Schmerz und Entelechie: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Schmerz''' ([[Wikipedia:Althochdeutsche Sprache|althdt.]] ''smerzo'', möglicherweise abgleitet von [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ''smerdaléos'' = schrecklich, grässlich, furchtbar) beruht auf dem Bewusstwerden des unrichtig wachenden [[Astralleib]]s. Körperlich bedingter Schmerz ist eine undifferenzierte, komplexe [[Sinne]]s- und/oder [[Gefühl]]sempfindung, die aus einer partiellen Zerstörung des [[Leib]]es resultiert oder zumindest als eine solche empfunden wird. Schmerzen werden durch den [[Schmerzsinn]] oder [[Lebenssinn]] wahrgenommen. Die Zerstörung, insofern sie schmerzhaft ist, bildet die Grundlage des [[Bewusstsein]]s. Aus der Zerstörung des [[Leben]]s wird das Bewusstsein geboren und Schmerz ist die ursprünglichste, noch am wenigsten differenzierte Form des Bewusstseins. Wo sich hingegen das Leben völlig ungehindert entfalten kann, wird das Bewusstsein ausgelöscht.  
Unter '''Entelechie''' ({{ELSalt|ἐντελέχεια}}, ''entelecheia'') versteht man in der [[Philosophie]] etwas, das sein Ziel ([[Telos (Philosophie)|Telos]]) in sich selbst hat. Der Begriff wurde von [[Aristoteles]] in der [[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]] IX, 8 eingeführt (''siehe auch'' [[Akt und Potenz]]). Der Ausdruck ''Entelechie'' ist aus drei Bestandteilen (en-tel-echeia) zusammengesetzt: ''en'' (in), ''tel'' von ''telos'' (Ziel), ''echeia'' von ''echein'' (haben/halten).


== Schmerz als Grundlage des Bewusstseins ==
== Begriffsbedeutung ==
Der Begriff kann auf verschiedene Weise gedeutet werden.


Alles Bewusstsein ist letztlich aus dem [[Schmerz]] herausgeboren. Schmerz ist die ursprünglichste, noch am wenigsten differenzierte Form des Bewusstseins.
=== Entelechie als Reifegestalt ===


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In dieser Deutung bezeichnet Entelechie ein [[Individuum]], das sein Ziel in sich hat, also ein vollendetes Einzelding, ein Individuum im Vollendungszustand. Beispielsweise ist der [[Schmetterling]] die Entelechie der [[Wikipedia:Raupe (Schmetterling)|Raupe]], da der Schmetterling im Verhältnis zur Raupe die vollendete Gestalt erreicht hat.
"Wenn ein Wesen dem Zerfall entgegenarbeitet, dann ist
es ein lebendiges Wesen. Ist es imstande, in sich selbst den Tod erstehen zu lassen
und diesen Tod fortwährend zum Leben umzuwandeln, dann entsteht Bewußtsein.
Alles das, womit das Bewußtsein beginnt, ist ursprünglich Schmerz. Aus dem
Schmerz wird das Bewußtsein geboren. Derselbe Prozeß, der Ihr Auge geschaffen
hat, wäre ein Zerstörungsprozeß geworden, wenn er an dem Wesen, das sich in dem
menschlichen Wesen heraufentwickelt hat, überhand genommen hätte. So hat er
aber nur einen kleinen Teil ergriffen, wodurch er aus der Zerstörung, aus dem partiellen
Tod heraus jene Spiegelung der Außenwelt schaffen konnte, die man das Bewußtsein
nennt." {{Lit|{{G|055|79ff}}}}
</div>


Das Bewusstsein des [[irdisch]] [[Inkarnation|verkörperten]] [[Mensch]]en beruht auf [[Abbauprozesse]]n, die der Tätigkeit des [[Physischer Leib|physischen]] und [[Ätherleib|ätherischen Leibes]] hemmend entgegentreten:
=== Entelechie als Innehaben von Vollendungspotenzial ===


