Gerechtigkeit und Rolandslied: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Gerechtigkeit''' ([[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] δικαιοσύνη, ''dikaiosýne'', [[Latein|lat.]] ''iustitia'', [[Wikipedia:Englische Sprache|engl.]] und [[Wikipedia:Französische Sprache|franz.]] ''justice'') ist eine der vier von [[Platon]] genannten [[Kardinaltugend]]en. Nach seiner Auffassung ist sie die herausragende [[Tugend]], der gemäß jeder nur das erfüllt, was seine Aufgabe ist (→ [[Idiopragieformel]]) und durch die er die drei [[Seele]]nteile, nämlich das ''Begehrende'', das ''Muthafte'' und das ''Vernünftige'', im rechten Gleichgewicht hält<ref>Platon: [[Wikipedia:Politeia|Politeia]] 443d</ref>. Gerechtigkeit ist derart der Ausdruck der [[Ich-Kraft]], die die [[Seelenkräfte]] des [[Denken]]s, [[Fühlen]]s und [[Wollen]]s in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander bringt. Diese innere Ausgewogenheit ist die notwendige Voraussetzung, um auch im äußeren Leben den anderen Menschen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. Die Gerechtigkeit ist darüber hinaus ein Maß dafür, wie wir mit dem Göttlichen zusammenhängen. Insofern die [[Aufrichtekraft]] des Menschen ebenfalls Ausdruck seines [[Ich]]s ist, hängt die Gerechtigkeit auch mit dieser zusammen - nur der ''aufrechte'' Mensch kann gerecht sein. Insofern sich der Mensch nur auf der Grundlage des festen Erdbodens aufrichten kann, hängt die Gerechtigkeit auch mit dem [[Erdelement]] bzw. mit der Verdichtung des [[Materie|Materiellen]] zusammen. Für viele [[Kabbala|Kabbalisten]] ist sogar das [[Gott|göttliche]] [[Din|Gericht]], mit seiner Kraft zu trennen und zu scheiden, die eigentliche Ursache für die [[Schöpfung]] der äußeren materiellen Welt, zugleich aber eben dadurch auch die Wurzel des [[Das Böse|Bösen]], der [[Finsternis|Verfinsterung]] des [[Geist]]igen durch die [[Materie]]. Der [[Zaddik]] ({{HeS|צדיק}}), d.h. ein „Rechtschaffener“ oder „Gerechter“, ein als heilig oder moralisch herausragend geachteten Mann im [[Chassidismus]], ist auch in dieser Finsternis ein sicherer Führer zum geistigen [[Licht]]. Von ihm heißt es: ''„Wenn der Sturm daherbraust, ist der Frevler verloren, der Gerechte ist fest gegründet für immer.“'' {{Bibel|Spr|10|25}}
Das '''Rolandslied''' (französisch ''La Chanson de Roland'') (zwischen 1075 und 1110 entstanden) ist ein [[Altfranzösische Sprache|altfranzösisches]] [[Epos|Versepos]] über das heldenhafte Ende [[Hruotland|Rolands]]. Es umfasst 4002 [[Assonanz (Verslehre)|assonierende]] zehnsilbige Verse in 291 Strophen (sog. Laissen) und ist eines der ältesten Werke der Gattung [[Chansons de geste]]. Um 1900 wurde es in Frankreich zu einer Art frühem Nationalepos stilisiert, und zwar wegen der Liebe, mit der es von „la douce France“ (dem süßen Frankreich) spricht, und wegen der herausragenden Rolle, die es den „Français de France“ (den Franzosen aus der Île de France) in dem multi-ethnischen Heer von Kaiser [[Karl der Große|Karl dem Großen]] zuweist.


[[Datei:GA170_078.gif|thumb|300px|Die 4 [[Kardinaltugend]]en ([[GA 170]], S 78)]]
In dem Epos geht es um Kriegszüge Karls des Großen gegen die „[[Heidentum|Heiden]]“, d. h. gegen die aus Nordafrika kommenden islamischen [[Sarazenen]], die seit ihrem Einfall nach Europa im Jahr 711/12 Süd- und Mittelspanien beherrschten.  
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"Dieselbe Kraft,
die wir gebrauchen als Kind, wenn wir uns vom kriechenden Wesen
aufrichten, lebt in uns, wenn wir die Tugend der Gerechtigkeit, die
vierte der von Plato angeführten, haben.


