Pestalozzi

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Johann Heinrich Pestalozzi (Gemälde, vermutlich von G. F. A. Schöner)
Wappen der Familie Pestalozzi aus Zürich

Johann Heinrich Pestalozzi (* 12. Januar 1746 in Zürich; † 17. Februar 1827 in Brugg, Kanton Aargau) war ein Schweizer Pädagoge. Ausserdem machte er sich als Philanthrop, Schul- und Sozialreformer, Philosoph sowie Politiker einen Namen.

Leben

Johann Heinrich Pestalozzis Vorfahren lebten im Val San Giacomo (gehörte von 1512–1797 zu den Drei Bünden und heute zu Italien), einem Gebirgstal im Süden des Splügenpasses. Im 16. Jahrhundert zog dort ein junger Abkömmling der Familie zum Studieren nach Zürich, wo er sich nach dem Studienabschluss niederließ. Rund zweihundert Jahre später kam dort als sein direkter Nachfahre Heinrich Pestalozzi als Sohn des Johann Baptist Pestalozzi, einem Chirurgen, und der Susanna Hotz zur Welt, die einer dörflichen Notablenfamilie entstammte. Sein Großvater Andreas Pestalozzi (1692–1769), der ihm schon früh die Liebe zu Jugend und Volk vermittelte, war reformierter Pfarrer in Höngg. Er besuchte von 1751–1765 die Elementar- und die Lateinschule und studierte zunächst Theologie, dann Jurisprudenz am Collegium Carolinum in Zürich, wo ihn der Aufklärer Johann Jakob Bodmer (1698–1783) beeinflusste.

Trotz seines leidenschaftlichen theoretischen Interesses am Menschen, an Gesellschaft und Staat wollte er primär praktisch tätig sein. So brach er sein Studium in Zürich vorzeitig ab und begab sich in eine landwirtschaftliche Lehre (1767/1768) bei Johann Rudolf Tschiffeli in Kirchberg (Kanton Bern). Ab 1769 versuchte er sich im aargauischen Birr als landwirtschaftlicher Unternehmer. Durch die Einführung neuer Gewächse und neuer Düngemethoden wollte er der teilweise verarmten Bauernschaft ein Beispiel geben, wie sie ihre Situation verbessern könnten. Dieses Unternehmen scheiterte jedoch.

Im September 1769 heiratete Pestalozzi in Gebenstorf Anna Schulthess, gegen den Willen ihrer Eltern. 1770 kam ihr gemeinsamer Sohn Hans Jakob zur Welt, den er im Sinne der aufklärerischen Pädagogik nach Jean-Jacques Rousseau benannte, dessen Ratschläge zur natürlichen Kindererziehung in seiner Schrift Emile, er Punkt für Punkt bei seinem Sohn anwendete. Dieser Versuch einer idealen Kindheit scheiterte tragisch. Das Tagebuch, das Pestalozzi über die Erziehung seines Sohnes hinterließ, gilt als ein erschütterndes Dokument einer schwerwiegenden Fehlinterpretation der hypothetischen Pädagogik Rousseaus. Schon dreieinhalbjährig musste Jakob die Zahlen und Buchstaben lernen. Dabei konnte sein Vater sehr streng sein; wenn der Junge nicht lernen wollte, wurde er bestraft. Die Erziehung, die unsicheren äußeren Lebensverhältnisse und das Aufwachsen unter den verwahrlosten Kindern führte dazu, dass Jakoblis Leben begleitet war von Stress, Schwankungen, Unsicherheit und von stetem Ungenügen.

Mit 11 Jahren wurde Jakobli, der immer noch nicht richtig schreiben und lesen konnte, zu Freunden nach Basel gebracht. Wenig später brachen bei ihm epileptische Anfälle aus. Nach seiner Rückkehr auf den Neuenhof heiratete er Anna Magdalena Fröhlich aus Brugg, ein Patenkind Annas. Sie bekamen 1798 einen Sohn, Gottlieb. Hans-Jakobs Anfälle wurden immer schlimmer und häufiger. Am 15. August 1801 starb Pestalozzis Sohn 31-jährig.

Ab etwa 1773/74 nahm das Ehepaar Pestalozzi an die 40 Kinder auf ihrem Landgut auf. Sie lernten dort spinnen, weben und den „kleinen Landbau“. Pestalozzi verband die praktische Arbeit mit Schulunterricht und sittlich-religiöser Erziehung und hoffte, dass er das Projekt durch den Verkauf der Textilprodukte finanzieren könne. Dies misslang jedoch, die Familie geriet immer mehr in Schulden und musste die Anstalt 1779 schließen.