<div style="margin-left:20px">
Setzt man die beiden ersten Wortbestandteile (en-tel-) als ''entelês'' (vollendet), so bedeutet Entelechie soviel wie "das Vollendete habend", also das Innehaben von vollendeten Fähigkeiten, die prinzipiell jederzeit abrufbar sind. In diesem Sinne bezeichnet Entelechie ein Vermögen eines Individuums, nicht aber das Individuum selbst. Beispielsweise besitzt der Schmetterling die Fähigkeit zu fliegen, daher ist Fliegenkönnen/Flugfähigkeit die Entelechie des Schmetterlings.
"Das Bewußtsein entsteht nicht durch ein Fortführen derjenigen
"[[Leibniz]] bezeichnet die [[Monade]]n als Entelechie, weil sie den Zweck ihrer eigenen Verwirklichung in sich tragen." (siehe Anton Hügli/Poul Lübcke unter Literatur).
Tätigkeit, die aus dem physischen und dem Ätherleib
als Ergebnis kommt, sondern diese beiden Leiber müssen
mit ihrer Tätigkeit auf den Nullpunkt kommen, ja noch
unter denselben, damit «Platz entstehe» für das Walten des
Bewußtseins. Sie sind nicht die Hervorbringer des Bewußtseins,
sondern sie geben nur den Boden ab, auf dem der
Geist stehen muß, um innerhalb des Erdenlebens Bewußtsein
hervorzubringen. Wie der Mensch auf der Erde einen
Boden braucht, auf dem er stehen kann, so braucht das Geistige
innerhalb des Irdischen die materielle Grundlage, auf
der es sich entfalten kann. Und so wie im Weltenraum der
Planet den Boden nicht braucht, um seinen Ort zu behaupten,
so braucht der Geist, dessen Anschauung nicht durch
die Sinne auf das Materielle, sondern durch die Eigenkraft
auf das Geistige gerichtet ist, nicht diese materielle Grundlage,
um seine bewußte Tätigkeit in sich rege zu machen." {{Lit|{{G|026|19}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
In dieser Bedeutung kann außerdem zwischen aktiver und passiver Entelechie unterschieden werden:  
"Das ist die Stärke des Geistes, daß er die Zerstörung in etwas noch Höheres, als das Leben ist, umschafft und so mitten im Leben ein Höheres, ein Bewußtsein bildet. Immer weiter und weiter sehen wir dann die verschiedenen Schmerzerlebnisse zu den Organen des Bewußtseins sich entwickeln. Man sieht es schon bei den Tieren, die zur Ab wehr nach außen nur ein Reflexbewußtsein haben, ähnlich wie der Mensch, wenn Gefahr für das Auge besteht, dasselbe schließt. Wenn die Reflexbewegung nicht mehr genügt, das innere Leben zu schonen, wenn der Reiz zu stark wird, so erhebt sich die innere Widerstandskraft und gebiert die Sinne, die Empfindung, Auge und Ohr. Sie wissen vielleicht aus mancher unliebsamen Erfahrung heraus, vielleicht auch instinktiv, daß die Sache so ist. Ja, Sie wissen aus einer höheren Stufe Ihres Bewußtseins ganz genau, daß das, was jetzt gesagt worden ist, eine Wahrheit ist. Ein Beispiel wird die Sache noch verdeutlichen. Wann fühlen Sie gewisse innere Organe Ihres Organismus? Sie gehen durchs Leben und fühlen weder Ihren Magen, noch Ihre Leber, noch Ihre Lunge, Sie fühlen keines Ihrer Organe, solange sie gesund sind. Sie fühlen sie nur dann, wenn sie Sie schmerzen, und Sie wissen eigentlich erst, daß Sie dieses oder jenes Organ haben, wenn es Sie schmerzt, wenn Sie empfinden, daß da etwas nicht in Ordnung ist, daß ein Zerstörungsprozeß beginnt.
* ''Aktive Entelechie'' ist eine Fähigkeit, die ausgeübt werden kann und somit einem Wirkpotenzial entspricht.  
* ''Passive Entelechie'' ist die Fähigkeit, eine äußere Einwirkung zu erdulden, und entspricht einem Widerstandspotenzial, z. B. der Fähigkeit eines Materials, einem Druck standzuhalten.


