Seelenübungen und Positives Denken: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Rosenkreuzoval.gif|thumb|200px|Schwarzes [[Rosenkreuz]] mit 7 roten Rosen auf grauem Grund als [[Sinnbild]] für die [[Rosenkreuz-Meditation]].]]
'''Positives Denken''' ist ein Konzept, das in Persönlichkeits- oder Motivationsseminaren sowie in entsprechender Ratgeberliteratur Anwendung findet. Weitere Synonyme sind „neues Denken“, „richtiges Denken“, „Kraftdenken“ oder „mentaler Positivismus“. Positives Denken ist nicht zu verwechseln mit [[Positive Psychologie|Positiver Psychologie]].
'''Seelenübungen''' sind ein wesentlicher Bestanteil des [[geist]]igen [[Schulungsweg]]es. Sie dienen der Verstärkung der [[Seelenkräfte]] durch geeignete [[Meditation]]sübungen und aktivieren die [[Seelische Wahrnehmungsorgane|seelischen Wahrnehmungsorgane]], die [[Lotosblumen]]. Die Übungen beruhen vor allem auf der Versenkung in bestimmte [[sinnbild]]liche [[Vorstellung]]en oder auch in [[Wort]]e und Sätze von sinnbildlichem Charakter, wie etwa den von [[Rudolf Steiner]] oft gegebenen Meditationssatz "[[Im Lichte strahlet Weisheit]]". Auch bestimmte [[Mathematik|mathematische]] bzw. [[Wikipedia:Geometrie|geometrische]] Vorstellungen sind vorzüglich geeignet.  


== Allgemeine Anforderungen an den [[Geistesschüler]] ==
== Konzept ==
Die Methode „Positives Denken“ zielt im Kern darauf ab, dass der Anwender durch konstante positive Beeinflussung seines [[Bewusstsein|bewussten Denkens]] (z. B. mit Hilfe von [[Affirmation]]en oder [[Visualisierung (Meditation)|Visualisierungen]]) in seinen Gedanken eine dauerhaft konstruktive und optimistische Grundhaltung erreicht und infolgedessen eine höhere Zufriedenheit und Lebensqualität erzielt.


=== [[Goldene Regel]] ===
In einigen Werken, die sich mit dem Thema befassen, nimmt der [[Glaube]] eine zentrale Stellung ein. Allerdings handelt es sich hierbei nicht in erster Linie um einen religiös motivierten und [[transzendental]] ausgerichteten Glauben, sondern um die Überzeugung, dass Dinge, die ein Mensch für „wahr“ hält, die Tendenz haben, sich in seinem Leben zu verwirklichen.


Da durch regelmäßig wiederholte Seelenübungen die [[Das Gute|positiven]] und [[Das Böse|negativen]] Seelenkräfte gleichermaßen gestärkt werden, ist dabei streng die [[goldene Regel]] aller [[Geistesschulung]] zu beachten:
Je nach weltanschaulichem Vorverständnis zeigt sich positives Denken als Methode, falsche oder nicht vorhandene, sondern nur durch Denken erschaffene negative Wirklichkeit und ihre Auswirkungen abzubauen ([[Christian Science]]) oder – in monistisch / spirituellem Sinn ([[Neugeist-Bewegung|Neugeist]] / [[Unity Church|Unity]]) – die „geistigen Gesetze“ positiv / richtig anzuwenden. Während in Gruppen und Sondergemeinschaften positives Denken als Methode für Heilung (und Heil) an erster Stelle steht, wird über den Buchmarkt positives Denken als Lebenshilfe angeboten. Es verspricht Gewinnmaximierung, Gesundheit und Glück. Zahlreiche Hilfsmittel sollen den gedanklichen Optimismus unterstützen (positiver Sinnspruch im Kalender; Kurztext über Telefon; Sublimationsträger mit der Behauptung der unterschwelligen Beeinflussung).


<div style="margin-left:20px">
== Geschichtliche Ausformungen ==
"Und diese goldene Regel ist: wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrheiten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten." {{Lit|{{G|10|65}}}}
Positives Denken entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jh. aus den geistigen Anstößen vor allem von [[Ralph Waldo Emerson]] und seiner „Transcendentalists“ (als Vorläufer), die dann von [[Phineas Parkhurst Quimby]], [[Ralph Waldo Trine]], [[Prentice Mulford]] u.&nbsp;a. in Amerika weitergeführt wurden. In Europa wurden der „Mesmerismus“ und die Coué-Methode weiterbetrieben. Für Japan ist [[Masaharu Taniguchi]] erwähnenswert. In Deutschland machte sich neben [[Oscar Schellbach]] (Institut für „Mentalen Positivismus“ seit 1921), dessen „Seelephonie-Platten“ als Vorläufer der [[Subliminal (Psychologie)|Subliminals]] angesehen werden können, vor allem [[Karl Otto Schmidt]] (Neugeist) einen Namen. Heute ist die Tendenz zu immer weniger theoretischen Begründungen bei gleichzeitiger Ausweitung positiver Fallgeschichten und praktischer Anleitungen feststellbar ([[Joseph Murphy (Esoteriker)|Joseph Murphy]] und sein Schüler [[Erhard F. Freitag]], [[Dale Carnegie]], [[Norman Vincent Peale]], [[Frederick Bailes]] und [[Vernon Howard]]).
</div>


=== [[Nebenübungen]] ===
== Kritik ==
Eine weltweit erste umfassende Kritik des Positiven Denkens auf der Basis der wissenschaftlichen [[Psychologie]] wurde von dem deutschen Psychotherapeuten [[Günter Scheich]] vorgenommen.<ref>Günter Scheich: ''Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen.'' (PD) Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8218-3904-X</ref> Sein Buch »Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen« gilt schon seit der Erstauflage von 1997 als Standardwerk.<ref>Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: ''Brockhaus. Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Bd. 17.'' 20. Auflage. Brockhaus-Verlag, Mannheim 1998.</ref>


Darüber hinaus müssen die eigentlichen Seelenübungen stets von den sogenannten sechs [[Nebenübungen]] vorbereitet bzw. begleitet sein. Indem man sich in diesen sechs Eigenschaften übt, wird die [[12-blättrige Lotosblume]], das [[Herzchakra]], regelmäßig ausgebildet, wird aktiv und beginnt sich zu drehen. Diese sechs Eigenschaften sind: [[Gedankenkontrolle]], [[Initiative des Handelns]], [[Gleichmut des Gefühls]], [[Positivität]], [[Unvoreingenommenheit]] und [[Inneres Gleichgewicht]].
Psychologen und Psychiater warnen ausdrücklich davor, dass die Methoden labile und [[Depression|depressive]] Patienten weiter schädigen können. Besonders bei unkritischen Menschen können sie auch zu einem [[Realitätsverlust]] führen. Der Realitätsverlust kann durch das Vermeiden von kritischen Fragen und der damit einhergehenden teilweisen Leugnung von vorhandenen Schwächen entstehen. Vernachlässigt werden zudem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen, ihre unterschiedliche [[Persönlichkeit]]sstruktur sowie die Wechselwirkung zwischen individueller Psyche und sozialer Umgebung.


=== Weitere Regeln ===
Problematisch wird positives Denken insbesondere dann, wenn Unglück und Leid als vom Menschen selbst verschuldet gelten.


Der [[Geistesschüler]] soll sich bemühen, in seinem Leben folgende vier Regeln zu beachten {{Lit|{{G|267|63ff}}}}:
Ein Experiment von Joanne Wood mit Kollegen von der [[University of Waterloo]] zeigte, dass Teilnehmer mit gering ausgeprägtem Selbstbewusstsein alleine durch das Aufsagen allgemein positiv konnotierter Sätze ihre Stimmung, ihren Optimismus und ihre Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, messbar verschlechterten. Personen mit gutem Selbstbewusstsein würden zwar leicht von der [[Autosuggestion]] profitieren, der Effekt war jedoch kaum ausgeprägt.<ref>[http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,634510,00.html ''Schlecht fühlen mit positivem Denken.''] In: ''Spiegel Online.'' 6. Juli 2009.</ref>


# Es soll in mein Bewußtsein keine ungeprüfte Vorstellung eingelassen werden.
[[Oswald Neuberger]], Professor für Psychologie an der [[Universität Augsburg]], sieht in der Methode des Positiven Denkens eine zirkuläre Falle: „''Wenn du keinen Erfolg hast, dann bist du eben selber schuld, weil du es offensichtlich nicht richtig probiert hast. Der Trainer aber bleibt unfehlbar.''“ Zudem werde das Problem des Versagens individualisiert, Misserfolge personalisiert, das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aber von Schuld freigesprochen.
# Es soll die lebendige Verpflichtung vor meiner Seele stehen, die Summe meiner Vorstellungen fortwährend zu vermehren.
# Mir wird nur Erkenntnis über diejenigen Dinge, deren Ja und Nein gegenüber ich weder Sympathie noch Antipathie habe.
# Es obliegt mir, die Scheu vor dem sogenannten Abstrakten zu überwinden.


