Carl Stumpf und Erich Becher: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Carl Stumpf''' (* 21. April 1848 in Wiesentheid; † 25. Dezember 1936 in Berlin) war ein deutscher [[Philosophie|Philosoph]], [[Psychologie|Psychologe]] und [[Musikwissenschaft|Musikforscher]]. Er gründete 1894 das Psychologische Institut Berlin.
'''Erich Becher''' (* 1. September 1882 in Reinshagen bei Remscheid; † 5. Januar 1929 in München) war ein deutscher [[Philosoph]] und [[Psychologe]].


== Leben und Leistungen ==
== Leben und Werk ==
Erste musikalische Unterweisung erhielt er von seinem hochmusikalischen Vater, dem Landgerichtsrat Eugen Stumpf, die weitere musikalische Ausbildung erfolgte an den Gymnasien in Kitzingen, Bamberg und ab 1863 in Aschaffenburg, wobei er sechs Instrumente erlernte und als Autodidakt sich Kenntnisse in Harmonielehre und Kontrapunkt erwarb.
Er studierte unter [[Franz Brentano]] und [[Rudolf Hermann Lotze]]. Stumpf hatte einen entscheidenden Einfluss auf [[Edmund Husserl]], den Gründer der modernen [[Phänomenologie]], [[Max Wertheimer]], [[Wolfgang Köhler (Psychologe)|Wolfgang Köhler]] und [[Kurt Koffka]], die Mitbegründer der [[Gestaltpsychologie]], sowie auf [[Kurt Lewin]]. Er ist auch bekannt auf Grund seiner Einführung des Begriffs „[[Sachverhalt]]“ in die [[Philosophie]], der später vor allem durch Husserl verbreitet wurde.


Stumpf war einer der ersten Studenten Franz von Brentanos und blieb auch immer sehr nahe an seinen frühen Theorien. Er schrieb 1868 seine Dissertation unter Lotze an der [[Universität Göttingen]] und habilitierte sich ebenfalls dort 1870. Später interessierte er sich immer mehr für empirische Methoden in der [[Experimentelle Psychologie|experimentellen Psychologie]] und wurde ein Pionier dieser neuen Disziplin. Er unterrichtete in [[Göttingen]], wurde dann Professor in [[Würzburg]] und später in [[Prag]], [[Halle (Saale)|Halle]], [[München]] und schließlich in Berlin, wo seine Schüler [[Max Wertheimer]], [[Kurt Koffka]] und [[Wolfgang Köhler (Psychologe)|Wolfgang Köhler]] die [[Gestalttheorie|Berliner Schule der Gestalttheorie]] gründeten.
Becher besuchte von 1889 bis 1893 die Volksschule und ab 1893 das Realgymnasium in Remscheid, das er 1901 verließ. Anregungen aus Kunst, Wissenschaft und Religion, die ihm durch das Elternhaus vermittelt wurden, entwickelten in ihm religiöse, ethische, soziale, auch naturwissenschaftliche und technische Interessen. An Ostern 1901 ging er an die [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Universität Bonn]] und besuchte Vorlesungen der Mathematik, der Physik, der Nationalökonomie und der Philosophie bei [[Benno Erdmann]], der ihn zu seiner ersten gedruckten Schrift über eine „Abhandlung über den Attributsbegriff“ [[Baruch Spinoza|Spinozas]] anregte und die 1903 veröffentlicht wurde. Gleichfalls durch Erdmann angeregt, brachte er im Winter 1903/1904 seine Dissertation zur ''Psychologie des Lebens'' zum Abschluss und erhielt im Februar 1904 den Doktor in Philosophie, Physik und Mathematik. Hiernach wirkte er als Assistent für [[Mathematik]] bei J. Sommer, der dort Vorlesungen über Geodäsie abhielt, an der ''Landwirtschaftlichen Akademie'' in [[Bonn-Poppelsdorf]].