Wenn wir dieses Beispiel, diese Erklärung nehmen, dann sehen wir, daß aus dem Schmerz fortwährend bewußtes Leben geboren wird. Tritt der Schmerz zum Leben, so gebiert er die Empfindung und das Bewußtsein. Dieses Ge­bären, dieses Hervorbringen eines Höheren, spiegelt sich wiederum im Bewußtsein als die Lust, und es gab nie eine Lust, ohne daß es vorher einen Schmerz gegeben hätte. Unten in dem Leben, das sich eben aus der physischen Materie heraus erhebt, gibt es noch keine Lust. Wenn aber der Schmerz Bewußtsein hat erstehen lassen und als Bewußtsein schöpferisch weiterwirkt, dann ist diese Schöpfung auf einer höheren Stufe und drückt sich im Gefühle der Lust aus. Dem Schaffen liegt die Lust zugrunde. Lust kann nur da sein, wo innerliches oder äußerliches Schaffen möglich ist. Irgendwie liegt einer jeden Lust das Schaffen zugrunde, wie jeder Unlust die Notwendigkeit des Schaffens zugrunde liegt. Nehmen Sie etwas, was auf niederer Stufe das Leid charakterisieren kann, zum Beispiel das Gefühl des Hun­gers, der das Leben zerstören kann. Dem treten Sie mit der Nahrung entgegen. Die Nahrungsaufnahme wird zum Genuß, weil die Nahrung in der Lage ist, in eine Lebenssteigerung, in eine Lebensproduktion überzugehen. So sehen Sie, daß auf Grundlage des Schmerzes höheres Schaffen, Lust entsteht. Eher als die Lust ist also das Leid." {{Lit|{{G|055|82ff}}}}
== Entelechie und Energie ==
</div>
Der Entelechie-Begriff steht bei [[Aristoteles]] in engem Zusammenhang mit dem Energie-Begriff. ''[[Energeia]]'' ist ein weiteres von [[Aristoteles]] geprägtes Kunstwort aus den Wortbestandteilen ''en ergô einai'' (''im Werk sein''). Es bezeichnet die lebendige Wirksamkeit im Unterschied zur ''dynamis'', der bloßen Potenz oder Möglichkeit. Beide Begriffe, Energie und Entelechie, stellen Aspekte des Form-Begriffs dar: Die Form (''eidos'') ist erstens auch Energie, weil sie die [[Wirkursache]] in sich schließt. Die Form ist zweitens auch Entelechie, insofern sie den [[Zweck]] des Wirkens beinhaltet.


Schmerz beruht einerseits auf dem Unvermögen des [[Astralleib]]s, in den zerstörten [[Ätherleib]] und [[Physischer Leib|physischen Leib]] einzugreifen, was als leidvolle brennende Entbehrung erscheint, wie sie nach dem Tod in gesteigerter Form auch im [[Kamaloka]] empfunden wird {{Lit|{{G|107|67ff}}}}, anderseits aber auch darauf, dass sich der Astralleib zu tief in den Ätherleib und physischen Leib hineinbohrt und in diesen unteren [[Wesensglieder]]n übermäßig erwacht {{Lit|{{G|120|123f}}}}.
== Der Entelechie-Begriff bei Goethe und Steiner ==


Schmerz und [[Leid]] werden im [[Wiederholte Erdenleben|nächsten Erdenleben]] zu [[Weisheit]]. {{Lit|{{G|099|65ff}}}}
{{GZ|Das "Ganze" (die Idee) bedingt jedes Einzelne aus sich selbst, seinem eigenen Wesen gemäß. Dieses sich aus sich selbst Bestimmende kann man mit Goethe eine ''Entelechie'' nennen. Entelechie ist also die sich aus sich selbst in das Dasein rufende Kraft. Was in die Erscheinung tritt, hat auch sinnenfälliges Dasein, aber dies ist durch jenes entelechische Prinzip bestimmt.|1|59}}


== Schmerz und Lust ==
{{GZ|Die Idee ist deshalb im Sinne Goethes als Entelechie, d. i. schon als tätiges Dasein zu fassen.|1|234}}


Schmerz kann sehr leicht in [[Lust]] umschlagen und umgekehrt.
{{GZ|Gegenüber
dem Vergänglichen, das uns in den einzelnen Ereignissen, die in der
menschlichen Umgebung sind, entgegentritt, stehen die ewigen Ideen.
Das Stoffliche ist vergänglich, es ist nur ein Bild der ewigen Idee, die
in immer aufeinanderfolgenden Metamorphosen als Ewiges durch die
zeitlich vergänglichen Erscheinungen durchgeht. So hob Plato seine
Schüler hinauf von der Betrachtung der vergänglichen äußeren sinnlichen Dinge zu den ewigen Ideen, die gewissermaßen als das Himmlische
über dem Irdischen schwebten.