== Hauptübungen ==
[[Colin Goldner]], Leiter des Forums Kritische Psychologie e.&nbsp;V., diagnostiziert „''Denk- und Wahrnehmungsdefizite''“ zunehmend bei Personen, die den „''trivialisierten Hypnosuggestionen''“ und „''pseudodialektischen Heilsversprechen''“ tingelnder „''Drittklassgurus''“ auf den Leim gingen, und kritisiert den „''psycho- und sozialdarwinistischen Machbarkeitswahn''“ der Motivationstrainer.<ref>Christian Schüle: [http://www.zeit.de/2001/25/200125_glueckspropheten.xml?page=3 ''Die Diktatur der Optimisten.''] In: ''Zeit online.''</ref>


<div style="margin-left:20px">
Die wichtigsten Kritikpunkte an dem „[[Zwanghafte Persönlichkeitsstörung|zwanghaft]] aufgesetzten positiven Denken“ sind nach Scheich:
"Als «Seelenübung» kann bezeichnet werden, was vorzunehmen
* Positives Denken basiert nicht auf der [[Psychologie|psychologischen Wissenschaft]].
ist. Der Anfang wird damit gemacht, daß Seeleninhalte,
* Es handelt sich um ein [[Esoterik|esoterisches]] Ratgebergebilde.<ref>Vgl. PD hier insbesondere S. 119–132.</ref><ref>[http://www.bvvp.de/files/bvvp1_2006.pdf Vgl. Artikel: Ursula Neumann „Positives Denken macht krank“, in: bvvp Magazin. Zeitschrift für die Regionalverbände im Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. 5. Jahrgang, 1/2006.] (PDF; 896&nbsp;kB) S.&nbsp;33&nbsp;f.</ref><ref>Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: ''Lexikon der Psychologie in fünf Bänden.'' Band 3. Spektrum-Verlag, Heidelberg/Berlin 2001.</ref>
die für gewöhnlich nur in ihrem Wert als Abbilder
eines äußeren Wirklichen nach bewertet werden, von einem
anderen Gesichtspunkte aus genommen werden. In den
Begriffen und Ideen, die sich der Mensch macht, will er
zunächst etwas haben, was Abbild oder wenigstens Zeichen
eines außerhalb der Begriffe oder Ideen Liegenden sein
kann. Der Geistesforscher in dem hier gemeinten Sinne
sucht nach Seeleninhalten, die ähnlich sind den Begriffen
und Ideen des gewöhnlichen Lebens oder der wissenschaftlichen
Forschung; allein er betrachtet diese zunächst nicht
in bezug auf ihren Erkenntnis wert für ein Objektives, sondern
er läßt sie in der eigenen Seele als wirksame Kräfte
leben. Er senkt sie gewissermaßen als geistige Keime in den
Mutterboden des seelischen Lebens und wartet in einer
vollkommenen Seelenruhe ihre Wirkung auf das Seelenleben
ab. Er kann dann beobachten, wie bei ''wiederholter''
Anwendung einer solchen Übung in der Tat die Verfassung
der Seele sich ändert. Es muß aber ausdrücklich betont werden,
daß die Wiederholung dasjenige ist, worauf es ankommt.
Denn es handelt sich nicht darum, daß durch den
Inhalt von Begriffen im gewöhnlichen Sinne nach Art eines
Erkenntnisprozesses sich etwas in der Seele abspielt, sondern
es handelt sich um einen realen Prozeß im Seelenleben.
In diesem Prozeß wirken Begriffe nicht als Erkenntniselemente,
sondern als reale Kräfte; und ihre Wirkung beruht
auf dem oft ''wiederholten'' Ergriffen-werden des Seelenlebens
von denselben Kräften. Und vorzüglich beruht alles
darauf, daß die Wirkung in der Seele, welche erzielt worden
ist durch das Erlebnis mit einem Begriff, als solche
immer wieder ergriffen wird von der gleichen Kraft. Daher
wird am meisten erzielt durch über längere Zeiträume sich
erstreckende Meditationen über denselben Inhalt, die in
bestimmten Zeiträumen wiederholt werden. Die Länge
einer solchen Meditation kommt dabei wenig in Betracht.
Sie kann sehr kurz sein, wenn sie nur bei absoluter Seelenruhe
und bei vollkommener Abgeschlossenheit der Seele
von allen äußeren Wahrnehmungseindrücken und von aller
gewöhnlichen Verstandestätigkeit verläuft. Auf Isolation
des Seelenlebens mit dem angedeuteten Inhalte kommt es
an. Das muß gesagt werden, weil klar sein soll, daß niemand
durch Vornahme solcher Übungen in seinem gewöhnlichen
Leben gestört zu sein braucht. Die Zeit, welche zu
ihnen notwendig ist, hat jeder Mensch in der Regel zur
Verfügung." {{Lit|{{G|35|114ff}}}}
</div>


== Tagesrückschau ==
Aufgrund unreifer Ziele und mangelnder Fähigkeiten kann das willentlich aufgesetzte, zwanghafte Positive Denken nicht nur nutzlos sein, sondern auch erheblichen Schaden für die [[Psyche]] des (fanatischen) „Positiv-Denkers“ anrichten. Zugleich zeigt sich nach Scheich auch, dass viele Menschen, die bewusst positiv denken wollen, noch nie so stark negativ gedacht haben. Es ist ein [[Paradoxon]] der „entgegengesetzten Wirkung“ von Abschottung, [[Realitätsverlust]] und [[Dissoziative Identitätsstörung|Bewusstseinsspaltung]] in das „positiv denkende Ich“ und den „übermächtigen Rest der Seele“.<ref>Vgl. PD S. 102, 109 ff., 119 ff., S.&nbsp;212.</ref><ref>''Mit positivem Denken zum Misserfolg.'' In: [https://www.gdi.ch/gdi-impuls-archiv GDI Impulse]. Zeitschrift des Duttweiler-Managerinstituts, Zürich/Schweiz, Nr. 3/1997, S. 6 ff.</ref>


Alle esoterischen Übungen sollen täglich von einer abendlichen Rückschau auf den abgelaufenen Tag begleitet sein, wobei alles, bis in die kleinsten Details, rückläufig, d.h. entgegen dem äußeren [[Zeit]]verlauf betrachtet werden sollte und zwar möglichst objektiv und ''ohne'' Reue, denn Reue entspränge hier nur dem subtilen [[Egoismus]], vor sich selbst besser erscheinen zu wollen, als man tatsächlich ist.
Das „Positive Denken“ kontraindiziert die besondere Errungenschaft der aufkommenden [[Geschichte der Psychotherapie|Seelenheilkunde]] Ende des 19. Jahrhunderts. Hier wurde u.&nbsp;a. von [[Sigmund Freud|Freud]] u.&nbsp;a. die besondere seelische sowie evolutionäre Bedeutung der negativen Gefühle und Gedanken erkannt. Das Wahrnehmen und Ausdrücken negativer Gefühle und Gedanken wird bis in die Gegenwart als Hilfe, Befreiung und Problemlösestrategie bei psychischen Belastungen und Erkrankungen von den unterschiedlichsten [[Psychotherapie#Psychotherapieverfahren|psychotherapeutischen Schulen]] genutzt.


<div style="margin-left:20px">
Das zwanghaft aufgesetzte Positive Denken wird aufgrund der vorliegenden Schriften und Äußerungen der Verfechter als eine Art Religion postuliert. Der Glaubensanspruch besteht darin, dass das Positive Denken ein anscheinender Weg der Selbsterlösung auf Erden ist. Diese Selbsthilfemethode des Zwangsoptimismus hat nichts mit einem durchaus berechtigten gesunden [[Optimismus]] zu tun.<ref>Vgl. PD S. 119 ff.</ref><ref>''Mit positivem Denken zum treuen Untertan.'' In: [http://www.publik-forum.de/ Publik Forum] Nr. 4/1999. S.&nbsp;20.</ref>
"Am ''Abend'' vor dem Einschlafen hat man eine kurze Rückschau
darüber zu halten, was man am Tage erlebt hat. Es kommt
dabei nicht auf Vollständigkeit an, sondern darauf, daß man sich
wirklich so richtend gegenübersteht wie wenn man eine andere
Person wäre. Man soll von sich selbst lernen. Das Leben soll
immer mehr und mehr Lektion werden. Man beginnt mit dem
Abend und schreitet bis zum Morgen vorwärts." {{Lit|{{G|267|87}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Kritisch zu sehen ist nach Scheich ebenfalls das dem „Positiven Denken“ immanente Menschenbild der ungehemmt-grenzenlosen sowie moralfreien permanenten Absicht der Selbst- und Fremdmanipulation. Der Mensch wird so zur Marionette von unreifem Wunschdenken und Egotrips. Er verliert dabei jegliche Wertvorstellungen und zwischenmenschlich notwendige Ansprüche im gegenseitigen Umgang.<ref>Bayer. Rundfunk S. A – PR 61304/2 Gesundheit – B 5 vom 11. Januar 1998.</ref>
"Auch kann es oft vorkommen, daß ein
Meditierender meint, über seiner Rückschau eingeschlafen zu
sein, aber wenn er wiederum erwacht und sich bemüht, dem
nachzugehen, was inzwischen in ihm vorgegangen ist, so wird er
oftmals finden können, daß die Rückschau doch in der Zwischenzeit
fortgesetzt worden ist. Es ist sehr wichtig, das zu
empfinden. Es ist nicht im Widerspruch zu dem, was immer gesagt
wurde, daß wir keinen Wert demjenigen beimessen dürfen,
was ohne das Ich geschieht. Denn indem wir es in unser Gedächtnis
zurückrufen, einverleiben wir es gerade dem Ich." {{Lit|{{G|266b|447}}}}
</div>


Rudolf Steiner erwähnt darüber hinaus immer wieder, wie wichtig ganz allgemein das [[Rückwärtsdenken]] beliebiger zeitlicher Abläufe ist, um sich in die [[geistige Welt]] einzuleben.
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Positives Denken}}
* {{WikipediaDE|Gesetz der Anziehung}}
* {{WikipediaDE|Wohlstandsevangelium}}


== Geeignete Meditationsinhalte ==
== Literatur ==
* Barbara Ehrenreich: ''Smile or Die: Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt.'' Kunstmann, München 2010, ISBN 978-3-88897-682-7.
* Uwe Kanning: ''Wie Sie garantiert nicht erfolgreich werden! Dem Phänomen der Erfolgsgurus auf der Spur.'' Lengerich, Berlin u.&nbsp;a. Pabst 2007, ISBN 978-3-89967-388-3
* Günter Scheich: ''Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen.'' Unter Mitarbeit von Klaus Waller. Eichborn, Frankfurt 1997, ISBN 3-8218-3904-X.


