wenn wir uns zu sehr auf unser Weltbild festlegen (die bekannte [[Metapher]] vom Gefangensein im Elfenbeinturm).
Die beiden Menschen, die vom Turm fallen, symbolisieren zwei unterschiedliche Menschen: Diejenigen, die sich nur auf das Geistige verlassen und diejenigen, die sich nur aufs Materielle stützen.


Durch seine Lage zwischen dem Teufel (XV) und dem Stern (XVII) zeigt der Turm einen Wechsel von Überheblichkeit hin zur [[Demut]].
== Einzelnachweise ==
 
<references />
==== Entsprechungen ====
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ע''' ([[Ajin]])
 
=== XVII Der Stern ===
==== Darstellung ====
Eine nackte Frau gießt aus zwei Krügen Wasser auf den Boden. Sie kniet auf dem Boden, hat aber einen Fuß im Wasser. Über ihr strahlt ein großer Stern, der von sieben kleinen Sternen umgeben ist.
Bei Haindl sieht man eine Frau, die ihre Haare in einer Quelle auswäscht.
Bei Crowley sieht man eine nackte, ätherische Frau, die sich mit dem Wasser des einen Kelches übergießt und aus dem anderen Wasser auf den Boden leert.
 
==== Deutung ====
Die Karte symbolisiert Demut, Schlichtheit und wahre [[Religiosität]], welche nicht frömmelnd ist.
 
==== Entsprechungen ====
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''פ''' ([[Pe]])
 
=== XVIII Der Mond ===
==== Darstellung ====
Meistens ist ein Weg abgebildet, der zwischen zwei Säulen oder Türmen hindurch mäandert, und von einem [[Schakal]] und einem Hund flankiert wird. Ein Hummer krabbelt aus dem Wasser heraus. Der Mond selber sieht man sowohl als Vollmond wie als Mondsichel mit einem Gesicht.
Bei Crowely ist die Karte mit Sinuskurven ausgestaltet.
Bei Haindl sieht man einen Einhornkopf, der scheinbar aus dem Hintergrund gewachsen ist.
 
==== Deutung ====
Der Mond steht für die Haltung der Gelassenheit und Hingabe, aus der sich die Anderwelt der Träume, des zweiten Gesichts, des Unterbewussten, der Irrationalität und der unterbewussten Ängste öffnet. Steht die Sonne für die philosophische Geistesklarheit, so steht der Mond für Mythen, Symbole, Märchen und [[gleichnis]]haftes Wissen.
 
==== Entsprechungen ====
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''צ''' ([[Tzade|Sade]])
 
=== XIX Die Sonne ===
==== Darstellung ====
Die Karte bildet ein Kind ab, dass auf einem weißen Pferd unter einer personifizierten Sonne reitet. Im Hintergrund sind Sonnenblumen zu sehen.
Klassische Darstellungen zeigen einen Jungen und ein Mädchen, die Hand in Hand vor einer Mauer stehen.
Bei Haindl sieht man eine Sonne und eine Rose und im Hintergrund eine Morgenröte.
Im Visconti-Sforza sieht man einen Jungen, der auf einer Wolke dahinzieht und eine Sonnenmaske in den Händen hält.
 
==== Deutung ====
Die Sonne symbolisiert die Hoffnung, den Idealismus, das Streben nach „höheren“ Werten. Sie steht aber auch für geistige Klarheit, also nicht für Illusionen und Utopien. [[Alchemistisch]] stellt sie den „[[Stein der Weisen]]“ dar.
 
==== Entsprechungen ====
* der [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ק''' ([[Koph]])
 
=== XX Das Gericht ===
==== Darstellung ====
Ein [[Erzengel]] bläst in eine Posaune, aus Gräbern steigen Menschen mit ausgestreckten Armen hervor.
 
==== Deutung ====
Sie symbolisiert [[Auferstehung]], Neubeginn, das Hören auf innere und äußere [[Nachricht|Botschaften]], [[Beginn]] einer neuen [[Phase]] oder eine [[Wiederholung|Wiederkehr]]. Außerdem kann das Ende von [[Leiden]]szeiten bevorstehen.
 
==== Entsprechungen ====
* der [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstabe]] '''ר''' ([[Resch]])
 
==== Geschichte ====
In moderneren Spielen heißt die XX. Karte oft auch ''Aeon'', eine Änderung die auf Crowely zurückgeht. Oft stellt das Aeon ein Kind in einer Fruchtblase dar (ähnlich wie das Ende in Stanley Kubricks Film ''2001 Odyssee im Weltraum''). Die Deutung ist grundsätzlich dieselbe, nur ist beim Gericht der Hauptschwerpunkt mehr beim Untergang des Alten, beim Aion aber bei der Geburt des Neuen.
 
=== XXI Die Welt ===
==== Darstellung ====
Meist sieht man ein nacktes Mädchen, das zwei Stäbe hält, in einem Siegeskranz, umgeben von den Cherubim (bzw. den Symbolen der Evangelisten).
Beim Visconti-Sforza-Spiel sieht man zwei kleine Kinder, die eine Kugel tragen, in der eine Stadt (himmlisches Jerusalem) abgebildet ist.
 
==== Deutung ====
Die Welt steht für Erfolg und das Erreichen des (eines) Ziels.
Im Mystischen stellt sie die Unio Mysica dar, das Eintauchen des einzelnen Menschen in einen größeren Sinnzusammenhang.
Klassisch in der Tarotdeutung ist die Ansicht, dass der Narr der Weise ist, wie er von den anderen Menschen wahrgenommen wird, die Welt aber, was ihn im Innern ausmacht.
 
==== Entsprechungen ====
* den [[Hebräische Schrift|hebräischen Buchstaben]] '''ש''' ([[Sin (Hebräisch)|Schin]])
 
==== Geschichte ====
Diese Karte heißt in vielen Varianten des [[Tarock]]-Kartendecks '''Mond''' (eine [[Verballhornung]] von franz. ''monde'', Welt), und ist eines der drei [[Trull (Tarock)|Trullstücke]]. In [[Esoterik|esoterischen]] Tarot-Decks wird die Trumpfkarte XVIII als „Der Mond“ bezeichnet und die Karte Nr. XXI korrekt übersetzt als „das Universum“.
 
