Homunculus

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Der geflügelte Mercurius in einem Glaskolben.
Von den Alchemisten wurden die in der stofflichen Natur waltenden Kräfte noch wesenhaft als astralische Erscheinung erlebt. Auch der Homunculus ist eine derart erlebte astrale Wesenheit.

Der Homunculus (lat. Menschlein, griech. ἀνθρωπάριον anthroparion) ist nach vor allem im späteren Mittelalter verbreiteten alchemistischen Vorstellungen ein künstlich in der Retorte erzeugtes Menschlein. Das Wort selbst, als verkleinerte Form des lateinischen Wortes homo (Mensch), ist schon bei Cicero, Plautus und Apuleius belegt (Lit.: Handwörterbuch, Homunculus). In Goethes Faust ist Homunkulus ein Bild für die menschliche Seele, die zur Verkörperung drängt.

Historische Zeugnisse

Erste Zeugnisse über die Herstellung von Homuculi finden sich schon in frühchristlicher Zeit. So berichtet Clemens Romanus um 250 n. Chr., dass schon Simon Magus einen Menschen geschaffen hätte, indem er zuerst Luft in Wasser, dann dieses in Blut und schließlich das Blut in Fleisch verwandelt habe (Lit.: Völker, Nachwort). Im 4. Jahrhundert schreibt Zosimos aus Panopolis, eingekleidet in Traumvisionen, über den anthroparion. Im ersten Buch der De occulta Philosophia berichtet Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535), wie sich durch magische Künste aus einem einer Bruthenne unterlegten Ei eine menschliche Gestalt erzeugen ließe, die man den wahren «Alraun» nenne (Lit.: Biedermann, S 223). In den späteren mittalterlichen Schriften wird der Homunculus meist als Nebenprodukt bei der Herstellung des Steins der Weisen genannt.

Rudolf Steiner hat nachdrücklich betont, dass die Erzeugung des Homunculus keineswegs als materielle Urzeugung missverstanden werden darf:

"Wenn man im Mittelalter trachtete, in der Retorte den Homunkulus darzustellen, so war dieser Gedanke der Darstellung eines Wesens aus Ingredienzien nicht als Urzeugung gedacht. Man dachte noch nicht das Weltall als Mechanismus, als Totes. Deshalb glaubte man an die Möglichkeit, aus dem allgemeinen Lebendigen ein spezielles Lebendiges herausholen zu können. Aber an eine Zusammenfügung des Unlebendigen zum Lebendigen dachte eigentlich das mittelalterliche Gemüt noch nicht." (Lit.: GA 221, S. 125)

In dem Paracelsus zugeschriebenen Buch De generatione rerum naturalum (als erstes Buch enthalten in De Natura Rerum [1]) ist die Erzeugung eines künstlichen Menschleins "außerthalben weiblichs Leibs" genau beschrieben: Wird der männliche Same vierzig Tage lang in ein hermetisch abgedichtetes Gefäß eingeschlossen und im venter equinum, einem gelinden Wärmebad, das aus der Gärungswärme von Pferdemist gespeist wird, "putreficiert", so erzeugt sich aus sich selbst heraus ein menschenähnlichen Wesen, "doch durchsichtig on ein corpus". Wird dieses mit menschlichem Blut, dem "arcanum sanguinis humani", 40 Wochen lang ernährt, so entsteht "ein recht lebendig menschlich kint, das von einem weib geboren wird, doch vil kleiner. Dasselbig wir ein homunculum nennen".