<div style="margin-left:20px">
Zu kurz kam bei dieser platonischen Betrachtung der Mensch selber.
"Für jedes Organ des menschlichen Körpers entspricht in
Denn im Menschen, in dem die Idee unmittelbar lebendig und gegenständlich
jedem Lebensalter eine bestimmte Stärke der auf das Organ
wird, kann man die platonische Denkweise nicht recht anwenden:
entfallenden ätherischen Tätigkeit einer ebensolchen der
er ist zu individuell. Bei Plato sind die Ideen sozusagen etwas
astralischen. Daß das rechte Verhältnis vorhanden ist, davon
über den Dingen Schwebendes. Die Mineralien, Kristalle, Quarzkristalle
hängt es ab, ob der astralische Leib sich in den ätherischen
entsprechen ja dieser Idee, auch die anderen äußeren Dinge der
entsprechend einschalten kann oder nicht. Kann er
leblosen Sinneswelt. Bei ''Goethe'' ist es auch so, daß er die Urpflanze
das wegen Herabstimmung der ätherischen Tätigkeit nicht,
verfolgt, die Typen betrachtet. Bei den Tieren kann man auch so verfahren.
so entsteht Schmerz; entwickelt der ätherische Leib eine
Aber bei dem Menschen ist es so, daß in jeder einzelnen Menschenindividualität
über sein Normalmaß hinausgehende Tätigkeit, so wird die
die lebendige Ideenindividualität auch verfolgt
Durchdringung der astralischen und der ätherischen Betätigung
werden muß. Das hat erst ''Aristoteles'' bewirkt, nicht Plato, daß die
besonders intensiv. Es entsteht Lust, Wohlbehagen.
Idee als «Entelechie» im Menschen wirksam gesehen wurde.|236|76f}}
Man muß sich nur klar sein darüber, daß Lust beim Wachsen
über ein gewisses Maß hinaus in Schmerz und umgekehrt
Schmerz in Lust übergeht." {{Lit|{{G|027|71f}}}}
</div>


Lust bedeutet ein Sichausdehnen, ein Sichverlieren des [[Mensch]]en; Schmerz ist ein Sichzusammenziehen, dass zu einem stärkeren Sichgewahrwerden führt. Im Normalzustand besteht ein harmonisches dynamisches Gleichgewicht zwischen Sichverlieren und Sichgewahrwerden.
{{GZ|Goethe hat erst später in seinem «Faust» eingesetzt: «Faustens Unsterbliches»; zuerst hatte er im Manuskript stehen: «Faustens Entelechie» - Entelechie, diesen aristotelischen Begriff, der in einer viel intimeren Weise das Menschlich-Seelische, das durch die Pforte des Todes geht, ausdrückt, als selbst das Wort «Unsterbliches», das ein negatives Wort ist, während Entelechie ein positives Wort ist.
Aber Goethe hat wohl selber gefühlt, als er schrieb: «Faustens Entelechie wird von den Engeln himmelwärts getragen» -, daß die neuere Menschheit wenig Konkretes sich vorstellt bei dem Ausdruck Entelechie; daher hat er den gebräuchlicheren Ausdruck «Faustens Unsterbliches» dann an die Stelle gesetzt. Aber er hat etwas gefühlt von der Tiefe des Entelechiebegriffs.|171|12}}