Die Mediationsübungen sollen, abhängig von ihrem Inhalt und von der [[Individualität]] des [[Geistesschüler]]s, als ''Morgenmeditation'' und/oder als ''Abendmeditation'' zu jeweils ''festgesetzten Zeiten'' ausgeführt werden. Bei einiger Übung genügen dafür meist wenige Minuten.
== Weblinks ==
* [https://www.thomas-blachnik.de/positiv-denken-lernen/ Positiv denken lernen in Praxisorientierten Handlungen]
* [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/257242.html wissenschaft.de: ''Warum positives Denken Schmerzen lindert'']
* [http://www.zeit.de/2001/25/200125_glueckspropheten.xml?page=1 ''Die Diktatur der Optimisten''], Artikel in der Zeitschrift »Die Zeit«
* [http://www.psychotherapie-scheich.de/P.Denken.html „Positiv Denken“ macht krank – vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen (Scheich, 1999)]
* [http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/793-positiv-denken-gegen-krebs Positiv denken gegen Krebs?] aus Skeptiker 1/2003
* [http://www.zrm.ch/images/stories/download/pdf/wissenschftl_arbeiten/seminararbeiten/seminararbeit_keller_20070801.pdf ''Positives Denken und der Beitrag der modernen Motivationspsychologie''] (Seminararbeit in pädagogischer Psychologie; PDF-Datei; 404&nbsp;kB)
* [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,634510,00.html ''Schlecht fühlen mit positivem Denken''], Artikel in Spiegel Online
* [http://www.drs.ch/www/de/drs/sendungen/kontext/5005.sh10148794.html Der Zwang zum positiven Denken. Interview mit Barbara Ehrenreich und Günter Scheich.]


=== Sinnbildliche Vorstellungen ===
== Einzelnachweise ==
<references />


<div style="margin-left:20px">
{{Normdaten|TYP=s|GND=4192367-4}}
"Nun sind zu der geschilderten Verrichtung der Seele die
meisten Begriffe des Lebens am wenigsten brauchbar. Alle
Seeleninhalte, welche im ausgesprochenen Maße auf ein
außer ihnen liegendes Objektives sich beziehen, sind für die
charakterisierten Übungen von geringer Wirkung. Es kommen
vielmehr besonders solche ''Vorstellungen'' in Betracht,
''welche man als Sinnbilder, Symbole bezeichnen kann''. Am
fruchtbarsten sind diejenigen, welche sich in lebendiger Art
zusammenfassend auf einen mannigfaltigen Inhalt beziehen.
Man nehme als ein erfahrungsgemäß gutes Beispiel
das, was ''Goethe'' als seine Idee von der «Urpflanze» bezeichnet
hat. Es darf darauf hingewiesen werden, wie er
von dieser «Urpflanze» einmal in Anlehnung an ein Gespräch
mit ''Schiller'' mit wenigen Strichen ein symbolisches
Bild gezeichnet hat. Auch hat er gesagt, daß derjenige,
welcher dieses Bild in seiner Seele lebendig macht, an ihm
etwas habe, aus dem durch gesetzmäßige Modifikationen
alle möglichen Formen ersonnen werden können, welche
die ''Möglichkeit des Daseins'' in sich tragen. Man mag zunächst
über den objektiven Erkenntniswert einer solchen
«symbolischen Urpflanze» denken, wie immer: wenn man
sie in dem angedeuteten Sinne in der Seele leben läßt, wenn
man ihre Wirkung auf das Seelenleben in Ruhe abwartet,
dann tritt etwas von dem ein, was man veränderte Seelenverfassung
nennen kann. Die Vorstellungen, welche von
den Geistesforschern als in dieser Beziehung brauchbare
Symbole genannt werden, mögen zuweilen recht sonderbar
erscheinen. Das Sonderbare kann abgestreift werden,
wenn man bedenkt, daß solche Vorstellungen nicht nach
ihrem Wahrheitswert im gewöhnlichen Sinne genommen
werden dürfen, sondern daraufhin angesehen werden
sollen, wie sie als reale Kräfte im Seelenleben wirken.
Der Geistesforscher legt eben nicht Wert darauf, was die
zur Seelenübung verwendeten Bilder ''bedeuten'', sondern
was unter ihrem Einflüsse in der Seele erlebt wird. Hier
können naturgemäß nur einzelne wenige Beispiele wirksamer
symbolischer Vorstellungen gegeben werden. Man
denke sich die menschliche Wesenheit im Vorstellungsbilde
so, daß die mit der tierischen Organisation verwandte niedrige
Natur des Menschen im Verhältnis zu ihm als Geisteswesen
durch sinnbildliches Zusammensein einer Tiergestalt
mit daraufgesetzter höchstidealisierter Menschenform (etwa
wie ein Kentaur) erscheint. Je bildhaft-lebensvoller, inhaltsgesättigter
das Symbol erscheint, um so besser ist es. Dieses
Symbol wirkt unter den angeführten Bedingungen so auf
die Seele, daß diese nach Verlauf einer — allerdings längeren
- Zeit die inneren Lebensvorgänge in sich gestärkt, beweglich,
sich gegenseitig erhellend empfindet. Ein altes, gut
brauchbares Symbol ist der sogenannte «Merkurstab», das
heißt, die Vorstellung einer Geraden, um welche spiralig
eine Kurve läuft. Man muß dann allerdings ein solches
Gebilde als ein Kräftesystem sich verbildlichen, etwa so,
daß längs der Geraden ein Kräftesystem läuft, dem gesetzmäßig
ein anderes von entsprechend geringerer Geschwindigkeit
in der Spirale entspricht." {{Lit|{{G|35|116ff}}}}
</div>


=== Mathematische Gebilde ===
[[Kategorie:Positive Psychologie]]
[[Kategorie:Neugeist-Bewegung]]
[[Kategorie:Weltanschauung]]
[[Kategorie:The Secret]]


<div style="margin-left:20px">
{{Wikipedia}}
"Besonders bedeutungsvoll
können mathematische Gebilde werden, insofern in ihnen
Sinnbilder von Weltvorgängen gesehen werden. Ein gutes
Beispiel ist die sogenannte «Cassinische Kurve» mit ihren
drei Gestalten, der ellipsenähnlichen Form, der Lemniskate
und der aus zwei zusammengehörigen Ästen bestehenden
Form. Es kommt in einem solchen Falle darauf an, die
Vorstellung so zu erleben, daß dem Übergang der einen
Kurvenform in die andere entsprechend mathematischer
Gesetzmäßigkeit gewisse Empfindungen in der Seele entsprechen." {{Lit|{{G|35|118}}}}
</div>
 
=== Sätze mit sinnbildlichen Charakter ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Zu diesen Übungen kommen dann andere. Sie bestehen
auch in Symbolen, jedoch solchen, welche in Worten ausdrückbaren
Vorstellungen entsprechen. Man denke sich die
Weisheit, welche in der Ordnung der Welterscheinungen
lebend und webend vorgestellt wird, durch das Licht symbolisiert.
Weisheit, die in opfervoller Liebe sich darlebt,
denke man von Wärme versinnlicht, die in Gegenwart des
Lichtes entsteht. Aus solchen Vorstellungen denke man sich
Sätze geprägt, die ''also nur sinnbildlichen Charakter haben''.
Solchen Sätzen kann sich das Seelenleben in Meditation
hingeben. Der Erfolg hängt im wesentlichen von dem Grade
ab, welchen der Mensch in bezug auf Seelenruhe und Isolierung
des Seelenlebens innerhalb der Symbole erreicht. Tritt
der Erfolg ein, so besteht er darin, daß sich die Seele wie
herausgehoben fühlt aus der körperlichen Organisation. Es
tritt für sie etwas ein wie eine Änderung ihrer Seinsempfindung." {{Lit|{{G|35|118f}}}}
</div>
 
In den esoterischen Anweisungen, die Rudolf Steiner vor Ausbruch des [[Wikipedia:1. Weltkrieg|1. Weltkrieg]]s gegeben hat, empfahl er  oft als ''Morgenmeditation'', sein Gefühl mittels folgenden Spruchs, der gebetartig in Gedanken (nicht laut) zu sprechen ist, sich zum höheren Selbst zu erheben. Man fühlt sich mit der Zeit dabei wie aus sich selbst herausgehoben, als ob die Seele Flügel bekäme.
 
<center>
<poem>
Strahlender als die Sonne
Reiner als der Schnee
Feiner als der Äther
Ist das Selbst
Der Geist in meinem Herzen
Dies Selbst bin Ich
Ich bin dies Selbst.
</poem>
</center>
 
Weiters empfahl Steiner, sich für einige Minuten in einzelne Sätze von [[Mabel Collins]] "[[Licht auf den Weg]]" zu versenken. Besonders geeignet sind die ersten vier Sätze.
 
{{Zitat|Bevor das Auge sehen kann, muß es der Tränen sich entwöhnen. Bevor das Ohr vermag zu hören, muß die Empfindlichkeit ihm schwinden. Eh' vor den Meistern kann die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen. Und eh' vor ihnen stehen kann die Seele, muß ihres Herzens Blut die Füße netzen.|Mabel Collins|Licht auf den Weg}}
 
Zur Übung versenkt man sich z.B. vierzehn Tage in den ersten Satz, dann 14 Tage in den zweiten usw.
 
