Husserl

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Edmund Husserl (1900)

Edmund Husserl (* 8. April 1859 in Proßnitz, Mähren; † 27. April 1938 in Freiburg im Breisgau) war ein Philosoph und Mathematiker. Der Geburt nach Österreicher, erwarb Husserl 1896 die preußische Staatsangehörigkeit.

Husserl ist der Begründer der philosophischen Phänomenologie, mit deren Hilfe er die Philosophie als strenge Wissenschaft (Titel einer programmatischen Schrift von 1910/11) zu begründen suchte. Er ist einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts.

Husserl forderte von der Philosophie, sich vorschneller Weltdeutungen zu enthalten und sich bei der analytischen Betrachtung der Dinge an das zu halten, was dem Bewusstsein unmittelbar (phänomenal) erscheint. Damit brach er mit dem um 1900 vorherrschenden Psychologismus, der die Gesetze der Logik als Ausdruck bloßer psychischer Gegebenheiten sah, wodurch die Objektivität des Logischen prinzipiell unerreichbar sei. Etwa ab 1907 verband er seine Phänomenologie mit der Transzendentalphilosophie, eine Wendung, der einige seiner Schüler, wie Max Scheler und Martin Heidegger nicht folgen konnten.

Husserl war äußerst produktiv. Der Nachlass umfasst etwa 40.000 Seiten; seit 1950 wird das Werk im Rahmen der Husserliana (Gesammelte Werke) herausgegeben. Großen Einfluss übte Husserl auf die Existenzphilosophen Maurice Merleau-Ponty, Jean-Paul Sartre und Martin Heidegger aus. Aber auch Theodor W. Adorno baute auf ihn auf. Für die Soziologie machte besonders Alfred Schütz den Husserlschen Ansatz fruchtbar.

Die Psychologismuskritik

Die philosophische Ausgangslage Husserls war die zu seiner Zeit herrschende Annahme, dass Wahrheiten relativ betrachtet werden müssen und sich nur in ihrer jeweiligen historischen Form zeigen (Historismus) oder aber Produkt einer naturalistisch gedachten Psyche sind (Psychologismus). Philosophie wäre dann keine Form der Erkenntnisgewinnung mehr und hätte diese Aufgabe an die Psychologie abzugeben. Dieser Auffassung setzte Husserl seine Kritik des Psychologismus entgegen. Nach Husserl ist die These des Psychologismus, die Logik sei ein Teil der Psychologie, da diese sich als Wissenschaft der Psyche auch mit den Denkgesetzen beschäftige, falsch. Demnach wäre Logik die Lehre vom Denken, Schlussfolgern und Urteilen und ein Spezialfall der psychischen Fähigkeiten. Husserl widerspricht dieser Auffassung in doppelter Hinsicht. Zunächst zeigt er auf, dass die Konsequenz des Psychologismus eine bloße Relativität logischer Gesetze zur Folge hätte. So würde der Satz vom Widerspruch zu einer bloßen Wahrscheinlichkeit werden, da empirische Regeln keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können.

Ein weiteres Problem betrifft die Denkakte und deren Richtigkeit. Wenn die Gesetze der Logik rein empirischer Natur wären, abgeleitet aus den Denkgesetzen, sei damit noch nicht geklärt, dass diese auch richtig wären. So gibt es durchaus logisch falsche Urteile, die ebenfalls dem Denken entspringen. Somit kann das Kriterium der Richtigkeit nicht im Denken selbst liegen, es sei denn falsche Urteile würden einer anderen Denkabfolge unterliegen, wobei dann wiederum die Frage bliebe, was denn nun das Kriterium für richtige oder falsche Denkabfolgen sei. Husserl ist der Überzeugung, dass der Psychologismus letztlich die Denkinhalte, z. B. das Urteil, nicht vom Denkverlauf, dem Urteilen selbst unterscheidet. Damit ist das Urteilen selbst real, während der Urteilsinhalt ideal ist. Diese Unterscheidung zwischen Inhalt und Denkakt, zwischen „Genesis“ und „Geltung“, wird in der Folge der Phänomenologie konstitutiv bleiben.