Wer wirklich die Tugend der Gerechtigkeit übt, stellt ein jedes
Das ''Rolandslied'' wurde verfasst oder aufgeschrieben, vielleicht aber auch nur diktiert und/oder öfter vorgetragen von einem sonst nicht weiter bekannten Turoldus, von dem der letzte Vers nicht genau deutbar sagt, er habe das Werk „dekliniert“ (''Ci falt'' („hier endet“) ''la geste que Turoldus declinet'').
Ding, ein jedes Wesen an den richtigen Platz hin, geht aus sich heraus
und in die andern hinein. Das heißt, in der allumfassenden Gerechtigkeit
leben. In der Weisheit leben, heißt, die besten Früchte ziehen aus
den Kräften, die wir in früheren Inkarnationen aufgespeichert haben.
Und wenn wir da schon hinweisen mußten auf dasjenige, was uns in
den früheren Inkarnationen zuteil war, wo noch göttliche Kräfte uns
durchzogen, müssen wir bei der Gerechtigkeit noch mehr darauf hinweisen:
Wir stammen aus dem Kosmos. Gerechtigkeit üben wir,
wenn wir die Kräfte entfalten, durch die wir mit dem ganzen Kosmos,
aber in geistiger Beziehung, zusammenhängen. Die Gerechtigkeit
stellt das Maß dazu dar, wie ein Mensch mit dem Göttlichen zusammenhängt.
Die Ungerechtigkeit ist, praktisch, gleich dem Gottlosen,
gleich dem, der seinen göttlichen Ursprung verloren hat, und wir
lästern Gott, den Gott, von dem wir abstammen, wenn wir irgendeinem
Menschen Unrecht tun." {{Lit|{{G|159|23}}}}
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Mit der Gerechtigkeit strömt die [[Moral]]ität unmittelbar bis in den [[Physischer Leib|physischen Leib]]:
Das Werk ist in sieben vollständigen Handschriften sowie drei [[Fragment (Literatur)|Fragmenten]] erhalten. Die wichtigsten sind die sogenannte Oxforder Handschrift (''Digby 23''), die im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts offenbar auf englischem Boden entstand und deren Sprache stark vom [[anglonormannisch]]en Dialekt gefärbt ist, sowie eine in [[Biblioteca Marciana|Venedig]] aufbewahrte Handschrift des 14. Jahrhunderts, die jedoch nur 3846 Verse enthält, die der Oxforder Fassung nahe verwandt sind (''Marc. 225''). Darauf folgt eine sonst nicht überlieferte Darstellung der Belagerung von [[Narbonne]], darauf folgt die Handlung den gereimten Versionen.<ref>Alexandre Micha: ''Überlieferungsgeschichte der französischen Literatur des Mittelalters''. In: ''Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. 2. Überlieferungsgeschichte der mittelalterlichen Literatur''. Zürich 1964, S.&nbsp;187–259, hier S.&nbsp;238–240</ref>


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== Die Handlung ==
"Und als vierte umfassende Tugend, die nun in den ganzen physischen
[[Datei:Rolandslied.jpg|200px|mini|Roland stürmt den Tempel Mahomets. Abbildung aus der [[Heidelberger Liederhandschrift]] (''[[Codex Palatinus Germanicus|Cod. Pal. germ.]]'' 112, P, fol. 57v), Ende 12. Jh.]]
Leib strömt, von dem ich Ihnen gestern gezeigt habe, daß er eigentlich
Das Rolandslied umfasst zwei größere Teile: in den ersten drei Fünfteln (Vers 1–2396) ist eindeutig Roland der Protagonist, in den letzten zwei (Vers 2397–4002) eher [[Karl der Große]].
unsichtbar ist, nennt Plato Dikaiosyne. Das müssen wir übersetzen mit
Gerechtigkeit, obwohl das Wort Gerechtigkeit in den modernen Sprachen
nicht vollständig damit übereinstimmt; denn Gerechtigkeit müssen
wir so nehmen: daß der Mensch sich zu richten weiß, gerecht,
richtungsgemäß, daß er einer menschlichen Richtung folgt im Leben.
Also es ist nicht das abstrakte Wort Gerechtigkeit bloß gemeint, sondern
das Sich-Richtung-Gebende, Sich-Auskennende, Sich-Orientierende
im Leben. So daß wir sagen können: Da hat die Einströmung der
Moralitätssphäre in den ganzen physischen Leib Anteil als Gerechtigkeit
(rot)." {{Lit|{{G|170|79f}}}}
</div>