== Literatur ==
* [[Arthur Edward Waite]]: ''Pictorial Key to the Tarot'' (1910)
* Arthur Edward Waite: ''Der Bilderschlüssel zum Tarot. Fragmente einer geheimen Tradition unter dem Schleier der Weissagekunst''. Urania-Verlag, Waakirchen 1978, ISBN 3-921960-01-0
 
== Weblinks ==


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* [http://trionfi.com/0/i/c/ALL-78 Tarotmotive / ikonographische Artikel zu den Karten (englisch)]
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* [https://www.ewigeweisheit.de/geheimwissen/tarot/geschichte-des-tarot Geschichte des Tarot] Website
* [https://kartenlegen.org/tarot-tageskarte-ziehen/ Die Tarot-Tageskarte] Weibsite


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Aktuelle Version vom 21. August 2020, 04:04 Uhr

Titelblatt der Erstausgabe von 1821
Goethe im Jahre 1828

Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden ist ein Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Er gilt als die persönlichste aller Goethe’schen Dichtungen. 1821 erschien die erste Fassung, 1829 die vollständige. Ihr fehlen die vorangestellten Gedichte des Fragments von 1821.

Auf Kapitel im Buch wird mit einem Zahlenpaar in der Form (Buch, Kapitel) verwiesen.

Roman und Zeit

Goethe selbst bezeichnet dieses Spätwerk als einen Roman.[1] Er besteht aus drei Büchern sowie Betrachtungen im Sinne der Wanderer und Materialien aus einem Archiv.

An zwei Stellen im Text erfährt der Leser, dass die Wanderung ins 18. Jahrhundert zurückführt. Der Wanderer Wilhelm Meister wird einmal unterwegs auf einem Schlosse in eine Galerie geführt, worin nur Porträts aufgehängt bzw. aufgestellt waren, alles Personen, die im achtzehnten Jahrhundert gewirkt hatten (1,6). Und als ein andermal die Vorgeschichte des Romans erzählt wird, heißt es: Der lebhafte Trieb nach Amerika im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts war groß (1,7).

Kategorisierung

Die Einordnung der Wanderjahre seitens der Fachwelt ändert sich mit den Jahren.

  • Erich Trunz[2] bestimmte 1950 die Wanderjahre schlicht als Rahmenerzählung mit eingelegten Novellen.
  • Volker Neuhaus[3] bezeichnete 1968 die Wanderjahre als Archivroman, wobei er unter anderem von Makariens Archiv und seinem Inhalt ausging. In der Tat wird manches im Roman brieflich verhandelt. Es geht zentral um Papiere.
  • Gero von Wilpert[4] nannte die Wanderjahre einen Zeitroman. Nach Wilpert[5] hat Brentano den Zeitroman als erweiterten Gesellschaftsroman definiert. Im Zeitroman wird definitionsgemäß gleichsam ein Bild der Gesellschaft, des Geistes, der Kultur, der Politik und der Ökonomie einer Zeit auf einen Rundhorizont gemalt. Im Falle der Wanderjahre handelt es sich um das Bild der Zeit, in der Goethe lebte und die Goethe ins 19. Jahrhundert hinein schreibend extrapolierte.

Darstellungsweise

Zur Darstellungsweise der Wanderjahre hat Gidion[6] ein Buch geschrieben.

Goethe belastet den Wanderer Wilhelm mit zwei Restriktionen, indem er ihn konstatieren lässt:

1. Nicht über drei Tage soll ich unter einem Dache bleiben. (1, 1)
2. Nun soll auf meiner Wanderschaft kein Dritter uns ein beständiger Geselle werden. (1,3)

Auch der daraus resultierende beständige Orts- und Personenwechsel erzeugt jene disparate Romanstruktur, auf die Goethe am 28. Juli 1829 hingewiesen und die dann etliche Rezipienten zu unbedachten Äußerungen verleitet hat.

Mehr noch als in den Lehrjahren fordert Goethe in den Wanderjahren einen geduldigen Leser. Jarno aus den Lehrjahren heißt in den Wanderjahren Montan. Hinter der Schönen-Guten und dem nußbraunen Mädchen verbirgt sich Nachodine

Entsagung

Diesen zentralen Begriff seiner Ethik, den Verzicht auf Niederes zugunsten Höherem, hat Goethe in Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit in (4,16) definiert: Unser physisches sowohl als geselliges Leben, Sitten, Gewohnheiten, Weltklugheit, Philosophie, Religion, ja so manches zufällige Ereignis, alles ruft uns zu, daß wir entsagen sollen… Diese schwere Aufgabe jedoch zu lösen, hat die Natur den Menschen mit reichlicher Kraft, Tätigkeit und Zähigkeit ausgestattet.

Weil Goethe den Terminus in den Wanderjahren sogar in den Titel hinein genommen hat, wird er in der Sekundärliteratur ausführlich besprochen. Wilpert (anno 1998, S. 1189 unten) zählt z.B. die in den Roman eingelegten Novellen als Beispiele für Geschichten um Personen auf, denen die Entsagung noch nicht geglückt ist.

Für Goethes Romankonzept ist die Entsagung Programm. Das ist aus Einzelheiten ablesbar:

(1,4) Zu den sonderbaren Verpflichtungen der Entsagenden gehört auch die: daß sie, zusammentreffend, weder vom Vergangenen noch Künftigen sprechen dürfen, nur das Gegenwärtige soll sie beschäftigen.

Entsagt wird meist den Freuden der körperlichen Liebe zwischen Mann und Frau zugunsten höchster Werte. Vollkommenheit wird angestrebt.

Allegorie und Symbol

Hinter der vordergründigen Handlung stecken in den Wanderjahren allegorische Figuren und Symbole.

Zum Beispiel symbolisieren Kästchen und Schlüssel das Geheimnis des Lebens. Zudem ist das Symbol bei Goethe selten eindeutig. Etliche Goethe-Interpreten verstehen Kästchen und Schlüssel - um bei dem Beispiel zu bleiben - in Verbindung mit der Liebesgeschichte zwischen Hersilie und Felix (3,17) auch als sexuelle Attribute.