<div style="margin-left:20px">
"Man versenkt sich ganz in den ersten Satz von «Licht auf den
Weg»:
 
<center>«Bevor das Auge sehen kann, muß es der Tränen sich entwöhnen»</center>
 
Man läßt keinem andern Gedanken Zutritt zur Seele. Man geht
ganz in diesem Gedanken auf. Der Sinn muß dann einem jeden
selbst wie blitzartig aufgehen. Das kommt ganz gewiß an einem
Tage, wenn man die Geduld hat. Es muß nun durch einige
Minuten hindurch völlige Stille in der Seele herrschen. Diese muß
wie blind und taub sein gegen alle äußeren Sinneseindrücke und
gegen alle Gedächtnisbilder. Wieder 2-3 Minuten." {{Lit|{{G|267|87}}}}
</div>
 
=== Empfindungsmeditation ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn wir nun durch innere Seelenübungen dahin kommen, einen Gedanken zu denken, der zusammenhängt mit menschlichem Mitfühlen, mit Hilfsbereitschaft, mit dem Hineinsichversetzen einer Seele in die andere, ohne daß wir von der Außenwelt irgendwie dazu veranlaßt sind, wenn wir einen solchen Gedanken rein aus inneren Impulsen in unserer Seele frei aufsteigen lassen und uns in diesen Gedanken so versenken können, daß wir uns ganz mit ihm identifizieren, vielleicht noch imstande sind, uns das Bild der äußeren Realität vor Augen zu führen, und wenn wir dieses Bild so stark werden lassen, daß es unsere Seele so durchrüttelt, wie es sonst nur durch die äußere Impression geschehen kann, so haben wir einen Anfang gemacht mit dem, was man eine «Empfindungsmeditation» nennen kann. Wenn man dann die Geduld hat, eine solche Empfindungsmeditation nicht einmal, nicht fünfzigmal, sondern immer wieder und wieder in der Seele regsam zu machen, dann merkt man, daß ein Sichversenken in solche, von der äußeren Realität abgezogene Empfindungen aus unserer Seele Kräfte hervorzaubert, die unsere Seele innerlich erziehen. Wer solche Übungen macht, dem zeigen sich diese Bilder noch ganz anders lebendig als etwa die Phantasiebilder, die wir uns im gewöhnlichen Leben machen. Wenn man sich in solche Meditationen immer wieder und wieder versenkt, so erlebt man sich selber tatsächlich so, wie wenn man ganz voll wäre des inneren Lebens, der inneren Durchdringung, wie man sonst nur fühlt, wenn man die Innerlichkeit seinem äußeren Leib eingeprägt hat." {{Lit|{{G|69a|78}}}}
</div>
 
== Wirkung der Übungen ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Bevor ein solches inneres Erlebnis erreicht wird, finden
mannigfaltige Übergänge in der Seelenverfassung statt.
Einer derselben gibt sich kund in einem aufmerksamen -
durch Übung zu erlangenden - Verfolgen des Augenblickes,
in dem der Mensch aus dem Schlafe erwacht. Er kann
da deutlich fühlen, wie von einem ihm vorher unbekannten
Etwas Kräfte gesetzmäßig in das Gefüge der Körperorganisation
eingreifen. Er fühlt, wie in einer Erinnerungsvorstellung,
einen ''Nachklang'' von Wirkungen, die von diesem
Etwas während des Schlafes auf die körperliche Organisation
ausgegangen sind. Und hat der Mensch sich dann
noch dazu die Fähigkeit angeeignet, das charakterisierte
Etwas innerhalb seiner Körperorganisation zu erleben, so
wird ihm der Unterschied klar in dem Verhältnis dieses
Etwas zu dem Körper während des Wachens und des Schlafens.
Er kann dann gar nicht anders, als sagen, daß dieses
Etwas während des Wachens in dem Körper, während des
Schlafens aber ''außerhalb'' des Körpers ist. Man muß nur
mit diesem «innerhalb» und «außerhalb» nicht gewöhnliche
räumliche Vorstellungen verbinden, sondern durch sie
bezeichnen die spezifischen Erlebnisse, welche eine durch
die charakterisierten Übungen gegangene Seele hat.
 
Die Übungen sind intimer seelischer Art. Sie gestalten
sich für jeden Menschen in individueller Form. Ist einmal
ein Anfang mit ihnen gemacht, so ergibt sich das Individuelle
aus einer gewissen, aus dem Verlaufe zu machenden
Seelenpraxis. Was sich aber mit zwingender Notwendigkeit
herausstellt, ist das positive Bewußtsein von einem
Leben in einer Realität, die gegenüber der äußeren KÖrperorganisation
selbständig und von übersinnlicher Art ist. Der
Einfachheit wegen sei ein Mensch, der die charakterisierten
Seelenerlebnisse sucht, ein «Geistesforscher» genannt.
Für einen solchen Geistesforscher liegt das bestimmte, genauer
Selbstkontrolle unterstellte Bewußtsein vor, daß der
sinnlich wahrnehmbaren Körperorganisation eine übersinnliche
zum Grunde liegt, und daß es möglich ist, sich
selbst innerhalb derselben so zu erleben, wie das normale
Bewußtsein sich erlebt innerhalb der physischen Körperorganisation [...]
 
Durch entsprechendes Fortsetzen der Übungen geht das
charakterisierte Etwas in einen gewissermaßen geistig organisierten
Zustand über. Das Bewußtsein wird sich klar darüber,
daß es in ähnlicher Art in Beziehungen steht zu einer
übersinnlichen Welt, wie es durch die Sinne in Erkenntnis-
Beziehung steht zur Sinnenwelt. Es ist ganz selbstverständlich,
daß gegenüber der Behauptung einer solchen Erkenntnis-
Beziehung des übersinnlichen Teiles der menschlichen
Wesenheit zur Umwelt gewichtige Bedenken ganz
naheliegend sind. Man kann geneigt sein, alles, was so erlebt
wird, in das Gebiet der Illusion, der Halluzination,
der Autosuggestion und so weiter zu verweisen. Eine theoretische
Widerlegung solcher Bedenken ''muß'' im Grunde
naturgemäß unmöglich sein. Denn es kann sich hierbei nicht
um eine theoretische Auseinandersetzung über den Bestand
einer übersinnlichen Welt handeln, sondern nur um mögliche
Erlebnisse und Beobachtungen, die sich in genau der
gleichen Art dem Bewußtsein ergeben wie die Beobachtungen,
welche durch die äußeren Sinnesorgane vermittelt
werden. Daher kann für die entsprechende übersinnliche
Welt keine andere Art der Anerkennung erzwungen werden,
wie diejenige ist, welche der Mensch der Farben-, der
Tonwelt und so weiter entgegenbringt. Berücksichtigt muß
nur werden, daß dann, wenn die Übungen in der rechten
Art, vor allem mit nie erlahmender Selbstkontrolle gemacht
werden, in der ''unmittelbaren Erfahrung'' sich der
Unterschied des vorgestellten Übersinnlichen von dem
wahrgenommenen mit der gleichen Sicherheit für den Geistesforscher
ergibt, wie sich in bezug auf die Sinneswelt der
Unterschied ergibt zwischen einem vorgestellten Stücke
heißen Eisens und einem wirklich berührten. Gerade im
Hinblick auf den Unterschied zwischen Halluzination, Illusion
und übersinnlicher Wirklichkeit eignet sich der Geistesforscher
durch seine Übungen eine immer untrüglicher werdende
Praxis an. Naturgemäß ist aber auch, daß der besonnene
Geistesforscher im eminentesten Sinne kritisch sein
muß gegenüber den einzelnen von ihm gemachten übersinnlichen
Beobachtungen. Und er wird eigentlich niemals
in bezug auf positive Ergebnisse der übersinnlichen Forschung
anders sprechen als mit dem Vorbehalt: dies oder
jenes ist beobachtet worden; und die dabei geübte kritische
Vorsicht berechtigt zu der Annahme, daß jeder, welcher
sich durch entsprechende Übungen in Verhältnis bringen
kann zu der übersinnlichen Welt, dieselben Beobachtungen
machen wird. Differenzen in den Angaben der einzelnen
Geistesforscher können eigentlich nicht in einem anderen
Licht gesehen werden, als die voneinander differierenden
Angaben verschiedener Reisenden, welche dieselbe Gegend
besucht haben und beschreiben." {{Lit|{{G|35|119ff}}}}
</div>
 
=== Veränderungen des Traumlebens ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Allmählich merkt man, daß das Traumleben einen regelmäßigeren
Charakter annimmt. In diesem fließt ''zunächst'' die spirituelle Welt
ein. Die Meditation ist der okkulte Schlüssel dazu. Man soll ein
Büchlein sich anlegen, und morgens ganz kurz, mit ein paar Worten,
charakteristische Träume aufschreiben. Dadurch erhält man
Praxis im Behalten dessen, was aus den höheren Welten einem
zufließt. Es ist dies die erste elementare Methode, durch die man
später dazu kommt, daß man die spirituellen Erlebnisse durchbringt,
d.h. daß sie in das helle Tagesbewußtsein hereinbrechen.
Traume, die ''nur'' Reminiscenzen aus dem täglichen Leben sind,
oder die auf körperlichen Zuständen (Kopfschmerz, Herzklopfen
etc. etc.) beruhen, haben ''nur'' dann einen Wert, wenn sie sich in
eine ''symbolische'' Form kleiden. Z.B. wenn das klopfende Herz als
ein kochender Ofen erscheint, oder das schmerzende Gehirn als
ein Gewölbe, in dem Tiere kriechen etc. etc. Nur die Symbolik hat
dabei Wert, nicht der Inhalt des Traumes. Denn die Form der
Symbolik wird zuerst von der spirituellen Welt dazu benutzt, um
uns überhaupt in die Kräfte der höheren Welten einzuführen.
Man muß deswegen auf die Feinheiten dieser Symbolik achten." {{Lit|{{G|267|87f}}}}
</div>
 
