Erdstrahlen

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Als Erdstrahlung oder Erdstrahlen werden in der esoterischen Radiästhesie Phänomene bezeichnet, die angeblich Auswirkungen auf die Gesundheit haben sollen. Eine manchmal ebenfalls als Erdstrahlung bezeichnete naturwissenschaftlich nachgewiesene terrestrische Strahlung hat mit den postulierten Erdstrahlen nichts zu tun.

Ansichten

In der Vorstellung der Radiästheten wird die Erdstrahlung durch Wasseradern, Verwerfungen sowie verschiedene Gitternetze (Benkergitter, Currygitter, Hartmanngitter)[Anm 1] ausgelöst, die eine nicht näher definierte senkrecht gerichtete Strahlung verursachen sollen, welche mittels Wünschelruten oder Pendeln nachweisbar sei. Diese Strahlen sollen verschiedenste negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben; so sollen sie Krankheiten, unterschiedlichste negative Verhaltensweisen oder erschwerte Wundheilung verursachen können. So wird postuliert, ein Schlafplatz über einer Wasserader solle sich besonders kritisch auf die menschliche Gesundheit und Psyche auswirken, wobei einzelne Menschen dafür unterschiedlich sensibel seien.

Als Schutz gegen diese naturwissenschaftlich nicht nachweisbaren Strahlen werden unterschiedlichste Geräte und Schutzamulette angeboten, von denen jedoch noch keines eine wie auch immer geartete Wirksamkeit im wissenschaftlichen Sinne nachweisen konnte.[1] Als Einheit für die Stärke der durch die Strahlung beeinflussten Lebensenergie wird die wissenschaftlich nicht anerkannte Einheit Bovis verwendet. Die nach der Radiästhesie durch Erdstrahlen ausgelösten Wirkungen werden von Naturwissenschaftlern durch Placebo- und Nocebo-Effekte erklärt.[2] Gegen Erdstrahlen wurden vor allem in den 1970er-Jahren „Erdstrahlungsentstörgeräte“ verkauft. Erdstrahlen-Abschirmgeräte werden noch im 21. Jahrhundert, beispielsweise über das Internet, angeboten.

Beurteilung

Es gibt weder für die Existenz der Strahlung selbst noch für ihre Auswirkungen wissenschaftlich anerkannte Belege. Wasseradern als mögliche Ursache können für die meisten Regionen ausgeschlossen werden, weil das Grundwasser meist flächig vorkommt und nicht in unterirdischen „Adern“ fließt.[3] Die Ausschläge einer Wünschelrute, durch die die Strahlenquellen gefunden werden sollen, können schon seit dem 19. Jahrhundert durch unwillkürliche Muskelzuckungen des Rutengängers (Carpenter-Effekt) erklärt werden.[4]

Rudolf Steiner hat betont, dass es sich bei der Radiästhesie nicht um mechanische, magnetische oder sonstige physikalische oder physiologische Phänomene handelt, sondern dass ein gesteigerter Sinnesprozess vorliegt, in den der Mensch eingeschaltet ist:

„Bezüglich der Wünschelrute muß sorgfältig überall beachtet werden, daß man es bei den entsprechenden Erscheinungen damit zu tun hat, daß ein gesteigerter Sinnesprozeß vorliegt, für den aber der ganze Mensch der Vermittler ist. Man hat es nicht zu tun mit inneren mechanischen Prozessen oder mit magnetischen Prozessen oder dergleichen, sondern mit der Intensivität des Menschen, die dann in dem zum Ausdruck kommt, was sich da überträgt durch den Menschen auf die Wünschelrute.

Der Tatbestand ist ein solcher, daß man ja schon darauf hinweisen kann, wie Menschen, die eigentlich nun wahrhaftig gar keine Neigung haben, auf Geisteswissenschaftliches einzugehen, ganz ernsthaftig dazu gezwungen sind, sich mit solch einem Problem, wie zum Beispiel das der Wünschelrute eines ist, physikalisch und physiologisch zu befassen.