Hier wird schon deutlich, dass der Homunculus, von dem die Alchemisten sprachen, überhaupt nicht als physisches (on ein corpus), sondern als astralisches Wesen gedacht war :

"Denen, die während des Mittelalters von dem Homunculus sprachen, war er nichts anderes als eine bestimmte Form des astralischen Leibes." (Lit.: GA 057, S. 347)

Dieses reine Seelenwesen verfügt nicht nur über Seelenfähigkeiten, die ähnlich denen des Menschen sind, sie sind sogar bis zur Hellsichtigkeit gesteigert:

"Da schildert Paracelsus, wie man durch gewisse Vorgänge Homunkeln erzeugen kann. Es ist selbstverständlich für den heutigen Menschen sehr leicht, zu sagen: Nun ja, das war halt ein mittelalterliches Vorurteil des Paracelsus. - Es ist für den heutigen Menschen leicht, zu sagen: Kein Mensch braucht zu glauben an dasjenige, was da Paracelsus phantasiert. - Gewiß, es braucht es ja meinetwillen auch keiner. Aber bedenken sollte man doch, daß Paracelsus in jener Abhandlung «De generatione rerum» ausdrücklich versichert, durch gewisse Vorgänge wäre man imstande, etwas zu erzeugen, was zwar keinen Körper hat - bitte, darauf zu achten! Paracelsus sagt ausdrücklich: es hat keinen Körper -, was aber Fähigkeiten hat, die ähnlich sind den menschlichen Seelenfähigkeiten, nur sich bis zur Hellsichtigkeit steigern. Also Paracelsus dachte an gewisse Hantierungen, die den Menschen dahin bringen, vor sich ein körperloses Wesen zu haben, das aber so wie der Mensch eine Art Verstandestätigkeit, eine Art Intellektualität, ja sogar in höherer Steigerung entfaltet." (Lit.: GA 273, S. 67f)

Philosophie

In einem veränderten Sinn spielt der „Homunkulus“ auch in der Philosophie der Wahrnehmung und der Philosophie des Geistes eine gewisse Rolle. Im meist abwertenden Sinn spricht man von „Homunkulus-Theorien“, wenn sie explizit oder implizit davon ausgehen, dass irgendwo im Körper ein ein unsichtbares bewusstes Wesen, gleichsam ein Geist in der Flasche, vorhanden sei, der die von den Sinnen ans Gehirn übermittelten Daten wahrnehme, darüber nachdenke und Entschlüsse treffe.

So wusste etwa schon René Descartes (1596-1650), dass bei der visuellen Wahrnehmung ähnlich wie bei einer Camera obscura Bilder auf der Netzhaut des Auges erzeugt werden. Er schloss daraus, dass es einen inneren Betrachter geben müsse, der diese Bilder wahrnimmt. Er dachte sich diesen als immateriellen Geist, der über die Epiphyse mit dem Körper in Wechselwirkung stehe.

John Locke (1632-1704) ging davon aus, dass das menschliche Bewusstsein bei der Geburt noch eine völlig unbeschriebenes Blatt, eine leere Tafel (tabula rasa) sei, die erst durch die sinnliche Erfahrung beschrieben werde. Seine berühmte Grundthese lautete: Nihil est in intellectu quod non (prius) fuerit in sensibus („Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre“). Die äußeren Wahrnehmungen (sensations) würden als innere Wahrnehmungen (reflections) zunächst in Form einfacher Ideen widergespiegelt und durch den Verstand zu komplexeren Ideen verbunden. Dann müsse es aber auch einen inneren Betrachter geben, der diese Ideen wahrnehme.

Das klassische Gegenargument gegen solche „Homunkulus-Theorien“ lautet, dass man dann erst recht wieder erklären müsse, wie der innere Betrachter, der „Homunkulus“ diese inneren Bilder und Ideen wahrnehme. Man müsste dann wohl einen weiteren Honukulus postulieren, der die Bilder und Ideen des ersteren wahrnehme - und so fort in einem endlosen Regress.