Die Gerechtigkeit wird auch in der vierten [[Seligpreisung]] der [[Bergpredigt]] angesprochen.
Dieser hat zu Beginn der Handlung in sieben Jahren Krieg fast das ganze heidnische Spanien erobert bis auf [[Saragossa]]. Dessen König Marsilie, „der [[Mohammed]] dient und [[Apollon|Apollo]] anruft“, bietet ihm nun Unterwerfung und Übertritt zum Christentum an – beides aber nur zum Schein, um den Abzug des fränkischen Heeres zu erreichen. Karl versammelt den Rat der Barone, in dem sein Schwager Ganelon rät, das Angebot anzunehmen, während sein Neffe Roland, der zugleich ungeliebter Stiefsohn Ganelons ist, den Kampf fortsetzen will. Karl, der schon alt und kriegsmüde ist, schließt sich Ganelon an, worauf Roland mit verletzender Ironie diesen als Sendboten vorschlägt.  


{{Zitat|Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.|[[Matthäusevangelium]]|{{BB|Mt|5|6}}}}
Der beleidigte Ganelon sinnt auf Rache. Er begibt sich zu König Marsilie, dem er Roland als einen Kriegstreiber darstellt, ohne dessen Beseitigung es keinen Frieden geben werde. Marsilie soll deshalb mit einer Übermacht die Nachhut des abziehenden fränkischen Heeres überfallen; Ganelon will dafür sorgen, dass Roland ihr Befehlshaber ist.


Sie bezieht sich laut [[Rudolf Steiner]] auf die [[Empfindungsseele]], in der bereits das [[Ich]] zu wirken beginnt, wodurch der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit erwacht:
Alles geschieht wie geplant. Als Roland mit seinen zwölf befreundeten Recken als Unterführern den Hinterhalt bemerkt, wird er von seinem besonnenen Freund und Schwager in spe Olivier gedrängt, mit dem Signalhorn [[Olifant]] das fränkische Heer zu Hilfe zu rufen, doch stolz lehnt er ab. Erst als nach verlustreicher Abwehr der ersten Angriffswelle die Lage aussichtslos ist, bläst er auf Rat des streitbaren Bischofs Turpin das Horn. Nach der zweiten Welle (deren heldenhafte Kämpfe wiederum liebevoll-ausführlich dargestellt werden) ist nur noch Roland übrig. Nachdem auch er durch einen Hagel von Speeren und Pfeilen tödlich verletzt ist, fliehen die Heiden, weil sie Karls Heer zu hören glauben. Roland stirbt auf dem Schlachtfeld in der Pose des Siegers, mit dem Gesicht gen Saragossa. Der Erzengel [[Gabriel (Erzengel)|Gabriel]] und zwei weitere Engel geleiten seine Seele ins Paradies.


{{GZ|Wenn wir jetzt zu dem Ich hinauf kommen, so wissen wir, daß
Karl, der in der Tat herbeigeeilt ist, verfolgt und vernichtet die Heiden, deren Reste mit dem schwer verwundeten König Marsilie nach Saragossa flüchten. Dort trifft gerade ein riesiges Heidenheer ein, geführt von „Admiral“ Baligant von „Babylonien“, den Marsilie schon vor Jahren um Beistand gebeten hatte. Doch auch dieses Heer wird von Karl vernichtet, nicht ohne dass er selbst, der trotz seines Alters noch rüstig ist, im Schlachtgetümmel auf Baligant trifft und ihn in langem Zweikampf mit Hilfe eines Engels besiegt. Nach der Einnahme Saragossas und der Zwangsbekehrung seiner Einwohner kehrt Karl zurück in seine [[Geschichte der Stadt Aachen#Die Zeit der Karolinger|Residenz Aachen]].
dieses Ich arbeitet in der Empfindungsseele, in der Verstandesseele
 
und in der Bewußtseinsseele. Das Ich arbeitet in der Empfindungsseele,
Hier muss er der Verlobten Rolands, Aude, die Nachricht seines Todes überbringen, was auch ihren Tod bewirkt. Er will nun Gericht halten lassen über Ganelon, doch dreißig Verwandte stellen sich schützend vor diesen, darunter Pinabel, der ihn im [[Gerichtskampf|gerichtlichen Zweikampf]] vertreten will. Erst als Thierry, der junge Bruder des Grafen von [[Anjou]], sich für die gerechte Sache zu kämpfen erbietet und Pinabel mit Gottes Hilfe besiegt, kann Karl Ganelon samt seiner Familie bestrafen. Noch dieselbe Nacht erscheint ihm der [[Gabriel (Erzengel)|Erzengel Gabriel]] und fordert ihn auf, König Vivien zu helfen, der in seiner Stadt „Imphe“ von Heiden belagert wird. Karl weint und rauft sich den Bart – aber man ahnt: er wird gehen.
das heißt, es vergeistigt die Empfindungsseele. Dadurch wird
 
