Doppelstern

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Das Baryzentrum eines Doppelsternsystems (als kleiner gelber Kreis dargestellt) bewegt sich in weitgehend gerader Linie, während die beiden Sterne um dieses Baryzentrum kreisen.
Betrachtet man das Baryzentrum als stillstehend, umkreisen es die beiden Sterne gemäß der Newtonschen Lösung des Zweikörpersystems auf elliptischen Bahnen mit gleicher Apsidenlinie, gleicher Exzentrizität und gleicher Umlaufzeit. Bei unterschiedlichen Massen bewegt sich der massereichere Stern auf einer entsprechend kleineren Ellipse.
Auch die Kreisbahn ist als Sonderfall der Ellipsenbahn möglich. Bei schräger Sicht auf die Bahnebene sehen diese Bahnen allerdings ebenfalls wie Ellipsen aus.

Als Doppelstern bezeichnet man zwei Sterne, die am Himmel so nahe beisammenstehen, dass sie von der Erde aus gesehen einen geringen Winkelabstand aufweisen oder ggf. auch mit den besten Optiken als ein einziger Stern erscheinen und zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit gravitativ gekoppelt sind. In diesem Fall bilden die Sterne eine physische Einheit, also ein Binärsystem, und kreisen um den gemeinsamen Schwerpunkt. Aus dieser Bewegung lässt sich die genaue Masse der beiden Sterne bestimmen, was als „Eichmethode“ für die Astrophysik von großer Bedeutung ist. Doppelsterne, die sich im Fernrohr nicht mehr trennen lassen, können oft spektroskopisch oder an ihrer Bewegung erkannt werden.

Als optische Doppelsterne bezeichnet man hingegen Sterne, die von der Erde aus zwar fast in gleicher Richtung am Himmel stehen, aber so verschieden weit von der Erde entfernt sind, dass sie sich gravitativ nicht beeinflussen. Bekannt ist das sehr auffällige Sternpaar α/β Centauri in nur 4° Winkelabstand, das den Südhimmel rings um das „Kreuz des Südens“ so reizvoll macht. Die wahren Entfernungen betragen allerdings 4,3 bzw. 530 Lichtjahre.

Gravitativ gebundene Doppelsterne sind ein häufiges Phänomen, was mit den physikalischen Bedingungen der Sternentstehung zusammenhängt, die ihre Bildung sehr wahrscheinlich macht. So ist beispielsweise auch das nächste System zur Sonne, Alpha Centauri, ein Mehrfachsternsystem bestehend aus dem Doppelstern Alpha Centauri A und B sowie dem entfernten Begleiter Proxima Centauri.

Mehrfachsterne

Schema für mögliche Kombinationen in Mehrsternsystemen.

Ein physisches System aus mehr als zwei Sternen wird Mehrfachstern oder Mehrfachsternsystem genannt. Meist entdeckt man Mehrfachsterne zunächst als Doppelstern. Die bis dahin nicht beobachteten oder nicht als solche erkannten Begleiter machen sich dann als Störungen der anderen Komponenten des Systems bemerkbar. Mehrfachsterne bestehen aus Untersystemen, die stets paarweise angeordnet sind. Die Untersysteme bestehen ihrerseits wieder aus Einzel- oder Doppelsternen. Nebenstehende Grafik zeigt mögliche Kombinationen von Doppelsternsystem (b) bis zu einem Fünffachsystem (f).

So sind beispielsweise Dreifachsternsysteme immer aus einem Doppelsternsystem und einem weiteren Begleiter aufgebaut. Begleiter und Doppelsystem umkreisen dabei einen gemeinsamen Schwerpunkt, der sich aus dem Schwerpunkt des Doppelsystems und des einzelnen Begleiters ergibt.