Cartesianisches Theater

Der US-amerikanischer Philosoph Daniel Dennett (* 1942) unterstellt, dass zahlreiche Theorien der Philosophie des Geistes - meist unbewusst - einen solchen inneren Homunkulus voraussetzen. Das sei nämlich immer dann der Fall, wenn man davon ausgehe, dass alle Informationen, die das Gehirn verarbeite, an einem zentralen Ort - dem „Homunkulus“ - zusammengeführt werden müssten, um ins Bewusstsein zu gelangen. Er gebraucht dafür die Metapher eines „Cartesianischen Theaters“, in dem die Informationen dem inneren Betrachter präsentiert würden. Das sei aber völlig unnötig: „Wenn eine bestimmte Beobachtung durch einen spezialisierten Teil des Gehirns gemacht wurde, ist der Informationsgehalt gegeben und muss nicht zu einer erneuten Beobachtung zu einem zentralen Beobachter geschickt werden.[1] Denett entwickelte entsprechend ein „Modell der verschiedenen Entwürfe“ (multiple drafts model), dem zufolge in verschiedenen Gehirnregionen unterschiedliche Interpretationen der Informationen gebildet würden, die miteinander konkurrieren, ohne jemals an einer zentralen Stelle miteinander verglichen zu werden. Die meisten Kritiker Dennetts sind sich darüber einig, dass es zwar keinen räumlich Ort gebe, an dem alle Informationen zusammengeführt würden, dass es aber doch einen Prozess geben müsse, der alle Information zu einer einheitlichen Wahrnehmung verbinde. Dieses sog. Bindungsproblem sei durch Dennetts multiple drafts nicht gelöst.

Neurowissenschaften

Als Metapher wird der Homunculs seit den 1950er Jahren auch in den Neurowissenschaften verwendet. Bemerkenswerterweise ist nämlich auf der Großhirnrinde sowohl im motorischen Cortex wie auch im somatosensorischen Cortex der ganze Körper als verkleinerter, auf dem Kopf stehender und je nach funktioneller Bedeutung in seinen Dimensionen teils stark verzerrter „Homunculus“ abgebildet. Der motorische Homunkulus liegt auf dem Gyrus praecentralis, der sensorische Homunkulus auf dem benachbarten Gyrus postcentralis. Diese Zuordnung von Körperregion zu Hirnrindenarealen wird als Somatotopie (von griech. σῶμα soma „lebendiger Körper, Leichnam“ und τόπος topos „Ort, Stelle, Landstrich, Gegend, Örtlichkeit, Raum“) bezeichnet und wurde schon im 19. Jahrhundert von John Hughlings Jackson (1835–1911) postuliert.

Der Homunculus in Goethes Faust-Tragödie

Datei:Faust Homunculus.jpg

Der Homunkulus des niederländischen Wissenschaftlers Nicolas Hartsoeker (1656-1725): Der Embryo ist im Spermium bereits präformiert und bildet sich durch Ausstülpung

„Faust steigt dann hinunter in das Reich der Mütter, in die geistige Welt; es gelingt ihm den Geist der Helena heraufzuführen. Aber er ist noch nicht reif, diesen Geist mit seiner eigenen Seele wirklich zu verbinden. Daher die Szene, wo in Faust die Leidenschaft sich regt, wo er mit sinnlicher Leidenschaft umfassen will das Urbild der Helena. Deshalb wird er da zurückgestoßen. So ergeht es jedem, der aus persönlichen, egoistischen Gefühlen sich der geistigen Welt nähern will. Er wird zurückgestoßen, wie Faust zurückgestoßen wird, als er vom Reiche der Mütter herauf den Geist der Helena geholt hat. Faust muß erst reif werden, erkennen lernen, wie sich wirklich zusammenfinden die drei Glieder der menschlichen Natur: der unsterbliche Geist, der von Leben zu Leben, von Verkörperung zu Verkörperung geht; der Leib, der zwischen Geburt und Tod sich auslebt; und die Seele, die zwischen beiden drinnen steht. Leib, Seele und Geist, wie sie sich verbinden, wie sie zusammengehören, das soll Faust kennenlernen. Das Urbild der Helena, das Unsterbliche, das Ewige, das von Verkörperung zu Verkörperung, von Leben zu Leben geht, hat Faust schon gesucht, aber unreif. Jetzt soll er heranreifen, um würdig zu werden, wirklich in die geistige Welt einzutreten. Dazu muß Faust kennenlernen, wie dieses Unsterbliche erst dann herantritt an den Menschen, wenn er sich im physischen Dasein in einem neuen Leben zwischen Geburt und Tod wiederum verkörpern kann. Deshalb muß Goethe zeigen, wie die Seele zwischen Geist und Körper lebt, wie sie sich hineinstellt zwischen den unsterblichen Geist und den Leib, der zwischen Geburt und Tod steht. Das zeigt uns Goethe im zweiten Teile des «Faust».

