Schulungsweg: Unterschied zwischen den Versionen

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Der [[geist]]ige '''Schulungsweg''' führt den [[Geistesschüler]] über [[sieben]] Stufen bis zur [[Einweihung]].
Der [[geist]]ige '''Schulungsweg''' ist ein '''Erkenntnispfad''', welcher der '''geistigen Entwicklung''' dient. Der [[Geistesschüler]] wird dabei gegebenenfalls nach literarischer Anleitung arbeiten, oder Rat und Hilfe von einem [[Geisteslehrer]] einholen, der ihn auf geeignete Übungen zur [[Konzentration]] und [[Meditation]] und auf andere der Geistesschulung förderliche Regeln hinweist. Er arbeitet dabei an seinem [[Ätherleib]], nachdem er zur Vorbereitung seinen [[Astralleib]] geläutert hat. Hat er diesen vollendet, wird er ein [[Eingeweihter]].
 
{{GZ|Alles das, was nur auf den Astralleib wirkt, ist nur Vorbereitung
zur eigentlichen esoterischen Schulung, zur eigentlichen okkulten
Schulung. Die okkulte Schulung beginnt da, wo wir das Hineinarbeiten
in den Äther- oder Lebensleib lernen, wo der Mensch in den
Stand gesetzt wird, durch die Anleitung, die ihm der okkulte Lehrer
gibt, die Temperamente, Neigungen und Gewohnheiten umzuwandeln,
wo der Mensch ein anderer wird. Damit kommt erst die Einsicht
in die wirkliche höhere Welt, daß der Mensch ein anderer Mensch
wird.|96|258f}}
 
Durch geistige Schulung erweckt der Geistesschüler nach und nach sein Bewusstsein für Weltbereiche, die ihm zuvor ein kaum geahntes Geheimnis blieben. In diesem Sinn spricht man auch von einer '''Geheimschulung''' bzw. '''Geheimschule''', die nach geeigneter Vorbereitung den Zugang zu dieser den [[Sinne|Sinnen]] verborgenen Welt eröffnen. Die [[Geheimhaltung]] des [[esoterisch]]en Wissens, das [[Arkanprinzip]] (von [[lat.]] ''arcanum'' – „Geheimnis“), war in alten Zeiten ein streng beachteter Grundsatz, durch den [[okkult]]e Kenntnisse, Kultgebräuche und Rituale vor der Öffentlichkeit geheimgehalten und nur einem ausgewählten Kreis von [[Eingeweihte]]n zugänglich gemacht wurden. Diese Geheimhaltung hat heute im Zeitalter der [[Bewusstseinsseele]], namentlich seit Beginn des gegenwärtigen [[Michael-Zeitalter]]s, ihre Berechtigung verloren. Für die [[Anthroposophische Gesellschaft]] hat daher zu gelten:
 
{{GZ|Von der Anthroposophischen Gesellschaft soll zunächst wirklich jeder Mensch, der von ihr hört, wissen können, daß sie nichts zu tun hat mit irgendwelcher Geheimnistuerei; daß sie durchgreifend, wie andere Gesellschaften, eine öffentliche Gesellschaft ist.|260a|113}}
 
== Ein wichtiger Grundsatz der okkulten Entwicklung ==
 
{{GZ|Ein wichtiger Grundsatz in der okkulten
Entwickelung ist der, sich keinen anderen Wert beizumessen als
denjenigen, der da kommt aus den Leistungen in der physischen
Welt innerhalb der gegenwärtigen Inkarnation. Das ist außerordentlich
wichtig. Jeder andere Wert muß erst auf Grundlage einer
höheren Entwickelung kommen, die sich erst dann ergeben kann,
wenn man zunächst feststeht auf dem Boden, daß man sich für
nichts anderes hält, als was man in dieser Inkarnation hat leisten
können. Es ist das auch natürlich, wenn man die Sache objektiv
betrachtet, denn das, was man geleistet hat in der gegenwärtigen
Inkarnation, ist das Ergebnis auch der früheren Inkarnationen; es
ist das, was Karma bisher aus uns gemacht hat. Was Karma noch
aus uns macht, müssen wir erst machen lassen, das dürfen wir nicht
in unseren Wert hineinrechnen.|136|41}}


== Drei Wege in die geistige Welt ==
== Drei Wege in die geistige Welt ==
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten des Schulungs- und '''Erkenntniswegs''', die den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Denken]]s, [[Fühlen]]s und [[Wollen]]s entsprechen.
{{GZ|Der Mensch muß so vorbereitet werden, daß er
während des gewöhnlichen Tageslebens jene Übungen macht, die
ihm von den Eingeweihtenschulen vorgeschrieben werden, [[Meditation]],
[[Konzentration]] und so weiter. Diese Übungen sind im
Grunde genommen in bezug auf ihre Bedeutung für den Menschen
bei allen Einweihungsschulen dieselben. Sie sind nur insofern ein
wenig voneinander verschieden, als sie, je weiter wir zurückgehen
in die vorchristlichen Einweihungsschulen, mehr darauf gerichtet
sind, das Denken, die Denkkräfte zu üben, zu trainieren. Je mehr
wir uns den christlichen Zeiten nähern, desto mehr sind sie darauf
gerichtet, die Gemütskräfte zu schulen, und je näher wir den
neueren Zeiten kommen, desto mehr sehen wir, wie in den sogenannten
Rosenkreuzerschulungen, durch die Forderungen und
Bedürfnisse der Menschheit bedingt, eine besondere Art der Willenskultur,
der Willensübungen eingeführt wird. Wenn auch die
Meditationen zunächst ähnliche sind wie in den anderen vorchristlichen
Schulen, so herrscht doch überall auf dem Grunde der Rosenkreuzerübungen
eine besondere Schulung des Willenselementes.|104|53}}


Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten des Schulungswegs, die den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Denken]]s, [[Fühlen]]s und [[Wollen]]s entsprechen. Alle anderen Wege sind Varianten oder Mischungen dieser drei Wege. Jeder Geistesschüler sollte den Weg wählen, der seiner Wesensart angemessen ist. Die grundlegenden drei Wege in die [[geistige Welt]] sind:
Auf dem [[Rosenkreuzer Schulungsweg]], der der modernste dieser drei Schulungswege ist, muss vor allem das im [[Denken]] waltende [[Wille]]nselement ergriffen werden:


:::* [[Yoga Schulungsweg]]
{{GZ|Denkübungen auf der einen Seite, Willensübungen auf der anderen
:::* [[Christlicher Schulungsweg]]
Seite muß man machen, wenn sich das Tor öffnen soll zur übersinnlichen
:::* [[Rosenkreuzer Schulungsweg]]
Welt, in die wir eintreten müssen, wenn wir uns unsererseits,
als Menschen, nach unserem Ewigen erkennen wollen, und wenn wir
die Welt nach dem Ewigen erkennen wollen. Die Denkübungen, sie
werden gerade dadurch vollzogen, daß wir uns darauf besinnen, wie
immer Willensartiges in das Denken hineinspielt; die Willensübungen,
indem wir das Hineinspielen des Denkens in den Willen beachten. Nur
im gewöhnlichen Leben beachten wir dieses Willensartige nicht. Um
zur modernen Initiation zu kommen, müssen wir gerade den leisen
Willen, der in dem Vorstellungsleben darinnen ist, beachten. Das müssen
wir nach und nach erreichen durch die Übungen, die ich beschrieben
habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren
Welten?». Das ist es gerade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das,
was für gewöhnlich gerade das Wichtigste ist, den Gedankeninhalt zurücktreten
lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen lernen.|211|144}}


<div style="margin-left:20px">
== Die drei grundlegenden Schulungswege ==
"Eigentlich
 
