Einzelsprache und Agrargesellschaft: Unterschied zwischen den Seiten

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Eine '''Einzelsprache''' ist eine vom Menschen verwendete [[Sprache]], die ihren Sprechern ein vollständiges und abgeschlossenes [[Zeichen]]­system in Form von Sprach[[laut]]en oder Sprach[[gebärde]]n zur [[Kommunikation]] bietet. Eine Einzelsprache kann sich auf [[natürliche Sprache| natürliche Weise entwickelt haben]] oder [[Plansprache|künstlich geschaffen worden sein]]. Im Fall von natürlichen Sprachen gilt allgemein eine solche sprachliche Ausprägungsform ('''Varietät''') als Einzelsprache, die als sogenannte '''Dachsprache''' mehrere [[Dialekt]]e unter sich vereinigt. Was als Dialekt und was als eigenständige Einzelsprache definiert wird, hängt von [[sprachwissenschaft]]lichen und politischen Kriterien ab.
Die '''Agrargesellschaft''' ist eine vormoderne [[Gesellschaft (Recht)|Gesellschaft]] mit einem hohen Anteil an [[Beschäftigte]]n in der [[Landwirtschaft]] als dem primären [[Wirtschaftssektor]].


== Probleme der Definition ==
== Geschichte ==
Einzelsprachen werden meist mit Gruppen von Menschen in Zusammenhang gebracht, die als Angehörige von bestimmten Ländern diese verwenden („in Spanien spricht man Spanisch, die Italiener sprechen Italienisch“). Dabei wird bei solch stereotyper Wahrnehmung (nur) auf die [[Amtssprache]] eines Staates Bezug genommen, die stets eine Einzelsprache ist. Da Amtssprachen von politischer Bedeutung sind, bestimmen neben wissenschaftlichen häufig politische Faktoren, was zu einer Einzelsprache erklärt wird und was „nur“ als Dialekt gilt. Aber auch aus wissenschaftlicher Sicht ist es oftmals schwer zu entscheiden, welche sprachliche Varietät als Einzelsprache angenommen werden kann.
Die Agrargesellschaft löste die [[Horde (Wildbeuter)|Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften]] ab und entstand vor etwa 12.000 Jahren. Die [[Domestizierung]] der Nutzpflanzen und Nutztiere war soweit fortgeschritten, dass die Menschen ihre [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] überwiegend als Bauern oder Viehzüchter organisierten. Da die Angehörigen der Agrargesellschaft mit Ausnahme der [[Hirtenvolk|Hirtenvölker]] wegen der Bodenbewirtschaftung meist sesshaft sind, können größere Bestände an materiellen Gütern zusammengetragen und errichtet werden.<ref>Karl-Heinz Hillmann: ''Wörterbuch der Soziologie.'' Stuttgart 2007, Kapitel: Agrargesellschaft, S. 12f.</ref>


Aus diesen Gründen gibt es unterschiedliche Angaben darüber, wie viele Sprachen auf der Erde heute existieren. So werden Zahlen zwischen 3.000 und 8.000<ref>[http://www.ling.gu.se/projekt/sprakfrageladan/english/sprakfakta/eng-sprak-i-varlden.html Language Facts], abgerufen am 28. August 2010.</ref> und in ähnlicher Größenordnung kolportiert. Vom [[Summer Institute of Linguistics]], einer [[Soziolinguistik|soziolinguistischen]] Organisation, sind mit Stand von 2013 in der von ihr geführten Sprachendatenbank exakt 7.106 Einzelsprachen registriert.<ref>[http://www.sil.org/worldwide sil.org], abgerufen am 3. Oktober 2015.</ref> Die [[Internationale Organisation für Normung]] ordnet in der [[ISO 639]] jeder Einzelsprache zu deren Kennzeichnung einen eindeutigen Code zu. Gemessen an Fläche und Bewohnerzahl ist die geringste Anzahl an verschiedenen Einzelsprachen in Europa anzutreffen. Es wird vermutet, dass eine große Reihe von Einzelsprachen, die vergleichsweise von nur wenigen Menschen gesprochen werden, in den nächsten Jahrzehnten aussterben wird.  
Alle europäischen Gesellschaften zwischen der [[Wikipedia:Neolithische Revolution|neolithischen Revolution]] und der [[Wikipedia:Industrielle Revolution|industriellen Revolution]] waren Agrargesellschaften, d. h. die kleinen und wenigen [[Stadt|Städte]] waren jeweils in ein größeres agrarisch geprägtes Umfeld eingebettet, das diese mit [[Lebensmittel]]n versorgte. Die Umwandlung dieser Agrargesellschaften in Industriegesellschaften erfolgte unter anderem durch die Industrialisierung der Landwirtschaft.