für den Menschen in der äußeren Welt dasjenige zu einer wichtigen
== Historischer Hintergrund ==
Angelegenheit, was gerade durch das Christentum verbreitet werden
 
soll: die Allgerechtigkeit ausgießende menschliche Bruderliebe. Was
Basis der Handlung ist ein Kriegszug, den Karl der Große [[778]] gegen die islamischen [[Sarazenen]] in Spanien führte. Anlass war das Hilfeersuchen des [[Sulayman ben al-Arabí]], Statthalter in [[Saragossa]], gegen seinen Herrn, [[Emir]] [[Abd ar-Rahman I.|Abderrahman]] von [[Emirat von Córdoba|Córdoba]], Ziel die erst später vollzogene Sicherung der (nordost-)[[Spanische Mark|spanischen Mark]].
sonst die Empfindungsseele nur im Physischen empfindet, Durst
 
und Hunger, das muß sie durch das Christentum in bezug auf das
Der Kriegszug wurde nach anfänglichen Erfolgen abgebrochen. Saragossa, dessen Tore sich entgegen Karls Erwartungen nicht öffneten, nachdem die politisch-militärische Situation sich eindeutig zugunsten des Emirs gedreht hatte, wurde monatelang erfolglos belagert. Krankheiten und zunehmender Verpflegungsmangel taten ihr Übriges. Möglicherweise sollte auch bevorzugt ein erneuter Aufstand der [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] niedergeschlagen werden.
Geistige zu empfinden lernen: Durst und Hunger nach der allwaltenden
 
Gerechtigkeit. Diejenigen, welche so das Zentrum des Menschen
Beim Rückzug via Pamplona gab Karl die [[Basken|baskisch]]-[[Königreich Navarra|navarrische]] und christliche Stadt zum Überfall und zur Plünderung durch seine Streitkräfte frei. Es kam zu einem Blutbad und weiteren, erwartbaren Auswirkungen auf die Bevölkerung. Während der Weiterreise kam die fränkische Nachhut beim [[Pyrenäen]]ort [[Roncesvalles]] ([[Navarra]]) in einen Hinterhalt. Diesen legten jedoch keine Sarazenen, sondern die auf Vergeltung bedachten Basken. Von [[Einhard]] z.B. werden diese Umstände in dessen [[Vita Karoli Magni|Biographie Karls]] zugunsten seines Kaisers wohlweislich verschwiegen.
im Ich finden, werden dadurch, daß sie an sich selber arbeiten,
 
befriedigt werden für ihr Verlangen in der Empfindungsseele nach
Der Führer der Nachhut war möglicherweise [[Hruotland]] (französisiert Roland), der als Roland von Cenomanien, Markgraf der [[Bretonische Mark|bretonischen Mark]] des Frankenreichs bezeugt ist. Mit ihm fielen der Graf Eginhard von Metz und Graf Anselm von Worringen am 15. August 778 (→ [[Schlacht von Roncesvalles]]).
allwaltender irdischer Gerechtigkeit. Gotterfüllt werden sie sein, die
 
durch den Christus-Impuls lernen nach Gerechtigkeit zu dürsten
== Deutung ==
und zu hungern, wie man nach physischer Nahrung hungert und
 
dürstet, denn durch die starke Kraft in ihrem Innern werden sie dadurch,
In der Gattung ''Chanson de geste'', zu der das Rolandslied zählt, geht es überwiegend um die Kriegszüge Kaiser Karls des Großen oder Kaiser [[Ludwig der Fromme|Ludwigs des Frommen]] und/oder ihrer Heerführer gegen die Heiden, d.&nbsp;h. die aus [[Marokko]] kommenden islamischen Mauren, die seit ihrem Einfall nach Europa im Jahr 711/12 Süd- und Mittelspanien beherrschten. Aber auch der Kampf der Franken gegen die zunächst noch heidnischen Sachsen wird behandelt. Die Thematik der Heidenkriege war lange Zeit aktuell, einmal dank der [[Reconquista]] (= Rückeroberung) Spaniens, die gegen 1000 vom christlich gebliebenen Nordspanien her intensiviert wurde, und zum anderen dank der 1095 beginnenden [[Kreuzzug|Kreuzzüge]], d.&nbsp;h. der Versuche christlicher Ritterheere, das seit über 400 Jahren von Moslems beherrschte [[Jerusalem]] zu erobern und das heilige Grab unter christliche Herrschaft zu bringen. Die Gattung der ''Chansons de geste'' scheint besonders in den Klöstern entlang der [[Pilgerweg|Pilgerstraßen]] durch Frankreich nach [[Santiago de Compostela]] in Nordwestspanien gepflegt worden zu sein, als Mittel zur Unterhaltung und Erbauung der dort jeweils übernachtenden Pilger.
daß sie arbeiten an der Gerechtigkeit in der Welt, in sich selber
 