== [[Imagination]] ==
 
<div style="margin-left:20px">
"In meinem Buche «[[Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]]» habe ich im Einklänge mit den Gewohnheiten
derjenigen, welche sich auf demselben Felde
als Geistesforscher betätigt haben, diejenige Welt, welche
auf die beschriebene Art im Bewußtseinshorizonte auftaucht,
die «imaginative Welt» genannt [...] Dieser Seeleninhalt ist seiner Form nach ähnlich den «[[Imagination]]en» des gewöhnlichen Bewußtseins, nur daß sich
innerhalb der physischen Welt eine Imagination nicht unmittelbar
auf ein Wirkliches bezieht, während die Imaginationen
des Geistesforschers ebenso eindeutig einem Übersinnlich-
Wirklichen zuzuteilen sind, wie zum Beispiel in
der physischen Welt eine Farbenvorstellung eindeutig einem
Objektiv-Wirklichen zugeteilt wird." {{Lit|{{G|35|122f}}}}
</div>
 
[[Bild:Wolfgang_pauli.jpg|thumb|250px|Wolfgang Pauli (1900 - 1958)]]
 
<div style="margin-left:20px">
"Tritt die Imagination ein, dann wird das gewöhnliche
Denken als etwas erkannt, das keinen substantiellen Bestand
in sich hat. Als der substantielle Inhalt dieses gewöhnlichen
Denkens ergibt sich dasjenige, was man mit
der Imagination in das Bewußtsein einführt. Das gewöhnliche
Denken läßt sich in der Tat vergleichen mit einem
Spiegelbild. Aber während im gewöhnlichen Bewußtsein
das Spiegelbild entsteht, ist das auf unbewußte Art lebendig,
was in der Imagination auftritt. Man imaginiert
auch im gewöhnlichen Seelenleben; aber unbewußt. Imaginierte
man nicht, so dächte man nicht. Die bewußten
Gedanken des gewöhnlichen Seelenlebens sind die von
dem physischen Organismus reflektierten Spiegelbilder
des unbewußten Imaginierens. Und das Substantielle dieses Imaginierens ist der ätherische Organismus, der in
der irdischen Lebensentwickelung des Menschen sich
offenbart." {{Lit|{{G|25|65f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Es ist schon gesagt worden, daß alle Selbsterziehung des Geistesforschers dahin gehen muß, eine starke innere Willenskraft aufzuwenden, um das Vorurteil gar nicht erst aufkommen zu lassen, diese in der Seele aufsteigenden Bilder für etwas anderes zu nehmen als lediglich für ein Spiegelbild, gleichsam ein hinausgeworfenes Schattenbild der eigenen seelischen Erlebnisse. In dem Augenblick, wo die zunächst durch Meditation oder Konzentration aufsteigenden Bilder für etwas anderes genommen werden als für einen Ausdruck der
Seele selbst, dann tritt sogleich der Irrtum auf. Und es ist auch gesagt worden, daß überwunden werden muß dasjenige, was da als imaginative Welt auftritt, daß es getilgt werden muß aus der Seele, hinuntersteigen muß wiederum in unergründliche Tiefen, und daß erst dadurch die Seele sich fähig macht, aus der Objektivität heraus die übersinnlichen Tatsachen und Wesenheiten vor sich hingestellt zu empfinden." {{Lit|{{G|69a|136f}}}}
</div>
 
Der österreichische Physiker und Mitbegründer der [[Wikipedia:Quantentheorie|Quantentheorie]] [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]] hat etwas von all dem geahnt, wenn er von dem ''malenden Schauen dieser inneren Bilder'' schreibt:
 
<div style="margin-left:20px;">
"Wenn man die vorbewusste Stufe der Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus «symbolischen» Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe des Denkens ist ein malendes Schauen dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht allgemein und nicht in erster Linie auf Sinneswahrnehmungen ... zurückgeführt werden kann ....
 
Die archaische Einstellung ist aber auch die notwendige Voraussetzung und die Quelle der wissenschaftlichen Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder, aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind. ... Das Ordnende und Regulierende muss jenseits der Unterscheidung von «physisch» und «psychisch» gestellt werden - so wie [[Plato]]s «Ideen» etwas von Begriffen und auch etwas von «Naturkräften» haben (sie erzeugen von sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses «Ordnende und Regulierende» «Archetypen» zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder («Dominanten des kollektiven Unbewussten» nach Jung) die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles Naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. ... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann." {{lit|Atmanspacher, S 219}}
</div>
 
== [[Inspiration]] ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Mit der «imaginativen Welt» und ihrer Erkenntnis ist
für den Geistesforscher aber nur der erste Schritt gemacht.
Und es ist durch sie kaum mehr von der übersinnlichen
Welt zu erfahren als deren Außenseite. Ein weiterer Schritt
ist notwendig. Er besteht in einer noch weitergehenden
Vertiefung des Seelenlebens, als sie für den ersten Schritt
in Betracht gezogen worden ist. Der Geistesforscher muß
sich fähig machen durch scharfes Konzentrieren auf dasjenige
Seelenleben, das sich in ihm durch die Symbole ergibt,
den ''Inhalt'' der Symbole aus seinem Bewußtsein vollständig
zu entfernen. Was er dann noch innerhalb des Bewußtseins
festzuhalten hat, ist nur der Vorgang, dem sein
Seelenleben unterworfen war, während er sich an die Symbole
hingegeben hat. In einer Art realer Abstraktion muß
der Inhalt des Symbol-Vorstellens abgeworfen werden,
und nur die ''Form des Erlebens'' an den Symbolen im Bewußtsein
vorhanden bleiben. Damit wird der unreale, bloß
für eine Übergangsstufe der Seelenentwickelung bedeutungsvolle
sinnbildliche Charakter des Vorstellens entfernt,
und das Bewußtsein macht das innere Weben des Seeleninhaltes
zum Gegenstande der Meditation. Was man von
einem solchen Vorgang beschreiben kann, verhält sich zu
dem realen Seelenerlebnis in der Tat wie ein schwacher
Schatten zu dem schattenwerfenden Gegenstand. Was in
der Beschreibung einfach erscheint, erhält seine bedeutungsvolle
Wirkung durch die aufgewendete psychische Energie.
 
Das auf solche Art erlangte Weben in dem Seeleninhalte
kann reale Selbstanschauung genannt werden. Es lernt sich
dabei das menschliche Innere kennen, nicht bloß durch Reflexion
auf sich selbst als den Träger der Sinneseindrücke
und des gedanklichen Verarbeiters dieser Sinneseindrücke,
sondern es lernt sich das Selbst kennen, wie es ist, ohne
Beziehung auf einen sinnenfälligen Inhalt; es erlebt sich
in sich selber als übersinnliche Realität. Es ist dieses Erleben
nicht so, wie dasjenige des Ich, wenn in der gewöhnlichen
Selbstbeobachtung die Aufmerksamkeit von dem Erkannten
der Umwelt abgezogen und auf das erkennende Selbst
reflektiert wird. In diesem Falle schrumpft gewissermaßen
der Inhalt des Bewußtseins immer mehr zu dem Punkte
des «Ich» zusammen. Dies ist bei der realen Selbstanschauung
des Geistesforschers nicht der Fall. Bei ihr wird der
Seeleninhalt im Verlaufe der Übungen immer reicher. Und
er besteht in einem Leben in gesetzmäßigen Zusammenhängen,
und das Selbst fühlt sich nicht wie bei den Naturgesetzen,
welche aus den Erscheinungen der Umwelt abstrahiert
werden, ''außerhalb'' des Gewebes von Gesetzen; sondern es
empfindet sich ''innerhalb'' dieses Gewebes; es erlebt sich als
''Eins'' mit demselben.
 
Die Gefahr, welche in diesem Stadium der Übungen sich
ergeben kann, liegt darin, daß beim Mangel an wahrer
Selbstkontrolle der Übende zu früh das rechte Ergebnis erlangt
zu haben glaubt und dann nur den Nachklang der
symbolischen Vorstellungen wie ein inneres Leben empfindet.
Ein solches ist selbstverständlich wertlos und darf
nicht mit dem inneren Leben verwechselt werden, das im
rechten Augenblick eintritt, und das wirklicher Besonnenheit
dadurch sich zu erkennen gibt, daß es, obgleich es volle
Realität zeigt, doch keiner vorher gekannten Realität
gleichkommt.
 
Für ein so erlangtes inneres Leben ist nun eine übersinnliche
Erkenntnis möglich, welche einen höheren Grad von
Sicherheit in sich trägt als das bloße imaginative Erkennen.
Es stellt sich auf diesem Punkte der Seelenentwickelung
das Folgende ein. Es erfüllt sich nach und nach das innere
Erleben mit einem Inhalt, der in die Seele von außen
kommt, in ähnlicher Art wie der Inhalt der sinnlichen
Wahrnehmung aus der physischen Außenwelt durch die
Sinne. Nur ist die Erfüllung mit übersinnlichem Inhalt ein
unmittelbares Leben in diesem Inhalt. Will man einen Vergleich
mit einer Tatsache des gewöhnlichen Lebens gebrauchen,
so kann man sagen: das Zusammengehen des Ich
mit einem geistigen Inhalt wird nunmehr so erfahren, wie
das Zusammengehen des Ich mit einer im Gedächtnisse bewahrten
Erinnerungsvorstellung. Nur liegt der Unterschied
vor, daß sich der Inhalt dessen, womit man zusammengeht,
in nichts vergleichen läßt mit einem vorher Erlebten, und
daß er nicht auf ein Vergangenes, sondern nur auf ein
Gegenwärtiges bezogen werden kann. Wenn bei dem Worte
an nichts gedacht wird als an das hier Charakterisierte,
dann darf man wohl eine so geartete Erkenntnis eine solche
«durch Inspiration» nennen. So habe ich den Ausdruck als
terminus technicus in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse
der höheren Welten?» gebraucht.
 