Einzelsprachen und ihre Dialekte werden im universitären Bereich in verschiedenen Fachgebieten der eigenständigen Disziplin [[Sprachwissenschaft]] (Linguistik), aber auch in den sprachwissenschaftlichen Abteilungen der einzelnen [[Philologie]]n (wie Germanistik, Romanistik, Slawistik, Turkistik etc.) untersucht.
Jeder landwirtschaftliche Betrieb konnte durch Einsatz von [[Maschine]]n und chemischen [[Düngemittel]]n ein Mehrfaches an Produkten erzeugen, als für die Versorgung der in diesem Betrieb arbeitenden Menschen, meist Familienmitglieder, notwendig war. Dadurch wurden, unter der häufigen Begleiterscheinung von massenhaftem [[Wikipedia:Elend (Zustand)|Elend]], Arbeitskräfte für die [[Industrie]] freigesetzt.


; Definitionskriterien
Im europäischen [[Mittelalter]] entwickelte sich ein [[Wikipedia:Feudalismus|Feudalsystem]] innerhalb der Agrargesellschaften.
Was als eine Einzelsprache gilt, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wobei neben der Sprachwissenschaft auch die Politik bestimmend ist:


* ''Sprachsystematische Kriterien:''
== Merkmale ==
: Einzelsprachen können nach sprachsystematischen Beschreibungskriterien voneinander unterschieden werden, wobei anhand von [[Sprachvergleich]]en bestimmt wird, wie weit zwei Sprachsysteme sich in [[Wortschatz]], [[Grammatik]] sowie in [[Phonologie|phonologischen]] und [[Phonetik|phonetischen]] Merkmalen decken. Sind ausreichend genuin unterschiedliche Eigenschaften zweier Varietäten erkennbar, spricht man auch von [[Abstandsprache]]n“, wie es etwa im Falle des Spanischen gegenüber dem Italienischen vorliegt. Entfernt sich jedoch eine Varietät aufgrund [[Sprachplanung|sprachplanerischer]] Maßnahmen (wie z.&nbsp;B. Standardisierung) von einer anderen, wird eine solche als [[Ausbausprache]] gesehen. Eine solche ist etwa das [[Ladinische Sprache|Ladinische]] gegenüber dem Italienischen oder das [[letzeburgische Sprache|Letzeburgische]] gegenüber dem Deutschen.
Alle modernen Gesellschaften waren Agrargesellschaften, wandelten sich später in [[Industriegesellschaft]]en, um im Laufe der Zeit [[Dienstleistungsgesellschaft]]en zu werden. Dieser historische Ablauf wird [[Drei-Sektoren-Hypothese]] genannt. Er sagt aus, dass ''in dem namensgebenden Sektor jeweils der Hauptanteil an Beschäftigung wie an wirtschaftlicher Wertschöpfung stattfindet.''“<ref>[[Ditmar Brock]]: ''Industrielle Revolution und moderne Industriegesellschaft.'' Wiesbaden 2011, S. 280.</ref>