Die Seele ist bei Goethe verborgen in jenem wundersamen Gebilde, über das die Goethe-Forscher nicht viel zu sagen wissen, in dem die Geistesforscher, die bewandert sind, erkennen das Urbild der Seele. Das ist nichts anderes als das wunderbare Gebilde des Homunkulus, des kleinen Menschleins. Das ist ein Bild der menschlichen Seele. Was hat diese Seele zu tun? Sie ist der Vermittler zwischen Leib und Geist, sie muß die Elemente des Leibes aus allen Reichen der Natur heranziehen, um sich mit ihnen in Verbindung zu bringen. Erst dann kann sie mit dem unsterblichen Geiste vereinigt werden. Daher sehen wir, wie Faust von diesem Homunkulus geführt wird in die klassische Walpurgisnacht bis zu den Naturphilosophen Anaxagoras und Thales, die nachgedacht haben, wie die Natur und das Lebendige entstehen.

Da wird jene wahre Entwicklungslehre gezeigt, die zurückgeht dazu, daß nicht nur ein Tierisches der menschlichen Entwickelung zugrunde liegt, sondern ein Seelisches, das die Elemente aus der Natur sammelt, um nach und nach den Leib aufzubauen. Daher wird dem Homunkulus der Rat gegeben: Vom untersten Reich mußt du beginnen, um zu höherem und höherem aufzusteigen. — An das mineralische Reich wird zunächst die Seele des Menschen verwiesen. Dann wird ihm gesagt: Du hast durch das Pflanzenreich durchzugehen. - Ein wunderbarer Ausdruck ist da: «Es grunelt so», um den Durchgang durch die Pflanzenwelt, das Saftig-Grüne, zu verzeichnen. Da sammelt die Seele alle Elemente der Naturreiche, um dann heraufzusteigen. Es wird ausdrücklich gesagt: «Und bis zum Menschen hast du Zeit.» Dann sehen wir, wie herantritt der Geist der Liebe, Eros, nachdem die Seele aus allen Reichen der Natur sich den Leib herangebildet hat. Da verbindet sie sich mit dem Geiste. Leib, Seele und Geist sind vereinigt. Hier verbindet sich das, was Seele des Homunkulus ist, was sie sich als Leib einorganisiert, mit dem Geist der Helena. Deshalb kann uns im dritten Akte des zweiten Teiles Helena leibhaftig entgegentreten. Die Wiederverkörperungslehre sehen wir künstlerisch-dichterisch in den zweiten Teil des «Faust» hineingeheimnißt. Nicht so kann man sich verbinden mit Helena, daß man in stürmischer Leidenschaft sie an sich heranzieht, sondern so, daß man wirklich die Geheimnisse des Daseins durchlebt, die wirkliche Wiederverkörperung durchlebt.“ (Lit.:GA 272, S. 32f)

Goethe, der bekanntlich das Bild des Homunculus im zweiten Teil seiner Faust-Tragödie gebraucht, war sich sehr wohl bewusst, dass es sich dabei nicht um ein physisches, sondern um ein astrales Wesen handelt. Gleich zu Beginn der ganzen Schilderung wird schon auf den Lichtcharakter des Homunculus hingewiesen und zugleich auch auf das Geheimnis des Kohlenstoffs gedeutet, der der wahre Stein der Weisen ist:

Schon hellen sich die Finsternisse;
Schon in der innersten Phiole
Erglüht es wie lebendige Kohle,
Ja, wie der herrlichste Karfunkel,
Verstrahlend Blitze durch das Dunkel:
Ein helles, weißes Licht erscheint!