Es tritt nun bei dieser «Erkenntnis durch Inspiration»
ein neues Erlebnis auf. Die Art, wie man sich des Seeleninhaltes
bewußt wird, ist nämlich eine ganz subjektive.
Zunächst erweist sich der Inhalt gar nicht als objektiv. Man
''weiß'' ihn als einen erlebten; aber man fühlt sich ihm nicht
gegenübergestellt. Das Letztere tritt erst ein, wenn man
ihn durch Seelenenergie gewissermaßen in sich selbst verdichtet.
Dadurch wird er erst zu dem, was man objektiv
anschauen kann. In diesem Prozesse der Psyche wird man
aber gewahr, daß zwischen der physischen Leibesorganisation
und jenem Etwas, das man durch die Übungen von
dieser abgetrennt hat, noch etwas dazwischenliegt. Will
man Namen für diese Dinge haben, so kann man, wenn
man mit diesen Namen nicht allerlei Phantastisches verknüpft,
sondern lediglich das mit ihnen belegt, was hier
charakterisiert ist, diejenigen gebrauchen, welche in der
sogenannten «Theosophie» üblich geworden sind. Es wird
da jenes Etwas, in dem das Selbst als in einem von der
Körper-Organisation unabhängigen lebt, der Astralleib genannt;
und dasjenige, was zwischen diesem Astralleib und
dem physischen Organismus sich ergibt, wird Ätherleib
genannt. (Wobei natürlich nicht an den «Äther» der modernen
Physik zu denken ist.)
 
Aus dem Ätherleib stammen nun die Kräfte, durch welche
das Selbst in die Lage kommt, den subjektiven Inhalt der
inspirierten Erkenntnis zur objektiven Anschauung zu
machen. Mit welchem Rechte, so kann mit gutem Grunde
gefragt werden, kommt nun der Geistesforscher dazu, diese
Anschauung auf eine übersinnliche geistige Welt zu beziehen
und sie nicht bloß für ein Erzeugnis seines Selbst zu
halten? - Er hätte dazu kein Recht, wenn ihn nicht der
Ätherleib, den er bei seinem psychischen Prozeß erlebt, in
seiner inneren Gesetzlichkeit mit objektiver Notwendigkeit
dazu zwänge. Dies ist aber der Fall. Denn der Ätherleib
wird erlebt als ein Zusammenfluß der allumfassenden
Gesetzmäßigkeit des Makrokosmos. Wieviel von dieser
Gesetzmäßigkeit dem Geistesforscher zum wirklichen Bewußtseinsinhalt
wird, darauf kommt es dabei nicht an. Es
liegt das Eigentümliche darin, daß in unmittelbarem Wissen
klar ist: der Ätherleib ist nichts anderes als ein zusammengedrängtes,
die Weltgesetzlichkeit in sich spiegelndes
Bild der kosmischen Gesetzmäßigkeit. Das Wissen von dem
Ätherleib erstreckt sich zunächst für den Geistesforscher
nicht darauf, welchen Inhalt dieses Gebilde aus der Summe
der allgemeinen Weltgesetzlichkeit spiegelt, sondern darauf,
''was'' dieser Inhalt ist." {{Lit|{{G|35|123ff}}}}
</div>
 
== Berechtigte Bedenken ==
 
=== Imaginationen sind Wahnvorstellungen ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Wenn man also auf dem Wege zur Geistesforschung das, was eine Imagination ist, vergleichen will mit einer Vision, einer Halluzination und so weiter, so muß man sagen: eine Vision, eine Halluzination überwältigt den Menschen, sie beansprucht einen schier unüberwindlichen Glauben an die Objektivität dieser Vision; dagegen ist bei der Imagination der Geistesforscher sich bewußt, daß er selbst der Schöpfer desjenigen ist, was da als Bild vor seiner Seele steht.
 
Durch diesen Zustand muß er hindurch. Eine reiche imaginative Welt muß er aus seinem Innern hervorholen, um zugleich das Bewußtsein sich zu erringen, daß sie nichts anderes ist als ein Spiegel seiner eigenen Seele [...]
 
Die Seele braucht das Vergessen, das Aufbewahren der Vorstellungen, das Hinunterdrängen der Erlebnisse in eine unbestimmte Seelentiefe. Da können wir sie wiederum ins Gedächtnis heraufholen. Wie nun im gewöhnlichen Leben diese Vorstellungen in das Vergessen hinuntersinken, so muß durch die Trainierung des Willens der Geistesforscher in der Lage sein, sein gesamtes imaginatives Leben, diese ganze Summe, diese neue Welt, in der er so gern verweilt und die ihn so beseligt - die muß der Mensch durch starken Willensentschluß in die Vergessenheit hinunterdrängen, so daß gleichsam wie ein Wesen, das im Wasser untertaucht, diese ganze imaginative Welt untertaucht im Seelenleben, wie wenn sie nicht da wäre. Und öfter und immer öfter wiederum muß der Geistesforscher diese imaginative Welt untertauchen in die Untergründe des Unterbewußtseins, in die Tiefen des Seelenlebens, von denen er überhaupt zunächst nichts weiß. Dann muß er wiederum Momente herbeiführen, in denen er alle äußeren Wahrnehmungen ausschließt, auch das Denken ausschließt, er muß Momente herbeiführen, in denen die Seele ganz leer ist, nichts denkt, nichts empfindet, sich an nichts erinnert, über nichts sich sorgt, auch keine Affekte und so weiter hat. Dann steigen allmählich die Imaginationen, die man hinuntergeschickt hat ins Unbewußte, wieder herauf. Die Bilder kommen wieder, aber nicht so, wie sie waren, sondern ganz anders. Sie kommen so, daß man geradeso wie bei den äußeren Sinneswahrnehmungen weiß: das sind keine Phantasien, sondern Ausdrücke von Wirklichkeiten. Gegenüber diesen nunmehr auftauchenden Bildern hat man das unmittelbare Bewußtsein: sie sind Ausdruck für eine Wirklichkeit.
 
Was hat man denn eigentlich gemacht, indem man diesen Prozeß vollzogen hat? Man hat das Innere seines Seelenlebens so verstärkt, daß dieses Seelenleben sein bilderbildendes Vermögen gleichsam zur Blüte gebracht hat. Und was man hervorgebracht hat, hat man geopfert, hingegeben, von sich losgelöst, sich selber entrissen. Man hat gleichsam sein Seelenblut sich entrissen, der Welt übergeben und bekommt es wieder zurück. So wie man in der physischen Welt eine Hand ausstreckt, etwas berührt und dadurch Kunde erlangt von dem, was man berührt hat, so streckt man seine Seelenkräfte aus, man sendet sie von sich weg, sie verbinden sich
mit der geistigen Welt, und es kommt etwas aus der geistigen Welt zurück.
 
Es wurde schon öfter der Einwand erwähnt, daß man sich da auch Illusionen hingeben könne, denn man wisse, daß die Seele bei sensitiven Menschen imstande ist, dieses oder jenes zu empfinden, auch wenn in Wirklichkeit objektiv gar nichts da ist. So gibt es zum Beispiel Menschen, die den Geschmack einer Limonade empfinden, wenn sie nur daran denken und gar keine Limonade trinken. Nun, das ist durchaus richtig. Aber dennoch wird eine gesunde Seele unterscheiden können zwischen einer bloß gedachten und einer wirklichen Limonade; den Geschmack kann man haben, aber man kann mit einer eingebildeten Limonade seinen Durst nicht löschen. Einen solchen Einwand gibt es ja auch gegen den Gedanken der Schopenhauerschen Philosophie, daß die Welt nur unsere Vorstellung sei. Ich will die Schopenhauersche Philosophie nicht herabsetzen, die ich anerkenne in ihrer Bedeutung, was Sie ja schon daraus ersehen können, daß ich selber eine Schopenhauer-Ausgabe gemacht habe. Aber der triviale Einwand ist doch richtig, der besagt, man könne sich noch so sehr die Vorstellung eines 1000 Grad heißen Stahles machen, man werde sich an diesem Stahl doch nicht die Hände verbrennen können: man wird sich aber verbrennen, wenn man einen wirklichen Stahl von tausend Grad Celsius anfaßt. Man wird am Leben unterscheiden können zwischen Phantasie, Vorstellung und Wirklichkeit. Einen anderen Beweis hat man in der Sinneswelt nicht. Und so ist es auch in der geistigen Welt. Wenn man hineinkommt in die geistige Welt, dann kommt das in ganz anderer Weise zurück, was man hinuntergeschickt hat in den Bereich des Vergessens und ist nun Ausdruck für jene geistigen Wesenheiten und Tatsachen, die hinter der physischen Sinneswelt sind. Man gewinnt Vorstellungen, die man sich nicht selber gegeben hat. Denn die Vorstellungen, die man sich selber gegeben hat, waren nur zur Übung da." {{Lit|{{G|069a|109ff}}}}
</div>
 