Mit der unten stehenden, kurz gefassten Beschreibung der Roman-Handlung ist die enzyklopädische Deskription dieses viel sagenden Werkes also keinesfalls abgetan. Notgedrungen wird auf die sehr umfangreiche Sekundärliteratur verwiesen.

Handlung

Eine einzelne Zahl verweist auf das betreffende Kapitel. Die Titel der eingelegten Novellen sind unterstrichen. Mitunter gehen Novellen über Kapitelgrenzen hinweg. Das Ende der Beschreibung einer Novelle ist im Normalfall die Leerzeile. Ausnahme: Manche Novellen sind mit der nachfolgenden Rahmenerzählung verquickt.

Erstes Buch

Die Flucht nach Ägypten

1 Wilhelm, mit seinem Sohn Felix im Gebirge unterwegs, begegnet einer fünfköpfigen Familie. Der junge, rüstige Mann trägt Handwerkszeug eines Zimmermanns. Die Familienmutter, ein sanftes, liebenswürdiges Weib, hat Wilhelm schon viel früher gesehen - auf dem Gemälde Die Flucht nach Ägypten. Der freundliche Zimmermann lädt die beiden Wanderer zur Übernachtung nach Sankt Joseph ein.

Sankt Joseph der Zweite

2 Sankt Joseph erweist sich als ein großes, halb in Trümmern liegendes, halb wohlerhaltenes Klostergebäude. Wilhelm wird von den Kindern des Zimmermanns vor ein Gemälde geführt, die die Geschichte des heiligen Joseph vorstellen. Auf einem Gemälde ist Joseph mit einer Zimmerarbeit beschäftigt, auf dem nächsten begegnet er Marien, und eine Lilie sprosst zwischen beiden aus dem Boden. Der Zimmermann, den Wilhelm in den Bergen traf, heißt auch Joseph und seine Frau heißt Marie.

Die Heimsuchung, Der Lilienstengel

Joseph erzählt Wilhelm, wie er um Marie, die schwangere Witwe, die den schönsten Knaben gebar, freite.

3 Wilhelm, der Natalie entsagte, schreibt ihr über den Zimmermann Joseph: Jene Verehrung seines Weibes, gleicht sie nicht derjenigen, die ich für dich empfinde? und hat nicht selbst das Zusammentreffen dieser beiden Liebenden etwas Ähnliches mit dem unsrigen? Wilhelm beneidet Joseph, weil er mit Marie unter einem Dach wohnt und schreibt weiter an Natalie: Dagegen darf ich nicht einmal mein Schicksal beklagen, weil ich dir zugesagt habe, zu schweigen und zu dulden, wie du es auch übernommen hast.

Wilhelm und Felix wandern weiter und begegnen Jarno, der Steine klopft und nun Montan genannt wird. Montan ist von den Menschen enttäuscht: Ihnen ist nicht zu helfen. Deshalb folgt er einer einsiedlerischen Neigung. Montan weiß: Die Natur hat nur eine Schrift. Er will nicht länger reden, sondern jene Schrift der Natur entziffern.

4 Montan und Wilhelm reden aber doch weiter. Es geht um die naturkundliche Belehrung von Felix. Montan meint, Wilhelm sei als Lehrer ungeeignet: Wer andere lehren will, kann wohl oft das Beste verschweigen, was er weiß, aber er darf nicht halbwissend sein. Nach Montan ist die Zeit der Einseitigkeiten - sprich, der Entsagung - angebrochen und er weiß auch den Weg: von unten hinauf zu dienen, ist überall nötig. Sich auf ein Handwerk zu beschränken, ist das Beste. Um einen Gegenstand ganz zu besitzen, zu beherrschen, muß man ihn um sein selbst willen studieren. Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites Selbst von ihm ablösen.

Wilhelm ist beeindruckt und will endlich einen ordentlichen Beruf erlernen. Montan soll ihm helfen, daß die lästigste aller Lebensbedingungen, nicht länger als drei Tage an einem Orte zu verweilen, baldigst aufgehoben und ihm vergönnt werde, sich zu Erreichung seines Zweckes da oder dort, wie es ihm belieben möge, aufzuhalten. Montan will sich für den Freund verwenden.

Wilhelm und Felix pilgern weiter, bis Felix ein Riesenschloß erblickt. Wände und Säulen ragen auf einem einsamen Gipfel hervor, geschlossene Säulenwände bilden Pforten an Pforten, Gänge nach Gängen. Während der nächsten Rast ist Felix verschwunden. In einer Felsspalte findet Felix ein Kästchen, nicht größer als ein kleiner Oktavband, von prächtigem altem Ansehn, es scheint von Gold zu sein, mit Schmelz geziert. Wilhelm und Felix schlagen den Weg ein nach jenen ausgedehnten Gütern eines großen Landbesitzers, von dessen Reichtum und Sonderbarkeiten man ihnen erzählt hatte.

5 Der Hausherr, ein kleiner, lebhafter Mann von Jahren, bewillkommt Wilhelm auf dem Schlosse. Es folgt sogleich die Begrüßung durch zwei Frauenzimmer, wovon die eine mit großer Heiterkeit zu ihm spricht: „Sie finden hier kleine Gesellschaft, aber gute; ich, die jüngere Nichte, heiße Hersilie, diese, meine ältere Schwester, nennt man Juliette.“ Hersilie, auf der Wilhelms Blick ruht, hat sich auf französische Literatur spezialisiert und gibt dem Ankömmling gleich eine Kostprobe ihrer Übersetzungstätigkeit zum Lesen:

Die pilgernde Törin

Die pilgernde Törin ist eine schöne Vagantin, der Herr von Revanne, ein reicher Provinzler, abseits der Landstraße begegnet, als sie anmutig auf einem Rasenstück ruht. Er nimmt sie mit in sein Schloss, wo sie wohlgelitten für zwei Jahre als Gesellschafterin bleibt. Nach Ablauf dieser Frist haben sich Herr von Ravenne und sein Sohn in sie verliebt. Als ihr beide - jeder für sich - ihre Liebe gestanden haben, werden sie von ihr gefoppt und die schöne Fremde verschwindet. Der Sohn behält sie als „Engel, oder vielmehr ein Dämon“ in Erinnerung, dem Vater erscheint sie „so flüchtig wie die Engel und so liebenswürdig“.