* ''Kriterium der Verständlichkeit:''
Die Agrargesellschaft hebt sich von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft durch eine geringe [[Arbeitsteilung]], starke [[Selbstversorgung]] und geringer Pendelwanderung der Beschäftigten ab. Die Menschen leben hier oft in [[Großfamilie]]n. [[Freizeit]] und [[Arbeitszeit]] verschmelzen oft. Die Bevölkerungsmehrheit ist mit der Herstellung von Agrarprodukten beschäftigt. Die Geburten- und Sterberaten sind beide hoch. Das Zusammenleben ist häufig von einer gemeinsamen Religion, alten Sitten, Bräuchen, Traditionen und Gewohnheiten geprägt.<ref>Karl-Heinz Hillmann: ''Wörterbuch der Soziologie.'' Stuttgart 2007, Kapitel: Agrargesellschaft, S. 12.</ref>
: Eine bedeutende pragmatische Bestimmungsgröße zur Definition einer Sprache als Einzelsprache ist die gegenseitige Verständlichkeit. Wenn ein Sprecher A sich seiner [[Muttersprache]] bedient und ein Sprecher B ebenfalls unter Anwendung seiner Muttersprache das von A Gesagte nicht versteht, werden diese beiden Sprachen als unabhängige Einzelsprachen betrachtet. Dieses schlüssig erscheinende Kriterium ist jedoch für die Definition einer Einzelsprache zumindest aus zwei Gründen nur bedingt brauchbar:
# Es gibt zum einen sehr wohl Varietäten einer Einzelsprache, bei denen die gegenseitige Verständlichkeit nicht gegeben ist (wie beispielsweise beim [[Walliserdeutsch]] gegenüber dem [[Standarddeutsch]] als Varietäten der deutschen Sprache). Zum anderen existieren auch unterschiedliche Einzelsprachen, bei denen eine gegenseitige Verständlichkeit trotzdem gegeben ist (beispielsweise die Abstandsprachen [[Schwedische Sprache|Schwedisch]] und [[norwegische Sprache|Norwegisch]] oder die Ausbausprachen [[Serbische Sprache|Serbisch]] und [[Kroatische Sprache|Kroatisch]]). Auch kann die Verständlichkeit nur in eine Richtung gegeben sein (beispielsweise verstehen Dänen gut Schwedisch, umgekehrt verstehen die Schweden aber kaum [[Dänische Sprache|Dänisch]]).
# Zusätzlich spielt das persönliche Moment eine Rolle. Sprachbegabte Personen oder solche, die bereits mehrere Sprachen beherrschen, können sich leichter als andere in eine fremde Varietät einhören. Auch der Faktor Schriftlichkeit – Mündlichkeit kann dabei eine Rolle spielen. Während die einen [[geschriebene Sprache]] leichter verstehen, ist für andere möglicherweise die [[gesprochene Sprache]] besser verständlich.  


* ''Sprachpolitische Kriterien:''
Die mit geringem oder keinem maschinellen Einsatz hergestellten landwirtschaftlichen Produkte dienen dabei vor allem der Selbstversorgung. Handel mit landwirtschaftlichen Produkten findet nur in geringem Maß statt, so dass der überwiegende Teil der Bevölkerung in der landwirtschaftlichen Produktion beschäftigt ist.
: Da sich der Anwendungsbereich einer sprachlichen Varietät und staatliche Grenzen oft (zumindest weitgehend) decken, spielen häufig auch [[Sprachpolitik|sprachpolitische]] Entscheidungen wesentlich mit, welche Varietät als Einzelsprache gilt. Ein [[Staat]] kann, um seiner Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, auch eine eigenständige [[Nation]] zu sein, Einrichtungen schaffen, die die im Lande verwendeten sprachlichen Varietäten zu einem Standard vereinheitlichen und diese standardisierte Varietät mittels Wörterbüchern und Grammatiken zur Norm erklären. Damit einher geht oft eine gesetzliche Vorschrift, welche diese Varietät gleichzeitig als Amtssprache festlegt. Zudem werden solche Varietäten dann auch in den Massenmedien des Landes verwendet. Umstände dieser Art liegen etwa im Falle des [[bosnische Sprache|Bosnischen]] gegenüber dem Serbischen und Kroatischen vor. Damit in Zusammenhang stehen auch beispielsweise Fragen, wie viele Menschen eine solche Varietät zur Muttersprache haben oder ob literarische Werke in diesen Varietäten vorliegen. Solche Faktoren sind oft mitbestimmend für die Entscheidung, welcher Status einer Minderheitensprache in einem Land zukommt.