finden die Sattheit für diese Eigenschaft!|116|89f}}
== Wirkung ==
[[Datei:Roland 2.JPG|mini|Roland mit dem [[Olifant]]en, unter ihm der tote Olivier. Statue von [[Jules Jacques Labatut]] (1888) in [[Toulouse]].]]
Das Rolandslied war nicht nur in Frankreich wohlbekannt und verbreitet, sondern lieferte auch die Vorlage oder den Stoff für zahlreiche Übertragungen, Bearbeitungen und sonstige Texte in anderen europäischen Sprachen. Eine der frühesten dieser anderssprachigen Versionen war um 1170 die deutsche Nachdichtung von [[Pfaffe Konrad|Konrad dem Pfaffen]], der diverse spezifisch französische Aspekte durch allgemein christliche ersetzt. Auch [[Altnordische Literatur|altnordische]], englische, niederländische und spanische Versionen sind erhalten oder bezeugt. In Italien verarbeiteten 1476 [[Matteo Maria Boiardo]] und nach 1505 [[Ludovico Ariosto]] den Stoff für ihre vielgelesenen heroisch-komischen [[Versroman]]e ''Orlando innamorato'' (= Der verliebte R.) und ''[[Der rasende Roland|Orlando furioso]]'' („Der rasende Roland“), die ihrerseits der Figur Rolands neue große Bekanntheit verschafften. Auf Spanisch ragt als wichtigstes phantastisches Epos der Sprache das in Mexiko Anfang des 17. Jahrhunderts abgefasste und in Madrid 1624 gedruckte, enorme, barocke Epos [[El Bernardo]] (5000 Achtzeiler in 40.000 Versen) des [[Bernardo de Balbuena]] als Meisterwerk der Barocklyrik Mexikos heraus.
 
Das ''Rolandslied'' bildete auch die Basis für die spätere Popularität der [[Rolandstatue]]n in Europa.
 
== Analyse ==
[[Franz Borkenau]] hat als [[Literatursoziologie|Soziologe]] das Rolandslied als [[Programmatik|programmatisches]] Epos erschlossen, das den Übergang vom Heldentum der [[Völkerwanderung]] zur [[Normannen|normannischen]] Heeresdisziplin kennzeichne.<ref>''Ende und Anfang'', Stuttgart: Klett-Cotta 1984. ISBN 3-608-93032-9. S.&nbsp;489–507</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der Christus-Impuls und die Entwickelung des Ich-Bewußtseins'', [[GA 116]] (1982), ISBN 3-7274-1160-0 {{Vorträge|116}}
* ''Die Satzverbindung im altfranzösischen Rolandsliede''. Wiesike, Brandenburg 1886 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-106907}})
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Geheimnis des Todes. Wesen und Bedeutung Mitteleuropas und die europäischen Volksgeister'', [[GA 159]] [GA 159/160] (1980), ISBN 3-7274-1590-8 {{Vorträge|159}}
* Fatemeh Chehregosha Azinfar (2008): "Dissent, Skepticism, and Medieval Texts: ''La Chanson de Roland'' and its Persian Prototype ''Vis and Ramin''", in dies.: ''Atheism in the medieval Islamic and European world. The influence of Persian and Arabic ideas of doubt and skepticism on medieval European literary thought'', Bethesda, Maryland: Ibex Publishers, ISBN, S. 101–144.
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Rätsel des Menschen. Die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte'', [[GA 170]] (1992), ISBN 3-7274-1700-5 {{Vorträge|170}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_gerechtigkeit.pdf Über die Gerechtigkeit] PDF
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_widerlegung_harsanyi_und_rawls.pdf Die Widerlegung von Harsanyi und Rawls] PDF


