Mithras-Einweihung

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Kultrelief des Mithras, Rom, 2. Jahrhundert.

Die Mithras-Einweihung (von awest. Vertrag, Freundschaft), die den Kern des Mithraskultes (Mithraismus) bildet, der in der Römerzeit über fast ganz Europa verbreitet war, hat ihre ersten Wurzel in der urpersischen Zeit. Der Name Mithras geht auf den persischen Gott Mithra zurück, der weitgehend identisch mit dem indischen Gott Mitra ist. Obwohl sich der historische Zarathustra schon im 6. vorchristlichen Jahrhundert gegen die orgiastische Verehrung Mithras und gegen die blutigen Stieropfer gewandt hatte, wurde er von seinen Anhängern oft auch mit dem lichten Ahura Mazdao gleichgesetzt, dem der finstere Ahriman gegenübersteht bzw. galt als Vermittler dieser beiden Prinzipien. Als Geburtstag des Mithra feierte man den 25. Dezember, eine Tradition, die später im Jahre 354 das Christentum übernahm, als das Weihnachtsfest auf dieses Datum festlegte wurde.

Von den Römern wurde Mithras als Gott der staatlichen Ordnung angesehen und der Mithras-Kult war besonders bei den Legionären sehr beliebt, aber auch andere Staatsdiener, Kaufleute und sogar Sklaven nahmen daran teil. Nur Frauen waren strikt ausgeschlossen. Der Kult weist eine deutlich kosmische Orientierung auf und ist, anders als etwa der Buddhismus, nicht so sehr auf eine vertiefte Innerlichkeit, als vielmehr auf das praktische Wirken in der Welt gerichtet.

Die Mithras-Legende und ihre symbolische Darstellung

Mithraskultrelief aus dem 2./3. Jahrhundert, gefunden im Rheinland

Die Mythologie schildert, dass Mithras, der von einer Jungfrau in einer Felsenhöhle oder Grotte geboren wurde, vom Vatergott ausgesandt worden war, um die Welt und die Menschen vor ihrem Niedergang zu erretten. Meist wird Mithras als Jüngling dargestellt, der die charakteristische phrygische Mütze trägt. Die Innenseite seines Mantels ist mit Sternen ausgeschmückt.

Mithras verfolgt den Stier, den die luziferische Schlange umwindet. Ein Skorpion sticht zugleich in die Hinterbeine des Stiers und ein Hund oder Wolf springt an ihm hoch und beißt ihn. Nach mancher Deutung handelt es sich dabei um den Urstier Geush Urvan (awest. Seele des Rindes), der von Ahura Mazda zugleich mit dem Urmenschen Gayomart erschaffen worden war. Schließlich überwältigt Mithras den Stier und trägt ihn in seine Höhle, wo er ihn durch einen Dolchstoß in die Schulter tötet. Die Abbildungen zeigen, wie er dabei mit einem Bein auf dem Stier kniet, mit dem anderen stützt er sich ab. Die linke Hand reißt den Kopf des Stiers zurück, mit der Rechten sticht er zu. Mithras wendet dabei sein Gesicht vom Stier ab, ähnlich wie Perseus bei der Tötung der Medusa. Aus dem Leib des Stiers sollen alle Tiere und Pflanzen hervorgegangen sein und in seinem vergossenen Blut sind die Menschen gesegnet.

Auf den bildlichen Darstellungen ist oft auch ein Rabe, ein Löwe und ein Kelch zu sehen, alles Symbole, die auf einzelne Stufen der Mithras-Einweihung und zugleich auch auf die entsprechenden Sternbilder am Himmel hinweisen. Meist sind auch die zwei Fackelträger Cautes und Cautopates dargestellt, denen in der Griechische Mythologie die Zwillinge Kastor und Pollux entsprechen. Cautes richtet die Fackel nach oben, Cautopates abwärts. In ihnen spiegelt sich der Gegensatz von Licht und Finsternis, von Leben und Tod und Gut und Böse wider. Kosmologisch wird Cautes als Bild der Frühlings-Tagundnachtgleiche gedeutet und Cautopates als Symbol der Herbst-Tagundnachtgleiche.

