Spiel und Intentionalität: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Spiel''' (von althochdeutsch: ''spil'' für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf  ausgeführt werden kann ([[wikipedia:Theaterspiel|Theaterspiel]], [[wikipedia:Sport|Sport]]spiel, [[wikipedia:Violine|Violinspiel]]). Es ist eine Beschäftigung, die  oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird. Ein Gutteil der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung von [[wikipedia:Motorik|motorischen]] Fähigkeiten findet durch Spielen statt, beim Menschen ebenso wie bei zahlreichen Tierarten. Einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde, aus denen, besonders in Gemeinschaft, verbindliche [[wikipedia:Regel (Richtlinie)|Regeln]] hervorgehen können. Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl aus der Art des Spiels selbst, den Spielregeln ([[wikipedia:Völkerball|Völkerball]], [[wikipedia:Mensch ärgere Dich nicht|Mensch ärgere Dich nicht]]) oder aber aus dem Wunsch verschiedener Individuen ergeben, gemeinschaftlich zu handeln (Bau einer Sandburg z.B.).
'''Intentionalität''' (von [[Latein|lat.]] ''intentio'') bedeutet im [[Philosophie|philosophischen]] Sinn seit der [[Scholastik]] die gezielte Ausrichtung des [[Bewusstsein]]s auf ein [[Objekt]] bzw. auf dessen [[mental]]e Repräsentation als innere [[Vorstellung]]. Der von [[Rudolf Steiner]] sehr geschätzte und öfters erwähnte deutsche [[Philosoph]] und [[Psychologe]] [[Franz Brentano]] (1838-1917) sah in dem [[Begriff]] der ''Intentionalität des Bewusstseins'', den er in seiner ''Psychologie vom empirischen Standpunkte'' 1874 im Rückgriff auf die Scholastik wieder eingeführt hatte, das ''[[Definition|definierende]]'' Merkmal des Mentalen überhaupt, das sich dadurch grundlegend vom [[Materiell]]en unterscheide. Sein Schüler [[Edmund Husserl]] (1859-1938) machte die Intentionalität zu einem tragenden Bestandteil seiner [[Phänomenologie]]<ref>Der Intentionalitätsbegriff Husserls unterliegt einer Wandlung, ist ein anderer in seiner Spätphilosophie als in den frühen Arbeiten, und unterscheidet sich von Anfang an von demjenigen Brentanos. Vgl. Hubert Hohl: Lebenswelt und Geschichte. Grundzüge der Spätphilosophie E. Husserls, Alber: Freiburg 1962, S. 11- 14.</ref>. Tatsächlich ist die intentionale Ausrichtung und die damit verbundene willkürliche Lenkung der [[Aufmerksamkeit]] durch das [[Ich]] ''die'' charakteristische Eigenschaft des [[Ich-Bewusstsein]]s, das sich dadurch auch deutlich vom [[traum]]artigen Bewusstsein der [[Tier]]e unterscheidet.


== Das Spiel zwischen Freiheit und Determinismus ==
== Weblinks ==
Im Hinblick auf die begriffliche Unvereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit/Determinismus ist '''Spiel''' ein vermittelnder Begriff. Schon in einer ganz einfachen Fassung ist dies im Begriff des [[Spielraum]]s bezeichnet. Im Spielraum hat die Freiheit, oder auch Willkürlichkeit, freies Spiel, in einem ''Rahmen''. Dies sind bei kleinen, spielenden Kindern die Bretter der Sankkiste z.B. Im Kontrast zu solchem Spielraum kennt man die [[Spielzeit]]. Sie ist eine freie Zeit, die aber gleichwohl mit einem Schluß scharf begrenzt ist. Vgl. auch [[wikipedia:Moratorium|Moratorium]]. Im Vergleich kann man dem Spielraum zum Wesen des Spiels mehr Nähe zusprechen, als der Spielzeit, obwohl gerade die Terminierung auch wohl ein Licht werfen mag. Ein weiterer Aspekt ist, daß das Spiel [[Regel]]n unterliegt, [[Spielregel]]n (Dies ist auch beim Spiel von Tierkindern der Fall: Sie beißen sich z.B. gegenseitig nicht wirklich, sondern nur in Andeutung, sie zeigen ein "als ob"-Verhalten im Spiel. Ein wirkliches Zubeißen wäre eine Regelverletzung). In den Regeln ist wie mit der räumlichen oder zeitlichen Begrenzung dem Spiel entsprochen. Spiel ist insofern [[Freiheit]] in [[Grenze]]n. In den Grenzen ''bestimmten'' Raumes oder ''bestimmter'' Zeit, oder in den Grenzen von ''bestimmten'' Regeln. Der Regelbegriff ist dabei aber vom Begriff der Kausalität/Determinität zu unterscheiden. Der Spielbegriff in diesem Sinne findet auch in der Mechanik Anwendung. Wenn in einem Maschinensystem die 1zu1-Übersetzung nicht 100% funktioniert, z.B. bei einer Kupplung, spricht man von "zu viel Spiel". Ein Gelenk kann Spiel haben bis zu einer gewissen Grenze, und bis dahin kann dieses Spiel sogar funktional sein.
* {{Eisler|Intention}}
 
== Menschliches Spiel ==
Nach den vorgenannten Unterscheidungen ist das Spiel als etwas definiert, über das auch Tiere verfügen. Tiere sind jedoch keine freien Wesen wie der Mensch (abgesehen von der Frage, ob sog. höhere Tiere auch Freiheit kennen mögen, oder in Zukunft erfahren können). Das Spiel des Menschen ist daher vom Spiel der Tiere darauf hin zu untersuchen, ob in dem Unterschied des Spielens (i.d.S. Menschen spielen anders als Tiere, oder das Spiel hat für Menschen einen anderen Sinn), etwas über den Begriff des Spiels auszumachen ist.
 