6 Hersilie unterrichtet Wilhelm über Lenardo, einen Vetter, der drei Jahre abwesend, demnächst erwartet wird. Des Weiteren ist die Rede von Makarie, einer würdigen Tante, die, unfern in ihrem Schlosse wohnend, als ein Schutzgeist der Familie zu betrachten sei. In krankem Verfall des Körpers, in blühender Gesundheit des Geistes wird sie geschildert. Hersilie will Wilhelm Briefe geben, woraus das Weitere zu ersehen ist und sagt: Gestern machte ich Sie mit einer törigen Landläuferin bekannt, heute sollen Sie von einem verrückten Reisenden vernehmen.

Felix macht Hersilie den Hof und stürzt während eines Ausritts in einen Graben. Ein Wundarzt ist zur Stelle.

Lenardo kündigt sich mit einem Brief an die Tante an. Hersilie kommentiert diesen Brief in einem weiteren Brief an die Tante. Darin kommt Lenardo nicht gut weg. In letzterem Brief werden Valerine und Nachodine genannt. Lenardo, der Abwesende, verwechselte sie und Hersilie korrigiert. Wilhelm schreibt an Natalie lakonisch: Man vertraut mir, man gibt mir einen Pack Briefe,… ich kenne die Personen, deren Bekanntschaft ich machen werde.

7 Über den Hausherrn auf dem Schlosse wird mitgeteilt: Sein Vater wurde in Philadelphia geboren. Der Hausherr gelangte als Jüngling nach Europa. Er übernahm die Familiengüter, wußte sie freisinnig zu behandeln, sie wirtschaftlich einzurichten.

Wer ist der Verräter?

8 Lucidor studiert, gefördert vom Oberamtmann, die Rechtswissenschaft, um einmal Oberamtmann zu werden. Die Töchter des Oberamtmanns, Julie und Lucinde, wachsen heran. Nach dem Willen des verehrten, gelehrten Vaters, soll Lucidor einmal Julie heiraten. Beim ersten Treffen fühlt Lucidor eine Entfremdung gegen Julien, Lucinde dagegen zieht ihn an, dass er zittert, wenn sie ihn mit ihren vollen, reinen, ruhigen Augen ansieht. Lucidor, der sich im Hause des Oberamtmanns zu Besuch aufhält, offenbart, sobald er im Bett allein ist, dem Leser in Selbstgesprächen sein Innerstes: Nur Lucinde kann die Glückliche sein. Doch es scheint ihm, als ob Lucinde bereits an Antoni vergeben ist. Lucidor muss erkennen, der Schein trügt nicht. Also reist er ab. Jedoch der Unglückliche kommt nicht weit: da erblickt er Lucinden. Sie faßt ihn sanft in ihren Arm und ruft: Sie sind mein, ich die Ihre! Schließlich, später, auf einer Kutschfahrt, eröffnet Julie unter vier Augen Lucidor, ihre Familie habe seine heftigen Monologe vom Nebenzimmer aus von Anfang an belauscht und also gewusst, dass er Lucinde begehrte. Mit seinem lauten Gerede im Bett habe er sich selbst verraten. Das Happy End ist perfekt. Antoni bekommt Julie und Lucidor bekommt Lucinde.

9 Wilhelm und Felix wandern auf ein altes Gebäude zu. Darin sitzen Makarie auf einem Lehnsessel (der von zwei hübschen jungen Mädchen geschoben wird), Makaries Astronom und ihre Archivarin Angela. Makarie spricht zu Wilhelm als einen Vertrauten: da wir unter uns sind, nichts festsetzen, nichts nach außen wirken, sondern nur uns aufklären wollen, so kann das Gespräch immer vorwärtsgehen. Der Astronom kündigt an, von der Mathematik ist die Rede. Es wird aber nicht von der Mathematik gesprochen. Felix kämpft gegen die Langeweile. Wilhelm betrachtet mit dem Astronomen die Gestirne, diese himmlischen Heerscharen. Durch ein vollkommenes Fernrohr wird Jupiter, begleitet von seinen Monden, angeschaut. Wilhelm schläft in der Sternwarte ein Weilchen und träumt von Makarie - priesterlich, ihr Anblick. Wilhelm erzählt: An der Stelle ihres herrlichen Angesichtes sah ich zuletzt, zwischen sich teilendem Gewölk, einen Stern blinken, der immer aufwärts getragen wurde und durch das eröffnete Deckengewölb sich mit dem ganzen Sternhimmel vereinigte, der sich immer zu verbreiten und alles zu umschließen schien. In dem Augenblick wecken Sie mich auf; schlaftrunken taumle ich nach dem Fenster, den Stern noch lebhaft in meinem Auge, und wie ich nun hinblicke - der Morgenstern, von gleicher Schönheit, obschon vielleicht nicht von gleicher strahlender Herrlichkeit, wirklich vor mir! Am andern Morgen sucht Wilhelm seinen Felix und findet Angela im Garten, die junge arbeitende Mädchen, alle, wo nicht schön, doch keine häßlich, beaufsichtigt. Angela erklärt, sämtliche Bewohnerinnen unserer Stiftung werden ins tätige Leben treten. Darauf erläutert Angela ihre Tätigkeit als Archivarin: Deshalb machte sie [Makarie] mirs zur Pflicht, einzelne gute Gedanken aufzubewahren, die aus einem geistreichen Gespräch hervorspringen. Das Archiv wird als Lose-Blatt-Sammlung beschrieben. Wilhelm entdeckt einen emsig schreibenden Felix. Bevor sich Wilhelm auf Wanderschaft begibt, wird er von Angela ermutigt: „Wir haben Ihr unvermutetes Erfassen der tiefsten Geheimnisse betrachtet und überlegt, und wir dürfen uns ermutigen, Sie weiter zu führen.

Das nußbraune Mädchen

10 Wilhelm wandert dem anreisenden Lenardo entgegen. Letzterer erzählt dem Wanderer folgende Geschichte. Die Bildungsreise Lenardos durch das gesittete Europa wurde finanziert, indem der Oheim Pacht eintreiben ließ. Die Pächterstochter Nachodine, wegen ihrer bräunlichen Gesichtsfarbe das nußbraune Mädchen genannt, bat Lenardo, sich für ihren zahlungsunfähigen Vater beim Oheim zu verwenden. Lenardo, leichtsinnig, hielt sein Versprechen nicht und macht sich nun Gewissensbisse. Wilhelm und Lenardo suchen das nußbraune Mädchen auf, finden aber die Blondine Valerine vor. Wilhelm bekommt von Lenardo den Auftrag, das nußbraune Mädchen zu suchen. Lenardo sagt zu seinem neuen Freund zum Abschied Leisten Sie mir diesen Dienst, und ich werde dankbar sein.

