Franz Brentano

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Franz Brentano (1838-1917)

Franz Brentano (* 16. Januar 1838 in Marienberg bei Boppard am Rhein, † 17. März 1917 in Zürich), war ein deutscher Philosoph und Psychologe und begründete die Aktpsychologie.

Wie sein Bruder, der Wirtschaftswissenschaftler und Sozialreformer Lujo Brentano, wurde Franz Brentano in eine der bedeutendsten deutsch-katholischen Intellektuellenfamilien ursprünglich italienischer Abstammung hineingeboren: die Geschwister seines Vaters waren die Schriftsteller Clemens Brentano und Bettina von Arnim.

Franz Brentano wuchs in Aschaffenburg auf und studierte in München, Würzburg, Berlin und Münster. Seine Dissertation über den Begriff des „Seienden“ bei Aristoteles legte er in Tübingen vor.

Nach seiner Habilitation in Würzburg 1866 lehrte Brentano dort Philosophie. Neben Philosophie hatte er auch Theologie studiert und wurde 1864 zum Priester geweiht. Da er sich im Vorfeld des Ersten Vatikanischen Konzils gegen die Unfehlbarkeit des Papstes ausgesprochen hatte, kam er nach Verkündigung des Unfehlbarkeits-Dogmas in Konflikt mit der Kirche. Er legte 1873 sowohl sein Priesteramt als auch seine Professur nieder. Den Austritt aus der Kirche vollzog er erst 1879. Sein damaliger Schüler Carl Stumpf, der von Brentano angeregt im Seminar studierte, folgte ihm.

Von 1874 bis 1880 war Brentano Professor für Philosophie in Wien. Da er nach seiner Priesterweihe nach österreichischem Recht nicht heiraten konnte, wurde er sächsischer Staatsbürger in Leipzig. Nach seiner Heirat mit Ida Lieben (17. Mai 185213. März 1894) aus der österreichischen Bankiersfamilie Ignatz Lieben (18091877) musste er darum 1880 auf die Professur verzichten, blieb aber bis 1895 als Privatdozent in Wien. Am 27. Juni 1888 wurde sein Sohn Johann Michael (Giovanni) geboren (gestorben 1969).

Nach dem Tod seiner Gattin zog Brentano aus dem Palais Todesco in Wien, Ringstraße aus und übersiedelte 1895 nach Florenz.

1897 heiratete Franz Brentano in zweiter Ehe Emilie Rueprecht. Ab 1903 verlor er langsam sein Augenlicht. Er erwarb die Klostertaverne von Schloss Schönbühel in der Wachau als zeitweiligen Feriensitz. Nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg floh er 1915 nach Zürich, wo er nach zwei Augenoperationen blind geworden, an einer Blinddarminfektion am 17. März 1917 starb. Zunächst in Zürich beigesetzt, wurden seine Gebeine auf Wunsch der Familie 1953 exhumiert, eingeäschert und seine Urne in der Familiengruft auf dem Altstadtfriedhof in Aschaffenburg (Unterfranken) beigesetzt.

Brentano verband die Philosophie eng mit der Psychologie, die für ihn die Grundwissenschaft schlechthin war. Er war Begründer der Aktpsychologie die später auch seine Schüler Edmund Husserl, Alexius Meinong, Sigmund Freud und Rudolf Steiner beeinflußte (siehe auch Brentanoschule). Die Aktpsychologie knüpft an die Tradition der Scholastik an, mit der Brentano gut vertraut war. Im Mittelpunkt steht der Begriff der Intentionalität, d.h. der gezielten Ausrichtung des Bewusstseins auf ein Objekt bzw. auf dessen mentale Repräsentation als innere Vorstellung. In seiner 1874 veröffentlichten Psychologie vom empirischen Standpunkte beschreibt Brentano die Intentionalität des Bewusstseins als das definierende Merkmal des Mentalen überhaupt, das sich dadurch grundlegend vom Materiellen unterscheide.

Besonders in Prag wurden Brentanos Lehren von den Dozenten der Karls-Universität weitergetragen und in Clubs wie dem Café Arco und im Louvre-Zirkel von vielen Anhängern wie Emil Utitz besprochen. Wie auch andere Philosophen trat z.B. Felix Weltsch, ein enger Freund von Max Brod und Franz Kafka, Brentanos Lehren eher kritisch gegenüber und vertrat Ansichten von Christian von Ehrenfels. Ebenso kehrte sich Meinong später von Brentano ab, da er eine andere Auffassung des psychischen Begriffs „Intentionalität“ vertrat.