=== Geistige Erlebnisse sind nur Kombinationen sinnlicher Vorstellungen ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Die berechtigten Bedenken, welche das gewöhnliche Bewußtsein
gegen die Geistesforschung zunächst erheben muß,
sind außer vielem andern noch die folgenden. Man kann
sich die Ergebnisse dieser Forschung ansehen (wie sie in der
gegenwärtigen Literatur vorliegen) und kann sagen: Ja,
was ihr da beschreibt als Inhalt der übersinnlichen Erkenntnis,
erweist sich doch bei näherem Zusehen als nichts anderes
denn als Kombinationen der gewöhnlichen aus der Sinnenwelt
gekommenen Vorstellungen. — Und so ist es in der
Tat. (Auch in den Darstellungen der höheren Welten,
welche ich selbst in meiner «Theosophie» und in meiner
«GeheimWissenschaft» geben durfte, findet man, wie es
scheint, nichts als Kombinationen der aus der Sinnenwelt
genommenen Vorstellungen. So wenn die Entwickelung der
Erde durch Kombinationen von Wärme-, Licht- und so
weiter Entitäten dargestellt wird.) — Dagegen aber muß
folgendes gesagt werden. Wenn der Geistesforscher seine
Erlebnisse ''zum Ausdruck bringen will'', so ist er genötigt,
das in einer übersinnlichen Sphäre Erlebte durch die
''Mittel'' des sinnlichen Vorstellens darzustellen. Sein Erleben
ist dann nicht aufzufassen, wie wenn es gleich wäre
seinen Ausdrucksmitteln, sondern so, daß er sich dieser
Ausdrucksmittel nur bedient wie der Worte einer ihm notwendigen
''Sprache''. Man muß den Inhalt seines Erlebens
''nicht'' in den Ausdrucksmitteln, das heißt, in den versinnlichenden
Vorstellungen suchen, sondern in der Art, wie er
sich dieser Ausdrucksmittel bedient. Der Unterschied seiner
Darstellung von einem phantastischen Kombinieren sinnlicher
Vorstellungen liegt in der Tat nur darin, daß phantastisches
Kombinieren der subjektiven Willkür entspringt,
die Darstellung des Geistesforschers aber auf dem durch
Übung erlangten Einleben in die übersinnliche Gesetzmäßigkeit
beruht. Hier aber ist auch der Grund zu suchen,
warum die Darstellungen des Geistesforschers so leicht mißverstanden
werden können. Es kommt nämlich bei ihm
wirklich weniger darauf an, ''was'' er sagt, sondern ''wie'' er
spricht. In dem «Wie» liegt der Abglanz seiner übersinnlichen
Erlebnisse." {{Lit|{{G|035|127ff}}}}
</div>
 
=== Das gewöhnliche Bewusstsein kann die Ergebnisse der Geistesforschung nicht kontrollieren ===
 
<div style="margin-left:20px">
"Man kann
sagen: Was haben die Behauptungen des Geistesforschers
mit dem Inhalt des gewöhnlichen Bewußtseins zu tun.
Dieses könne sie ja doch nicht kontrollieren, - Eben dieses
letztere ist im ''Prinzip'' unrichtig. Zum Forschen in der übersinnlichen
Welt, zum Aufsuchen von deren Tatsachen ist
die Seelenverfassung notwendig, welche nur durch die
charakterisierten Übungen erlangt werden kann. Nicht
aber zur Kontrolle. Dazu genügt, wenn der Geistesforscher
seine Erlebnisse mitgeteilt hat, die gewöhnliche unbefangene
Logik. Diese letztere wird im Prinzip immer entscheiden
können: wenn das wahr ist, was der Geistesforscher sagt,
dann ist der Welt- und Lebensverlauf, so wie diese sich
sinnenfällig abspielen, verständlich. Als was man die Erlebnisse
des Geistesforschers zunächst ansieht, darauf kommt
es nicht an. Man kann in ihnen Hypothesen, regulative
Prinzipien (im Sinne der ''Kant''schen Philosophie) sehen.
Man wende sie nur an auf die sinnenfällige "Welt, und man
wird schon sehen, wie diese in ihrem Verlaufe alles bestätigt,
was vom Geistesforscher behauptet wird. (Dies gilt
natürlich nicht anders als im Prinzip; im einzelnen können
selbstverständlich die Behauptungen der sogenannten Geistesforscher
die größten Irrtümer enthalten.)" {{Lit|{{G|035|128ff}}}}
</div>
 
== [[Intuition]] ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Ein weiteres Erlebnis des Geistesforschers kann sich nur
ergeben, wenn die Übungen noch fortgesetzt werden. Diese
Fortsetzung muß darin bestehen, daß der Geistesforscher
''nach erlangter Selbstanschauung'' diese durch energische Willenskraft
zu unterdrücken vermag. Er muß die Seele frei
machen können von allem, was noch unter der Nachwirkung
seiner an die sinnliche Außenwelt sich anlehnenden
Übungen erlangt worden ist. Die Symbol-Vorstellungen
sind kombiniert aus sinnlichen Vorstellungen; das Weben
des Selbst in sich bei erlangter inspirierter Erkenntnis ist
zwar frei von dem Inhalt der Symbole; aber es ist doch
eine Wirkung der Übungen, welche unter ihrem Einfluß
angestellt worden sind. Wenn so die inspirierte Erkenntnis
auch schon ein unmittelbares Verhältnis des Selbst zur übersinnlichen
Welt herstellt, so kann das reine Anschauen
dieses Verhältnisses doch noch weiter getrieben werden.
Das geschieht durch energisches Unterdrücken der erlangten
Selbstschau. Das Selbst wird nach dieser Unterdrükkung
entweder dem Leeren gegenüber sich finden. In diesem
Falle müssen die Übungen fortgesetzt werden. Oder aber
es wird sich dem Wesenhaften der übersinnlichen Welt noch
unmittelbarer gegenübergestellt finden als bei der inspirierten
Erkenntnis. Bei dieser erscheint nur das ''Verhältnis'' einer
übersinnlichen Welt zum Selbst; bei der hier charakterisierten
Erkenntnisart ist das Selbst vollständig ausgeschaltet.
Will man einen dem gewöhnlichen Bewußtsein angepaßten
Ausdruck haben für diese Seelenverfassung, dann kann
man sagen: das Bewußtsein erlebe sich nunmehr als Schauplatz,
auf dem ein wesenhafter übersinnlicher Inhalt nicht
vorgestellt wird, sondern sich selbst vorstellt. (Ich habe
diese Erkenntnisart in meinem Buche «Wie erlangt man
Erkenntnisse der höheren Welten?» das «intuitive Erkennen» genannt, wobei abgesehen werden muß von dem
gewöhnlichen Begriff «Intuition», der jedes unmittelbare
gefühlsmäßige Erleben eines Bewußtseinsinhaltes bezeichnen
will.)
 
Durch intuitive Erkenntnis wandelt sich für die unmittelbare
Seelen-Innen-Beobachtung das ganze Verhältnis
um, in dem sich der Mensch als «Seele» zu seiner Leibesorganisation
empfindet. Es tritt gewissermaßen vor das
geistige Anschauungsvermögen der Ätherleib als ein in sich
differenzierter übersinnlicher Organismus. Und man erkennt
seine differenzierten Glieder als zugeordnet den Gliedern
der physischen Leibesorganisation in einer bestimmten
Weise. Man empfindet den Ätherleib als das Primäre und
den physischen Leib als dessen Abbild, als ein Sekundäres.
Der Horizont des Bewußtseins erscheint bestimmt durch
das gesetzmäßige Wirken des Ätherleibes. Die Zusammenordnung
der Erscheinungen auf diesem Horizont ergibt sich
als die Wirkung der differenzierten Glieder des Ätherleibes
nach einer Einheit hin. Es liegt dem Ätherleib die allumfassende
kosmische Gesetzmäßigkeit zu Grunde; der Vereinheitlichung
seines Wirkens liegt die Tendenz zu Grunde,
sich auf etwas wie auf einen Mittelpunkt zu beziehen. Und
das ''Bild'' dieser Einheitstendenz ist der physische Leib. So
erweist sich der letztere als Ausdruck des Welt-Ich, wie
sich der Ätherleib als Ausdruck der makrokosmischen Gesetzmäßigkeit
erweist." {{Lit|{{G|035|129ff}}}}
</div>
 
== Seelenübungen müssen zu Seelengewohnheiten werden ==
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun dürfen Sie auch nicht glauben, daß die Sache gleich auf den
ersten Anhub gelingt. Das erfährt man ja immer: Wenn so etwas geschildert
wird, da gefällt es den Leuten. Das ist ja ganz begreiflich -
es ist ja schön! Was kann man da alles erfahren! Und mit einem riesigen
Fleiße machen sich die Leute darüber her. Sie fangen an: es geht
nicht. Nun werden Sie schon ganz kleinmütig. Dann probieren sie es
vielleicht noch ein paarmal - es geht wieder nicht. Aber tatsächlich,
wenn man es neunundvierzigmal ungefähr, oder ein anderer neunundsechzigmal
probiert hat, das fünfzigste oder siebzigste Mal geht es dann.
Denn worum es sich bei all diesen Dingen handelt, das ist ja, daß man
sich zuerst eine Art Seelengewohnheit aneignet. Zunächst muß man
sich hineinleben in diese Dinge. Seelengewohnheiten sich aneignen." {{Lit|{{G|236|126f}}}}
</div>
 
==Literatur==
 
#H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.): ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995, S 219
#Rudolf Steiner: ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', [[GA 10]] (1904/05), Kapitel ''Kontrolle der Gedanken und Gefühle''
#Rudolf Steiner: ''Drei Schritte der Anthroposophie. Philosophie – Kosmologie – Religion'', [[GA 25]] (1999), ISBN 3-7274-0252-0 {{Schriften|025}}
#Rudolf Steiner: ''Philosophie und Anthroposophie'', [[GA 35]] (1984), ISBN 3-7274-0350-0 {{Vorträge1|34}}
#Rudolf Steiner: ''Wahrheiten und Irrtümer der Geistesforschung'', [[GA 69a]] (2007), IBSN 978-3-7274-0691-1 {{Vorträge|069a}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Zweiter Band'', [[GA 236]] (1988), ISBN 3-7274-2360-9 {{Vorträge|236}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band I: 1904 – 1909'', [[GA 266/1|GA 266a]] (1995), ISBN 3-7274-2661-6 {{Schule|266a}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band II: 1910 – 1912'', [[GA 266/2|GA 266b]] (1996), ISBN 3-7274-2662-4 {{Schule|266b}}
#Rudolf Steiner: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band III: 1913 und 1914; 1920 – 1923'', [[GA 266/3|GA 266c]] (1998), ISBN 3-7274-2663-2 {{Schule|266c}}
#Rudolf Steiner: ''Seelenübungen'', [[GA 267]] (2001),  ISBN 3-7274-2670-5 {{Vorträge1|157}}
#Rudolf Steiner: ''Mantrische Sprüche, Seelenübungen, Band II'', [[GA 268]], (1999), ISBN 3-7274-2680-2 
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Schulungsweg]]

Version vom 16. September 2019, 01:53 Uhr

Positives Denken ist ein Konzept, das in Persönlichkeits- oder Motivationsseminaren sowie in entsprechender Ratgeberliteratur Anwendung findet. Weitere Synonyme sind „neues Denken“, „richtiges Denken“, „Kraftdenken“ oder „mentaler Positivismus“. Positives Denken ist nicht zu verwechseln mit Positiver Psychologie.