{{GA}}
== Weblinks ==
* [http://opac.regesta-imperii.de/lang_de/suche.php?qs=Rolandslied Veröffentlichungen zum Rolandslied] im Opac der Regesta Imperii
* [http://www.fh-augsburg.de/~harsch/gallica/Chronologie/11siecle/Roland/rol_intr.html Das Rolandslied des Pfaffen Konrad]
* [http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg112/0001 Digitales Faksimile von des Pfaffen Konrads Rolandslied]
* [http://www.bartleby.com/49/2/ The Song of Roland] (keine eigene Version, sondern lediglich eine Übersetzung des französischen Textes)
* [http://cf.hum.uva.nl/dsp/ljc/roelandslied/hands.html Het Roelandslied]
* [http://www.pinkernell.de/romanistikstudium Artikel 'Chanson de Roland' in "Namen, Titel und Daten der franz. Literatur"] (Hauptquelle, enthält auch eine Textprobe mit Übersetzung)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />


<references/>
[[Kategorie:Literarisches Werk]]
[[Kategorie:Dichterisches Werk]]
[[Kategorie:Versepos]]


[[Kategorie:Sozialethik]]
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Tugend]]
[[Kategorie:Gerechtigkeit|!]]
[[Kategorie:Gleichheit]]
[[Kategorie:Gerechtigkeitsempfinden]]
[[Kategorie:Gerechtigkeitstheorien]]
[[Kategorie:Ethisches Gut]]
[[Kategorie:Medizinethik]]
[[Kategorie:Ethisches Prinzip]]
[[Kategorie:Philosophie der Gerechtigkeit]]
[[Kategorie:Soziale Kunst]]
[[Kategorie:Sozialphilosophie]]
[[Kategorie:Philosophie des Sozialen]]

Version vom 13. Juni 2018, 04:29 Uhr

Das Rolandslied (französisch La Chanson de Roland) (zwischen 1075 und 1110 entstanden) ist ein altfranzösisches Versepos über das heldenhafte Ende Rolands. Es umfasst 4002 assonierende zehnsilbige Verse in 291 Strophen (sog. Laissen) und ist eines der ältesten Werke der Gattung Chansons de geste. Um 1900 wurde es in Frankreich zu einer Art frühem Nationalepos stilisiert, und zwar wegen der Liebe, mit der es von „la douce France“ (dem süßen Frankreich) spricht, und wegen der herausragenden Rolle, die es den „Français de France“ (den Franzosen aus der Île de France) in dem multi-ethnischen Heer von Kaiser Karl dem Großen zuweist.

In dem Epos geht es um Kriegszüge Karls des Großen gegen die „Heiden“, d. h. gegen die aus Nordafrika kommenden islamischen Sarazenen, die seit ihrem Einfall nach Europa im Jahr 711/12 Süd- und Mittelspanien beherrschten.

Das Rolandslied wurde verfasst oder aufgeschrieben, vielleicht aber auch nur diktiert und/oder öfter vorgetragen von einem sonst nicht weiter bekannten Turoldus, von dem der letzte Vers nicht genau deutbar sagt, er habe das Werk „dekliniert“ (Ci falt („hier endet“) la geste que Turoldus declinet).

Das Werk ist in sieben vollständigen Handschriften sowie drei Fragmenten erhalten. Die wichtigsten sind die sogenannte Oxforder Handschrift (Digby 23), die im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts offenbar auf englischem Boden entstand und deren Sprache stark vom anglonormannischen Dialekt gefärbt ist, sowie eine in Venedig aufbewahrte Handschrift des 14. Jahrhunderts, die jedoch nur 3846 Verse enthält, die der Oxforder Fassung nahe verwandt sind (Marc. 225). Darauf folgt eine sonst nicht überlieferte Darstellung der Belagerung von Narbonne, darauf folgt die Handlung den gereimten Versionen.[1]

Die Handlung

Roland stürmt den Tempel Mahomets. Abbildung aus der Heidelberger Liederhandschrift (Cod. Pal. germ. 112, P, fol. 57v), Ende 12. Jh.

Das Rolandslied umfasst zwei größere Teile: in den ersten drei Fünfteln (Vers 1–2396) ist eindeutig Roland der Protagonist, in den letzten zwei (Vers 2397–4002) eher Karl der Große.

Dieser hat zu Beginn der Handlung in sieben Jahren Krieg fast das ganze heidnische Spanien erobert bis auf Saragossa. Dessen König Marsilie, „der Mohammed dient und Apollo anruft“, bietet ihm nun Unterwerfung und Übertritt zum Christentum an – beides aber nur zum Schein, um den Abzug des fränkischen Heeres zu erreichen. Karl versammelt den Rat der Barone, in dem sein Schwager Ganelon rät, das Angebot anzunehmen, während sein Neffe Roland, der zugleich ungeliebter Stiefsohn Ganelons ist, den Kampf fortsetzen will. Karl, der schon alt und kriegsmüde ist, schließt sich Ganelon an, worauf Roland mit verletzender Ironie diesen als Sendboten vorschlägt.