11 Wilhelm, unmittelbar vor einer Reise ins Ungewisse, deponiert das kostbare Kästchen bei einem kuriosen Antiquitätenkrämer. Letzterer meint, wenn dieses Kästchen etwas bedeutet, so muß sich gelegentlich der Schlüssel dazu finden, und gerade da, wo Sie ihn am wenigsten erwarten. Außerdem wird Wilhelm eingeschärft: Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen.

Zweites Buch

1,2 Wilhelm, auf der Suche nach Nachodine, bringt unterwegs seinen Felix in einer pädagogischen Provinz unter, in der Jugendliche erzogen werden. Er dringt zu den Oberen vor und wird - bis an eine gewisse Grenze - in die Geheimnisse der Erziehenden eingeweiht. Hervorragende Erziehungselemente sind die Musik und der Chorgesang. Die Oberen setzen Wilhelm auseinander, welche Religionen zu unterscheiden sind und welche zu favorisieren sei. Insbesondere bekommen die Jugendlichen in der Provinz Ehrfurcht vor dem Himmel und der Erde beigebracht. Es gibt drei Ehrfurchten. Die oberste ist die Ehrfurcht vor sich selbst.

Der Mann von funfzig Jahren

3 Der Major ist fünfzig Jahre alt. Seine geliebte Schwester, die verwitwete Baronin, eröffnet ihm, ihre Tochter Hilarie liebe ihn wirklich und von ganzer Seele. Der Major nimmt einen Verjüngungsdiener; erprobt an sich Toilettenkästchen. Die Verjüngung gibt dem Major einen besonders heiteren Sinn. Der Major sagt zu Hilarie Du machst mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne! Willst du mein sein? Darauf Hilarie: Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig. Die Baronin ertappt das Paar und hat keine Einwände. Alle drei vereinigen sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so fließen für sie die glücklichsten Stunden dahin. Der Major sucht den Lieutenant Flavio, seinen Sohn, auf. Eigentlich sollen Flavio und Hilarie ein Paar werden. Flavio kommt dem betretenen Major unverhofft zu Hilfe. Flavio gesteht, er liebe eine schöne Witwe. Die Heirat von Hilarie und Flavio muss sein. Der Besitz muss zusammengehalten werden. Der Major weiß einen Ausweg. Er wird sich für Flavio opfern und Hilarie heiraten. Flavio ist zufrieden und stellt der Witwe seinen Vater vor.

4 Der Major reist ab und wendet sich seinen Geschäften zu. Er schickt der Witwe ein paar selbst verfasste Verse, trennt sich von seinem Schönheits-Erhaltungslehrer und möchte wieder Hilaries Bräutigam sein.

5 Die schöne Witwe will Flavio einer andern Liebenswürdigen nicht überlassen und wendet an ihn mehr scheinbare Gunst, als billig ist. Flavio, aufgeregt und ermutigt, wird heftig bis ins Ungehörige. Ein entschiedener Bruch macht dem ganzen Verhältnis unwiederbringlich ein Ende. Flavio geht zu Hilarie. Deren Neigung ist im Umwenden begriffen. Der Baronin missfällt, dass Flavio sich Hilarie zuwendet, und sie mag die schöne Witwe nicht leiden. Da die Baronin ein schönes Verhältnis zu Makarien hat, beklagt sie sich bei dieser brieflich. Makarie leitet diese Papiere, mit eigenen Kommentaren im Anschreiben, an die schöne Witwe weiter. Die Witwe ist darauf über die Familienverhältnisse der Baronin und des Majors haarklein unterrichtet. Der abwesende Major bekommt von diesen Vorgängen keine Kenntnis. Als dem Major ein Vorderzahn ausfällt, geht ihm endlich auf, dass er doch nicht der Richtige für die junge Hilarie ist. Auf einer seiner zahlreichen Reisen trifft der Major die Witwe. Die zeigt ihm die Briefe von seiner Schwester und Makarie. Die Witwe bedauert ausnahmslos jeden in der Familie des Majors.

6 Wilhelm wiederholt in einem Schreiben an den Abbé, sein Gesuch - durch Montan vorlängst angebracht.

7 Vom Hochgebirge steigt Wilhelm zum Lago Maggiore herab und wandelt auf Mignons Spuren. Am See begegnet Wilhelm Hilarie und der schönen Witwe. Alle drei gehören jenem Orden der Entsagenden an. Alle drei entsagen dem anderen Geschlecht.

Der Abbé erwähnt in einem Schreiben an Wilhelm Lotharios Tätigkeit für den Orden und spricht Wilhelm frei: Sie sind von aller Beschränktheit entbunden. Reisen Sie, halten Sie sich auf, bewegen Sie sich, verharren Sie! was Ihnen gelingt, wird recht sein; möchten Sie sich zum notwendigsten Glied unsrer Kette bilden.

Zwischenrede - dem Leser wird eine Pause und zwar von einigen Jahren angekündigt.

8 Wilhelm sucht seinen Sohn Felix in der pädagogischen Provinz auf dem flachen Lande auf. Felix hat sich zum Italienischen bestimmt.

9 Auf einem Fest begegnet Wilhelm Montan. Letzterer spricht: Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit.

10 Hersilie schreibt an Wilhelm, Felix, der zum Jüngling heranreifende Knabe, liebe sie, die ältere Frau.

11 Wilhelm erinnert Natalie brieflich an jenes Wundarztbesteck: es war Zeuge des Augenblicks, wo mein Glück begann. Wilhelm spielt auf die Szene in den Lehrjahren an, als er, von Räubern im Walde überfallen, von Natalies Gefolge gerettet wurde. Wilhelm will Wundarzt werden.

Betrachtungen im Sinne der Wanderer

Siehe Zitate.

