Michael Muschalle

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Michael Muschalle geb. 1948, ist Autor und Philosoph. Er promovierte 1988 an der Universität Bielefeld mit einem Thema zur Erkenntnistheorie und Methodologie Rudolf Steiners[1] . Arbeitsschwerpunkte sind Fragen der anthroposophischen Methodologie, der Selbstbeobachtungspsychologie und der Erkenntnistheorie.

Muschalles Kritik an der Steiner-Interpretation Witzenmanns

Aufmerksamkeit unter Anthroposophen hat insbesondere auch Muschalles teils recht scharfe Kritik an Herbert Witzenmanns Steiner-Auffassung gefunden. Von der Berechtigtkeit der Vorwürfe Muschalles abgesehen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann (s.a. Lit: Ralf Sonnenberg), bezeugt dies einmal mehr die außerordentliche Schwierigkeit, die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Anthroposophie in einem philosophisch strengen Sinne zu verstehen.

"Es kommt vieles an Missverständnissen und Unklarheiten bei Witzenmann zusammen, und in dieses Dickicht an Irrtümern, Willkürinterpretationen und Versäumnissen werden wir hier auch kein abschliessendes Licht werfen können. Nur folgendes noch dazu, weil es einen besonders plastischen Eindruck der Dimension und Konsequenzen solcher Fehlurteile einerseits vermittelt, und andererseits auch der Folgen einer grundsätzlichen Vermeidung von psychologischer Rezeption. Zu Witzenmanns zahlreichen Missweisungen gehört auch, was er über die Nicht-Erinnerbarkeit von Begriffen sagt, und darüber, dass sie nicht erinnert, sondern nur nur vollzogen werden könnten (etwa Goethes universalästhetischer Impuls, im Kapitel 12, Das Entgegenwärtigungsgesetz. Unerinnerbarkeit allgemeiner Begriffe, S. 366 ff und öfter auch in anderen Publikationen Witzenmanns). Ein wissenschaftsfernes denkpsychologisches Konstrukt, das in seiner Wirklichkeitsfremdheit und Tatsachenignoranz kaum noch zu überbieten ist. Auch mit Steinerschen Ansichten beim besten Willen nicht zur Deckung zu bringen, und mit denen der Denkpsychologie schon gar nicht. Von Witzenmann aber sogar ausdrücklich in den Rang von allgemeingültigen Gesetzen erhoben. Und von seinen Anhängern seit annähernd drei Jahrzehnten gebetsmühlenhaft in Umlauf gehalten, - vor wenigen Jahren erst wieder von Ralf Sonnenberg in der Zeitschrift Die Drei, Heft 2, 2008, S. 58 -, ohne dass einer dieser Anhänger sich jemals veranlasst gesehen hätte, einmal prüfend nachzuschauen, welcher Art von eingehender und subtiler Forschung zum Steinerschen Frühwerk (Sonnenberg, a.a.O., S. 59) Witzenmanns diesbezügliche Wahrheiten eigentlich ihr Dasein verdanken. Und was sie mit Steiners Philosophie überhaupt zu tun haben? - Bei näherem Hinsehen nämlich kaum etwas! So wenig, wie sie auf irgend einer Form von seriöser Steiner forschung basieren."[2]

Richtig ist, daß Witzenmann auf dem Gebiet des reinen Denkens und der seelischen Beobachtung in der Detailiertheit und Ausführlichkeit der Untersuchung, was sich der seelischen Beobachtung zeigt, über Steiner hinausgeht. Das Ziel ist jedoch nicht, im einzelnen zu beweisen oder zu widerlegen, was jeweils im logisch-abstrakten Sinne richtig oder falsch ist, sondern im übenden Vollzug, im Anschluß an die Gedanken der 'Philosophie der Freiheit', zu eigenen Geisterfahrungen zu kommen.

Witzenmanns Vorgehen ist ein phänomenologisches, nicht ein logisch-abstrakt deduktives Denken. Wie schon Steiner seine 'Philosophie der Freiheit' (auch) dahingehend verstanden hatte, daß ihr übender Nachvollzug dem Schüler das bewußte Betreten der geistigen Welt ermöglichen kann, so versteht auch Witzenmann sein Werk hauptsächlich unter diesem Aspekt: Der übende Nachvollzug seiner Gedanken, und das heißt insbesondere der Wahrnehmung der Gedanken, d.i. seelisches Beobachten, führt den Schüler in die geistige Welt hinein. Die Erfahrung des Geistes läßt sich nicht abstrakt schlußfolgernd, ausgehend von "erkenntnistheoretisch" gesichterten Grundwahrheiten, gewinnen.

Werke (Auswahl)

  • Studien zur Anthroposophie Bd. 1: Beobachtung des Denkens bei Rudolf Steiner, Book on Demand, ISBN 3833492287, (Buchbesprechung (veröffentlicht in "Das Goetheanum" Nr. 10, 2008 "Das Denken erfahren - beobachten") :[3]
  • Studien zur Anthroposophie Bd. 2: Studien zur Erkenntnistheorie und Freiheitsphilosophie Rudolf Steiners, Books on Demand, 2007, ISBN 3837012905
  • Zum Wirklichkeitsbegriff Rudolf Steiners, in: Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 1998, S. 94 - 117
  • Zur Unbewußtheit des aktuellen Denkens. Abwege der Steiner-Interpretation: Kirn, Witzenmann, Teichmann, in: Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 2000, S. 34 - 112
  • Ausnahmezustand und Spaltung der Persönlichkeit. Untersuchungen zur Beobachtungsaporie im dritten Kapitel der 'Philosophie der Freiheit', in: Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 1999, S. 56 - 157
  • Sergej O. Prokofieff und die 'Philosophie der Freiheit', in: Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 2003, S. 158 - 170

Anmerkungen

  1. Michael Muschalle: Das Denken und seine Beobachtung. Untersuchungen zur Beziehung zwischen Epistemologie und Methodologie in der Philosophie Rudolf Steiners. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Fakultät Geschichte und Philosophie, Abtl. Philosophie der Universität Bielefeld. Bielefeld im Januar 1988. (Überarbeitete Fassung 2002 online abrufbar: [1]
  2. Michael Muschalle Bildende Kräfte und Steiners Philosophie der Freiheit Kritische Betrachtung zu Hartmut Traubs Buch Philosophie und Anthroposophie , Stutt gart 2011 (Stand 16. 05. 2015) (PDF: [2]), Seite 197f.

Weblinks

Literatur

  • Ralf Sonnenberg: Erfahrung und Beobachtung. Michael Muschalles. Auseinandersetzung mit Herbert Witzenmann und die Frage nach der Erfahrbarkeit des Denkens, in: Die Drei, 2008, Heft 2, S. 56f., Rubrik: Forum Anthroposophie