Später wird der Homunculus als leuchtendes Zwerglein beschrieben und weiter heißt es dann:

Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen:
Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Doch gar zu sehr am Greiflich-Tüchtighaften.
Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht;
Doch wär er gern zunächst verkörperlicht.

Die Szenen der Klassischen Walpurgisnacht zeigen, wie das Seelenflämmchen des Homunkulus durch die Naturkräfte und Naturwesen nach und nach seine Leiblichkeit erhält:

"Das ist die Charakteristik des astralischen Leibes; und Homunculus selbst sagt von sich:

Die weil ich bin, muß ich auch tätig sein ...,

ein astralisches Gebilde, das nicht stille stehn kann, das in fortwährenden Tätigkeiten sich ausleben muß. Er muß hingeführt werden in solche Sphären, wo er wirklich Geist und Leib miteinander vereinigen kann.

Und nun sehen wir das, was Faust da durchmacht, die Menschwerdung, dargestellt in der klassischen Walpurgisnacht. Da werden uns vorgeführt die Summen von all den Kräften und Wesenheiten, die hinter der physisch-sinnlichen Welt wirken; und fortwährend werden hineinverwoben Geister aus der physischen Welt, die ihre Seele so weit ausgebildet haben, daß ihre Seele zusammengewachsen ist mit der geistigen Welt, daß sie gleichzeitig auch" in der geistigen Welt bewußt sind. Solche Gestalten sind die beiden griechischen Philosophen Anaxagoras und Thales. Von ihnen will dieser Homunculus sich sagen lassen, wie man entstehen kann; wie man, wenn man geistig ist, zu einer physischen Gestaltung vordringen kann. Und mitwirken sollen alle die Gestalten, die uns in dieser klassischen Walpurgisnacht vorgeführt werden, die Gestalten der Verwirklichung des astralischen Leibes, der reif ist zum Eintritt in die Sinnlichkeit, in die physische Welt. Wenn man das alles genau verfolgen könnte, würde selbst im einzelnen jede Wendung beweisend sein für das, was gemeint ist. Bei Proteus und Nereus sucht Homunculus Kundschaft, wie er hineindringen kann in die physische Welt. Es wird ihm gezeigt, wie er sich die Elemente der Materie herumgliedern kann, und wie bei ihm die geistigen Eigenschaften sind, das heißt, wie die Seele sich nach und nach hineinbegibt in die physischsinnlichen Elemente, durch das hindurch, was sich abgespielt hat in den Reichen der Natur. Es wird uns gezeigt, wie die Seele wieder zu durchlaufen hat die Zustände des mineralischen, des pflanzlichen, des tierischen Reiches, um hinauf sich zu gestalten zum Menschen:

Im weiten Meere mußt du anbeginnen!

das heißt im Mineralischen. Dann mußt du durchgehen durch das pflanzliche Reich. Goethe erfindet sogar einen Ausdruck dafür, den es sonst nicht gibt. Er läßt den Homunculus sagen:

Es grunelt so, und mir behagt der Duft!

Es wird ihm angedeutet, wie er den Weg zu machen hat bis dahin, wo allmählich sich um ihn herum ein physischer Leib bildet. Zuletzt tritt der Moment der Liebe ein. Eros wird das Ganze vollenden. Thales gibt den Rat dazu:

Gib nach dem löblichen Verlangen,
Von vorn die Schöpfung anzufangen!
Zu raschem Wirken sei bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen,
Durch tausend abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit.

Denn wenn der Homunculus in die physische Welt eingetreten ist, verliert er seine Eigenschaften. Das Ich wird sein Beherrscher:

Nur strebe nicht nach höheren Orden:
Denn bist du erst ein Mensch geworden,
Dann ist es völlig aus mit dir.