Eine ältere Statistik über Häufigkeit von Mehrfachsternsystemen schätzt, dass etwa 50 % aller Sterne zu einem Doppelsternsystem gehören, 20 % aller Sterne Teil eines Dreifachsystems sind und 10 % zu Mehrfachsystemen mit mehr als drei Sternen gehören. Demnach wären nur 20 % aller Sterne einzelstehend.[1]

Beispiele für Mehrfachsterne sind:

3 Komponenten

  • EZ Aquarii, ein spektroskopisches Binärsystem mit einer Periode von 3,8 Tagen, teilt sich eine gemeinsame Umlaufbahn mit EZ Aquarii B, mit einer Dauer von 823 Tagen.
  • η Orionis, ein spektroskopischer Doppelstern mit einem fernen Begleiter, Umlaufzeit des Doppelsterns 8 Tage, des Begleiters um den Doppelstern 3470 Tage.

4 Komponenten

  • ξ Ursae Majoris erscheint als Doppelstern mit einer Umlaufzeit von 59,6 Jahren, jede Komponente enthält aber nochmals ein Doppelsternsystem (mit Umlaufzeiten von 4 und 699 Tagen).
  • AB Doradus erscheint als Doppelstern mit einer Umlaufzeit von 1600 Jahren, jede Komponente enthält aber nochmals ein Doppelsternsystem (mit Umlaufzeiten von 1 und 2,5 Jahren).
  • Mizar: Es ist unklar, ob dieses Vierfachsternsystem gravitativ an das Doppelsternsystem Alkor gebunden ist. Wäre dies der Fall, würde es sich um ein Sechsfachsternsystem handeln.
  • HD 98800 ist ein Vierfachsystem, das aus zwei Doppelsystemen besteht. Es enthält Staubscheiben und möglicherweise auch Planeten.

5 Komponenten

  • ε Hydrae
  • 1SWASP J093010.78+533859.5, bestehend aus zwei etwa 140 AE voneinander entfernten engen Paaren, die beide bedeckungsveränderlich sind; eines dieser Paare wird von einem weiteren Stern umrundet.[2][3]

6 Komponenten

Es sind auch Sternsysteme mit mehr als sechs gravitativ gebundenen Sternen bekannt, obwohl sie ziemlich selten sind. In der Regel sind solche Systeme jedoch instabil und neigen dazu, sich über Zeit in kleinere Systeme zu teilen. Ein bekanntes Beispiel ist das oben schon genannte Sternsystem Castor im Sternbild Gemini (Zwillinge). Es wird manchmal als ein sechsfacher Stern beschrieben, obwohl es sich tatsächlich um drei Binärsysteme handelt, die gravitativ miteinander verbunden sind.

Ein weiteres Beispiel ist ν Scorpii, auch bekannt als Jabbah, im Sternbild Skorpion. Dieses System wird als sechs- oder siebenfacher Stern beschrieben, besteht aber ebenfalls aus mehreren Binärsystemen, die gravitativ miteinander verbunden sind.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese hochkomplexen Systeme nicht einfach zu analysieren oder zu verstehen sind. Die Beobachtung und Modellierung ihrer Bewegungen erfordert sehr präzise Messungen und ausgefeilte mathematische Techniken. Des Weiteren ist es oft schwierig, festzustellen, ob alle Komponenten eines solchen Systems tatsächlich gravitativ miteinander verbunden sind oder ob einige von ihnen nur zufällig in der gleichen Richtung am Himmel zu sehen sind.

Planeten in Doppelsternsystemen

Nicht maßstabsgetreue Veranschaulichung von S-Typ und P-Typ bei Planetenbahnen in einem Doppelsternsystem

Auch in Doppelsternsystemen kann es Exoplaneten geben. Es gibt dabei drei Typen von Planetenbahnen:

  • Planeten vom „S-Typ“ umkreisen nur einen der beiden Sterne und werden vom anderen Stern praktisch nicht beeinflusst, da dieser zu weit entfernt und/oder zu massearm ist.
  • Ein Planet vom „P-Typ“ (zirkumbinärer Planet) umkreist hingegen beide Sterne weit außen, so als ob sie ein einziger Stern wären.
  • „T-Typ“ Planeten würden wie die Trojaner im Sonnensystem den massereicheren Stern im Lagrange-Punkt L4 oder L5 des Sternensystems umkreisen. Mit Stand Anfang 2020 wurde noch kein Planet vom „T-Typ“ entdeckt.[5]