Alle Schulungswege sind Varianten oder Mischungen der drei grundlegenden Wege, die ihren Ausgang vom Denken, Fühlen oder Wollen nehmen. Jeder Geistesschüler sollte den Weg wählen, der seiner Wesensart angemessen ist. Diese drei Wege in die [[geistige Welt]] sind:
 
:::* [[Yoga Schulungsweg]] - [[Denken]]
:::* [[Christlicher Schulungsweg]] - [[Fühlen]]
:::* [[Rosenkreuzer Schulungsweg]] - [[Wollen]]
 
{{GZ|Eigentlich
müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg
müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg
geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen
geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen
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allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient
allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient
leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem
leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem
ganz andern Sonnenlichte, Die Verschiedenheit des Orientalen vom
ganz andern Sonnenlichte. Die Verschiedenheit des Orientalen vom
Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können,
Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können,
aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied,
aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied,
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Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine
Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine
Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen
Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen
Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines Lehrers,
Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines [[Geisteslehrer|Lehrers]],
eines sogenannten Guru. Wer ihn gehen will, muß sich bis in
eines sogenannten [[Guru]]. Wer ihn gehen will, muß sich bis in
die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen.
die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen.
Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen,
Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen,
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Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn
Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn
dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler
dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler
herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang." {{Lit|{{G|097|193ff}}}}
herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang.|97|193ff}}
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== Überblick über die von Rudolf Steiner besprochenen Schulungswege ==
== Überblick über die von Rudolf Steiner besprochenen Schulungswege ==


Neben den bereits genannten drei Grundtypen des Schulungswegs hat [[Rudolf Steiner]] auch die [[Mithras-Einweihung]] ausführlicher besprochen:
Neben den bereits genannten drei Grundtypen des Schulungswegs hat [[Rudolf Steiner]] auch die [[Mithras-Einweihung]] ausführlicher besprochen.


Der anthroposophische Schulungsweg ist die unmittelbare Fortsetzung des Rosenkreuzer-Weges. In der Regel umfassen ''alle'' Schulungswege, wie oben erwähnt, sieben Stufen. Den Yoga-Schulungsweg schildert Steiner allerdings auch als 8-stufigen Einweihungsweg. Er ist aber im Prinzip mit dem 7-stufigen Weg identisch, doch wird hier die 6. Stufe in zwei gesonderte Stufen aufgeteilt. In der nachstehenden Tabelle findet sich ein Vergleich verschiedener Schulungswege:
Der anthroposophische Schulungsweg ist die unmittelbare Fortsetzung des Rosenkreuzer-Weges. In der Regel umfassen ''alle'' Schulungswege, wie oben erwähnt, sieben Stufen. Den Yoga-Schulungsweg schildert Steiner allerdings auch als 8-stufigen Einweihungsweg. Er ist aber im Prinzip mit dem 7-stufigen Weg identisch, doch wird hier die 6. Stufe in zwei gesonderte Stufen aufgeteilt. In der nachstehenden Tabelle findet sich ein Vergleich verschiedener Schulungswege:


<table align="center" width="700px"><tr>
<table align="center" width="900px"><tr>
<td width="20px"> </td><td align="center">'''[[Mithras-Einweihung]]'''</td><td align="center">'''[[Christlicher Schulungsweg]]'''</td><td align="center">'''[[Rosenkreuzer Schulungsweg]]'''</td>
<td width="20px"></td><td align="left">'''[[Mithras-Einweihung]]'''</td><td align="left">'''[[Christlicher Schulungsweg]]'''</td><td align="left">'''[[Rosenkreuzer Schulungsweg]]'''</td>
</tr><tr>
</tr><tr>
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Dornenkrönung<br>  
Dornenkrönung<br>  
Kreuzigung<br>
Kreuzigung<br>
mystischer Tod<br>
Mystischer Tod<br>
Grablegung und [[Auferstehung]]<br>
Grablegung und [[Auferstehung]]<br>
Himmelfahrt  
Himmelfahrt  
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Auch in einer weiteren Hinsicht darf man nicht einfach schematisch vorgehen. Die Lotosblumen werden nämlich keineswegs einfach nacheinander in der planetarischen Reihenfolge erweckt, sondern hier gibt es bei den einzelnen Schulungswegen große Unterschiede, die mit dem voranschreitenden geistigen Entwicklungsweg der Menschheit zusammenhängen. Als Faustregel kann man aber sagen, dass man bei den alten orientalischen Wegen von den unteren Chakren bzw. überhaupt vom Wurzelchakra ausging und von hier aus annähernd in der planetarischen Reihenfolge aufsteigend nach und nach die anderen seelischen Wahrnehmungsorgane erweckte. Damit beginnt aber die geistige Arbeit bei tief unterbewussten Kräften, was unserem heutigen Bewusstseinsseelenzeitalter nicht mehr angemessen ist. Moderne geistige Einweihungswege müssen ihren Ausgang von den oberen Lotosblumen suchen, deren Tätigkeit leichter ins Bewusstsein zu heben ist. Man beginnt heute vornehmlich beim Stirn-, Hals- und Herzchakra. Auch werden die Lotosblumen nicht streng nacheinander aktiviert, sondern teilweise auch gemeinsam, wobei dann nur auf dem einen oder anderen Chakra das Schwergewicht der Übungen liegt. Allen Wegen gemeinsam aber ist, dass das oberste Chakra, der 1000-blättrige Lotos, der sich durch die [[Kopfaura]] kundtut, erst ganz am Ende jedes Weges voll erwacht, und zwar gar nicht durch einzelne spezielle Übungen, sondern als Ergebnis des ganzen voll durchschrittenen Schulungsweges. Im christlichen Schulungsweg entspricht das der Stufe der „Himmelfahrt“, im Rosenkreuzerweg der „Gottseligkeit“.
Auch in einer weiteren Hinsicht darf man nicht einfach schematisch vorgehen. Die Lotosblumen werden nämlich keineswegs einfach nacheinander in der planetarischen Reihenfolge erweckt, sondern hier gibt es bei den einzelnen Schulungswegen große Unterschiede, die mit dem voranschreitenden geistigen Entwicklungsweg der Menschheit zusammenhängen. Als Faustregel kann man aber sagen, dass man bei den alten orientalischen Wegen von den unteren Chakren bzw. überhaupt vom Wurzelchakra ausging und von hier aus annähernd in der planetarischen Reihenfolge aufsteigend nach und nach die anderen seelischen Wahrnehmungsorgane erweckte. Damit beginnt aber die geistige Arbeit bei tief unterbewussten Kräften, was unserem heutigen Bewusstseinsseelenzeitalter nicht mehr angemessen ist. Moderne geistige Einweihungswege müssen ihren Ausgang von den oberen Lotosblumen suchen, deren Tätigkeit leichter ins Bewusstsein zu heben ist. Man beginnt heute vornehmlich beim Stirn-, Hals- und Herzchakra. Auch werden die Lotosblumen nicht streng nacheinander aktiviert, sondern teilweise auch gemeinsam, wobei dann nur auf dem einen oder anderen Chakra das Schwergewicht der Übungen liegt. Allen Wegen gemeinsam aber ist, dass das oberste Chakra, der 1000-blättrige Lotos, der sich durch die [[Kopfaura]] kundtut, erst ganz am Ende jedes Weges voll erwacht, und zwar gar nicht durch einzelne spezielle Übungen, sondern als Ergebnis des ganzen voll durchschrittenen Schulungsweges. Im christlichen Schulungsweg entspricht das der Stufe der „Himmelfahrt“, im Rosenkreuzerweg der „Gottseligkeit“.
== Spirituelle Tugenden, die schädliche Einflüsse abhalten ==
Der Schulungsweg ist auch mit gewissen Gefahren für den [[Geistesschüler]] verbunden. Sobald sich sein [[Geist]]ig-[[Seele|Seelisches]] im Zuge der Schulung vom [[Leib]] zu lösen beginnt, ist er schädlichen Einflüssen aus den [[Elementarreiche]]n ausgesetzt und [[luziferisch]]e und [[ahrimanisch]]e [[Elementarwesen]] können seine zurückgelassenen Leibeshüllen ergreifen. Ein dramatisches Beispiel dafür hat [[Rudolf Steiner]] im 3. Bild seines ersten [[Mysteriendrama]]s «[[Die Pforte der Einweihung]]» gegeben, wo die Leibeshüllen [[Maria (Mysteriendrama)|Marias]], der Protagonistin des Dramas, in dem Moment, wo sich ihr [[Geist]] in die [[Himmlische Welt]] aufschwingt, von einem ahrimanischen Wesen ergriffen werden. Schützen kann man sich gegen solche Einflüsse nur durch die bewusste Ausbildung bestimmter spiritueller Tugenden, zu denen ganz besonders auch die sogenannten [[Nebenübungen]] zu rechnen sind:
{{GZ|In dem Augenblicke nun, in dem die
Seele ihre Tätigkeit zum Teil dem Leibe entzieht, können
sich seiner verderbliche Kräfte aus den Elementarreichen
bemächtigen. Darin besteht eine
Gefahr der höheren Entwickelung. Es muß daher dafür
gesorgt werden, daß, sobald sich die Seele vom Körper
zurückzieht, er durch sich selbst nur guten Einflüssen von
Seiten der elementaren Welt zugänglich ist. - Wird darauf
nicht geachtet, so verkommt der gewöhnliche Mensch in
einer gewissen Beziehung physisch und auch moralisch,
trotzdem er den Zugang zu höheren Welten gewinnt.
Während die Seele in höheren Gebieten lebt, nisten sich im
dichten physischen Leib und im Ätherleib schädliche
Kräfte ein. Dies ist der Grund, warum gewisse schlechte
Eigenschaften, die vor der höheren Entwickelung durch die
ausgleichende Wirkung der Seele niedergehalten worden
sind, bei Mangel an Vorsicht zum Ausdruck kommen
können. Menschen, welche vorher gute, moralische
Naturen waren, können unter solchen Umständen dann,
wenn sie an höhere Welten herantreten, allerlei niedrige
Neigungen, erhöhte Selbstsucht, Unwahrhaftigkeit,
Rachsucht, Zorn usw. usw. hervorkehren. - Niemand darf
von dieser Tatsache sich zurückschrecken lassen, in die
höheren Welten aufzusteigen; aber vorgesorgt muß werden,
daß solche Dinge nicht eintreten. Die niedere Natur des
Menschen muß gefestet und unzugänglich gemacht werden
gefährlichen elementarischen Einflüssen. Das eben
geschieht durch die bewußte Ausbildung gewisser
Tugenden. Diese Tugenden werden in den theosophischen
Handbüchern, welche von geistiger Entwickelung handeln,
angegeben. Hier aber hat man den Grund, warum auf sie
Sorgfalt gelegt werden muß. Es sind die folgenden.
Zuerst muß der Mensch in ganz bewußter Weise bei
allen Dingen fortwährend darauf bedacht sein, das Bleibende,
Unvergängliche von dem Vergänglichen abzusondern,
und auf das erstere seine Aufmerksamkeit richten.
In jedem Dinge und Wesen kann der Mensch ein Etwas
vermuten oder erkennen, das bleibt, wenn die vergängliche
Erscheinung entschwindet. Sehe ich eine Pflanze, dann
kann ich sie zunächst betrachten, wie sie sich den Sinnen
darbietet. Das soll man gewiß nicht versäumen. Und
niemand wird das Ewige in den Dingen entdecken, der sich
nicht zuerst mit dem Vergänglichen gründlich bekannt
gemacht hat. Diejenigen, welche sich immer besorgt
zeigen, daß dem Menschen, der den Blick auf das Geistig-
Unvergängliche richtet, die «Frische und Natürlichkeit des
Lebens» verlorengehe: sie wissen eben noch nicht, um was
es sich dabei eigentlich handelt. Aber, wenn ich so die
Pflanze anschaue, kann mir klarwerden, daß in ihr ein
bleibender Lebenstrieb ist, der in einer neuen zum
Vorschein kommen werde, wenn die gegenwärtige Pflanze
längst zerstoben sein wird. Solche Art, sich zu den Dingen
zu stellen, muß man in die ganze Verfassung seines
Gemütes aufnehmen. - Dann muß man sein Herz auf das
Wertvolle, Gediegene heften und dieses höher schätzen
lernen als das Vorübergehende, Bedeutungslose. Man soll
sich bei allen seinen Empfindungen und Handlungen den
Wert vor Augen halten, den etwas im Zusammenhange
eines Ganzen hat. - Zum dritten soll man sechs
Eigenschaften in sich ausbilden: Kontrolle der
Gedankenwelt, Kontrolle der Handlungen, Ertragsamkeit,
Unbefangenheit, Vertrauen in die Umwelt und inneres
Gleichgewicht. Kontrolle der Gedankenwelt erreicht man,
wenn man sich bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken
und Empfindungen,
die beim gewöhnlichen Menschen immer
auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen
Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken;
sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich
auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den
Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem
Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen
Lebens wird das gar nicht anders sein können.
Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß
man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in
denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt
macht. Man stellt da einen Gedanken aus
völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele,
während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen.
Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken
und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem
ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will,
daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig
auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt
den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß
er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele
auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt. - Kontrolle der
Handlungen besteht in einer ähnlichen Regelung derselben
durch innere Freiheit. Man beginnt gut damit,
daß man sich anschickt, irgend etwas regelmäßig zu tun,
wozu man durch das gewöhnliche Leben nicht gekommen
wäre. In dem letzteren wird ja der Mensch von
außen zu seinen Handlungen getrieben. Die kleinste Tat
aber, die man aus der ureigensten Initiative heraus unternimmt,
wirkt in der angegebenen Richtung mehr als
alles, wozu man vom äußeren Leben gedrängt wird. - Ertragsamkeit
ist das Entfernthalten von jener Stimmung, die
man bezeichnen kann mit dem Wechsel zwischen
«Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt». Der Mensch
wird hin- und hergetrieben zwischen allen möglichen
Stimmungen. Die Lust macht ihn froh, der Schmerz drückt
ihn herab. Das hat seine Berechtigung. Wer aber den Weg
sucht zu höherer Erkenntnis, der muß sich in der Lust und
auch im Schmerze mäßigen können. Er muß «ertragsam»
werden. Maßvoll muß er sich den lusterregenden
Eindrücken hingeben können und auch den schmerzlichen
Erlebnissen: immer durch beides mit Würde
hindurchschreiten. Von nichts sich übermannen, außer
Fassung bringen lassen. Das begründet nicht
Gefühllosigkeit, sondern macht den Menschen zum festen
Mittelpunkt innerhalb der Lebenswellen, die rings um ihn
auf- und niedersteigen. Er hat sich stets in der Hand.
Eine ganz besonders wichtige Eigenschaft ist der «Sinn
für die Bejahung». Es kann ihn derjenige bei sich
entwickeln, welcher das Augenmerk in allen Dingen auf
die guten, schönen und zweckvollen Eigenheiten richtet
und nicht in erster Linie auf das Tadelnswerte, Häßliche
und Widerspruchsvolle. Es gibt eine schöne, in der persischen
Dichtung vorhandene Legende von Christus, die
zur Anschauung bringt, was mit dieser Eigenschaft gemeint
ist: Ein toter Hund liegt an einem Wege. Unter den an ihm
Vorübergehenden ist auch Christus. Alle anderen wenden
sich ab von dem häßlichen Anblick, den das Tier bietet; nur
Christus spricht bewundernd von den schönen Zähnen des
Tieres. So kann man den Dingen gegenüber empfinden;
in allem, auch dem
Widrigsten, mag sich für den, welcher ernstlich sucht, etwas
Anerkennenswertes finden. Und das Fruchtbare an den
Dingen ist ja nicht, was ihnen fehlt, sondern dasjenige, was
sie haben. - Weiter ist bedeutsam, die Eigenschaft der
«Unbefangenheit» zu entwickeln. Ein jeder Mensch hat ja
seine Erfahrungen gemacht und sich dadurch eine
bestimmte Menge von Meinungen gebildet, die ihm dann
im Leben zur Richtschnur werden. So selbstverständlich es
auf der einen Seite ist, sich nach seinen Erfahrungen zu
richten, so wichtig ist es für den, welcher eine geistige
Entwickelung zur höheren Erkenntnis hin durchmachen
will, daß er sich stets den Blick frei erhält für alles Neue,
ihm noch Unbekannte, das ihm entgegentritt. Er wird so
vorsichtig wie irgend möglich sein mit dem Urteil: «das ist
unmöglich», «das kann ja gar nicht sein». Mag ihm seine
Meinung nach den bisherigen Erfahrungen was immer
sagen: er ist in jedem Augenblick bereit, sich von etwas
Neuem, das ihm entgegenkommt, zu einer anderen
Meinung bringen zu lassen. Jede Eigenliebe der Meinung
gegenüber muß schwinden. - Wenn die bisher genannten
fünf Eigenschaften von der Seele erworben sind, dann stellt
sich eine sechste ganz von selbst ein: das innere Gleichgewicht,
die Harmonie der geistigen Kräfte. Der Mensch
muß etwas in sich finden wie einen geistigen Schwerpunkt,
der ihm Festigkeit und Sicherheit gibt gegenüber allem,
was im Leben da- oder dorthin zieht. Man muß nicht etwa
vermeiden, mit allem mitzuleben, alles auf sich wirken zu
lassen. Nicht die Flucht vor den hin- und widerziehenden
Tatsachen des Lebens ist das Richtige, sondern im
Gegenteil: das volle Hingeben an das Leben
und trotzdem die sichere, feste Bewahrung von innerem
Gleichgewicht und Harmonie.
Endlich kommt für den Suchenden der «Wille zur
Freiheit» in Betracht. Es hat ihn jemand, der zu allem, was
er vollbringt, die Stütze und Grundlage in sich selbst findet.
Er ist deshalb so schwer zu erringen, weil taktvoll der
Ausgleich notwendig ist zwischen dem Öffnen des Sinnes
gegenüber allem Großen und Guten und der gleichzeitigen
Ablehnung eines jeglichen Zwanges. Man sagt so leicht:
Einwirkung von außen und Freiheit vertragen sich nicht.
Daß sie sich in der Seele vertragen: darauf kommt es aber
gerade an. Wenn mir jemand etwas mitteilt, und ich nehme
es unter dem Zwange seiner Autorität an: dann bin ich
unfrei. Aber ich bin nicht minder unfrei, wenn ich mich
verschließe vor dem Guten, das ich auf diese Art
empfangen kann. Denn dann übt in der eigenen Seele das
Schlechtere, das ich habe, auf mich einen Zwang aus. Und
bei der Freiheit kommt es nicht allein darauf an, daß ich
nicht unter dem Zwange einer äußeren Autorität stehe,
sondern vor allen Dingen auch nicht unter derjenigen
eigener Vorurteile, Meinungen, Empfindungen und
Gefühle. Nicht blinde Unterwerfung unter das Empfangene
ist das Richtige, sondern sich von ihm anregen lassen, es
ganz unbefangen aufnehmen, um sich «frei» dazu zu
bekennen. Eine fremde Autorität soll nicht anders als so
wirken, daß man sich sagt: Ich mache mich gerade dadurch
frei, daß ich ihrem Guten folge, d.h. es zu dem meinigen
mache. Und eine auf der Geheimwissenschaft fußende
Autorität will auch gar nicht anders als in dieser Art
wirken. Sie gibt, was sie zu geben hat, nicht um selbst
Macht über den Beschenkten zu gewinnen, sondern allein
darum, daß der Beschenkte durch die Gabe reicher und
freier werde.|12|26ff}}
== Künftige Bedeutung des Schulungswegs ==
{{Zitat|Die kommende Jugend kommt aus ganz anderen kosmischen Welten her als wir, das wird sich steigern. Sie bringt eine ungeheure Denkfähigkeit, eine Virtuosität des Denkens mit. Das ist aber die größte Versuchung und zugleich der größte ahrimanische Angriff gegen die Anthroposophie. Da wird die Gefahr sein, daß durch die ungeheure Leichtigkeit der Auffassung der anthroposophischen Begriffe die Sache im Denken stecken bleibt und sich ein ungeheures Wohlgefühl im Denken der Anthroposophie entwickelt; aber man wird nicht durchstoßen zur Schulung.
Das einzige, was die Jugend bekommen kann, was sie stählen wird, um die künftigen Ereignisse zu bestehen, das ist, daß sie der Anthroposophie in der Schulung begegnet. Die Schulung ist das Fundament, durch das das Studium allein zu einem wahren Ziel geführt werden kann. - Wenn Anthroposophie als Wissenschaft gelehrt wird, wird sie schädlich. Anthroposophie darf niemals bloß Theorie sein; sie muß unmittelbares Leben werden. Läßt man sie bloß Lehre sein, so tötet man sie und übergibt sie Ahriman, dem Herrn des Todes. - Es ist aber den Menschen heute viel bequemer zu denken und einige anthroposophische Begriffe sich anzueignen, als nur eine einzige Gewohnheit abzulegen.
Was die Anthroposophie aus unseren Seelen macht, das ist viel wichtiger als noch so viel theoretisches Wissen über geisteswissenschaftliche Begriffe.|ref=<ref>"Rudolf Steiner über die kommende Jugend". Mündliche Äußerung Rudolf Steiners gegenüber Frau Sybell-Petersen, übermittelt von Adelheid Petersen in einem Vortrag, gehalten im August 1950</ref>}}