Das Wesen Franz Brentanos charakterisierte Rudolf Steiner so:

"In Franz Brentano, bei dem ich auch Vorlesungen über «Praktische Philosophie» hörte, interessierte mich damals ganz besonders die Persönlichkeit. Er war scharfdenkend und versonnen zugleich. In der Art, wie er sich als Vortragender gab, war etwas Feierliches. Ich hörte, was er sprach, mußte aber auf jeden Blick, jede Kopfbewegung, jede Geste seiner ausdrucksvollen Hände achten. Er war der vollendete Logiker. Jeder Gedanke sollte absolut durchsichtig und getragen von zahlreichen ändern sein. Im Formen dieser Gedankenreihen waltete die größte logische Gewissenhaftigkeit. Aber ich hatte das Gefühl, dieses Denken kommt aus seinem eigenen Weben nicht heraus; es bricht nirgends in die Wirklichkeit ein. Und so war auch die ganze Haltung Brentanos. Er hielt mit der Hand lose das Manuskript, als ob es jeden Augenblick den Fingern entgleiten könnte; er streifte mit dem Blicke nur die Zeilen. Auch diese Geste war nur für eine leise Berührung der Wirklichkeit, nicht für ein entschlossenes Anfassen. Ich konnte aus seinen «Philosophenhänden» die Art seines Philosophierens noch mehr verstehen als aus seinen Worten.

Die Anregung, die von Brentano ausging, wirkte in mir stark nach. Ich fing bald an, mich mit seinen Schriften auseinanderzusetzen, und habe dann im Laufe der späteren Jahre das meiste von dem gelesen, was er veröffentlicht hat. (Lit.: GA 028, S. 58f, III.Kapitel)

Werkauswahl

  • Aristoteles und seine Weltanschauung. Philosophische Bibliothek, Band 303. Meiner, Hamburg 1977, ISBN 978-3-7873-0401-1
  • Aristoteles und seine Weltanschauung, Leipzig 1911.
  • Aristoteles’ Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes, Leipzig 1911.
  • Das Genie. Vortrag gehalten im Saale des Ingenieur- und Architektenvereins in Wien, Leipzig 1892 (Verlag Duncker & Humblot).
  • Das Schlechte als Gegenstand dichterischer Darstellung. Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Litteraturfreunde zu Wien, Leipzig 1892 (Verlag Duncker & Humblot).
  • Die Abkehr vom Nichtrealen. Briefe und Abhandlungen aus dem Nachlaß. Philosophische Bibliothek, Band 314. Meiner, Hamburg 1966, ISBN 978-3-7873-0432-5
  • Die Psychologie des Aristoteles, insbesondere seine Lehre vom nous poietikos, Mainz 1867 (Verlag Franz Kirchheim).
  • Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand, Stuttgart 1895.
  • Geschichte der griechischen Philosophie. Hrsg. von Franziska Meyer-Hillebrand. 2., verbesserte Aufl. Philosophische Bibliothek, Band 313. Meiner, Hamburg 1988, ISBN 978-3-7873-0694-7
  • Geschichte der Philosophie der Neuzeit. Hrsg. von Klaus Hedwig. Philosophische Bibliothek, Band 359. Meiner, Hamburg 1987, ISBN 978-3-7873-0678-7
  • Grundzüge der Ästhetik. Hrsg. von Franziska Mayer-Hillebrand. 2. Aufl. Philosophische Bibliothek, Band 312. Meiner, Hamburg 1988, ISBN 978-3-7873-0738-8
  • Kategorienlehre. Hrsg. von Alfred Kastil. Philosophische Bibliothek, Band 203. Meiner, Hamburg 1985, ISBN 978-3-7873-0011-2
  • Meine letzten Wünsche für Österreich, in: Neue Freie Presse, 2./5./8. Dezember 1894.
  • Neue Räthsel, (veröffentlicht under dem Pseudonym Aenigmatias), Wien 1879 (Verlag von Gerold's Sohn).
  • Philosophische Untersuchungen zu Raum, Zeit und Kontinuum. Hrsg. und eingeleitet von Stephan Körner und Roderick M. Chisholm. Philosophische Bibliothek, Band 293. Meiner, Hamburg 1976, ISBN 978-3-7873-0356-4
  • Psychologie vom empirischen Standpunkt, Leipzig 1874.
  • Über Aristoteles. Hrsg. von Rolf George. Philosophische Bibliothek, Band 378. Meiner, Hamburg 1986, ISBN 978-3-7873-0631-2
  • Über die Zukunft der Philosophie, Wien 1893 (Hölder Verlag).
  • Ueber die Gründe der Entmuthigung auf philosophischem Gebiete. Ein Vortrag gehalten beim Antritte der philosophischen Professur an der k.k. Hochschule zu Wien, Wien 1874 (Verlag Braumüller).
  • Untersuchungen zur Sinnesphysiologie. Hrsg. von Roderick M. Chisholm und Reinhard Fabian. 2. Aufl. Philosophische Bibliothek Band 315. Meiner, Hamburg 1979, ISBN 978-3-7873-0444-8
  • Untersuchungen zur Sinnespsychologie, Leipzig 1907.
  • Vom Dasein Gottes. Mit Einleitung und Anmerkungen hg. von Alfred Kastil. Philosophische Bibliothek, Bd.210. Meiner, Hamburg 1929, nachgedruckt 1968.
  • Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, Leipzig 1889 (Verlag Duncker & Humblot).
  • Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, Freiburg im Breisgau 1862 (Herder Verlag).
  • Was für ein Philosoph manchmal Epoche macht, Wien, Pest u. Leipzig 1876.

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Mein Lebensgang, GA 28 (1923-1925)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks


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