Der beleidigte Ganelon sinnt auf Rache. Er begibt sich zu König Marsilie, dem er Roland als einen Kriegstreiber darstellt, ohne dessen Beseitigung es keinen Frieden geben werde. Marsilie soll deshalb mit einer Übermacht die Nachhut des abziehenden fränkischen Heeres überfallen; Ganelon will dafür sorgen, dass Roland ihr Befehlshaber ist.

Alles geschieht wie geplant. Als Roland mit seinen zwölf befreundeten Recken als Unterführern den Hinterhalt bemerkt, wird er von seinem besonnenen Freund und Schwager in spe Olivier gedrängt, mit dem Signalhorn Olifant das fränkische Heer zu Hilfe zu rufen, doch stolz lehnt er ab. Erst als nach verlustreicher Abwehr der ersten Angriffswelle die Lage aussichtslos ist, bläst er auf Rat des streitbaren Bischofs Turpin das Horn. Nach der zweiten Welle (deren heldenhafte Kämpfe wiederum liebevoll-ausführlich dargestellt werden) ist nur noch Roland übrig. Nachdem auch er durch einen Hagel von Speeren und Pfeilen tödlich verletzt ist, fliehen die Heiden, weil sie Karls Heer zu hören glauben. Roland stirbt auf dem Schlachtfeld in der Pose des Siegers, mit dem Gesicht gen Saragossa. Der Erzengel Gabriel und zwei weitere Engel geleiten seine Seele ins Paradies.

Karl, der in der Tat herbeigeeilt ist, verfolgt und vernichtet die Heiden, deren Reste mit dem schwer verwundeten König Marsilie nach Saragossa flüchten. Dort trifft gerade ein riesiges Heidenheer ein, geführt von „Admiral“ Baligant von „Babylonien“, den Marsilie schon vor Jahren um Beistand gebeten hatte. Doch auch dieses Heer wird von Karl vernichtet, nicht ohne dass er selbst, der trotz seines Alters noch rüstig ist, im Schlachtgetümmel auf Baligant trifft und ihn in langem Zweikampf mit Hilfe eines Engels besiegt. Nach der Einnahme Saragossas und der Zwangsbekehrung seiner Einwohner kehrt Karl zurück in seine Residenz Aachen.

Hier muss er der Verlobten Rolands, Aude, die Nachricht seines Todes überbringen, was auch ihren Tod bewirkt. Er will nun Gericht halten lassen über Ganelon, doch dreißig Verwandte stellen sich schützend vor diesen, darunter Pinabel, der ihn im gerichtlichen Zweikampf vertreten will. Erst als Thierry, der junge Bruder des Grafen von Anjou, sich für die gerechte Sache zu kämpfen erbietet und Pinabel mit Gottes Hilfe besiegt, kann Karl Ganelon samt seiner Familie bestrafen. Noch dieselbe Nacht erscheint ihm der Erzengel Gabriel und fordert ihn auf, König Vivien zu helfen, der in seiner Stadt „Imphe“ von Heiden belagert wird. Karl weint und rauft sich den Bart – aber man ahnt: er wird gehen.

Historischer Hintergrund

Basis der Handlung ist ein Kriegszug, den Karl der Große 778 gegen die islamischen Sarazenen in Spanien führte. Anlass war das Hilfeersuchen des Sulayman ben al-Arabí, Statthalter in Saragossa, gegen seinen Herrn, Emir Abderrahman von Córdoba, Ziel die erst später vollzogene Sicherung der (nordost-)spanischen Mark.

Der Kriegszug wurde nach anfänglichen Erfolgen abgebrochen. Saragossa, dessen Tore sich entgegen Karls Erwartungen nicht öffneten, nachdem die politisch-militärische Situation sich eindeutig zugunsten des Emirs gedreht hatte, wurde monatelang erfolglos belagert. Krankheiten und zunehmender Verpflegungsmangel taten ihr Übriges. Möglicherweise sollte auch bevorzugt ein erneuter Aufstand der Sachsen niedergeschlagen werden.

Beim Rückzug via Pamplona gab Karl die baskisch-navarrische und christliche Stadt zum Überfall und zur Plünderung durch seine Streitkräfte frei. Es kam zu einem Blutbad und weiteren, erwartbaren Auswirkungen auf die Bevölkerung. Während der Weiterreise kam die fränkische Nachhut beim Pyrenäenort Roncesvalles (Navarra) in einen Hinterhalt. Diesen legten jedoch keine Sarazenen, sondern die auf Vergeltung bedachten Basken. Von Einhard z.B. werden diese Umstände in dessen Biographie Karls zugunsten seines Kaisers wohlweislich verschwiegen.