Oft findet sich in den künstlerischen Darstellungen auch noch eine nackte, aufrecht stehende Menschengestalt mit Löwenkopf, um deren Leib sich spiralförmig eine Schlange windet.

Die Mithras-Tempel

Das Mithräum von Ostia (Italien)

Die Mithras-Tempel, die Mithräen, waren meist unterirdisch angelegt, in den römischen Städten oft in den Kellerräumen von Privathäusern, oder als künstliche Höhlen in den Fels gehauen und wurden von den Römern als spelunca (lat. Höhle) bezeichnet. Die meist rechteckigen und mit einem Tonnengewölbe versehenen Tempelanlagen sollten an die jungfräuliche Geburt des Mithras in der Felsenhöhle erinnern. Das Deckengewölbe war oft mit Bildern des Sternenhimmels bemalt und hatte gelegentlich auch kleine Öffnungen, durch die Licht hereinfiel. Die Zeremonien fanden nicht öffentlich statt, sondern waren nur ausgewählten Mysterienschülern zugänglich, die zu strenger Geheimhaltung verpflichtet wurden. Da die einzelnen Mithrasgemeinden einen engen Kreis von selten mehr als zwei Dutzend Mitglieder umfassten, war der Kultraum verhältnismäßig klein. Dafür erhöhte sich die Zahl der Tempel in der Blütezeit des Kults immer mehr. Im 3. Jahrhundert soll es alleine in Rom 800 Mithräen gegeben haben.

Der Tempeleingang lag im Westen und im Osten befand sich die Apsis mit dem Altar, zu dem oft sieben Stufen führten, die den 7 Stufen der Mithras-Einweihung entsprachen. Oberhalb des Altars befand sich ein großes Steinrelief, eine Skulptur oder ein Wandgemälde, das die Szene der Stiertötung zeigte.

Ähnlich wie die späteren christlichen Kirchen war der Innenraum des Tempels dreiteilig gegliedert. Der Mittelgang, die cella, wurde zu beiden Seiten von steinernen Podien flankiert, wo das rituelle Abendmahl eingenommen wurde und von wo aus die Kultgemeinde die Zeremonien verfolgte, die mit Bekränzungen, Handauflegen, Weihrauchopfern oder der Bestreichung der Zunge mit Honig einhergingen.

Die 7 Stufen der Mithras-Einweihung

Während sich die Eingeweihten der urindischen Zeit noch hellseherisch des Ätherleibes bedienen konnten, war es in der urpersischen Zeit nur mehr möglich, den Astralleib dazu heranzuziehen. Dabei strahlte die damals noch gar nicht eigenständig ausgebildete Empfindungsseele die Wirkungen der luziferischen Versuchung in den Astralleib zurück, die in ihrer Spiegelung von innen her aber als ahrimanische Wirkungen erlebt wurden. Es wurde darum in diesen Mysterien, in denen man den Weg nach innen suchte, und die später die Mithras-Mysterien genannt wurden, besonderer Wert darauf gelegt, die Empfindungsseele auszubilden und zu reinigen (Lit.: GA 113, S 162ff). Auf diesem Wege wurde die geistige Grundlage für die dritte nachatlantische Kulturperiode, für die ägyptisch-chaldäische Kultur, gelegt, die die eigentliche Empfindungsseelenkultur war.