== Soziolinguistischer Status von Einzelsprachen ==
== Gegenwart ==
Staaten legen gesetzlich fest, welche Sprachen als Amtssprachen gelten und welche als Minderheitensprachen ebenfalls bei Ämtern, Behörden und vor Gericht verwendet werden können. Damit verbunden ist ein gewisser politischer Status der Menschen, die diese Sprachen sprechen. Daher ist es für die Anerkennung als Amts- oder Minderheitensprache in vielen Fällen unerheblich, wie viele Personen im Land eine bestimmte Sprache sprechen, sondern nur, wer diese Sprachen spricht. Denn obwohl beispielsweise in Deutschland weitaus mehr Menschen [[Türkische Sprache|Türkisch]] sprechen als [[Sorbische Sprachen|Sorbisch]] oder in Österreich ebenfalls mehr Menschen Türkisch sprechen als [[Burgenlandkroatische Sprache|Burgenlandkroatisch]] oder [[Ungarische Sprache|Ungarisch]], haben in diesen Ländern jeweils nur letztere den Status einer Minderheitensprache, da ihre Sprecher als [[Indigene Völker|autochthon]] gelten und damit auch ein angestammtes Recht auf die Verwendung ihrer Sprachen politisch einfordern können.


In der Mehrheit der Fälle fungiert eine anerkannte Einzelsprache auch als Amtssprache eines Landes. Dies betrifft im Grunde auch [[Gebärdensprache]]n, die in einigen Ländern als Amtssprachen anerkannt sind. Jedoch ist es möglich, dass auch Nicht-Einzelsprachen als Minderheitensprache anerkannt werden. Dies ist beispielsweise in der Schweiz der Fall, wo das [[Jenische Sprache|Jenische]] als Minderheitensprache gilt, während es sprachwissenschaftlich als [[Sondersprache|sondersprachliche]] Variante oder [[Soziolekt]] des Deutschen eingestuft wird.
Die industrialisierten [[Stadt|Städte]] und Zentren in der [[Dritte Welt|Dritten Welt]] sind auch heute noch meist von agrarisch dominierten Bereichen umschlossen. Daraus resultierten zahlreiche gesellschaftliche und soziale Probleme, da sich z. B. die [[Sozialisation]] auf dem Land entscheidend von der Sozialisation in einer industrialisierten Stadt unterscheidet. Dies führt oft zur sozialen und politischen Aufspaltung der Gesellschaften in Land- und Stadtbevölkerung.
 
== Einzelsprache und Dialekt ==
Vielfach sind neben wissenschaftlichen Kriterien auch politische Faktoren dafür ausschlaggebend, welche Varietät überhaupt als eine eigenständige Einzelsprache anerkannt wird und welche Varietäten als Dialekte einer solchen gelten. So ist beispielsweise in Spanien derzeit [[Katalanische Sprache|Katalanisch]] als eigenständige Sprache anerkannt, [[Asturische Sprache|Asturisch]] nur bedingt und dem [[Aragonesische Sprache|Aragonesischen]] kommt bislang nur der Status eines Dialekts des Spanischen zu.
 
Um mehr Gewicht zu bekommen, kann es auch möglich sein, dass verschiedene dialektale Varietäten einer kleinen Sprachgruppe zu einer einheitlichen Standardvarietät normiert, also vereinheitlicht werden, um wissenschaftlich, sozial und politisch als eigenständige Sprache anerkannt zu werden. Dies liegt etwa im Falle des [[Ladinische Sprache|Ladinischen]] in Norditalien vor.
 
Auch die unscharfe Definition der gegenseitigen Verständlichkeit macht gegebenenfalls die Abgrenzung zwischen Einzelsprachen und Dialekten zu einer politisch (oder soziologisch) motivierten Entscheidung, die sogar bewusst linguistische Fakten ignorieren kann. Da die Fremd- und Selbstidentifizierung einer (Volks-)Gemeinschaft als zusammengehörige Gruppe weitestgehend auch über ihre Sprache vorgenommen wird, spielen besonders in Fällen von Staatsgründungen politische Momente eine wesentliche Rolle, welche sprachliche Varietät zu einer selbständigen Einzelsprache (des jeweiligen Staatsvolkes) erklärt und damit als Amtssprache festgelegt wird. Solche Entscheidungen sind oft umstritten.
 