Husserl und die Anthroposophie

"Ich muß gestehen, als ich meine «Rätsel der Philosophie» in der neuen Auflage abfaßte und versuchte, ein wenig diese neueren Richtungen zu verarbeiten, da stand ich immer wieder vor der Frage: Was soll man nun mit dem Husserl eigentlich machen? - Es ist tatsächlich so, wenn man sich noch so sehr bemüht, etwas heranzuholen, um ihm irgendwie beizukommen, ihn zu fassen, man kriegt es nicht fertig; es kommt nichts Besonderes dabei heraus. Es ist mir so stark aufgefallen, wie Husserl im Grunde genommen in Worten kramt, wie er auch bei aller seiner Wesensschau und so weiter ganz abhängig ist von dem sekundären Wortinhalt und wie er nicht zu einem wirklichen Schauen auch nur der einfachsten Bewußtseinstatbestände kommen kann" (Lit.: GA 073a, S. 501f) (1917, das Jahr, in das auch die abschätzige Beurteilung der analytischen Psychologie C.G. Jungs fällt).

Entsprechend findet Husserl dann auch in der Neuauflage der "Rätsel der Philosophie" keine Erwähnung. Steiner registriert jedoch, daß Husserl wie er selbst ein Schüler Brentanos war. Wenn Steiner den heutigen Wert der Philosophie noch darin sah, daß sie eine Schule des logischen Denkens sei <Quelle>, dann kann man dem entgegen halten, daß das auf die von Husserl begründete philosophische Phänomenologie ganz sicher nicht zutrifft. Denn sie ist nicht, wenn es denn um Schulung gehen soll, Schule des logischen Denkens, sondern des genauen Beobachtens und Sehens.

Literatur

  • Edmund Husserl, Klaus Held : Die Phänomenologische Methode. Ausgewählte Texte I. Reclam (1985), ISBN 9783150080849, Einleitung von Klaus Held
  • Edmund Husserl, Klaus Held: Phänomenologie der Lebenswelt. Ausgewählte Texte II. Reclam (1986), ISBN 9783150080856, Einleitung von Klaus Held
  • Husserl, Edmund / Steiner, Uwe C.: Husserl. / ausgew. und vorgestellt von Uwe C. Steiner, Diederichs, München 1997, Reihe Philosophie Jetzt! Texte aus dem Gesamtwerk, Einleitung von Uwe C. Steiner, S. 13-57, Literaturverz. S. 521-527, mit Sachwort- und Namensregister, ISBN 3424012904
  • Fink, Eugen: Die Phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegenwärtigen Kritik, mit einem Vorwort von Edmund Husserl, in: Kant-Studien 38, 1-2, S. 319-383, 1933, [1] (Gut verständliche Einführung in die transzendentale Phänomenologie Husserls mittels Kontrastierung mit dem neukantianischen Kritizismus, die zudem von Husserl durchgesehen und in jeder Hinsicht als zutreffend bezeichnet wurde. Beleuchtung einiger ganz wesentlicher Aspekte von Husserls Phänomenologie und Verdeutlichung, wodurch sich Husserls Phänomenologie von anderem, was sich auch "Phänomenologie" nennt, unterscheidet.)
  • Dan Zahavi: Husserls Phänomenologie, UTB 3239 Mohr Siebeck, 2009, ISBN 3825232395, Inhaltsverzeichnis, Rezension
  • Loidolt, Sophie: Transzendentalphilosophie und Idealismus in der Phänomenologie Überlegungen zur phänomenologischen „Gretchenfrage“, in: Metodo. International Studies in Phenomenology and Philosophy, Special Issue, n. I, ch. 1 (2015), S. 103-135, ISSN 2281-9177, PDF
  • Helmuth Vetter (Hg.): Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe, Herausgegeben von Helmuth Vetter, Philosophische Bibliothek 555. 2005. Unter Mitarbeit von Klaus Ebner und Ulrike Kadi. IX, 699 Seiten, ISBN 978-3-7873-1689-2, Verlagsauskunft
  • Otto Jachmann: Denken wird Wahrnehmung. Die Philosophie von Brentano, Husserl, Heidegger und Derrida und die Anthroposophie. Verlag Ch. Möllmann 2009
  • Reinhard Falter: Was ist Phänomenologie?, Zeitschrift Novalis, Nr. 3, 1996
  • Iris Henningfeld: Zu den Sachen selbst. Horizonte wissenschaftlicher Anthroposophie-Forschung, in Die Drei, 3/2016, Inhaltsverzeichnis ; [2] (u.a. zur Psychologismuskritik Husserls)
  • Rudolf Steiner: Die Ergänzung heutiger Wissenschaften durch Anthroposophie, GA 73 (1987), ISBN 3-7274-0730-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Rudolf Steiner: Fachwissenschaften und Anthroposophie, GA 73a (2005), ISBN 3-7274-0735-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org

Weblinks

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