Der Kommende Tag AG

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Die Der Kommende Tag - Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte, begründet am 13. März 1920, war ein assoziatives Wirtschaftsunternehmen im Sinne der sozialen Dreigliederung. Die Der Kommende Tag AG mußte mit Beginn des Jahres 1925 in Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise (Inflation) liquidiert werden[1]. Die noch heute existierende Weleda AG ist aus ihr, sowie der Futurum AG, hervorgegangen. Zu den angegliederten Unternehmen, hauptsächlich aus Stuttgart und Umgebung, gehörten auch die erste Waldorfschule und diverse Forschungsinstitute:

  • Zentrale in Stuttgart
  • Verlag mit Versandbuchhandlung, Druckerei und Offsetdruckerei, Stuttgart
  • Werkzeugmaschinenfabrik Carl Unger, Stuttgart-Hedelfingen
  • Kartonagenfabrik José del Monte, Stuttgart
  • Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik AG, Stuttgart
  • Allgemeine Handelsgesellschaft, Stuttgart
  • Bankhaus Adolf Koch & Co., ab 1922 Hans Stammer & Co., Stuttgart
  • Pension Rüthling, Stuttgart
  • Schieferwerk Sondelfingen
  • Mechanische Weberei vorm. G. Wilhelm Tinney, Sondelfingen
  • Guldesmühle Dischingen mit Hofgut, Getreidemühle und Sägewerk
  • Die Hofgüter Oelhaus, Unterhueb, Lachen, Dorenwaid und Lanzenberg in Württemberg und im Allgäu
  • Gebrüder Gmelin, Reutlingen (landwirtschaftliche Maschinenhandlung)
  • Klinisch-Therapeutisches Institut, Stuttgart, mit Laboratorium und Ambulatorium
  • Wissenschaftliches Forschungsinstitut (samt biologischer Abteilung), Stuttgart
  • Freie Waldorfschule, Stuttgart
  • Zweigniederlassung Schwäbisch-Gmünd: Chemische Abteilung, Fabrikation der Heilmittel des Klinisch-Therapeutischen Instituts, Stuttgart, Mühlenbetrieb
  • Zweigniederlassung Hamburg: Kommende Tag AG, Hamburg
  • Frank-Reiner Kommanditges., Hamburg (Veredelung von Streichinstrumenten)[2]

„Der Kommende Tag war ein Verbund von Wirtschaftsunternehmen mit solchen des Kulturlebens, wobei daran gedacht war, daß diese Unternehmen sich gegenseitig tragen sollten; aus den angeschlossenen Forschungseinrichtungen erhoffte man letztlich wiederum marktfähige innovative Produkte“ (Lit.: Strawe, 1998, S. 8)

„Der Kommende Tag ist gegründet worden, weil eingesehen worden ist, daß das heutige, gewöhnliche Bankwesen im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich ein schädigendes Element geworden ist in unserem Wirtschaftsleben. Darauf habe ich bei meiner letzten Anwesenheit auch an einem Studienabend hingewiesen[3]. Ich habe gezeigt, daß etwa seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts das Geld im Wirtschaftsleben der modernen Zivilisation eine ähnliche Rolle spielt wie die abstrakten Begriffe in unserem Denken, daß es allmählich ausgelöscht hat alles konkrete Streben, daß es wie ein verdeckender Schleier sich hinüberlegt über das, was sich in wirtschaftlichen Kräften ausleben muß. Und daher entsteht heute die Notwendigkeit, etwas zu begründen, was nicht bloß eine Bank ist, sondern was die wirtschaftlichen Kräfte so konzentriert, daß sie zu gleicher Zeit Bank sind und zu gleicher Zeit im Konkreten wirtschaften. Also es besteht die Notwendigkeit, etwas zu begründen, was zusammenfaßt wirklich konkretes Wirtschaften und die Organisation dieser Wirtschaftszweige, so wie sonst in einer Bank das Wirtschaftsleben zusammengefaßt wird, aber ohne auf wirtschaftliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, nur in abstrakter Weise. Das heißt, es wird hier im Kommenden Tag praktisch versucht, zu überwinden die Schäden des Geldwesens.“ (Lit.:GA 337a, S. 190)

„Es ist ja auch selbstverständlich, daß solche Unternehmungen wie Futurum oder der Kommende Tag nicht gleich in allen Stücken gewissermaßen nach den «Kernpunkten» errichtet werden können; man steckt ja mitten im anderen Wirtschaftsleben drinnen, das schlägt seine Wellen überall herein. Aber indem solche Unternehmungen errichtet werden, in denen überwunden wird auf der einen Seite das einseitige Bankprinzip, auf der andern Seite das einseitige kaufmännische oder industrielle Prinzip - das heißt auf der einen Seite das Prinzip des Verleihens von Geld von seiten der Bank, auf der anderen Seite das Prinzip des Leihens von der Bank —, also das Auseinandergehen von Bank und industriellem, kaufmännischem Unternehmen, werden diese zu einem gemacht, und dadurch wird der Weg beschritten zu dem assoziativen Prinzip.“ (Lit.:GA 337b, S. 155f.)