=== Dialekte als Einzelsprachen ===
Viele Varietäten, die gemessen am Verstehenskriterium linguistisch als Dialekte klassifiziert werden, gelten aus politischer Sicht als eigenständige Sprachen. Die Motivation ist in solchen Fällen die politische Abgrenzung von der Sprechergruppe, die in einem anderen Staat lebt. Beispiele dafür sind unter anderem [[Malaiische Sprache|Malaiisch und Indonesisch]] oder Serbisch und Kroatisch, wobei die Abgrenzung zwischen letzteren durch die Verwendung einer anderen Schrift (die [[kyrillische Schrift]] im Falle des Serbischen gegenüber der lateinischen beim Kroatischen) gefördert wird. (Vgl. auch [[Serbokroatisch]].)
 
Einige weitere Beispiele von politisch umstrittenen Fällen, in denen Dialekte zu Einzelsprachen erklärt werden, sind etwa folgende:
* [[Persische Sprache|Dari]] (Afghanistan) = Dialekt von [[Persische Sprache|Persisch]]
* [[Elsässisch]], [[Luxemburgische Sprache|Luxemburgisch]] = Dialekte des [[Deutsche Sprache|Deutschen]]
* [[Galicische Sprache|Galicisch]] (Spanien) = Dialekt des [[Portugiesische Sprache|Portugiesischen]]
* [[Korsisch]] (Korsika) = Dialekt des [[Italienische Sprache|Italienischen]]
* [[Laotische Sprache|Lao]] (Laos) = Dialekt des [[Thailändische Sprache|Thai]] (oder umgekehrt) (unterschiedliche Schrift)
* [[Mazedonische Sprache|Mazedonisch]] = Dialekt des [[Bulgarische Sprache|Bulgarischen]]
* [[Moldauische Sprache|Moldauisch]] (Moldawien) = politisch motivierte Alternativbezeichnung des [[Rumänische Sprache|Rumänischen]] (zeitweise unterschiedliche Schrift)
* [[Urdu]] (Pakistan) = Dialekt des [[Hindi]] (Indien) (oder umgekehrt; zusammen auch als [[Hindustani]] bezeichnet) (unterschiedliche Schrift)
* [[Valencianische Sprache|Valencianisch]] (Spanien) = Dialekt des [[Katalanische Sprache|Katalanischen]]
 
Sprachpolitische Entscheidungen ähnlicher Art finden sich in ehemaligen Kolonialstaaten Afrikas oder Asiens, wenn aus Gründen der Abgrenzung einheimische Sprachen zu einem Standard genormt, als Einzelsprache kodifiziert und neben der [[Kolonialsprache]] als Amtssprache festgelegt werden, wie es etwa in Südafrika vorgenommen wurde, das heute elf anerkannte Amtssprachen aufweist.
 
=== Einzelsprachen als Dialekte ===
Ebenso kann aus politischen Gründen der umgekehrte Fall vorliegen. Die Sprecher gewisser Sprachen können sich untereinander zwar nicht verstehen, aber die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Staat oder eine andere ideologische Gemeinsamkeit führt dazu, dass eine Regierung Einzelsprachen mehr oder weniger gewaltsam als Dialekte einer gemeinsamen Staatssprache oder als Dialekte der Sprache der herrschenden Volksgruppe deklariert; so etwa in den Fällen
* [[Hochchinesisch]] (Mandarin), das [[nordchinesische Dialekte]], [[Kantonesisch]], [[Wu (Sprache)|Wu]] und weitere Sprachen umfasst. Die Verständigung erfolgt über eine [[Standardsprache]] und eine mehr oder weniger einheitliche [[Geschriebene Sprache|Schriftsprache]];
* [[Arabische Sprache|Arabisch]], das aufgrund gemeinsamer Zugehörigkeit zum Islam und einer gemeinsamen Schriftsprache untereinander unverständliche „Dialekte“ verbindet.
 