Ab 1780 und in den folgenden knapp 20 Jahren widmete sich Pestalozzi vorwiegend der Schriftstellerei. Er wurde durch seinen Roman Lienhard und Gertrud (4 Bände, 1781–1787) weltweit berühmt. Weitere Werke aus dieser Zeit sind Die Abendstunde eines Einsiedlers (1780), Christoph und Else (1782), Gesetzgebung und Kindermord (1783), Ja oder Nein? (1793), Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts (1797), Fabeln (1797).

1783 war der Aufklärer Mitbegründer der Zürcher Filiale des Illuminatenordens (sein Ordensname war Alfred) und 1784 Mitbegründer der „Gesellschaft zur Aufnahme des Guten“ in Zürich, die eine Tarnorganisation des Ordens war. Er verlor indessen in verhältnismäßig kurzer Zeit das Interesse an dieser Verbindung.

1792 erklärte ihn die französische Nationalversammlung als einzigen Schweizer zum französischen Ehrenbürger. In den Wirren der helvetischen Revolution (Einmarsch der Franzosen 1798) stellte sich Pestalozzi der neuen helvetischen Regierung zur Verfügung, einerseits durch publizistische Tätigkeit (Redaktor am Helvetischen Volksblatt), andererseits durch die Führung eines Waisen- und Armenhauses in Stans (1799), wo er grundlegende pädagogische Erfahrungen machen konnte. Im folgenden Jahr gründete er sein berühmtes Erziehungsinstitut im Schloss Burgdorf (Burgdorf BE), wo er eine eigene Unterrichts- und Erziehungsmethode entwickelte und theoretisch begründete (Hauptwerk: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt).

Titelblatt des ersten Bands der kritischen Pestalozzi-Ausgabe, 1927

1804 verlegte Pestalozzi sein Institut nach Yverdon-les-Bains (Kanton Waadt), wo er – gemeinsam mit einer Reihe bedeutender Mitarbeiter – seine Methode weiterentwickelte und in zahlreichen Schriften (beispielsweise An die Unschuld, den Ernst und den Edelmut meines Zeitalters und meines Vaterlandes, 1815, und Schwanengesang, 1825) publizierte. Im Wesentlichen forderte seine 'Idee der Elementarbildung' eine naturgemäße Erziehung und Bildung, die die Kräfte und Anlagen des Kopfs (intellektuelle Kräfte), des Herzens (sittlich-religiöse Kräfte) und der Hand (handwerkliche Kräfte) in Harmonie entfaltet. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften nahm ihn 1808 als auswärtiges Mitglied auf.

Interne Streitigkeiten in der Lehrerschaft um seine Nachfolge, die schon den Schüler Friedrich Fröbel 1810 zum Verlassen der Anstalt bewogen hatten, führten das Institut in Yverdon in den Ruin. 1825 musste Pestalozzi auch diese Anstalt schließen und zog sich auf den Neuhof zurück. Am 17. Februar 1827 wurde er wegen einer schweren Erkrankung nach Brugg gebracht, was die ärztliche Pflege erleichtern sollte. Zwei Tage später verstarb er dort im Alter von 81 Jahren in den Morgenstunden. Er wurde am alten Schulhaus in Birr vom Ortspfarrer und den Schullehrern beerdigt, weil wegen hohen Schnees Freunde und Angehörige nicht rechtzeitig anreisen konnten oder gar nicht von Pestalozzis Tod gehört hatten.[1] Seinem Wunsche gemäß pflanzte man auf sein Grab einen weißen Rosenstrauch. Anlässlich seines 100. Geburtstages erbaute ihm der Kanton Aargau 1846 an der Fassade des neuen Schulhauses ein Denkmal.

Auf seinem Grabstein stehen die Worte „Hier ruht Heinrich Pestalozzi, geb. in Zürich am 12. Jänner 1746, gest. in Brugg am 17. Hornung 1827. Retter der Armen auf Neuhof. Prediger des Volkes in Lienhard und Gertrud. Zu Stans Vater der Waisen, Zu Burgdorf und Münchenbuchsee Gründer der neuen Volksschule. Zu Iferten Erzieher der Menschheit. Mensch, Christ, Bürger, Alles für Andere, für sich Nichts. Segen seinem Namen!“

Pestalozzi wurde zum Beispiel von Johann Gottfried Herder sehr geschätzt und viele ihrer Ideen sind identisch. Joseph Anton Sickinger, ein späterer deutscher Schulreformer, übernahm viele Anregungen in sein Mannheimer Schulsystem, das Ausgangspunkt weiterer Reformen im 20. Jahrhundert in Deutschland und international wurde.

Wie vielleicht kein anderer hat sich Ludwig Wilhelm Seyffarth mit Pestalozzis Werk befasst.


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  1. Alfred Heubaum: Pestalozzi. Der Erzieher., 3. Auflage. In: Die großen Erzieher. Ihre Persönlichkeit und ihre Systeme, Hrsg. Rudolf Lehmann, Bd. 3. Felix Meiner, Leipzig 1929, S. 345