== Literatur ==
== Literatur ==
{{Glomer|anthroposophie/meditation|Meditation, Innere Schulung}}
* [[Anton Kimpfler]]: ''Praktische Esoterik. Der Weg ins dritte Jahrtausend'', Verlag am Goetheanum, Dornach 1999, ISBN 978-3723510629
* Christoph Hueck: ''Intuition - das Auge der Seele. Die Darstellung des intuitiven Erkennens im schriftlichen Werk Rudolf Steiners'', Akanthos Akademie Edition, Books on Demand 2016, ISBN 978-3741298264; eBook {{ASIN|B01N0H7HXN}}
* Christoph Hueck: ''Philosophie als Initiation: Die sieben philosophischen Schriften Rudolf Steiners als spiritueller Schulungsweg'', Books on Demand 2017, ISBN 978-3746046785; eBook{{ASIN|B0788R72FS}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Stufen der höheren Erkenntnis'', [[GA 12]] (1993), ISBN 3-7274-0120-6; [[Tb 641]], ISBN 978-3-7274-6410-2 {{Schriften|012}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Apokalypse des Johannes'', [[GA 104]] (1985), ISBN 3-7274-1040-X {{Vorträge|104}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen'', [[GA 136]] (1996), ISBN 3-7274-1361-1 {{Vorträge|136}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung'', [[GA 211]] (1986), ISBN 3-7274-2110-X {{Vorträge|211}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum'', [[GA 260a]] (1987), ISBN 3-7274-2606-3 {{Vorträge|148}}


#Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
{{GA}}


{{GA}}
== Einzelnachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Schulungsweg]]
[[Kategorie:Schulungsweg|!]]
[[Kategorie:Erleuchtung]]
[[Kategorie:Einweihung]]
[[Kategorie:Hellsehen]]

Aktuelle Version vom 18. März 2024, 12:11 Uhr

Der geistige Schulungsweg ist ein Erkenntnispfad, welcher der geistigen Entwicklung dient. Der Geistesschüler wird dabei gegebenenfalls nach literarischer Anleitung arbeiten, oder Rat und Hilfe von einem Geisteslehrer einholen, der ihn auf geeignete Übungen zur Konzentration und Meditation und auf andere der Geistesschulung förderliche Regeln hinweist. Er arbeitet dabei an seinem Ätherleib, nachdem er zur Vorbereitung seinen Astralleib geläutert hat. Hat er diesen vollendet, wird er ein Eingeweihter.

„Alles das, was nur auf den Astralleib wirkt, ist nur Vorbereitung zur eigentlichen esoterischen Schulung, zur eigentlichen okkulten Schulung. Die okkulte Schulung beginnt da, wo wir das Hineinarbeiten in den Äther- oder Lebensleib lernen, wo der Mensch in den Stand gesetzt wird, durch die Anleitung, die ihm der okkulte Lehrer gibt, die Temperamente, Neigungen und Gewohnheiten umzuwandeln, wo der Mensch ein anderer wird. Damit kommt erst die Einsicht in die wirkliche höhere Welt, daß der Mensch ein anderer Mensch wird.“ (Lit.:GA 96, S. 258f)

Durch geistige Schulung erweckt der Geistesschüler nach und nach sein Bewusstsein für Weltbereiche, die ihm zuvor ein kaum geahntes Geheimnis blieben. In diesem Sinn spricht man auch von einer Geheimschulung bzw. Geheimschule, die nach geeigneter Vorbereitung den Zugang zu dieser den Sinnen verborgenen Welt eröffnen. Die Geheimhaltung des esoterischen Wissens, das Arkanprinzip (von lat. arcanum – „Geheimnis“), war in alten Zeiten ein streng beachteter Grundsatz, durch den okkulte Kenntnisse, Kultgebräuche und Rituale vor der Öffentlichkeit geheimgehalten und nur einem ausgewählten Kreis von Eingeweihten zugänglich gemacht wurden. Diese Geheimhaltung hat heute im Zeitalter der Bewusstseinsseele, namentlich seit Beginn des gegenwärtigen Michael-Zeitalters, ihre Berechtigung verloren. Für die Anthroposophische Gesellschaft hat daher zu gelten:

„Von der Anthroposophischen Gesellschaft soll zunächst wirklich jeder Mensch, der von ihr hört, wissen können, daß sie nichts zu tun hat mit irgendwelcher Geheimnistuerei; daß sie durchgreifend, wie andere Gesellschaften, eine öffentliche Gesellschaft ist.“ (Lit.:GA 260a, S. 113)

Ein wichtiger Grundsatz der okkulten Entwicklung

„Ein wichtiger Grundsatz in der okkulten Entwickelung ist der, sich keinen anderen Wert beizumessen als denjenigen, der da kommt aus den Leistungen in der physischen Welt innerhalb der gegenwärtigen Inkarnation. Das ist außerordentlich wichtig. Jeder andere Wert muß erst auf Grundlage einer höheren Entwickelung kommen, die sich erst dann ergeben kann, wenn man zunächst feststeht auf dem Boden, daß man sich für nichts anderes hält, als was man in dieser Inkarnation hat leisten können. Es ist das auch natürlich, wenn man die Sache objektiv betrachtet, denn das, was man geleistet hat in der gegenwärtigen Inkarnation, ist das Ergebnis auch der früheren Inkarnationen; es ist das, was Karma bisher aus uns gemacht hat. Was Karma noch aus uns macht, müssen wir erst machen lassen, das dürfen wir nicht in unseren Wert hineinrechnen.“ (Lit.:GA 136, S. 41)

Drei Wege in die geistige Welt

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten des Schulungs- und Erkenntniswegs, die den drei Seelenkräften des Denkens, Fühlens und Wollens entsprechen.

„Der Mensch muß so vorbereitet werden, daß er während des gewöhnlichen Tageslebens jene Übungen macht, die ihm von den Eingeweihtenschulen vorgeschrieben werden, Meditation, Konzentration und so weiter. Diese Übungen sind im Grunde genommen in bezug auf ihre Bedeutung für den Menschen bei allen Einweihungsschulen dieselben. Sie sind nur insofern ein wenig voneinander verschieden, als sie, je weiter wir zurückgehen in die vorchristlichen Einweihungsschulen, mehr darauf gerichtet sind, das Denken, die Denkkräfte zu üben, zu trainieren. Je mehr wir uns den christlichen Zeiten nähern, desto mehr sind sie darauf gerichtet, die Gemütskräfte zu schulen, und je näher wir den neueren Zeiten kommen, desto mehr sehen wir, wie in den sogenannten Rosenkreuzerschulungen, durch die Forderungen und Bedürfnisse der Menschheit bedingt, eine besondere Art der Willenskultur, der Willensübungen eingeführt wird. Wenn auch die Meditationen zunächst ähnliche sind wie in den anderen vorchristlichen Schulen, so herrscht doch überall auf dem Grunde der Rosenkreuzerübungen eine besondere Schulung des Willenselementes.“ (Lit.:GA 104, S. 53)

Auf dem Rosenkreuzer Schulungsweg, der der modernste dieser drei Schulungswege ist, muss vor allem das im Denken waltende Willenselement ergriffen werden:

„Denkübungen auf der einen Seite, Willensübungen auf der anderen Seite muß man machen, wenn sich das Tor öffnen soll zur übersinnlichen Welt, in die wir eintreten müssen, wenn wir uns unsererseits, als Menschen, nach unserem Ewigen erkennen wollen, und wenn wir die Welt nach dem Ewigen erkennen wollen. Die Denkübungen, sie werden gerade dadurch vollzogen, daß wir uns darauf besinnen, wie immer Willensartiges in das Denken hineinspielt; die Willensübungen, indem wir das Hineinspielen des Denkens in den Willen beachten. Nur im gewöhnlichen Leben beachten wir dieses Willensartige nicht. Um zur modernen Initiation zu kommen, müssen wir gerade den leisen Willen, der in dem Vorstellungsleben darinnen ist, beachten. Das müssen wir nach und nach erreichen durch die Übungen, die ich beschrieben habe in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?». Das ist es gerade, was ich hier andeuten will: Wir müssen das, was für gewöhnlich gerade das Wichtigste ist, den Gedankeninhalt zurücktreten lassen und den Willen im Denken bewußt gebrauchen lernen.“ (Lit.:GA 211, S. 144)

Die drei grundlegenden Schulungswege

Alle Schulungswege sind Varianten oder Mischungen der drei grundlegenden Wege, die ihren Ausgang vom Denken, Fühlen oder Wollen nehmen. Jeder Geistesschüler sollte den Weg wählen, der seiner Wesensart angemessen ist. Diese drei Wege in die geistige Welt sind:

„Eigentlich müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen zurück: Auf den Jogaweg, die christlich-gnostische Einweihung und die christlich-rosenkreuzerische Einweihung. Einen dieser drei verschiedenen Wege kann man also beschreiten. Sie sind deshalb verschieden, weil es drei Gattungen von Menschen gibt. Unter den europäischen Menschen findet man nur wenige, welche den orientalischen Jogaweg gehen können. Daher ist es für den Europäer im allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem ganz andern Sonnenlichte. Die Verschiedenheit des Orientalen vom Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können, aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied, und dieser muß berücksichtigt werden, da die innere Entwickelung tief eingreift in die seelische und geistige Natur des Menschen. Die feinere Struktur des Hindugehirns ist für den Anatomen nicht wahrnehmbar. Aber wenn man dem Europäer das zumutete, was man dem Inder zumuten kann, dann würde man ihn zugrunde richten. Man kann dem Inder gewisse Verrichtungen vorschreiben, die dem Europäer gar nichts nutzen oder ihm sogar schlecht bekommen. Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines Lehrers, eines sogenannten Guru. Wer ihn gehen will, muß sich bis in die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen. Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen, wenn man sich nicht aus den äußeren Lebensverhältnissen herausreißt. Es ist nämlich notwendig, daß die verschiedensten äußeren Maßnahmen getroffen werden, um die vorgeschriebenen Übungen zu unterstützen. Wenn man gewisse Erlebnisse hat, die auf die Gefühlswelt einen Eindruck machen, so wird dies, wenn man eine innere okkulte Entwickelung durchmacht, einen tiefgehenden Einfluß haben. Darum muß der orientalische Jogaschüler in allen Einzelheiten des Lebens den Guru fragen. Wenn man irgendwelche Veränderungen im Leben vornehmen will, so muß man sich von dem Guru dazu die Richtung weisen lassen. Also ist der Jogaweg ein solcher, der die absolute Unterwerfung unter den Guru voraussetzt. Man muß lernen, mit den Augen des Guru zu sehen, und lernen, wie er zu fühlen. Man kann diesen Weg nicht gehen ohne tiefes Vertrauen, ohne vollkommene Liebe, vereint mit uneingeschränktem Vertrauen und bedingungsloser Hingabe, die alles andere übersteigt.

Bei dem christlich-gnostischen Weg gibt es nur einen großen Lehrer, den zentralen Guru. Erforderlich ist da der Glaube an den Christus Jesus selbst, nicht nur an seine Lehren. Der christlich-gnostische Schüler muß glauben können, daß in dem Christus Jesus die einzige hohe göttliche Individualität inkarniert war, eine Individualität, die nicht zu vergleichen ist mit irgendeiner andern, selbst der höchsten Individualität. Alle andern Individualitäten haben auf dieser Erde auf einer niedrigeren Stufe angefangen und sind dann aufgestiegen, wie Buddha, Hermes, Zoroaster, Pythagoras, so daß ihre geistige Gestalt das Ergebnis vieler vorhergehender Inkarnationen ist. Bei dem Christus Jesus ist das nicht der Fall. Er läßt sich nicht vergleichen mit irgendeiner andern Individualität, mit irgend etwas anderem auf der Erde. Ohne diesen Glauben würde man den rein christlich-gnostischen Weg nicht gehen können.

Ein dritter Weg ist der christlich-rosenkreuzerische. Da ist der Lehrer der Ratgeber, der seinen Rat vorzugsweise auf die Maßnahmen der geistigen Entwicklung selbst beschränkt. Diese geistige Entwicklung muß so eingerichtet werden, daß sie einen durchgreifenden Einfluß auf das Leben des Menschen hat. Ein Lehrer muß bei der Einweihung immer da sein. Eine ernsthafte Einweihung ohne Lehrer gibt es nicht. Wer das behaupten wollte, würde etwas ebenso Törichtes sagen wie jemand, der die Geburt eines Kindes ohne das Zusammenwirken der beiden Geschlechter als möglich erachtete. Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang.“ (Lit.:GA 97, S. 193ff)

Überblick über die von Rudolf Steiner besprochenen Schulungswege

Neben den bereits genannten drei Grundtypen des Schulungswegs hat Rudolf Steiner auch die Mithras-Einweihung ausführlicher besprochen.

Der anthroposophische Schulungsweg ist die unmittelbare Fortsetzung des Rosenkreuzer-Weges. In der Regel umfassen alle Schulungswege, wie oben erwähnt, sieben Stufen. Den Yoga-Schulungsweg schildert Steiner allerdings auch als 8-stufigen Einweihungsweg. Er ist aber im Prinzip mit dem 7-stufigen Weg identisch, doch wird hier die 6. Stufe in zwei gesonderte Stufen aufgeteilt. In der nachstehenden Tabelle findet sich ein Vergleich verschiedener Schulungswege:

Mithras-EinweihungChristlicher SchulungswegRosenkreuzer Schulungsweg

1
2
3
4
5
6
7

Rabe
Okkulter
Streiter
Löwe
Perser
Sonnenheld
Vater

Fußwaschung
Geißelung
Dornenkrönung
Kreuzigung
Mystischer Tod
Grablegung und Auferstehung
Himmelfahrt

Studium
Imaginative Erkenntnis
Inspirierte Erkenntnis oder Lesen der okkulten Schrift
Bereitung des Steins der Weisen
Entsprechung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos
Hineinleben in den Makrokosmos
Gottseligkeit

Dass geistige Schulungswege meist siebenstufig dargestellt werden, hängt unter anderem damit zusammen, dass im Laufe der Schulung durch geeignete Seelenübungen schrittweise die sieben hauptsächlichen seelischen Wahrnehmungsorgane des Menschen, die Lotosblumen oder Chakren, für die geistige Wahrnehmung erweckt werden, die ihrerseits wieder in einem gewissen Zusammenhang mit den sieben Planetensphären stehen. Die Lotosblumen sind ja Organe des Astralleibs – des Sternenleibes.

Die Siebengliedrigkeit des Schulungsweges ist also wohlbegründet in den kosmischen Verhältnissen. Dennoch darf man sie nicht pedantisch schematisch nehmen, denn in der Praxis können einzelne Stufen noch feiner untergliedert werden, wodurch man dann zu scheinbar abweichenden, größeren Zahlen kommt, die aber dennoch die Siebenzahl im Hintergrund haben. So hat etwa Rudolf Steiner selbst in den Motiven der 9 Glasfenster des ersten Goetheanums bildhaft-eindringlich den modernen anthroposophisch-rosenkreuzerischen Einweihungsweg in 9 bzw. 10 Stufen anschaulich bildhaft geschildert.

Auch in einer weiteren Hinsicht darf man nicht einfach schematisch vorgehen. Die Lotosblumen werden nämlich keineswegs einfach nacheinander in der planetarischen Reihenfolge erweckt, sondern hier gibt es bei den einzelnen Schulungswegen große Unterschiede, die mit dem voranschreitenden geistigen Entwicklungsweg der Menschheit zusammenhängen. Als Faustregel kann man aber sagen, dass man bei den alten orientalischen Wegen von den unteren Chakren bzw. überhaupt vom Wurzelchakra ausging und von hier aus annähernd in der planetarischen Reihenfolge aufsteigend nach und nach die anderen seelischen Wahrnehmungsorgane erweckte. Damit beginnt aber die geistige Arbeit bei tief unterbewussten Kräften, was unserem heutigen Bewusstseinsseelenzeitalter nicht mehr angemessen ist. Moderne geistige Einweihungswege müssen ihren Ausgang von den oberen Lotosblumen suchen, deren Tätigkeit leichter ins Bewusstsein zu heben ist. Man beginnt heute vornehmlich beim Stirn-, Hals- und Herzchakra. Auch werden die Lotosblumen nicht streng nacheinander aktiviert, sondern teilweise auch gemeinsam, wobei dann nur auf dem einen oder anderen Chakra das Schwergewicht der Übungen liegt. Allen Wegen gemeinsam aber ist, dass das oberste Chakra, der 1000-blättrige Lotos, der sich durch die Kopfaura kundtut, erst ganz am Ende jedes Weges voll erwacht, und zwar gar nicht durch einzelne spezielle Übungen, sondern als Ergebnis des ganzen voll durchschrittenen Schulungsweges. Im christlichen Schulungsweg entspricht das der Stufe der „Himmelfahrt“, im Rosenkreuzerweg der „Gottseligkeit“.