== Verstehensgemeinschaften ==
Viele Einzelsprachen sind nahe miteinander verwandt, sodass bei den Sprechern solcher Sprachen zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen eine Zwischenstufe existiert: Ein Verstehen des anderen ist zwar nicht von Anbeginn gegeben, aber man kann sich an die andere Sprache „gewöhnen“, ohne explizit [[Grammatik]] und [[Wortschatz]] lernen zu müssen. Solche Verstehensgemeinschaften bilden etwa die Einzelsprachen folgender Sprachgruppen:
 
{| class="wikitable"
|-
! Sprachgruppe !! Einzelsprachen
|-
| [[Germanische Sprachen]] || [[Deutsche Sprache|Deutsch]], [[Niederdeutsche Sprache|Niederdeutsch]], [[Niederländische Sprache|Niederländisch]], [[Afrikaans]], [[Jiddisch]]
|-
|  || [[Skandinavische Sprachen]]: [[Dänische Sprache|Dänisch]], [[Norwegische Sprache|Norwegisch]], [[Schwedische Sprache|Schwedisch]]
|-
| [[Slawische Sprachen]] || [[Ostslawische Sprachen]]: [[Russische Sprache|Russisch]], [[Ukrainische Sprache|Ukrainisch]], [[Weißrussische Sprache|Weißrussisch]]
|-
|  || [[Südslawische Sprachen]]: [[Serbische Sprache|Serbisch]], [[Kroatische Sprache|Kroatisch]], [[Slowenische Sprache|Slowenisch]], [[Mazedonische Sprache|Mazedonisch]], [[Bulgarische Sprache|Bulgarisch]]
|-
|  || [[Westslawische Sprachen]]: [[Polnische Sprache|Polnisch]], [[Slowakische Sprache|Slowakisch]], [[Tschechische Sprache|Tschechisch]], [[Sorbische Sprachen|Sorbisch]]
|-
| [[Romanische Sprachen]] || [[Spanische Sprache|Spanisch]], [[Portugiesische Sprache|Portugiesisch]], [[Katalanische Sprache|Katalanisch]], [[Portuñol]] (Mischsprache zwischen Spanisch und Portugiesisch)
|-
| || [[Spanische Sprache|Spanisch]], [[Italienische Sprache|Italienisch]]
|-
| || [[Französische Sprache|Französisch]], [[Okzitanische Sprache|Okzitanisch]]
|-
| [[Französische Gebärdensprachen]] || [[Wikipedia:Französische Gebärdensprache|Französisch]]
|-
| || [[Österreichisch-ungarische Gebärdensprachen]]: [[Wikipedia:Österreichische Gebärdensprache|Österreichisch]], [[Wikipedia:Ungarische Gebärdensprache|Ungarisch]], [[Wikipedia:Tschechische Gebärdensprache|Tschechisch]], [[Wikipedia:Slowakische Gebärdensprache|Slowakisch]]
|-
| || [[Wikipedia:Deutschschweizer Gebärdensprache|Deutschschweizerisch]]
|-
| [[Deutsche Gebärdensprachen]] || [[Wikipedia:Deutsche Gebärdensprache|Deutsch]], [[Wikipedia:Polnische Gebärdensprache|Polnisch]]
|-
| || [[Wikipedia:Israelische Gebärdensprache|Israelisch]]
|}
 
Wenn in typischen Kommunikationssituationen die Sprecher solcher Sprachen jeweils ihre eigene Sprache verwenden, kann bei häufigem und längerem Kontakt eine neue [[Mischsprache]] entstehen.
 
== Mediale Formen ==
Einzelsprachen werden in [[Medium (Kommunikation)|medialer]] Hinsicht gemeinhin als ein System von menschlichen [[Phon (Linguistik)|Sprachlauten]] (→&nbsp;[[Lautsystem]]) gesehen; jede Einzelsprache ist somit zugleich eine [[Lautsprache]].
 
Nichtsdestoweniger können Einzelsprachen aber auch in Form von [[Gebärdensprache]]n existieren, wobei auch in dieser Ausdrucksform jede Sprache ihr eigenes System von Gebärden aufweist. Das bedeutet, dass englische Gebärdensprachen sich von deutschen unterscheiden, die ebenfalls landesspezifisch unterschiedlich ausgeformt sind.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Einzelsprache}}
* {{WikipediaDE|Agrargesellschaft}}


== Einzelnachweise ==
== Referenzen ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Sprache]]
[[Kategorie:Gesellschaft]]
[[Kategorie:Einzelsprache|!]]
[[Kategorie:Wirtschaftsordnung]]
[[Kategorie:Sprachwissenschaften]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 27. September 2017, 06:23 Uhr

Die Agrargesellschaft ist eine vormoderne Gesellschaft mit einem hohen Anteil an Beschäftigten in der Landwirtschaft als dem primären Wirtschaftssektor.