Je nach Konstellation der Sterne gibt es Zonen für S- und P-Typen von Planeten.[6] Es wurden in den letzten Jahren bereits einige Exoplaneten in Doppelsternsystemen entdeckt, und unser nächster Doppelstern, Alpha Centauri, gilt sogar als potentieller Kandidat für Planeten, die theoretisch Leben beherbergen könnten.[7] Das Weltraumteleskop Kepler hat im Jahr 2012 gleich zwei Exoplaneten auf stabilen Umlaufbahnen um das Doppelsternsystem Kepler-47 entdeckt.[8]

Einer 2014 von der NOAO veröffentlichten Studie zufolge besitzen Doppelsternsysteme vergleichbar häufig Exoplaneten wie Einzelsterne.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Wulff Dieter Heintz: Doppelsterne. Serie Das wissenschaftliche Taschenbuch. Band 30, 200 S., Goldmann-Verlag, München 1971.
  • James Mullaney: Double and multiple stars and how to observe them. Springer, New York 2005, ISBN 1-85233-751-6.
  • D. Vanbeveren u. a.: The brightest binaries. Kluwer, Dordrecht 1998, ISBN 0-7923-5155-X.
  • Kam-Ching Leung: New frontiers in binary star research. Astronomical Soc. of the Pacific, San Francisco 1993, ISBN 0-937707-57-0.
  • Mirek J. Plavec: Close binary stars – observations and interpretation. Reidel, Dordrecht 1980, ISBN 90-277-1116-X.
  • Helmut Zimmermann, Alfred Weigert: ABC-Lexikon Astronomie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999.

Katalog visueller Doppelsterne

  • H. M. Jeffers u. a.: Index Catalogue of Visual Double Stars 1961.0. (IDS).
  • S. W. Burnham: General Catalogue of Double Stars. (BDS).
  • B. D. Mason, G. L. Wycoff, W. I. Hartkopf: Washington Double Star Catalog 2006.5. (WDS).

Katalog spektroskopischer Doppelsterne

  • R. E. Wilson: General Catalogue of Stellar Radial Velocities. (Publ. Carnegie Inst., Washington 1953).

Katalog photometrischer Doppelsterne

Viele dieser Doppelsterne werden in dem Katalog für veränderliche Sterne geführt.

  • H. Schneller: Geschichte und Lichtwechsel der veränderlichen Sterne. (Berlin 1963, 2. Ausg.).
  • F. B. Wood: A Finding List for Observers of Eclipsing Variables. (Univ. of Pennsylvania 1963, 9 Bde.).

Weblinks

Commons: Doppelstern - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Doppelstern – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Joachim Krautter: Meyers Handbuch Weltall. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 1994, S. 396.
  2. M. E. Lohr, A. J. Norton, E. Gillen, R. Busuttil, U. C. Kolb, S. Aigrain, A. McQuillan, S. T. Hodgkin, E. González: The doubly eclipsing quintuple low-mass star system 1SWASP J093010.78+533859.5. (PDF) In: Astronomy & Astrophysics manuscript no. 25973. 27. April 2015, abgerufen am 8. Juli 2015.
  3. Exotisches Fünffach-Sternsystem entdeckt – Seltene Konstellation verursacht regelmäßige Sternenbedeckungen. scinexx.de, 8. Juli 2015, abgerufen am 8. Juli 2015.
  4. Astronomie: Ganz besonders günstig gelegenes Sechsfachsternsystem entdeckt
  5. Published: Tuesday, January 7, 2020: Can solar systems exist in a binary star system? Abgerufen am 13. Juli 2021 (english).
  6. Siehe z. B. Stability of Planetary Orbits in Double Stars. bibcode:2002ESASP.518..547P
  7. P. A. Wiegert, M. J. Holman: The Stability of Planets in the Alpha Centauri System. In: The Astronomical Journal. 113, 1997, S. 1445–1450. bibcode:1997AJ....113.1445W.
  8.  Jerome Orosz u. a.: Kepler-47: A Transiting Circumbinary Multiplanet System. In: Science. 337, 2012, S. 1511–1514, doi:10.1126/science.1228380.
  9. Elliott Horch: NOAO: Half of all Exoplanet Host Stars are Binaries. NOAO, 3. September 2014, abgerufen am 6. September 2014.
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