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== Siehe auch ==
"Was heisst denn das: in Lust verfallen? In Lust verfallen heisst
* {{WikipediaDE|Entelechie}}
eigentlich, sich an die Umgebung verlieren. Alles, was Lust macht,
* [[Idee]]
ist eigentlich ein Sichverlieren des Menschen. Und alles, was
* [[Selbstorganisation]]
Schmerz macht, ist ein zu starkes Sichgewahrwerden. Man findet
* [[Individualität]]
sich zuviel, wenn man Schmerz hat. Denken Sie nur, wieviel stärker
* [[vierte (zukünftige) Hierarchie]]
Sie bei sich sind, wenn Sie krank sind und irgendeinen Schmerz
haben, als wenn der ganze Leib schmerzlos dasteht. Sie sind zuviel
bei sich, Sie haben sich zuviel gefunden im Schmerz, und Sie sind
im Verlieren oder verlieren sich ganz in der Lust. Das harmonische
Empfinden des Menschen bildet die Gleichgewichtslage zwischen
Lust und Schmerz, weder das Aufgehen in Lust noch das Aufgehen
in Schmerz." {{Lit|{{G|278|30|28}}}}
</div>
 
== Schmerz als Erzieher gegen die Versuchung der luziferischen Mächte ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Also wenn wir auf der einen Seite den luziferischen Mächten verfallen,
stellen sich gleich als eine Gegenwirkung die Mächte ein, deren Gegner
die luziferischen Mächte sind, und diese versuchen nun eine Gegenkraft
zu entfalten, wodurch der luziferische Einfluß wirklich aus uns ausgetrieben
werden kann. Und diese Mächte, deren Gegner also die luziferischen
Mächte sind, fügen hinzu zu dem Prozeß, der unter dem Einfluß
Luzif ers verursacht wird, den Schmerz. So müssen wir den Schmerz
als etwas ansehen, was - wenn wir die luziferischen Mächte die bösen
Mächte nennen - uns von den guten Mächten zugefügt wird, damit wir
gerade durch den Schmerz uns den Fangarmen der bösen Mächte entreißen
können und ihnen nicht mehr verfallen. Würde bei dem Krankheitsprozeß,
der sich ergibt als eine Folge des Verfallenseins an die luziferischen
Mächte, nicht Schmerz eintreten, so würden wir an uns die
Erfahrung machen: Es ist ja gar nicht so schlimm, den luziferischen
Mächten zu verfallen! - Und wir würden nichts haben in uns, was uns
dahin bringen würde, unsere Kräfte anzuwenden, um uns den luziferischen
Mächten zu entreißen. Der Schmerz, der das Bewußtwerden des
unrichtig wachenden astralischen Leibes ist, er ist zugleich auch das,
was uns davon abbringen kann, den luziferischen Mächten auf diesem
Gebiet, wo wir ihnen schon verfallen sind, immer weiter zu verfallen.
So wird der Schmerz in bezug auf die Versuchungen der luziferischen
Mächte unser Erzieher.
 
Sagen Sie nun nicht: Wie kann der Schmerz unser Erzieher sein,
wenn wir in uns den Schmerz nur empfinden und seiner wohltätigen
Kraft gar nicht gewahr werden? Daß wir seiner wohltätigen Kraft
nicht gewahr werden, ist nur eine Folge unseres Ich-Bewußtseins. In
dem Bewußtsein, das ich als unter dem Ich-Bewußtsein liegend geschildert
habe, spielt sich schon der Prozeß ab, wenn auch der Mensch mit
dem Tagesbewußtsein nichts davon weiß: Jetzt erfahre ich Schmerz, und
der ist die Folge der durch die guten Mächte mir gegebenen Beigabe zu
meinen Verfehlungen! - Das ist im Unterbewußtsein eine Kraft, welche
so recht als eine karmische Erfüllung, als ein Impuls wirkt, nicht mehr
den Handlungen, Trieben und Begierden, die gerade diese Krankheit
hervorgerufen haben, zu verfallen.
 