Drittes Buch

1 Friedrich aus den Lehrjahren wird von Lenardo begrüßt. In den Wanderjahren liefert Friedrich Beiträge zu diesem Archivroman. Hinter dem Band, einem Auswandererbund der Wanderjahre, steht die Turmgesellschaft der Lehrjahre. Wandern erhält u.a. die Bedeutung auswandern.

2 Parierend, ablehnend sind Ihre Briefe! beschwert sich Hersilie schriftlich bei Wilhelm. Das Schlüsselchen zum Prachtkästchen ist in ihre Hände gefallen. Hersilie möchte Felix wiedersehen. Wilhelm soll Hersilie besuchen und den Sohn sowie auch das Kästchen mitbringen. Wilhelm, der Entsagende, lässt sich nicht zu einem Besuch der Dame verlocken.

3 Wilhelm nimmt seine Studien als Wundarzt auf. Im Fach Anatomie als Grundstudium soll er den schönsten weiblichen Arm einer Wasserleiche sezieren. Ein plastischer Anatom lenkt Wilhelm von jener analytischen Aufgabe ab. Unter der Anleitung des Anatomen synthetisiert Wilhelm einen Arm aus Knochen und Sehnen.

4 Dabei folgt Wilhelm einer Maxime der Turmgesellschaft, an die ihn Friedrich erinnert: Das Grundgesetz unserer Verbindung: in irgendeinem Fache muß einer vollkommen sein, wenn er Anspruch auf Mitgenossenschaft machen will.

Lenardos Tagebuch

5 Wilhelm erhält und studiert Lenardos Aufzeichnungen über die bienenfleißigen Garnspinner und Baumwollweber im Gebirge.

Die neue Melusine

6 Ins Reich der Nixen und Gnomen führt diese erzählerisch sorgfältig ausgearbeitete Version des Schlüssel-Kästchen-Motivs. Eine schöne Zwergenprinzessin entschlüpft gelegentlich dem Kästchen und lockt den verliebten, liederlichen, von Geldsorgen geplagten Ich-Erzähler in ihr arg begrenztes Reich. Mit einer Feile kann sich der künftige Schwiegersohn des Zwergenkönigs Eckwald befreien, entflieht dem Eheglück und erreicht - wieder in normaler Größe - unsere Alltags-Welt.

7 Der kuriose Antiquitätenkrämer ist gestorben. Hersilie besitzt nun Schlüssel und Kästchen. Die Frau sehnt Wilhelm und Felix herbei; schreibt von Trennen und Vereinigen.

Die gefährliche Wette

8 Weil die Angelegenheiten immer ernsthafter werden, schaltet die Redaktion rasch noch einen Schwank ein: Ein mutwilliger Student wettet mit seinen Kommilitonen, dass er einem gesetzten Herrn, der in schöner Equipage vorfährt, bei der Nase zupft und dafür noch belohnt wird. Der Student gewinnt die Wette. Der Verhöhnte stirbt ohne Rache, aber dessen Sohn rächt sich an einem der Studenten.

9 Odoard will eine von den grenzenlosen Weiten Europas besiedeln.

Nicht zu weit

10 Die Geschichte Odoards und seiner Liebe zur Prinzessin Sophronie wird erzählt.

11 Friedrich und Wilhelm tauschen sich in stiller Unterhaltung u.a. über die Zeit, die höchste Gabe der Natur, aus

12 Odoard trägt sein Besiedlungsprojekt vor.

Lenardos Tagebuch - Fortsetzung

13 Wilhelm liest den Rest von Lenardos Aufzeichnungen übers Muggengarn.

14 Nachodine, die glücklich unter Webern aufgefunden wurde, gibt ihr Weberhandwerk angesichts des Konkurrenzdrucks der Maschinen auf und erhält bei Makarie Angelas Stelle. Lenardo und Nachodine finden einander. Lothario, Therese, Natalie und der Abbé wandern per Segelschiff aus. Philine, Lydie und auch Lenardo, Friedrich sowie Montan werden schließlich denselben Weg einschlagen. Da alle auswandern, muss sich Wilhelms Jugendfreund Werner nach neuen Geschäftspartnern umsehen.

15 Die Beziehung zwischen Makarie und dem Astronomen, diese ätherische Dichtung, wird Verzeihung hoffend, beschlossen und das terrestrische Märchen zu Ende erzählt.

16 Odoardo geht mit den Seinigen ab.

17 Hersilie erzählt Wilhelm ihre zärtliche Begegnung mit Felix. Wilhelms Sohn drückte Hersilie beherzt an seine Brust. Hersilie konnte nicht anders, sie erwiderte die stürmischen Küsse. Dann wies die Entsagende den feurigen Liebhaber kühl ab. Gut! sagt der Verschmähte so reit ich in die Welt, bis ich umkomme. Felix sprengt auf dem Pferde davon.

18 Ross und Reiter stürzen in den Abgrund. Wundarzt Wilhelm, mit dem unvermeidlichen Wundarztbesteck zur Stelle, rettet dem Sohn fachmännisch das Leben.

Aus Makariens Archiv

Siehe Zitate.

Figuren

Figuren aus Wilhelm Meisters Lehrjahren

Figuren sind jeweils alphabetisch geordnet. Eine Zahl meint die Seite, auf der der Name zuerst genannt wird.

  • 528 Der 'Abbé '. lenkt im Hintergrund die Geschicke Wilhelms.
  • 388 'Felix'. ist der Sohn Wilhelms.
  • 587 'Friedrich'. ist Mitglied der Turmgesellschaft sowie der Bruder Natalies und Lotharios.
  • 539 Baron 'Lothario'. ist Mitglied der Turmgesellschaft und Natalies Bruder.
  • 664 'Lydie'. ist Montans Gattin.
  • 402 'Montan'. der Jarno. aus den Lehrjahren, betätigt sich in den Wanderjahren als Geologe.
  • 390 Baronesse 'Natalie'. ist Wilhelms Gattin und Lotharios Schwester.
  • 664 'Philine'. ist eine Schauspielerin, die seinerzeit von Friedrich schwanger wurde.
  • 662 'Therese'. ist die Gemahlin Lotharios.
  • 668 Der Kaufmann 'Werner'. ist Wilhelms Jugendfreund.
  • 388 'Wilhelm'. siehe Handlung, ist ein Entsagender.