Der Führer der Nachhut war möglicherweise Hruotland (französisiert Roland), der als Roland von Cenomanien, Markgraf der bretonischen Mark des Frankenreichs bezeugt ist. Mit ihm fielen der Graf Eginhard von Metz und Graf Anselm von Worringen am 15. August 778 (→ Schlacht von Roncesvalles).

Deutung

In der Gattung Chanson de geste, zu der das Rolandslied zählt, geht es überwiegend um die Kriegszüge Kaiser Karls des Großen oder Kaiser Ludwigs des Frommen und/oder ihrer Heerführer gegen die Heiden, d. h. die aus Marokko kommenden islamischen Mauren, die seit ihrem Einfall nach Europa im Jahr 711/12 Süd- und Mittelspanien beherrschten. Aber auch der Kampf der Franken gegen die zunächst noch heidnischen Sachsen wird behandelt. Die Thematik der Heidenkriege war lange Zeit aktuell, einmal dank der Reconquista (= Rückeroberung) Spaniens, die gegen 1000 vom christlich gebliebenen Nordspanien her intensiviert wurde, und zum anderen dank der 1095 beginnenden Kreuzzüge, d. h. der Versuche christlicher Ritterheere, das seit über 400 Jahren von Moslems beherrschte Jerusalem zu erobern und das heilige Grab unter christliche Herrschaft zu bringen. Die Gattung der Chansons de geste scheint besonders in den Klöstern entlang der Pilgerstraßen durch Frankreich nach Santiago de Compostela in Nordwestspanien gepflegt worden zu sein, als Mittel zur Unterhaltung und Erbauung der dort jeweils übernachtenden Pilger.

Wirkung

Roland mit dem Olifanten, unter ihm der tote Olivier. Statue von Jules Jacques Labatut (1888) in Toulouse.

Das Rolandslied war nicht nur in Frankreich wohlbekannt und verbreitet, sondern lieferte auch die Vorlage oder den Stoff für zahlreiche Übertragungen, Bearbeitungen und sonstige Texte in anderen europäischen Sprachen. Eine der frühesten dieser anderssprachigen Versionen war um 1170 die deutsche Nachdichtung von Konrad dem Pfaffen, der diverse spezifisch französische Aspekte durch allgemein christliche ersetzt. Auch altnordische, englische, niederländische und spanische Versionen sind erhalten oder bezeugt. In Italien verarbeiteten 1476 Matteo Maria Boiardo und nach 1505 Ludovico Ariosto den Stoff für ihre vielgelesenen heroisch-komischen Versromane Orlando innamorato (= Der verliebte R.) und Orlando furioso („Der rasende Roland“), die ihrerseits der Figur Rolands neue große Bekanntheit verschafften. Auf Spanisch ragt als wichtigstes phantastisches Epos der Sprache das in Mexiko Anfang des 17. Jahrhunderts abgefasste und in Madrid 1624 gedruckte, enorme, barocke Epos El Bernardo (5000 Achtzeiler in 40.000 Versen) des Bernardo de Balbuena als Meisterwerk der Barocklyrik Mexikos heraus.

Das Rolandslied bildete auch die Basis für die spätere Popularität der Rolandstatuen in Europa.

Analyse

Franz Borkenau hat als Soziologe das Rolandslied als programmatisches Epos erschlossen, das den Übergang vom Heldentum der Völkerwanderung zur normannischen Heeresdisziplin kennzeichne.[2]

Literatur

  • Die Satzverbindung im altfranzösischen Rolandsliede. Wiesike, Brandenburg 1886 (Digitalisat)
  • Fatemeh Chehregosha Azinfar (2008): "Dissent, Skepticism, and Medieval Texts: La Chanson de Roland and its Persian Prototype Vis and Ramin", in dies.: Atheism in the medieval Islamic and European world. The influence of Persian and Arabic ideas of doubt and skepticism on medieval European literary thought, Bethesda, Maryland: Ibex Publishers, ISBN, S. 101–144.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alexandre Micha: Überlieferungsgeschichte der französischen Literatur des Mittelalters. In: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. 2. Überlieferungsgeschichte der mittelalterlichen Literatur. Zürich 1964, S. 187–259, hier S. 238–240
  2. Ende und Anfang, Stuttgart: Klett-Cotta 1984. ISBN 3-608-93032-9. S. 489–507


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