[[Datei:Ehrengrab Thuner Platz 2-4 (Lichtf) Carl Stumpf.jpg|mini|hochkant|Ehrengrab, Parkfriedhof [[Berlin-Lichterfelde]]]]
Im Sommersemester 1904 beendete Becher seine Studienzeit, entschied sich im Sommer 1904 zu einem Staatsexamen für das höhere Lehramt und bestand in Philosophie, Physik und Mathematik. Sodann begann er seine Habilitationsschrift ''Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften'' zu schreiben. 1907 wurde Becher Privatdozent für Philosophie an der Universität Bonn und vollendete im gleichen Jahr eine Schrift über ''Die Grundfragen der Ethik''.


In seiner ''Tonpsychologie'' sah Stumpf das Wesen der [[Konsonanz]] in der Verschmelzung. Nach einer Auseinandersetzung mit [[Hugo Riemann]] über Konsonanz und [[Dissonanz]] von Drei- und Mehrklängen revidierte er jedoch seinen Standpunkt und führte die Begriffe „Konkordanz“ und „Diskordanz“ ein. Zusammen mit seinem Schüler [[Erich Hornbostel]] begründete er 1900 in [[Berlin]] ein Phonogramm-Archiv, das zum Ausgangspunkt der [[Musikethnologie]] wurde.<ref>{{Literatur |Hrsg=Willibald Gurlitt, Hans Heinrich Eggebrecht |Titel=Riemann Musik Lexikon |Band=Personenteil L-Z |Verlag=B.Schott’s Söhne |Ort=Mainz |Datum=1961 |Seiten=753}}</ref>
Im Herbst 1909 wurde er als ordentlicher Professor an die [[Westfälische Wilhelms-Universität|Universität Münster]] berufen. Von 1916 bis 1929 wirkte als Professor an der [[LMU München]], wo er den [[Vitalismus]] (Psychovitalismus) vertrat, indem er davon ausging, dass es ein ''überindividuelles Seelisches'' gibt, das sich in allen Organismen verteilt. Sein Assistent von 1920 bis 1926 war der Musikwissenschaftler [[Kurt Huber]], das spätere Mitglied der [[Weiße Rose|Weißen Rose]]. Seit 1924 war Becher ordentliches Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]].<ref>{{BAdW|146|Name=Erich Becher |Kommentar=mit Link zu einem Nachruf |Datum=6. Januar 2017}}</ref>


Zusammen mit seinem Studenten [[Oskar Pfungst]] löste er 1907 das Rätsel um den [[Kluger Hans|Klugen Hans]] und verhalf damit der experimentellen Psychologie zum Durchbruch. 1926 definierte er, auf Anstoß von [[Wolfgang Köhler (Psychologe)|Wolfgang Köhler]], den Begriff [[Formant]].<ref>[http://www3.interscience.wiley.com/journal/112508819/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0 interscience.wiley.com]</ref>
== Werke (Auswahl) ==
 
* ''Der Begriff des Attributes bei Spinoza'', Hrsg. von B. Erdmann, Halle 1905
Carl Stumpf promovierte [[Robert Musil]], der am 31. Januar 1908 seine Dissertation zum Thema ''Beitrag zur Beurteilung der Lehren [[Ernst Mach|Machs]]'' eingereicht hatte.<ref>Karl Corino: ''Robert Musil.'' Reinbek 1989, S. 142.</ref>
* ''Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften'', Leipzig 1907
 
* ''Die Grundfrage der Ethik'', Köln o.&nbsp;J. (1907)
Stumpf wurde auf dem [[Parkfriedhof Lichterfelde]] in [[Berlin-Lichterfelde]] beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu den [[Liste der Ehrengräber in Berlin|Ehrengräbern des Landes Berlin]].
* ''Der Darwinismus und die soziale Ethik'', Leipzig 1909
 