„Wenn wir, die wir in engerem Kreis an der Fortführung der Dreigliederungsideen arbeiten, dennoch durchaus glauben, daß die Arbeit fortgesetzt werden muß, so sind wir auf der anderen Seite auch gründlich davon überzeugt, daß der Weg, der eben zunächst eingeschlagen worden ist - eine genügend große Anzahl von Seelen zu überzeugen von der Notwendigkeit der Dreigliederung -, daß dieser Weg heute nicht rasch genug zum Erfolg führen kann. Deshalb müssen wir heute denken an unmittelbar praktische Unternehmungen, deren Gestalt ja schon in der nächsten Zeit vor unsere engere Zeitgenossenschaft hintreten soll. Wir müssen daran denken, unser Ziel zu erreichen durch gewisse Institutionen, die ersetzen können dasjenige, was bewirkt worden wäre durch das Zusammenwirken einer genügend großen Anzahl von überzeugten Menschen. Wir müssen wenigstens den Versuch machen, durch Institutionen, die wirtschaftliche Institutionen sind, erste Musterinstitutionen zu schaffen, an denen man sehen wird, daß in solchen wirtschaftlichen Institutionen unsere Ideen praktisch verwirklicht werden können. Diese können dann Nacheiferung finden in dem Sinne, daß man dann den Tatsachen dasjenige glaubt, was man vorher den uns überzeugend scheinenden Worten nicht glauben wollte. (...) So muß gedacht werden, aus der Dreigliederungsidee selber heraus praktische Institutionen zu schaffen, welche den Beweis werden liefern können - selbst unter den schon recht schwierig gewordenen Verhältnissen -, daß diese Dreigliederungsidee tatsächlich nicht eine utopistische, sondern eine praktische ist.“ (Lit.:GA 337a, S. 140f.)

„Der Kommende Tag A.G.: «Der Kommende Tag A.G.» (Dokumentation der Geschichte des Kommenden Tages vorgesehen für GA 337d) war eine Aktiengesellschaft «zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte» mit Sitz in Stuttgart. Sie hatte die gleiche ideelle Zielsetzung wie die Futurum A.G.: wie diese war sie als eine Assoziation von wirtschaftlichen und geistigen Betrieben gedacht, nur sollte sich ihre Tätigkeit hauptsächlich auf den süddeutschen Raum beschränken. Gegründet wurde der Kommende Tag am 13. März 1920; Vorsitzender des Aufsichtsrates war Rudolf Steiner. Am 22. Juni 1923 gab er dieses Amt wieder ab, weil er sich von allem Verwaltungsmäßigen befreien wollte. Der Kommende Tag, ursprünglich ein verhältnismäßig starkes Unternehmen — es hatte sich durch den Zusammenschluß von verschiedenen anthroposophischen Unternehmern gebildet -, geriet in den Strudel der deutschen Inflationskrise von 1923. Weil sich die vorhandenen finanziellen Mittel durch die Inflation und die anschließende Umstellung auf die Goldmarkbilanz weitgehend verflüchtigt hatten, mußte 1924 der bisherige Gesellschaftszweck aufgegeben und die Teilliquidation des Unternehmens eingeleitet werden. Zunächst wurden die geistigen Betriebe abgestoßen, anschließend die wirtschaftlichen Abteilungen; was blieb, war nur noch der Grundstücksbesitz. Mit der Herabsetzung des Aktienkapitals fand dieser Vorgang 1925 sein vorläufiges Ende. Als Aktiengesellschaft aber bestand der Kommende Tag weiter, allerdings mit einem anderen Gesellschaftszweck: seit 1926 beschränkte er sich nur noch auf die Verwaltung der übriggebliebenen Grundstücke. Dementsprechend änderte er auch seinen Namen in «Uhlandshöhe A.G. für Grundstückverwaltung » um. Auf Druck der Nationalsozialisten mußte 1938 die endgültige Auflösung der Aktiengesellschaft beschlossen werden; 1941 war sie beendet.“ (Lit.: Herausgeber von GA 337a in den Hinweisen zum Text, GA 337a, S.312)

Anmerkungen, Nachweise

  1. GA 260a, S. 719.
  2. nach GA 260a, S. 719f. Abweichende Angaben in Strawe (1998): Die Dreigliederungsbewegung. Es hat darüber hinaus auch Beteiligungen gegeben. (e.d)
  3. Zweiter Studienabend, Stuttgart, 3. März 1920. Abgedruckt in GA 337a.

Literatur

  • Rudolf Steiner: Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum, GA 260a (1987), ISBN 3-7274-2606-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org html
  • Christoph Strawe: *Die Dreigliederungsbewegung 1917 - 1922 und ihre aktuelle Bedeutung, zuerst veröffentlicht im Rundbrief Dreigliederung des sozialen Organismus, Heft 3/1998. Für die Internetveröffentlichung wurde er durchgesehen und geringfügig redigiert.
  • Dietrich Esterl: Emil Molt. 1876 - 1936. Tun, was gefordert ist, Mayer Verlag Stuttgart, 2012, ISBN 9783867830263, Inhaltsverzeichnis, Rezension Rezension Rezension2 Rezension
  • Forschungsinstitute «Der Kommende Tag A.–G.». Ein abrupt abgebrochener Ansatz - Materialien, Zusammenstellung Archiv-Verlag Agraffe, Materialien
  • Hans Kühn: Dreigliederungs-Zeit. Rudolf Steiners Kampf für die Gesellschaftsordnung der Zukunft, Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, Dornach 1978
  • GA 337d (in Vorbereitung)