Neue Figuren

  • 415 'Hersilie'. eine Entsagende, ist die jüngere Nichte des Hausherrn auf dem Schlosse.
  • 430 Baron 'Lenardo'. ist der Vetter von Hersilie.
  • 435 'Makarie'. die Tante von Lenardo und Hersilie, ist eine ältliche, wunderwürdige Dame. Hinter ihr verbirgt sich die Herzogin Charlotte von Sachsen-Meiningen, Gattin von Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg.
  • 635 'Odoard'. ist ein Mann von einnehmenden Wesen. der ein Besiedlungsprojekt in Europa forciert.

Nebenfiguren

458 Angela ist die Archivarin Makaries.
458 Der Arzt, Mathematiker und Astronom ist Mitarbeiter Makaries. Hinter ihm verbirgt sich der Gothaer Hofastronom Franz Xaver von Zach, dem Goethe in dem Roman ein subtiles Denkmal setzt.
415 Juliette ist die ältere Schwester von Hersilie.
433 Nachodine ist die Tochter eines liederlichen Pächters auf dem Schlosse.
415 Der Oheim (Onkel) von Lenardo und Hersilie ist der Hausherr auf dem Schlosse.
433: Valerine ist die Tochter des Gerichtshalters auf dem Schlosse.
Die pilgernde Törin
416 Herr von Revanne ist ein reicher Provinzler, der die pilgernde Törin für zwei Jahre aufnimmt, sich in sie verliebt und von ihr gefoppt wird.
416 Die pilgernde Törin ist eine Allegorie der Poesie, die für zwei Jahre im Schloss des Herrn von Revanne hospitiert.
Wer ist der Verräter?
441 Antoni ist nicht mehr jung, von bedeutendem Ansehn, würdig, lebensgewandt und durch Kenntnis der weitesten Weltgegenden höchst unterhaltend.
439 Julie ist vom Professor N. als Braut für Lucidor auserkoren.
439 Lucidor ist der Sohn des Professors N. zu N. Sein Gönner ist der Oberamtmann zu R.
439 Lucinde ist die Schwester von Julie.
Der Mann von funfzig Jahren
491 Die Baronin ist die Schwester des Majors und die Mutter von Hilarie.
514 Lieutenant Flavio ist der Sohn des Majors.
491 Hilarie, eine Entsagende, ist die Tochter der Baronin.
491 Der Major ist die Titelfigur der Novelle.
501 Die schöne Witwe verdreht Flavio und seinem Vater den Kopf und entsagt schließlich den Männern.

Zitate

(1,3) Joseph: Wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein.
(1,3) Montan: Gut Ding will Weile haben.
(1,10) Wilhelm: Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist.
(1,11) Lenardo: Der Helden Söhne werden Taugenichtse.
(1,12) Der Alte zu Wilhelm: Wer lange lebt, sieht manches versammelt und manches auseinander fallen.
(2,3) Der Freund zum Major: Man will sein und nicht scheinen. Das ist recht gut, so lange man etwas ist.
Betrachtungen im Sinne der Wanderer
  • Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken.
  • Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.
  • Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.
  • Aus Farbenreibern sind treffliche Maler hervorgegangen.
  • Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.
  • Ein großer Fehler: daß man sich mehr dünkt, als man ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist.
  • Tief und ernstlich denkende Menschen haben gegen das Publikum einen bösen Stand.
  • Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muß sie positiv ausgesprochen werden; Problematisches hab' ich in mir selbst genug.
  • Ich schweige zu vielem still, denn ich mag die Menschen nicht irremachen und bin wohl zufrieden, wenn sie sich freuen da wo ich mich ärgere.
  • Wenn man alt ist, muß man mehr tun, als da man jung war.
  • Wer zuviel verlangt, wer sich am Verwickelten erfreut, der ist den Verwirrungen ausgesetzt.
  • Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen.
  • Um zu begreifen, daß der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.
  • Das Falsche hat den Vorteil, daß man immer darüber schwätzen kann, das Wahre muß gleich genutzt werden, sonst ist es nicht da.
Aus Makariens Archiv
  • Was einem angehört, wird man nicht los, und wenn man es wegwürfe.
  • Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.
  • Man wird nie betrogen, man betrügt sich selbst.
  • Wen jemand lobt, dem stellt er sich gleich.
  • Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muß auch tun.
  • Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.
  • Die größten Schwierigkeiten liegen da, wo wir sie nicht suchen.
  • Sei nicht ungeduldig, wenn man deine Argumente nicht gelten läßt.

Rezeption

Geordnet nach dem Rezeptionsjahr

  • 1830: Der junge Theodor Mundt (*1808; †1861) : Wir müssen ehrlich sein, und, um dem Dichter nicht unrecht zu tun, die Wanderjahre sogleich, auch in ihrer jetzigen Gestalt noch für ein unausgearbeitetes Fragment, das nur in einzelnen Partien mehr oder weniger ausgebildet und vollendet erscheint, erklären. (Blessin, S. 374)
  • 1895: Friedrich Spielhagen will den dichterischen Roman und fragt, ob wir es hier überall noch mit einer Dichtung zu tun haben. (Gidion, S. 11)
  • 1918: Friedrich Gundolf : So sind die Wanderjahre von einem Weisen geschrieben, der dichten kann, nicht von einem Dichter, der weise ist. (Gidion, S. 15)
  • 1921 und 1932: Thomas Mann setzt sich mit den Wanderjahren auseinander.
  • 1936: Hermann Broch bekräftigt, Goethe habe in den Wanderjahren den Grundstein der neuen Dichtung, des neuen Romans, gelegt. (Bahr, S. 363)
  • 1963: Richard Friedenthal (S. 469/470): Die Wanderjahre sind schließlich kein Roman mehr, sondern ein Repositorium [Büchergestell, Aktenschrank] für Goethes Altersweisheit … Er [der Meister-Komplex] spottet allen Regeln. Goethe selber hat oft darüber gespottet …
  • 1989: Hannelore Schlaffer zitiert in ihrer Habilitationsschrift Arbeiten von
    • Ferdinand Gregorovius: Göthe´s Wilhelm Meister in seinen socialistischen Elementen entwickelt. Königsberg| 1849,
    • Wilhelm Emrich: Das Problem der Symbolinterpretation im Hinblick auf Goethes ›Wanderjahre‹. 1952,
    • Karl Schlechta: Goethes Wilhelm Meister. Frankfurt am Main 1953,
    • Arthur Henkel: Entsagung. Eine Studie zu Goethes Altersroman. Tübingen 1954,
    • Friedrich Ohly: Zum Kästchen in Goethes »Wanderjahren«. 1961,
    • Hans-Jürgen Bastian: Zum Menschenbild des späten Goethe. Eine Interpretation seiner Erzählung »Sankt Joseph der Zweite«. Weimar 1966,
    • Manfred Karnick: »Wilhelm Meisters Wanderjahre« oder die Kunst des Mittelbaren. München 1968,
    • Benno von Wiese: Der Mann von funfzig Jahren. Düsseldorf 1968,
    • Marianne Jabs-Kriegsmann: Felix und Hersilie (in: Erich Trunz (Hrsg.): Studien zu Goethes Alterswerken). Frankfurt am Main 1971,
    • Peter Horwath: Zur Namensgebung des »nußbraunen Mädchens«. 1972,
    • Anneliese Klingenberg: Goethes Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«. Berlin 1972,
    • Wilhelm Voßkamp: Romantheorie in Deutschland. Stuttgart 1973.