So sehen wir, wie Karma wirkt, wie wir den luziferischen Mächten
verfallen und wie uns die luziferischen Mächte eine solche Krankheit
bringen, die herbeigeführt wird in einer nächsten Inkarnation; und
wir sehen, wie wohltätige Mächte uns den Schmerz hinzufügen zu der
bloßen Schädigung unserer Organe, damit wir an dem Schmerz ein
unter der Oberfläche unseres Bewußtseins liegendes Erziehungsmittel
haben. Deshalb können wir sagen: Überall, wo bei einer Krankheit
Schmerz auftritt, da ist es eine luziferische Macht, welche diese Krankheit
bewirkt hat. Es ist der Schmerz geradezu ein Kennzeichen dafür,
daß wir es zu tun haben mit dem Zugrundeliegen von luziferischer
Macht." {{Lit|{{G|120|133ff}}}}
</div>
 
== Die Schmerzen Christi ==
 
[[Datei:Mathis Gothart Grünewald 022.jpg|thumb|400px|[[Wikipedia:Matthias Grünewald|Matthias Grünewald]]: ''[[Wikipedia:Isenheimer Altar|Isenheimer Altar]]'', ehemals Hauptaltar des Antoniterklosters in Isenheim/Elsaß, Werktagsseite, Mittelbild: Kreuzigung Christi]]
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Christus-Wesenheit war
in die drei Leiber eingezogen, aber nicht gleich so, daß dieses Christus-
Ich so verbunden war mit diesen drei Leibern, wie ein menschliches
Ich mit ihnen verbunden ist. Es war im Beginn des dreijährigen irdischen
Wandels die Christus-Wesenheit zunächst nur lose verknüpft
mit den drei Leibern des Jesus und dann wurde sie immer mehr in die
drei Leiber hineingezogen. Darin bestand die Entwickelung in den
drei Jahren, daß langsam und allmählich diese Christus-Wesenheit,
die zuerst nur wie eine Aura die Jesus-Wesenheit durchsetzte, immer
mehr in die drei Leiber hineingepreßt wurde. So dicht hineingepreßt
wie ein menschliches Ich wurde diese Christus-Wesenheit erst kurz
vor dem Tode am Kreuz. Dieses Hineinpressen war aber die drei
Jahre hindurch ein fortwährendes Schmerzempfinden. Der Vorgang
dieser völligen Menschwerdung, der drei Jahre dauerte und zum
Mysterium von Golgatha führte, war dieses Hineingepreßtwerden in
die drei Leiber, es war der Schmerz des Gottes, der auf der Erde
empfunden werden mußte, damit das geschehen konnte, was notwendig
war, um den Christus-Impuls in die Erdenentwickelung hineinzuführen.
Zu dem, was ich über Jesu Schmerz und Leid in der
Jugend erzählte, mußte noch dieses hinzukommen.
 
Wenn man von Gottesschmerz spricht, könnte es leicht sein, daß
man heute schlecht verstanden wird. Bei ''Maeterlinck'' zum Beispiel,
der in seinem ganz gewiß berühmt werdenden Buch «Vom Tode»
manches so Schöne sagt, der immerhin bestrebt war, mit den Mitteln,
die er hatte, Dinge des geistigen Lebens zu erklären, konnte es vorkommen,
daß er zu sagen vermag, eine entkörperte Seele könne keinen
Schmerz haben, Schmerz empfinden könne nur der sterbliche
Leib. - Das ist der Gipfelpunkt des Unsinns, denn ein Leib empfindet
keinen Schmerz, ebensowenig wie ein Stein. Schmerz empfindet der
Astralleib mit dem Ich im physischen Leibe drinnen; außerdem gibt
es ja auch seelische Schmerzen und daher hören die Schmerzen nicht
auf nach dem Tode. Sie können nur nicht mehr verursacht werden
durch Störungen im physischen Leibe, für die Seele aber brauchen
sie dadurch nicht aufzuhören.
 
Was da vorging beim Durchpreßtwerden der drei Leiber des
Jesus mit der Christus-Wesenheit, das war für die Christus-Wesenheit
höchster Schmerz. Es wird nach und nach für die Menschheit notwendig
sein zu begreifen, daß in der Tat, um von Golgatha an die
Erdenentwickelung fortzuführen, diese Christus-Wesenheit durch den
Schmerz einziehen mußte in die Erdenaura, und verbunden mit diesem
Christus-Schmerz wird die Menschheit ihr Schicksal fühlen müssen.
Immer konkreter wird werden müssen die Verbindung der
Menschheit mit dem Christus-Schmerz. Dann wird man erst verstehen,
wie in der Erdenaura dieser Schmerz in verjüngenden Kräften
weiterwirkte für die Erdenentwickelung seit dem Mysterium von
Golgatha." {{Lit|{{G|148|277f}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==