Konzept

Die Methode „Positives Denken“ zielt im Kern darauf ab, dass der Anwender durch konstante positive Beeinflussung seines bewussten Denkens (z. B. mit Hilfe von Affirmationen oder Visualisierungen) in seinen Gedanken eine dauerhaft konstruktive und optimistische Grundhaltung erreicht und infolgedessen eine höhere Zufriedenheit und Lebensqualität erzielt.

In einigen Werken, die sich mit dem Thema befassen, nimmt der Glaube eine zentrale Stellung ein. Allerdings handelt es sich hierbei nicht in erster Linie um einen religiös motivierten und transzendental ausgerichteten Glauben, sondern um die Überzeugung, dass Dinge, die ein Mensch für „wahr“ hält, die Tendenz haben, sich in seinem Leben zu verwirklichen.

Je nach weltanschaulichem Vorverständnis zeigt sich positives Denken als Methode, falsche oder nicht vorhandene, sondern nur durch Denken erschaffene negative Wirklichkeit und ihre Auswirkungen abzubauen (Christian Science) oder – in monistisch / spirituellem Sinn (Neugeist / Unity) – die „geistigen Gesetze“ positiv / richtig anzuwenden. Während in Gruppen und Sondergemeinschaften positives Denken als Methode für Heilung (und Heil) an erster Stelle steht, wird über den Buchmarkt positives Denken als Lebenshilfe angeboten. Es verspricht Gewinnmaximierung, Gesundheit und Glück. Zahlreiche Hilfsmittel sollen den gedanklichen Optimismus unterstützen (positiver Sinnspruch im Kalender; Kurztext über Telefon; Sublimationsträger mit der Behauptung der unterschwelligen Beeinflussung).

Geschichtliche Ausformungen

Positives Denken entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jh. aus den geistigen Anstößen vor allem von Ralph Waldo Emerson und seiner „Transcendentalists“ (als Vorläufer), die dann von Phineas Parkhurst Quimby, Ralph Waldo Trine, Prentice Mulford u. a. in Amerika weitergeführt wurden. In Europa wurden der „Mesmerismus“ und die Coué-Methode weiterbetrieben. Für Japan ist Masaharu Taniguchi erwähnenswert. In Deutschland machte sich neben Oscar Schellbach (Institut für „Mentalen Positivismus“ seit 1921), dessen „Seelephonie-Platten“ als Vorläufer der Subliminals angesehen werden können, vor allem Karl Otto Schmidt (Neugeist) einen Namen. Heute ist die Tendenz zu immer weniger theoretischen Begründungen bei gleichzeitiger Ausweitung positiver Fallgeschichten und praktischer Anleitungen feststellbar (Joseph Murphy und sein Schüler Erhard F. Freitag, Dale Carnegie, Norman Vincent Peale, Frederick Bailes und Vernon Howard).

Kritik

Eine weltweit erste umfassende Kritik des Positiven Denkens auf der Basis der wissenschaftlichen Psychologie wurde von dem deutschen Psychotherapeuten Günter Scheich vorgenommen.[1] Sein Buch »Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen« gilt schon seit der Erstauflage von 1997 als Standardwerk.[2]

Psychologen und Psychiater warnen ausdrücklich davor, dass die Methoden labile und depressive Patienten weiter schädigen können. Besonders bei unkritischen Menschen können sie auch zu einem Realitätsverlust führen. Der Realitätsverlust kann durch das Vermeiden von kritischen Fragen und der damit einhergehenden teilweisen Leugnung von vorhandenen Schwächen entstehen. Vernachlässigt werden zudem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen, ihre unterschiedliche Persönlichkeitsstruktur sowie die Wechselwirkung zwischen individueller Psyche und sozialer Umgebung.

Problematisch wird positives Denken insbesondere dann, wenn Unglück und Leid als vom Menschen selbst verschuldet gelten.

Ein Experiment von Joanne Wood mit Kollegen von der University of Waterloo zeigte, dass Teilnehmer mit gering ausgeprägtem Selbstbewusstsein alleine durch das Aufsagen allgemein positiv konnotierter Sätze ihre Stimmung, ihren Optimismus und ihre Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, messbar verschlechterten. Personen mit gutem Selbstbewusstsein würden zwar leicht von der Autosuggestion profitieren, der Effekt war jedoch kaum ausgeprägt.[3]

Oswald Neuberger, Professor für Psychologie an der Universität Augsburg, sieht in der Methode des Positiven Denkens eine zirkuläre Falle: „Wenn du keinen Erfolg hast, dann bist du eben selber schuld, weil du es offensichtlich nicht richtig probiert hast. Der Trainer aber bleibt unfehlbar.“ Zudem werde das Problem des Versagens individualisiert, Misserfolge personalisiert, das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aber von Schuld freigesprochen.

Colin Goldner, Leiter des Forums Kritische Psychologie e. V., diagnostiziert „Denk- und Wahrnehmungsdefizite“ zunehmend bei Personen, die den „trivialisierten Hypnosuggestionen“ und „pseudodialektischen Heilsversprechen“ tingelnder „Drittklassgurus“ auf den Leim gingen, und kritisiert den „psycho- und sozialdarwinistischen Machbarkeitswahn“ der Motivationstrainer.[4]

Die wichtigsten Kritikpunkte an dem „zwanghaft aufgesetzten positiven Denken“ sind nach Scheich:

Aufgrund unreifer Ziele und mangelnder Fähigkeiten kann das willentlich aufgesetzte, zwanghafte Positive Denken nicht nur nutzlos sein, sondern auch erheblichen Schaden für die Psyche des (fanatischen) „Positiv-Denkers“ anrichten. Zugleich zeigt sich nach Scheich auch, dass viele Menschen, die bewusst positiv denken wollen, noch nie so stark negativ gedacht haben. Es ist ein Paradoxon der „entgegengesetzten Wirkung“ von Abschottung, Realitätsverlust und Bewusstseinsspaltung in das „positiv denkende Ich“ und den „übermächtigen Rest der Seele“.[8][9]

Das „Positive Denken“ kontraindiziert die besondere Errungenschaft der aufkommenden Seelenheilkunde Ende des 19. Jahrhunderts. Hier wurde u. a. von Freud u. a. die besondere seelische sowie evolutionäre Bedeutung der negativen Gefühle und Gedanken erkannt. Das Wahrnehmen und Ausdrücken negativer Gefühle und Gedanken wird bis in die Gegenwart als Hilfe, Befreiung und Problemlösestrategie bei psychischen Belastungen und Erkrankungen von den unterschiedlichsten psychotherapeutischen Schulen genutzt.

Das zwanghaft aufgesetzte Positive Denken wird aufgrund der vorliegenden Schriften und Äußerungen der Verfechter als eine Art Religion postuliert. Der Glaubensanspruch besteht darin, dass das Positive Denken ein anscheinender Weg der Selbsterlösung auf Erden ist. Diese Selbsthilfemethode des Zwangsoptimismus hat nichts mit einem durchaus berechtigten gesunden Optimismus zu tun.[10][11]

Kritisch zu sehen ist nach Scheich ebenfalls das dem „Positiven Denken“ immanente Menschenbild der ungehemmt-grenzenlosen sowie moralfreien permanenten Absicht der Selbst- und Fremdmanipulation. Der Mensch wird so zur Marionette von unreifem Wunschdenken und Egotrips. Er verliert dabei jegliche Wertvorstellungen und zwischenmenschlich notwendige Ansprüche im gegenseitigen Umgang.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Barbara Ehrenreich: Smile or Die: Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt. Kunstmann, München 2010, ISBN 978-3-88897-682-7.
  • Uwe Kanning: Wie Sie garantiert nicht erfolgreich werden! Dem Phänomen der Erfolgsgurus auf der Spur. Lengerich, Berlin u. a. Pabst 2007, ISBN 978-3-89967-388-3
  • Günter Scheich: Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen. Unter Mitarbeit von Klaus Waller. Eichborn, Frankfurt 1997, ISBN 3-8218-3904-X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günter Scheich: Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen. (PD) Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8218-3904-X
  2. Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: Brockhaus. Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Bd. 17. 20. Auflage. Brockhaus-Verlag, Mannheim 1998.
  3. Schlecht fühlen mit positivem Denken. In: Spiegel Online. 6. Juli 2009.
  4. Christian Schüle: Die Diktatur der Optimisten. In: Zeit online.
  5. Vgl. PD hier insbesondere S. 119–132.
  6. Vgl. Artikel: Ursula Neumann „Positives Denken macht krank“, in: bvvp Magazin. Zeitschrift für die Regionalverbände im Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. 5. Jahrgang, 1/2006. (PDF; 896 kB) S. 33 f.
  7. Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: Lexikon der Psychologie in fünf Bänden. Band 3. Spektrum-Verlag, Heidelberg/Berlin 2001.
  8. Vgl. PD S. 102, 109 ff., 119 ff., S. 212.
  9. Mit positivem Denken zum Misserfolg. In: GDI Impulse. Zeitschrift des Duttweiler-Managerinstituts, Zürich/Schweiz, Nr. 3/1997, S. 6 ff.
  10. Vgl. PD S. 119 ff.
  11. Mit positivem Denken zum treuen Untertan. In: Publik Forum Nr. 4/1999. S. 20.
  12. Bayer. Rundfunk S. A – PR 61304/2 Gesundheit – B 5 vom 11. Januar 1998.


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