Selbstzeugnisse

„…sie [die kleineren Geschichten] sollten alle, durch einen romantischen Faden unter dem Titel Wilhelm Meisters Wanderjahre zusammengeschlungen, ein wunderlich anziehendes Ganzes bilden. Zu diesem Zweck finden sich bemerkt: Schluß der Neuen Melusine, Der Mann von fünfzig Jahren, Die pilgernde Törin.“

– Goethe in den Tag- und Jahresheften 1807

„Es gehört dieses Werk [Wilhelm Meister] übrigens zu den incalculabelsten Productionen, wozu mir fast selbst der Schlüssel fehlt.“

– Goethe im Gespräch mit Riemer, Eckermann und Wilhelm Rehbein (Hofmedicus, Hofrat in Weimar (1776 - 1825)) am 18. Januar 1825

„Ich hoffe, meine Wanderjahre sind nun in Ihren Händen und haben Ihnen mancherlei zu denken gegeben; verschmähen Sie nicht einiges mitzutheilen. Unser Leben gleicht denn doch zuletzt den sibyllinischen Büchern; es wird immer kostbarer, je weniger davon übrig bleibt.“

– Brief Goethes vom 19. Juni 1829 an Christoph Ludwig Friedrich Schultz (Jurist, preußischer Staatsrat (1781 - 1834))

„Eine Arbeit wie diese [die Wanderjahre], die sich selbst als collectiv ankündiget, indem sie gewissermaßen nur zum Verband der disparatesten Einzelheiten unternommen zu seyn scheint, erlaubt, ja fordert mehr als eine andere daß jeder sich zueigne was ihm gemäß ist, was in seiner Lage zur Beherzigung aufrief und sich harmonisch wohltätig erweisen mochte.“

– Brief Goethes vom 28. Juli 1829 an Johann Friedrich Rochlitz

„Mit solchem Büchlein [den Wanderjahren] aber ist es wie mit dem Leben selbst: es findet sich in dem Complex des Ganzen Nothwendiges und Zufälliges, Vorgesetztes und Angeschlossenes, bald gelungen, bald vereitelt, wodurch es eine Art von Unendlichkeit erhält, die sich in verständige und vernünftige Worte nicht durchaus fassen noch einschließen läßt. Wohin ich aber die Aufmerksamkeit meiner Freunde gerne lenke und auch die Ihrige gern gerichtet sähe, sind die verschieden, sich voneinander absondernden Einzelnheiten, die doch, besonders im gegenwärtigen Falle, den Werth des Buches entscheiden.“

– Brief Goethes vom 23. November 1829 an Johann Friedrich Rochlitz

Literatur

Quellen

  • Johann Wolfgang von Goethe: Poetische Werke. Band 7, Phaidon Verlag, Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6, S. 387–717.

Sekundärliteratur

Geordnet nach dem Erscheinungsjahr

  • Richard Friedenthal: Goethe – sein Leben und seine Zeit. R. Piper Verlag, München 1963, S. 673–676.
  • Heidi Gidion: Zur Darstellungsweise von Goethes ' Wilhelm Meisters Wanderjahre'. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1969.
  • Adolf Muschg: „Bis zum Durchsichtigen gebildet“. Nachwort zu „Goethe Wilhelm Meisters Wanderjahre“. Insel Taschenbuch, Frankfurt 1982, ISBN 3-458-32275-2, S. 495–523.
  • Ehrhard Bahr in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.), James E. McLeod (Hrsg.): Goethes Erzählwerk. Interpretationen. Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008081-9, S. 363–395.
  •  Hannelore Schlaffer: Wilhelm Meister. Das Ende der Kunst und die Wiederkehr des Mythos. Metzler, Stuttgart 1989, ISBN 3-476-0655-7.
  • Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 2: Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806 - 1830. München 1989, ISBN 3-406-09399-X, S. 341–353.
  • Stefan Blessin: Goethes Romane. Aufbruch in die Moderne. Paderborn 1996, ISBN 3-506-71902-5, S. 239–382, S. 405–406.
  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9, S. 1187–1191.
  • Karl Otto Conrady: Goethe - Leben und Werk. Düsseldorf/ Zürich 1999, ISBN 3-538-06638-8, S. 983–1001.
  • Manfred Engel: Modernisierungskrise und neue Ethik in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden“. In: Henning Kössler (Hrsg.): Wertwandel und neue Subjektivität. Fünf Vorträge. Erlangen 2000, S. 87–111. (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 91)
  • Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 2001, ISBN 3-520-23108-5.

Weblinks

 Wikiversity: Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie. – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch

Einzelnachweise

  1. Zitat: „Der Redakteur dieser Bogen hier“ (2,8) versichert, wir „haben einen Roman in die Hand genommen.“ (1,10)
  2. Bahr, S. 379 unten
  3. Bahr, S. 380.
  4. Wilpert, 1998, S. 1189 unten
  5. Wilpert, 2001, S. 917.
  6. Gidion, 1969.


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