Spirituelle Tugenden, die schädliche Einflüsse abhalten

Der Schulungsweg ist auch mit gewissen Gefahren für den Geistesschüler verbunden. Sobald sich sein Geistig-Seelisches im Zuge der Schulung vom Leib zu lösen beginnt, ist er schädlichen Einflüssen aus den Elementarreichen ausgesetzt und luziferische und ahrimanische Elementarwesen können seine zurückgelassenen Leibeshüllen ergreifen. Ein dramatisches Beispiel dafür hat Rudolf Steiner im 3. Bild seines ersten Mysteriendramas «Die Pforte der Einweihung» gegeben, wo die Leibeshüllen Marias, der Protagonistin des Dramas, in dem Moment, wo sich ihr Geist in die Himmlische Welt aufschwingt, von einem ahrimanischen Wesen ergriffen werden. Schützen kann man sich gegen solche Einflüsse nur durch die bewusste Ausbildung bestimmter spiritueller Tugenden, zu denen ganz besonders auch die sogenannten Nebenübungen zu rechnen sind:

„In dem Augenblicke nun, in dem die Seele ihre Tätigkeit zum Teil dem Leibe entzieht, können sich seiner verderbliche Kräfte aus den Elementarreichen bemächtigen. Darin besteht eine Gefahr der höheren Entwickelung. Es muß daher dafür gesorgt werden, daß, sobald sich die Seele vom Körper zurückzieht, er durch sich selbst nur guten Einflüssen von Seiten der elementaren Welt zugänglich ist. - Wird darauf nicht geachtet, so verkommt der gewöhnliche Mensch in einer gewissen Beziehung physisch und auch moralisch, trotzdem er den Zugang zu höheren Welten gewinnt. Während die Seele in höheren Gebieten lebt, nisten sich im dichten physischen Leib und im Ätherleib schädliche Kräfte ein. Dies ist der Grund, warum gewisse schlechte Eigenschaften, die vor der höheren Entwickelung durch die ausgleichende Wirkung der Seele niedergehalten worden sind, bei Mangel an Vorsicht zum Ausdruck kommen können. Menschen, welche vorher gute, moralische Naturen waren, können unter solchen Umständen dann, wenn sie an höhere Welten herantreten, allerlei niedrige Neigungen, erhöhte Selbstsucht, Unwahrhaftigkeit, Rachsucht, Zorn usw. usw. hervorkehren. - Niemand darf von dieser Tatsache sich zurückschrecken lassen, in die höheren Welten aufzusteigen; aber vorgesorgt muß werden, daß solche Dinge nicht eintreten. Die niedere Natur des Menschen muß gefestet und unzugänglich gemacht werden gefährlichen elementarischen Einflüssen. Das eben geschieht durch die bewußte Ausbildung gewisser Tugenden. Diese Tugenden werden in den theosophischen Handbüchern, welche von geistiger Entwickelung handeln, angegeben. Hier aber hat man den Grund, warum auf sie Sorgfalt gelegt werden muß. Es sind die folgenden.

Zuerst muß der Mensch in ganz bewußter Weise bei allen Dingen fortwährend darauf bedacht sein, das Bleibende, Unvergängliche von dem Vergänglichen abzusondern, und auf das erstere seine Aufmerksamkeit richten. In jedem Dinge und Wesen kann der Mensch ein Etwas vermuten oder erkennen, das bleibt, wenn die vergängliche Erscheinung entschwindet. Sehe ich eine Pflanze, dann kann ich sie zunächst betrachten, wie sie sich den Sinnen darbietet. Das soll man gewiß nicht versäumen. Und niemand wird das Ewige in den Dingen entdecken, der sich nicht zuerst mit dem Vergänglichen gründlich bekannt gemacht hat. Diejenigen, welche sich immer besorgt zeigen, daß dem Menschen, der den Blick auf das Geistig- Unvergängliche richtet, die «Frische und Natürlichkeit des Lebens» verlorengehe: sie wissen eben noch nicht, um was es sich dabei eigentlich handelt. Aber, wenn ich so die Pflanze anschaue, kann mir klarwerden, daß in ihr ein bleibender Lebenstrieb ist, der in einer neuen zum Vorschein kommen werde, wenn die gegenwärtige Pflanze längst zerstoben sein wird. Solche Art, sich zu den Dingen zu stellen, muß man in die ganze Verfassung seines Gemütes aufnehmen. - Dann muß man sein Herz auf das Wertvolle, Gediegene heften und dieses höher schätzen lernen als das Vorübergehende, Bedeutungslose. Man soll sich bei allen seinen Empfindungen und Handlungen den Wert vor Augen halten, den etwas im Zusammenhange eines Ganzen hat. - Zum dritten soll man sechs Eigenschaften in sich ausbilden: Kontrolle der Gedankenwelt, Kontrolle der Handlungen, Ertragsamkeit, Unbefangenheit, Vertrauen in die Umwelt und inneres Gleichgewicht. Kontrolle der Gedankenwelt erreicht man, wenn man sich bemüht, dem Irrlichtelieren der Gedanken und Empfindungen, die beim gewöhnlichen Menschen immer auf- und abwogen, entgegenzuarbeiten. Im alltäglichen Leben ist der Mensch nicht der Führer seiner Gedanken; sondern er wird von ihnen getrieben. Das kann natürlich auch gar nicht anders sein. Denn das Leben treibt den Menschen. Und er muß als ein Wirkender sich diesem Treiben des Lebens überlassen. Während des gewöhnlichen Lebens wird das gar nicht anders sein können. Will man aber in eine höhere Welt aufsteigen, so muß man sich wenigstens ganz kurze Zeiten aussondern, in denen man sich zum Herrn seiner Gedanken- und Empfindungswelt macht. Man stellt da einen Gedanken aus völliger innerer Freiheit in den Mittelpunkt seiner Seele, während sich sonst die Vorstellungen von außen aufdrängen. Dann versucht man alle aufsteigenden Gedanken und Gefühle fernzuhalten und nur das mit dem ersten Gedanken zu verbinden, von dem man selbst will, daß es dazu gehöre. Eine solche Übung wirkt wohltätig auf die Seele und dadurch auch auf den Leib. Sie bringt den letzteren in eine solche harmonische Verfassung, daß er sich schädlichen Einflüssen entzieht, wenn die Seele auch nicht unmittelbar auf ihn wirkt. - Kontrolle der Handlungen besteht in einer ähnlichen Regelung derselben durch innere Freiheit. Man beginnt gut damit, daß man sich anschickt, irgend etwas regelmäßig zu tun, wozu man durch das gewöhnliche Leben nicht gekommen wäre. In dem letzteren wird ja der Mensch von außen zu seinen Handlungen getrieben. Die kleinste Tat aber, die man aus der ureigensten Initiative heraus unternimmt, wirkt in der angegebenen Richtung mehr als alles, wozu man vom äußeren Leben gedrängt wird. - Ertragsamkeit ist das Entfernthalten von jener Stimmung, die man bezeichnen kann mit dem Wechsel zwischen «Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt». Der Mensch wird hin- und hergetrieben zwischen allen möglichen Stimmungen. Die Lust macht ihn froh, der Schmerz drückt ihn herab. Das hat seine Berechtigung. Wer aber den Weg sucht zu höherer Erkenntnis, der muß sich in der Lust und auch im Schmerze mäßigen können. Er muß «ertragsam» werden. Maßvoll muß er sich den lusterregenden Eindrücken hingeben können und auch den schmerzlichen Erlebnissen: immer durch beides mit Würde hindurchschreiten. Von nichts sich übermannen, außer Fassung bringen lassen. Das begründet nicht Gefühllosigkeit, sondern macht den Menschen zum festen Mittelpunkt innerhalb der Lebenswellen, die rings um ihn auf- und niedersteigen. Er hat sich stets in der Hand.