War die Empfindungsseele entsprechend ausgebildet und gereinigt, dann lernte der Mithras-Schüler allmählich durch seine Herzorganisation sehr fein den Einfluss des Jahreslaufes auf sein Stoffwechsel-Gliedmaßen-System mitzuempfinden, das symbolisch durch den Stier dargestellt wurde:

„Und die Gewalten, die durch den Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen wirken und nur gezähmt werden durch den oberen Menschen, diese Gewalten werden durch alles dasjenige angegeben, was da als Skorpion, als die Schlange figuriert um den Stier herum. Und der eigentliche Mensch in seiner Krüppelhaftigkeit sitzt oben mit der primitiven Macht, indem er mit dem Michael-Schwerte in den Hals des Stieres hineinstößt. Aber was da zu besiegen ist, das wusste eben nur der, der in dieser Beziehung geschult war." (Lit.: GA 223, S 135ff)

Indem der Geistesschüler so durch sein Herz auf sich selber zurückblickte, konnte er den Gang der Sonne durch den Tierkreis studieren und daraus Anweisungen dafür geben, was zu welcher Jahreszeit zu tun war.

In der Mithras-Einweihung wurden sieben Stufen unterschieden:

  1. Als Corax (Rabe) wurde der Eingeweihte des ersten Grades bezeichnet. Er ist ein Bote zwischen der physischen und der astralischen Welt. Das Sinnbild des Raben ist immer wieder in diesem Sinn gebraucht worden. Im Alten Testament wird der Prophet Elias von den Raben versorgt. Raben sind die Boten Wotans, die täglich über das Erdenrund fliegen und ihm berichten, was sie wahrgenommen haben. Auch der Kyffhäuserberg, in dem Barbarossa schläft, wird von Raben umkreist, die ihm Nachricht geben sollen, wenn die Stunde des Erwachens für ihn gekommen ist. Auch Mephistopheles in Goethes Faust-Dichtung sendet zwei Raben als Boten aus.
  2. Als Nymphus (Bräutigam) oder Okkulter wird der zweite Grad bezeichnet. Er darf schon im inneren Heiligtum leben.
  3. Der Miles (Soldat), der Streiter ist der Eingeweihte des dritten Grades; er darf die okkulte Weisheit, die er in sich aufgenommen hat, vor der Welt vertreten. Lohengrin ist ein solcher Streiter.
  4. Leo, der Löwe, ist der vierte Grad der Einweihung. Er ist mit seinem Bewußtsein bis zur Stammesseele aufgestiegen ist. Daher rührt die Bezeichnung in der Bibel: Der Löwe aus dem Stamme Juda.
  5. Der Perses (Perser) ist Eingeweihter des fünften Grades. Er ist mit seinem Bewusstsein bis zur Volksseele aufgestiegen und trägt daher den Namen seines Volkes; in der Mithras-Einweihung heißt er darum Perser, in anderen Völkern entsprechend anders.
  6. Der Heliodromus (Sonnenläufer) oder Sonnenheld, von den Römern Sol invictus (lat. „der unbesiegte Sonnengott“) genannt, ist Eingeweihter des sechsten Grades. Er kann so wenig von seiner Bahn abweichen wie die Sonne selbst.
  7. Der Pater (Vater) ist die siebente Stufe und solchen Eingeweihten vorbehalten, die in ihrem Bewusstsein bis zur Vereinigung mit dem Urgeist gekommen sind.

Diesen sieben Einweihungsstufen wurden auch die sieben Wandelgestirne Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Sonne und Mond zugeordnet, durch deren Sphären die Seele durch die Einweihung oder im Leben nach dem Tod bis in die Tierkreisregion geführt wird.

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Kosmogonie, GA 94 (1979), S 261, München, 2. November 1906; für eine ausführlichere Darstellung der Mithras-Mysterien siehe ebd. S 208 ff., Berlin, 5. März 1906
  2. Rudolf Steiner: Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi, GA 113 (1982), Achter Vortrag, München, 30. August 1909
  3. Rudolf Steiner: Der Jahreskreislauf als Atmungsvorgang der Erde und die vier großen Festeszeiten, GA 223 (1990), Achter Vortrag, Dornach, 30. September 1923
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.