#Rudolf Steiner/Ita Wegman: ''Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen'', [[GA 27]] (1991), ISBN 3-7274-0270-9 {{Schriften|027}}
* Anton Hügli/Poul Lübcke (Hg.): ''Philosophielexikon'', rowohlts enzyklopädie, Reinbek b. Hamburg, 6. Auflage 2005, S. 173 ISBN 3-499-55453-4
#Rudolf Steiner: ''Die Erkenntnis des Übersinnlichen in unserer Zeit'', [[GA 55]] (1983) {{Vorträge|055}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Goethes Naturwissenschaftliche Schriften'', (nach: [[GA 1]]), Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1962, S. 59
#Rudolf Steiner: ''Die Theosophie des Rosenkreuzers'', [[GA 99]] (1985) {{Vorträge|099}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften. Zugleich eine Grundlegung der Geisteswissenschaft (Anthroposophie) (1884-1897)'', [[GA 1]], (1987) {{Schriften|1}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Menschenkunde'', [[GA 107]] (1988) {{Vorträge|107}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit - Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhundert'', [[GA 171]], Dornach 1984 {{Vorträge|171}}
#Rudolf Steiner: ''Die Offenbarungen des Karma'', [[GA 120]] (1992) {{Vorträge|120}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Zweiter Band'', [[GA 236]] (1988), ISBN 3-7274-2360-9 {{Vorträge|236}}
#Rudolf Steiner: ''Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium'', [[GA 148]] (1992), ISBN 3-7274-1480-4 {{Vorträge|148}}
#Rudolf Steiner: ''Eurythmie als sichtbarer Gesang'', [[GA 278]] (2001), ISBN 3-7274-2781-7 {{Vorträge|278}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Seelenleben]] [[Kategorie:Bewusstsein]] [[Kategorie:Christus]] [[Kategorie:Christologie]]
[[Kategorie: Griechische Philosophie]]
[[Kategorie: Ontologie]]
[[Kategorie: Theologie]]
[[en:Entelechy]]
{{Wikipedia}}

Version vom 1. März 2022, 19:53 Uhr

Unter Entelechie (griech. ἐντελέχεια, entelecheia) versteht man in der Philosophie etwas, das sein Ziel (Telos) in sich selbst hat. Der Begriff wurde von Aristoteles in der Metaphysik IX, 8 eingeführt (siehe auch Akt und Potenz). Der Ausdruck Entelechie ist aus drei Bestandteilen (en-tel-echeia) zusammengesetzt: en (in), tel von telos (Ziel), echeia von echein (haben/halten).

Begriffsbedeutung

Der Begriff kann auf verschiedene Weise gedeutet werden.

Entelechie als Reifegestalt

In dieser Deutung bezeichnet Entelechie ein Individuum, das sein Ziel in sich hat, also ein vollendetes Einzelding, ein Individuum im Vollendungszustand. Beispielsweise ist der Schmetterling die Entelechie der Raupe, da der Schmetterling im Verhältnis zur Raupe die vollendete Gestalt erreicht hat.

Entelechie als Innehaben von Vollendungspotenzial

Setzt man die beiden ersten Wortbestandteile (en-tel-) als entelês (vollendet), so bedeutet Entelechie soviel wie "das Vollendete habend", also das Innehaben von vollendeten Fähigkeiten, die prinzipiell jederzeit abrufbar sind. In diesem Sinne bezeichnet Entelechie ein Vermögen eines Individuums, nicht aber das Individuum selbst. Beispielsweise besitzt der Schmetterling die Fähigkeit zu fliegen, daher ist Fliegenkönnen/Flugfähigkeit die Entelechie des Schmetterlings. "Leibniz bezeichnet die Monaden als Entelechie, weil sie den Zweck ihrer eigenen Verwirklichung in sich tragen." (siehe Anton Hügli/Poul Lübcke unter Literatur).

In dieser Bedeutung kann außerdem zwischen aktiver und passiver Entelechie unterschieden werden:

  • Aktive Entelechie ist eine Fähigkeit, die ausgeübt werden kann und somit einem Wirkpotenzial entspricht.
  • Passive Entelechie ist die Fähigkeit, eine äußere Einwirkung zu erdulden, und entspricht einem Widerstandspotenzial, z. B. der Fähigkeit eines Materials, einem Druck standzuhalten.