* ''Erziehung zur Menschenliebe und Helfersystem'', Langensalza 1914
== Schriften ==
* ''Weltgebäude, Weltgesetze, Weltentwicklung'', Berlin 1915
 
* ''Die fremddienliche Zweckmäßigkeit der Pflanzengallen und die Hypothese eines überindividuellen Seelischen'', Leipzig 1917
* ''Verhältnis des Platonischen Gottes zur Idee des Guten.'' Halle 1869.
* ''Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften. Untersuchungen zur Theorie und Einteilung der Realwissenschaften'', Berlin 1921
* ''Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung.'' 1873.
* ''Deutsche Philosophen. Lebensgang und Lehrgebäude von [[Kant]], [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schelling]]]], Max Fechner, Johann Eduard Erdmann, [[Ernst Mach]], [[Carl Stumpf]], Clemens Baeumker, Rudolf Eucken, Siegfried Becher. Mit einem Abriß über: Die Philosophie der Gegenwart von Erich Becher und mit einer Einleitung: Erich Bechers Entwicklung und Stellung in der Philosophie der Gegenwart von Aloys Fischer''. Leipzig 1929
* ''Tonpsychologie.'' 2 Bände. 1883 bis 1890. (Hauptwerk)
* ''Psychologie und Erkenntnistheorie.'' München 1891.
* ''Tafeln zur Geschichte der Philosophie.'' Berlin 1896.
* [http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit8473 ''Die pseudo-aristotelischen Probleme der Musik.''] Berlin 1897.
* ''Eröffnungsrede des Präsidenten, Prof. Dr. Carl Stumpf.'' In: ''Dritter Internationaler Congreß für Psychologie im München vom 4.-7. August 1896.'' Berlin 1897.
* ''Der Entwicklungsgedanke in der gegenwärtigen Philosophie.'' Festrede, gehalten am Stiftungstage der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen, 2. Dezember 1899. Berlin 1899.
* ''Der Entwicklungsgedanke in der gegenwärtigen Philosophie.'' Berlin 1900.
* ''[http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/references?id=lit38487&page=p0139 Tontabellen].'' In: ''Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft.'' Heft 3/1901, S. 139–146, Tafeln I-IX.
* ''Zur Einteilung der Wissenschaften.'' Berlin 1906.
* ''Erscheinungen und psychische Funktionen.'' In: ''Abhandlungen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Abhandlungen.'' IV, 1906, S. 1–40. (2. Auflage. 1907)
* ''Die Wiedergeburt der Philosophie.'' Berlin 1907.
* ''Richtungen und Gegensätze in der heutigen Psychologie.'' In: ''Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik.'' Beiträge der ''Münchner Allgemeinen Zeitung.'' 19. Oktober 1907, S. 903–914.
* ''Vom ethischen Skeptizismus.'' Berlin 1908.
* [http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit38242 ''Das Berliner Phonogrammarchiv.''] In: ''Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik.'' Beilage der ''Münchner Allgemeine Zeitung.'' 22. Februar 1908, S. 225–246.
* ''Philosophische Reden und Vorträge.'' Leipzig 1910.
* [http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit8163 ''Das psychologische Institut.''] In: M. Lenz (Hrsg.): ''Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin.'' 3. Band, Halle, 1910, S. 202–207.
* ''Konsonanz und Konkordanz.'' In: Vertreter deutscher Musikwissenschaft (Hrsg.): ''Festschrift zum 90. Geburtstage Rocchus Freiherrn von Liliencron.'' Leipzig 1910, S. 329–349.
* [https://archive.org/details/dieanfngedermus00stumgoog ''Die Anfänge der Musik.''] Leipzig 1911
* ''Zum Gedächtnis Lotzes.'' In: ''Kantstudien.'' XXII, Heft 1–2, 1917, S. 1–26.
* ''Empfindung und Vorstellung.'' 1918.
* ''Erinnerungen an Franz Brentano.'' In: O. Krause (Hrsg.): ''Franz Brentano. Zur Kenntnis seines Lebens und seiner Lehre.'' München 1919, S. 87–149.
* ''[http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/references?id=lit38509 Singen und Sprechen].'' In: ''Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft.'' Heft 9/1924, S. 38–74.
* ''Phonetik und Ohrenheilkunde.'' In: ''Beiträge zur Anatomie. Physiologie, Pathologie und Therapie des Ohres, der Nase und des Halses.'' 22, 1925, S. 1–8.
* ''[http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/references?id=lit8526&page=a0004 Die Sprachlaute. Experimentell-phonetische Untersuchungen. Nebst einem Anhang über Instrumentalklänge].'' Berlin 1926.
* ''Gefühl und Gefühlsempfindung.'' 1928.
* ''William James nach seinen Briefen. Leben - Charakter - Lehre.'' Berlin 1928.
* Carl Stumpf: [http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/library/data/lit38577 ''Selbstdarstellung.''] In: Raymund Schmidt (Hrsg.): '' Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen.'' Band 5, Leipzig 1924.
* ''Schriften zur Psychologie.'' neu herausgegeben und mit einer biographischen Einleitung versehen von Helga Sprung. Frankfurt am Main 1997.
* ''Erkenntnislehre.'' Band 1, Leipzig 1939. (Reprint: 2011, Pabst Science Publishers, ISBN 978-3-89967-740-9)
* ''Erkenntnislehre.'' Band 2, Leipzig 1940. (Reprint: 2011, Pabst Science Publishers, ISBN 978-3-89967-740-9)