In der abstrakten Definition gibt es Spiel auch auf dem mechanischen Gebiet, aber es ist wohl kaum möglich, da von "eigenem" Spiel zu sprechen. Bie den Pflanzen kann man von Spiel genauso wenig sprechen. Sie sind jederzeit und immer in völliger Übereinstimmung mit der Umwelt. Anders bei Tieren und Menschen.
 
Der [[Begriff]] des ''menschlichen'' '''Spiels''' umfasst ganz allgemein alle freien [[mensch]]lichen Tätigkeiten, die weder aus inneren oder äußeren Zwängen entspringen, noch auf irgend welche außerhalb dieser Tätigkeit selbst gelegenen spezifischen Ziele oder Zwecke gerichtet sind. Das [[Freiheit|freie]] menschliche Spiel überhöht nach und nach den bloßen [[Spieltrieb]], über den auch die höheren [[Tier]]e verfügen, indem es unmittelbar aus der schöpferischen Tätigkeit des menschlichen [[Ich]] hervorgeht und dieses in seiner Entwicklung durch spielerische Selbsterziehung fördert.
 
[[Friedrich Schiller]] sagt bekanntermaßen über das Spiel:
 
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"Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Dieser Satz, der in diesem Augenblicke vielleicht paradox erscheint, wird eine große und tiefe Bedeutung erhalten, wenn wir erst dahin gekommen sein werden, ihn auf den doppelten Ernst der Pflicht und des Schicksals anzuwenden; er wird, ich verspreche es Ihnen, das ganze Gebäude der ästhetischen Kunst und der noch schwierigern Lebenskunst tragen." {{Lit|Schiller, 15. Brief}}
</div>
 
== Siehe auch ==
[[wikipedia:homo ludens|Homo ludens]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Franz Brentano: ''Psychologie vom empirischen Standpunkt'', 1874


* [[Friedrich Schiller]]: ''Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen''
== Einzelnachweise ==
* [[wikipedia:Johan Huizinga|Johan Huizinga]] (Autor), [[Andreas Flitner]] (Hrsg.): ''Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel'' („Homo ludens“, 1939). Rowohlt Verlag, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-55435-3.
<references/>
 
== Weblinks ==  


* [http://www.kuehnle-online.de/literatur/schiller/werke/phil/aestherzieh/01.htm Die ästhetischen Briefe Schillers Online]
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Scholastik]] [[Kategorie:Phänomenologie]][[Kategorie:Bewusstsein]] [[Kategorie:Intentionalismus]]
{{wikipedia}}
[[Kategorie:Erziehung]][[Kategorie:Freiheit]][[Kategorie:Grundbegriffe]][[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Ethik]]

Version vom 15. Juli 2018, 11:34 Uhr

Intentionalität (von lat. intentio) bedeutet im philosophischen Sinn seit der Scholastik die gezielte Ausrichtung des Bewusstseins auf ein Objekt bzw. auf dessen mentale Repräsentation als innere Vorstellung. Der von Rudolf Steiner sehr geschätzte und öfters erwähnte deutsche Philosoph und Psychologe Franz Brentano (1838-1917) sah in dem Begriff der Intentionalität des Bewusstseins, den er in seiner Psychologie vom empirischen Standpunkte 1874 im Rückgriff auf die Scholastik wieder eingeführt hatte, das definierende Merkmal des Mentalen überhaupt, das sich dadurch grundlegend vom Materiellen unterscheide. Sein Schüler Edmund Husserl (1859-1938) machte die Intentionalität zu einem tragenden Bestandteil seiner Phänomenologie[1]. Tatsächlich ist die intentionale Ausrichtung und die damit verbundene willkürliche Lenkung der Aufmerksamkeit durch das Ich die charakteristische Eigenschaft des Ich-Bewusstseins, das sich dadurch auch deutlich vom traumartigen Bewusstsein der Tiere unterscheidet.

Weblinks

Literatur

  • Franz Brentano: Psychologie vom empirischen Standpunkt, 1874

Einzelnachweise

  1. Der Intentionalitätsbegriff Husserls unterliegt einer Wandlung, ist ein anderer in seiner Spätphilosophie als in den frühen Arbeiten, und unterscheidet sich von Anfang an von demjenigen Brentanos. Vgl. Hubert Hohl: Lebenswelt und Geschichte. Grundzüge der Spätphilosophie E. Husserls, Alber: Freiburg 1962, S. 11- 14.