Entelechie und Energie

Der Entelechie-Begriff steht bei Aristoteles in engem Zusammenhang mit dem Energie-Begriff. Energeia ist ein weiteres von Aristoteles geprägtes Kunstwort aus den Wortbestandteilen en ergô einai (im Werk sein). Es bezeichnet die lebendige Wirksamkeit im Unterschied zur dynamis, der bloßen Potenz oder Möglichkeit. Beide Begriffe, Energie und Entelechie, stellen Aspekte des Form-Begriffs dar: Die Form (eidos) ist erstens auch Energie, weil sie die Wirkursache in sich schließt. Die Form ist zweitens auch Entelechie, insofern sie den Zweck des Wirkens beinhaltet.

Der Entelechie-Begriff bei Goethe und Steiner

„Das "Ganze" (die Idee) bedingt jedes Einzelne aus sich selbst, seinem eigenen Wesen gemäß. Dieses sich aus sich selbst Bestimmende kann man mit Goethe eine Entelechie nennen. Entelechie ist also die sich aus sich selbst in das Dasein rufende Kraft. Was in die Erscheinung tritt, hat auch sinnenfälliges Dasein, aber dies ist durch jenes entelechische Prinzip bestimmt.“ (Lit.:GA 1, S. 59)

„Die Idee ist deshalb im Sinne Goethes als Entelechie, d. i. schon als tätiges Dasein zu fassen.“ (Lit.:GA 1, S. 234)

„Gegenüber dem Vergänglichen, das uns in den einzelnen Ereignissen, die in der menschlichen Umgebung sind, entgegentritt, stehen die ewigen Ideen. Das Stoffliche ist vergänglich, es ist nur ein Bild der ewigen Idee, die in immer aufeinanderfolgenden Metamorphosen als Ewiges durch die zeitlich vergänglichen Erscheinungen durchgeht. So hob Plato seine Schüler hinauf von der Betrachtung der vergänglichen äußeren sinnlichen Dinge zu den ewigen Ideen, die gewissermaßen als das Himmlische über dem Irdischen schwebten.

Zu kurz kam bei dieser platonischen Betrachtung der Mensch selber. Denn im Menschen, in dem die Idee unmittelbar lebendig und gegenständlich wird, kann man die platonische Denkweise nicht recht anwenden: er ist zu individuell. Bei Plato sind die Ideen sozusagen etwas über den Dingen Schwebendes. Die Mineralien, Kristalle, Quarzkristalle entsprechen ja dieser Idee, auch die anderen äußeren Dinge der leblosen Sinneswelt. Bei Goethe ist es auch so, daß er die Urpflanze verfolgt, die Typen betrachtet. Bei den Tieren kann man auch so verfahren. Aber bei dem Menschen ist es so, daß in jeder einzelnen Menschenindividualität die lebendige Ideenindividualität auch verfolgt werden muß. Das hat erst Aristoteles bewirkt, nicht Plato, daß die Idee als «Entelechie» im Menschen wirksam gesehen wurde.“ (Lit.:GA 236, S. 76f)

„Goethe hat erst später in seinem «Faust» eingesetzt: «Faustens Unsterbliches»; zuerst hatte er im Manuskript stehen: «Faustens Entelechie» - Entelechie, diesen aristotelischen Begriff, der in einer viel intimeren Weise das Menschlich-Seelische, das durch die Pforte des Todes geht, ausdrückt, als selbst das Wort «Unsterbliches», das ein negatives Wort ist, während Entelechie ein positives Wort ist. Aber Goethe hat wohl selber gefühlt, als er schrieb: «Faustens Entelechie wird von den Engeln himmelwärts getragen» -, daß die neuere Menschheit wenig Konkretes sich vorstellt bei dem Ausdruck Entelechie; daher hat er den gebräuchlicheren Ausdruck «Faustens Unsterbliches» dann an die Stelle gesetzt. Aber er hat etwas gefühlt von der Tiefe des Entelechiebegriffs.“ (Lit.:GA 171, S. 12)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.
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