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Carl Stumpf}}
* {{WikipediaDE|Erich Becher}}
* {{WikipediaDE|Brentanoschule}}
* {{WikipediaDE|Gestaltpsychologie}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070629115622/http://www.bautz.de/bbkl/s/s4/stumpf_c.shtml |band=16|spalten=1480-1482|autor=Carl-Friedrich Geyer}}
* Raimund Schmidt (Hrsg., Einf.): ''Die deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen.'' Erster Band: Paul Barth, Erich Becher, Hans Driesch, Karl Joël, Alexius Meinong, Paul Natorp, Johannes Rehmke, Johannes Volkelt. Verlag von Felix Meiner, Leipzig 1921 {{NDB|1|688|689|Becher, Erich|Aloys Wenzl|116099453}}
* Gerhard Oberkofler, Peter Goller: ''Franz Brentano. Briefe an Carl Stumpf 1867–1917.'' Graz 1989.
* Helga Sprung: ''Carl Stumpf – Eine Biografie. Von der Philosophie zur Experimentellen Psychologie.'' Profil, München/ Wien 2006, ISBN 3-89019-600-4.
* Silvia Bonacchi, Geert-Jan Boudewijnse: ''Carl Stumpf – From Philosophical Reflection to Interdisciplinary Scientific Investigation.'' Krammer, Wien 2011, ISBN 978-3-901811-57-9.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikisource}}
* {{DNB-Portal|116099453}}
* {{DNB-Portal|118933299}}
 
* [http://vlp.mpiwg-berlin.mpg.de/references?id=per307 Kurzbiografie und Verweise auf digitale Quellen im Volltext] im Virtual Laboratory des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (englisch)
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/stumpf/|Carl Stumpf|Denis Fisette}}
* [http://www.archive.org/details/PsychologieUndErkenntnistheorie Psychologie und Erkenntnistheorie - archive.org] (PDF; 2 MB)


== Einzelnachweise ==
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<references />


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Version vom 3. August 2018, 00:11 Uhr

Erich Becher 1909

Erich Becher (* 1. September 1882 in Reinshagen bei Remscheid; † 5. Januar 1929 in München) war ein deutscher Philosoph und Psychologe.