Ich weiß mich noch zu erinnern - obwohl ich hier nicht nach dieser Richtung etwas pro oder contra sprechen will -, wie ein Wiener Forscher dem Hansen heimgeleuchtet hat - es war ja zum größten Teil Unfug, der damals von Hansen mit dem Hypnotismus getrieben worden ist -, und wie dieser selbe Forscher heute genötigt ist, sich ganz ernsthaftig mit den Erscheinungen der Wünschelrute zu befassen. Ich brauche auch nur zu erinnern, daß in der Tat die Versuche, mit Hilfe der Wünschelrute Quellen und dergleichen aufzufinden, sogar während dieses Krieges eine gewisse Rolle gespielt haben, so daß in der Tat hier auf diesem Gebiete die exakte Forschung beginnt. Aber diese Forschung will nicht daran denken, daß man es da nicht etwa mit vom Menschen abgesonderten Prozessen zu tun hat, sondern mit Prozessen, die darauf beruhen, daß in den ganzen Tatbestand der Prozesse gleichsam der Mensch eingeschaltet ist. Das bestätigt zum Beispiel, daß die Ausschläge der Rute ganz verschieden sind, je nachdem der eine oder der andere Mensch sie verwendet. Man hat es zu tun mit etwas, bei dessen Reaktionen die Einschaltung des Menschen in die Prozesse eine Rolle spielt.“ (Lit.:GA 73a, S. 114f)

Spekulativ kann man die Existenz bislang unbekannter physikalischer Faktoren zwar nie ganz ausschließen, jedoch sind die postulierten Erdstrahlen nach dem aktuellen Forschungsstand der Naturwissenschaften schlicht nicht existent.[5] Insbesondere sind alle dazu aufgestellten Theorien als Pseudowissenschaft zu werten. Bei den behaupteten Auswirkungen der Erdstrahlung gehen viele Wissenschaftler von zwei Ursachen aus: Zum Einen spiele der Placebo-Effekt eine Rolle, zum Anderen würden die Anhänger der Erdstrahlenlehre eine (statistisch nachgewiesene) gesündere Lebensweise pflegen, was zu positiven Effekten führen könne.[2]

In Norwegen wurde 2005 eine Studie mit 80 Patienten (67 Frauen und 13 Männer) veröffentlicht, die über chronische Beschwerden der Skelettmuskulatur klagten. Die Studie wurde als randomisierte Doppel-Blindstudie durchgeführt. Die Hälfte der Patienten bekam ein Gerät, das nach Herstellerangaben Erdstrahlen von den Patienten abhalten soll, die für die Erkrankungen verantwortlich seien. Die andere Patientengruppe bekam ein Placebo-Gerät. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Patienten wurden mittels Fragebogen über subjektive Gesundheitsbeschwerden (Subjective Health Complaints, SHC) befragt. Dabei wurden auch Allergien, pseudo-neurologische und gastrointestinale Erkrankungen erfasst. Es konnte eine signifikante, nach etwa sechs Wochen eintretende Abnahme der subjektiven Gesundheitsbeschwerden beobachtet werden (28 bis 45 Prozent, P < 0,05–0,001). Allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe mit Placebo- und „echten“ Geräten.[6]

Die Direktorenkonferenz der Geologischen Landesämter der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichte am 23. März 1950 einen Beschluss, nach dem „die Geologen fast aller Kulturstaaten der Welt den Zusammenhang zwischen Rutenausschlag und Strahlen für unwahrscheinlich halten“.[7]

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Anmerkungen

  1. Bezeichnung jeweils auch als „-Netz“ üblich, also Benkernetz, Currynetz und Hartmannnetz.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Inge Hüsgen, Erhard Wielandt: Erdstrahlen. 5. Dezember 2009, online auf GWUP.org, abgerufen am 13. Dezember 2016.
  2. 2,0 2,1 Friederike Slansky: Wünschelruten – Rutengänger Jochen Groothoff aus Badenweiler. In: Badische Zeitung, Ausgabe vom 11. August 2007. Online auf frsw.de, abgerufen am 13. Dezember 2016.
  3. Rückschau: Was ist dran an Erdstrahlen und Wasseradern? (Memento vom 19. April 2010 im Internet Archive) DasErste.de, Sendung „W wie Wissen“ vom 13. Oktober 2004.
  4. Wünschelrute. 12. November 2011, online auf GWUP.de, abgerufen am 13. Dezember 2016.
  5. GWUP-Website. Abgerufen am 13. Dezember 2016.
  6. A. Baerheim, J. N. Øren u. a.: Tx-discs – no effect against subjective health complaints. A randomised controlled study. In: Complementary therapies in medicine. Band 13, Nummer 4, Dezember 2005, S. 239–243, ISSN 0965-2299. doi:10.1016/j.ctim.2005.05.003. PMID 16338193.
  7. Mit der Wünschelrute. In: Die Zeit Nr. 10/1954. 11. März 1954, abgerufen am 13. Dezember 2016.
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