Eine ganz besonders wichtige Eigenschaft ist der «Sinn für die Bejahung». Es kann ihn derjenige bei sich entwickeln, welcher das Augenmerk in allen Dingen auf die guten, schönen und zweckvollen Eigenheiten richtet und nicht in erster Linie auf das Tadelnswerte, Häßliche und Widerspruchsvolle. Es gibt eine schöne, in der persischen Dichtung vorhandene Legende von Christus, die zur Anschauung bringt, was mit dieser Eigenschaft gemeint ist: Ein toter Hund liegt an einem Wege. Unter den an ihm Vorübergehenden ist auch Christus. Alle anderen wenden sich ab von dem häßlichen Anblick, den das Tier bietet; nur Christus spricht bewundernd von den schönen Zähnen des Tieres. So kann man den Dingen gegenüber empfinden; in allem, auch dem Widrigsten, mag sich für den, welcher ernstlich sucht, etwas Anerkennenswertes finden. Und das Fruchtbare an den Dingen ist ja nicht, was ihnen fehlt, sondern dasjenige, was sie haben. - Weiter ist bedeutsam, die Eigenschaft der «Unbefangenheit» zu entwickeln. Ein jeder Mensch hat ja seine Erfahrungen gemacht und sich dadurch eine bestimmte Menge von Meinungen gebildet, die ihm dann im Leben zur Richtschnur werden. So selbstverständlich es auf der einen Seite ist, sich nach seinen Erfahrungen zu richten, so wichtig ist es für den, welcher eine geistige Entwickelung zur höheren Erkenntnis hin durchmachen will, daß er sich stets den Blick frei erhält für alles Neue, ihm noch Unbekannte, das ihm entgegentritt. Er wird so vorsichtig wie irgend möglich sein mit dem Urteil: «das ist unmöglich», «das kann ja gar nicht sein». Mag ihm seine Meinung nach den bisherigen Erfahrungen was immer sagen: er ist in jedem Augenblick bereit, sich von etwas Neuem, das ihm entgegenkommt, zu einer anderen Meinung bringen zu lassen. Jede Eigenliebe der Meinung gegenüber muß schwinden. - Wenn die bisher genannten fünf Eigenschaften von der Seele erworben sind, dann stellt sich eine sechste ganz von selbst ein: das innere Gleichgewicht, die Harmonie der geistigen Kräfte. Der Mensch muß etwas in sich finden wie einen geistigen Schwerpunkt, der ihm Festigkeit und Sicherheit gibt gegenüber allem, was im Leben da- oder dorthin zieht. Man muß nicht etwa vermeiden, mit allem mitzuleben, alles auf sich wirken zu lassen. Nicht die Flucht vor den hin- und widerziehenden Tatsachen des Lebens ist das Richtige, sondern im Gegenteil: das volle Hingeben an das Leben und trotzdem die sichere, feste Bewahrung von innerem Gleichgewicht und Harmonie.

Endlich kommt für den Suchenden der «Wille zur Freiheit» in Betracht. Es hat ihn jemand, der zu allem, was er vollbringt, die Stütze und Grundlage in sich selbst findet. Er ist deshalb so schwer zu erringen, weil taktvoll der Ausgleich notwendig ist zwischen dem Öffnen des Sinnes gegenüber allem Großen und Guten und der gleichzeitigen Ablehnung eines jeglichen Zwanges. Man sagt so leicht: Einwirkung von außen und Freiheit vertragen sich nicht. Daß sie sich in der Seele vertragen: darauf kommt es aber gerade an. Wenn mir jemand etwas mitteilt, und ich nehme es unter dem Zwange seiner Autorität an: dann bin ich unfrei. Aber ich bin nicht minder unfrei, wenn ich mich verschließe vor dem Guten, das ich auf diese Art empfangen kann. Denn dann übt in der eigenen Seele das Schlechtere, das ich habe, auf mich einen Zwang aus. Und bei der Freiheit kommt es nicht allein darauf an, daß ich nicht unter dem Zwange einer äußeren Autorität stehe, sondern vor allen Dingen auch nicht unter derjenigen eigener Vorurteile, Meinungen, Empfindungen und Gefühle. Nicht blinde Unterwerfung unter das Empfangene ist das Richtige, sondern sich von ihm anregen lassen, es ganz unbefangen aufnehmen, um sich «frei» dazu zu bekennen. Eine fremde Autorität soll nicht anders als so wirken, daß man sich sagt: Ich mache mich gerade dadurch frei, daß ich ihrem Guten folge, d.h. es zu dem meinigen mache. Und eine auf der Geheimwissenschaft fußende Autorität will auch gar nicht anders als in dieser Art wirken. Sie gibt, was sie zu geben hat, nicht um selbst Macht über den Beschenkten zu gewinnen, sondern allein darum, daß der Beschenkte durch die Gabe reicher und freier werde.“ (Lit.:GA 12, S. 26ff)

Künftige Bedeutung des Schulungswegs

„Die kommende Jugend kommt aus ganz anderen kosmischen Welten her als wir, das wird sich steigern. Sie bringt eine ungeheure Denkfähigkeit, eine Virtuosität des Denkens mit. Das ist aber die größte Versuchung und zugleich der größte ahrimanische Angriff gegen die Anthroposophie. Da wird die Gefahr sein, daß durch die ungeheure Leichtigkeit der Auffassung der anthroposophischen Begriffe die Sache im Denken stecken bleibt und sich ein ungeheures Wohlgefühl im Denken der Anthroposophie entwickelt; aber man wird nicht durchstoßen zur Schulung. Das einzige, was die Jugend bekommen kann, was sie stählen wird, um die künftigen Ereignisse zu bestehen, das ist, daß sie der Anthroposophie in der Schulung begegnet. Die Schulung ist das Fundament, durch das das Studium allein zu einem wahren Ziel geführt werden kann. - Wenn Anthroposophie als Wissenschaft gelehrt wird, wird sie schädlich. Anthroposophie darf niemals bloß Theorie sein; sie muß unmittelbares Leben werden. Läßt man sie bloß Lehre sein, so tötet man sie und übergibt sie Ahriman, dem Herrn des Todes. - Es ist aber den Menschen heute viel bequemer zu denken und einige anthroposophische Begriffe sich anzueignen, als nur eine einzige Gewohnheit abzulegen. Was die Anthroposophie aus unseren Seelen macht, das ist viel wichtiger als noch so viel theoretisches Wissen über geisteswissenschaftliche Begriffe.“[1]

Literatur

Glomer.com - alle lieferbaren Bücher  Hier finden sie eine Zusammenstellung von Büchern zum Thema „Meditation, Innere Schulung
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. "Rudolf Steiner über die kommende Jugend". Mündliche Äußerung Rudolf Steiners gegenüber Frau Sybell-Petersen, übermittelt von Adelheid Petersen in einem Vortrag, gehalten im August 1950