Geschichte

Die Agrargesellschaft löste die Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften ab und entstand vor etwa 12.000 Jahren. Die Domestizierung der Nutzpflanzen und Nutztiere war soweit fortgeschritten, dass die Menschen ihre Arbeit überwiegend als Bauern oder Viehzüchter organisierten. Da die Angehörigen der Agrargesellschaft mit Ausnahme der Hirtenvölker wegen der Bodenbewirtschaftung meist sesshaft sind, können größere Bestände an materiellen Gütern zusammengetragen und errichtet werden.[1]

Alle europäischen Gesellschaften zwischen der neolithischen Revolution und der industriellen Revolution waren Agrargesellschaften, d. h. die kleinen und wenigen Städte waren jeweils in ein größeres agrarisch geprägtes Umfeld eingebettet, das diese mit Lebensmitteln versorgte. Die Umwandlung dieser Agrargesellschaften in Industriegesellschaften erfolgte unter anderem durch die Industrialisierung der Landwirtschaft.

Jeder landwirtschaftliche Betrieb konnte durch Einsatz von Maschinen und chemischen Düngemitteln ein Mehrfaches an Produkten erzeugen, als für die Versorgung der in diesem Betrieb arbeitenden Menschen, meist Familienmitglieder, notwendig war. Dadurch wurden, unter der häufigen Begleiterscheinung von massenhaftem Elend, Arbeitskräfte für die Industrie freigesetzt.

Im europäischen Mittelalter entwickelte sich ein Feudalsystem innerhalb der Agrargesellschaften.

Merkmale

Alle modernen Gesellschaften waren Agrargesellschaften, wandelten sich später in Industriegesellschaften, um im Laufe der Zeit Dienstleistungsgesellschaften zu werden. Dieser historische Ablauf wird Drei-Sektoren-Hypothese genannt. Er sagt aus, dass „in dem namensgebenden Sektor jeweils der Hauptanteil an Beschäftigung wie an wirtschaftlicher Wertschöpfung stattfindet.[2]

Die Agrargesellschaft hebt sich von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft durch eine geringe Arbeitsteilung, starke Selbstversorgung und geringer Pendelwanderung der Beschäftigten ab. Die Menschen leben hier oft in Großfamilien. Freizeit und Arbeitszeit verschmelzen oft. Die Bevölkerungsmehrheit ist mit der Herstellung von Agrarprodukten beschäftigt. Die Geburten- und Sterberaten sind beide hoch. Das Zusammenleben ist häufig von einer gemeinsamen Religion, alten Sitten, Bräuchen, Traditionen und Gewohnheiten geprägt.[3]

Die mit geringem oder keinem maschinellen Einsatz hergestellten landwirtschaftlichen Produkte dienen dabei vor allem der Selbstversorgung. Handel mit landwirtschaftlichen Produkten findet nur in geringem Maß statt, so dass der überwiegende Teil der Bevölkerung in der landwirtschaftlichen Produktion beschäftigt ist.

Gegenwart

Die industrialisierten Städte und Zentren in der Dritten Welt sind auch heute noch meist von agrarisch dominierten Bereichen umschlossen. Daraus resultierten zahlreiche gesellschaftliche und soziale Probleme, da sich z. B. die Sozialisation auf dem Land entscheidend von der Sozialisation in einer industrialisierten Stadt unterscheidet. Dies führt oft zur sozialen und politischen Aufspaltung der Gesellschaften in Land- und Stadtbevölkerung.

Siehe auch

Referenzen

  1. Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 2007, Kapitel: Agrargesellschaft, S. 12f.
  2. Ditmar Brock: Industrielle Revolution und moderne Industriegesellschaft. Wiesbaden 2011, S. 280.
  3. Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 2007, Kapitel: Agrargesellschaft, S. 12.


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