Leben und Werk

Becher besuchte von 1889 bis 1893 die Volksschule und ab 1893 das Realgymnasium in Remscheid, das er 1901 verließ. Anregungen aus Kunst, Wissenschaft und Religion, die ihm durch das Elternhaus vermittelt wurden, entwickelten in ihm religiöse, ethische, soziale, auch naturwissenschaftliche und technische Interessen. An Ostern 1901 ging er an die Universität Bonn und besuchte Vorlesungen der Mathematik, der Physik, der Nationalökonomie und der Philosophie bei Benno Erdmann, der ihn zu seiner ersten gedruckten Schrift über eine „Abhandlung über den Attributsbegriff“ Spinozas anregte und die 1903 veröffentlicht wurde. Gleichfalls durch Erdmann angeregt, brachte er im Winter 1903/1904 seine Dissertation zur Psychologie des Lebens zum Abschluss und erhielt im Februar 1904 den Doktor in Philosophie, Physik und Mathematik. Hiernach wirkte er als Assistent für Mathematik bei J. Sommer, der dort Vorlesungen über Geodäsie abhielt, an der Landwirtschaftlichen Akademie in Bonn-Poppelsdorf.

Im Sommersemester 1904 beendete Becher seine Studienzeit, entschied sich im Sommer 1904 zu einem Staatsexamen für das höhere Lehramt und bestand in Philosophie, Physik und Mathematik. Sodann begann er seine Habilitationsschrift Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften zu schreiben. 1907 wurde Becher Privatdozent für Philosophie an der Universität Bonn und vollendete im gleichen Jahr eine Schrift über Die Grundfragen der Ethik.

Im Herbst 1909 wurde er als ordentlicher Professor an die Universität Münster berufen. Von 1916 bis 1929 wirkte als Professor an der LMU München, wo er den Vitalismus (Psychovitalismus) vertrat, indem er davon ausging, dass es ein überindividuelles Seelisches gibt, das sich in allen Organismen verteilt. Sein Assistent von 1920 bis 1926 war der Musikwissenschaftler Kurt Huber, das spätere Mitglied der Weißen Rose. Seit 1924 war Becher ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.[1]

Werke (Auswahl)

  • Der Begriff des Attributes bei Spinoza, Hrsg. von B. Erdmann, Halle 1905
  • Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften, Leipzig 1907
  • Die Grundfrage der Ethik, Köln o. J. (1907)
  • Der Darwinismus und die soziale Ethik, Leipzig 1909
  • Erziehung zur Menschenliebe und Helfersystem, Langensalza 1914
  • Weltgebäude, Weltgesetze, Weltentwicklung, Berlin 1915
  • Die fremddienliche Zweckmäßigkeit der Pflanzengallen und die Hypothese eines überindividuellen Seelischen, Leipzig 1917
  • Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften. Untersuchungen zur Theorie und Einteilung der Realwissenschaften, Berlin 1921
  • Deutsche Philosophen. Lebensgang und Lehrgebäude von Kant, Schelling]], Max Fechner, Johann Eduard Erdmann, Ernst Mach, Carl Stumpf, Clemens Baeumker, Rudolf Eucken, Siegfried Becher. Mit einem Abriß über: Die Philosophie der Gegenwart von Erich Becher und mit einer Einleitung: Erich Bechers Entwicklung und Stellung in der Philosophie der Gegenwart von Aloys Fischer. Leipzig 1929

Siehe auch

Literatur

  • Raimund Schmidt (Hrsg., Einf.): Die deutsche Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Erster Band: Paul Barth, Erich Becher, Hans Driesch, Karl Joël, Alexius Meinong, Paul Natorp, Johannes Rehmke, Johannes Volkelt. Verlag von Felix Meiner, Leipzig 1921 Aloys Wenzl: Becher, Erich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, S. 688 f. (Digitalisat).

Weblinks



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  1. Mitgliedseintrag von Erich Becher (mit Link zu einem Nachruf) bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 6. Januar 2017.