So sagt Proteus; das heißt, aus mit dir, dem astralischen Leibe, der noch nicht in das Menschenreich eingedrungen ist. Die ganze Goethesche Naturanschauung von der Verwandtschaft aller Wesen, von ihrer metamorphosischen Entwickelung aus dem Unvollkommenen zum Vollkommenen, tritt hier im Bilde auf. Der Geist kann in der Welt zunächst nur keimartig sein. Er muß sich in die Materie, in die Elemente ausgießen, in sie untertauchen, um aus ihnen erst höhere Gestalt anzunehmen. Homunculus zerschellt am Muschelwagen der Galatee. Er löst sich in die Elemente auf. Der Moment wird in wunderbarer Weise dargestellt, wo wirklich der astralische Leib sich umgliedert hat mit einem Leibe aus physischer Materie und nun als Mensch leben kann.

Das sind Erlebnisse, die Faust durchmacht, während er in einem andern Bewußtseinszustand, in einem dem Leibe entrückten Zustand ist. Reif wird er nach und nach, die Geheimnisse zu schauen, die hinter dem physisch-sinnlichen Dasein liegen. Und jetzt kann er schauen, wie das, was in dem Reiche des «längst nicht mehr Vorhandenen» ist, der Geist der Helena, verkörpert vor ihm auftritt. Wir haben den dritten Akt des zweiten Teils des «Faust», die Wiederverkörperung der Helena. Goethe stellt geheimnisvoll, wie er es damals mußte, die Idee der Wiederverkörperung hin: wie aus den drei Reichen sich zusammenschließen Geist, Seele und Leib, um einen Menschen zu bilden, und vor uns steht die wiederverkörperte Helena." (Lit.: GA 057, S. 347ff)

Der Homunculus und das Phantom des Antimons

"Wenn die alten Ärzte sprachen von der Erzeugung des Homunkulus, so ist das im Grunde genommen so, daß sie in ihrem noch vorhandenen Hellsehen so etwas schauen konnten, wie es das «Phantom» des Antimons ist. Da erschien ihnen in dem Bildeprozeß, den sie äußerlich in ihrem Laboratorium vollführten, während das Antimon seine Kräfte entfaltete, hineinprojiziert aus ihrem eigenen Wesen dasjenige, was diese Antimonkräfte als albuminisierende Kräfte bekämpft. Dasjenige, was sonst zurückbleibt im menschlichen Organismus, das projizierten sie hinaus, und da sahen sie den Homunkulus, der da erschien, während sich der Prozeß abspielte, in welchem das Antimon seine verschiedenen Formen annimmt." (Lit.: GA 312, S. 362f)

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  1. Hans Biedermann: Lexikon der magischen Künste, VMA-Verlag, Wiesbaden 1998, ISBN 3-928127-59-4
  2. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Walter de Gruyter, 1932
  3. Klaus Völker (Hg.): Künstliche Menschen, Suhrkamp, Phantastische Bibliothek, Frankfurt 1994, ISBN 3-518-38793-6
  4. Rudolf Steiner: Wo und wie findet man den Geist?, GA 57 (1984)
  5. Rudolf Steiner: Erdenwissen und Himmelserkenntnis, GA 221 (1998)
  6. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust», Band II: Das Faust-Problem, GA 273 (1981)
  7. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312 (1999)
  8. Rudolf Steiner: Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste, GA 167 (1962), ISBN 3-7274-1670-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org, 12. Vortrag: Homo oeconomus, (Hamerlings Homunkulus als homo oeconomus)
  9. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust», Band I: Faust, der strebende Mensch , GA 272 (1981), ISBN 3-7274-2720-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Weblins

  1. Paracelsus: De Natura Rerum - deutsch
  1. Im englichen Original:
    „... once a particular “observation” of some feature has been made, by a specialized, localized portion of the brain, the information content thus fixed does not have to be sent somewhere else to be rediscriminated by some “master” discriminator.“
    Daniel C. Dennett: Consciousness Explained. Little, Brown, Boston 1991, ISBN 0-316-18066-1 (deutsch: Daniel C. Dennett, [[Wikipedia:Franz Wuketits|]] (Übers.):Philosophie des menschlichen Bewusstseins, Hoffmann und Campe 1994, ISBN 978-3455084467)