Positives Denken und Proposition: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Positives Denken''' ist ein Konzept, das in Persönlichkeits- oder Motivationsseminaren sowie in entsprechender Ratgeberliteratur Anwendung findet. Weitere Synonyme sind „neues Denken“, „richtiges Denken“, „Kraftdenken“ oder „mentaler Positivismus“. Positives Denken ist nicht zu verwechseln mit [[Positive Psychologie|Positiver Psychologie]].
#WEITERLEITUNG [[Aussagesatz]]
 
== Konzept ==
Die Methode „Positives Denken“ zielt im Kern darauf ab, dass der Anwender durch konstante positive Beeinflussung seines [[Bewusstsein|bewussten Denkens]] (z. B. mit Hilfe von [[Affirmation]]en oder [[Visualisierung (Meditation)|Visualisierungen]]) in seinen Gedanken eine dauerhaft konstruktive und optimistische Grundhaltung erreicht und infolgedessen eine höhere Zufriedenheit und Lebensqualität erzielt.
 
In einigen Werken, die sich mit dem Thema befassen, nimmt der [[Glaube]] eine zentrale Stellung ein. Allerdings handelt es sich hierbei nicht in erster Linie um einen religiös motivierten und [[transzendental]] ausgerichteten Glauben, sondern um die Überzeugung, dass Dinge, die ein Mensch für „wahr“ hält, die Tendenz haben, sich in seinem Leben zu verwirklichen.
 
Je nach weltanschaulichem Vorverständnis zeigt sich positives Denken als Methode, falsche oder nicht vorhandene, sondern nur durch Denken erschaffene negative Wirklichkeit und ihre Auswirkungen abzubauen ([[Christian Science]]) oder – in monistisch / spirituellem Sinn ([[Neugeist-Bewegung|Neugeist]] / [[Unity Church|Unity]]) – die „geistigen Gesetze“ positiv / richtig anzuwenden. Während in Gruppen und Sondergemeinschaften positives Denken als Methode für Heilung (und Heil) an erster Stelle steht, wird über den Buchmarkt positives Denken als Lebenshilfe angeboten. Es verspricht Gewinnmaximierung, Gesundheit und Glück. Zahlreiche Hilfsmittel sollen den gedanklichen Optimismus unterstützen (positiver Sinnspruch im Kalender; Kurztext über Telefon; Sublimationsträger mit der Behauptung der unterschwelligen Beeinflussung).
 
== Geschichtliche Ausformungen ==
Positives Denken entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jh. aus den geistigen Anstößen vor allem von [[Ralph Waldo Emerson]] und seiner „Transcendentalists“ (als Vorläufer), die dann von [[Phineas Parkhurst Quimby]], [[Ralph Waldo Trine]], [[Prentice Mulford]] u. a. in Amerika weitergeführt wurden. In Europa wurden der „Mesmerismus“ und die Coué-Methode weiterbetrieben. Für Japan ist [[Masaharu Taniguchi]] erwähnenswert. In Deutschland machte sich neben [[Oscar Schellbach]] (Institut für „Mentalen Positivismus“ seit 1921), dessen „Seelephonie-Platten“ als Vorläufer der [[Subliminal (Psychologie)|Subliminals]] angesehen werden können, vor allem [[Karl Otto Schmidt]] (Neugeist) einen Namen. Heute ist die Tendenz zu immer weniger theoretischen Begründungen bei gleichzeitiger Ausweitung positiver Fallgeschichten und praktischer Anleitungen feststellbar ([[Joseph Murphy (Esoteriker)|Joseph Murphy]] und sein Schüler [[Erhard F. Freitag]], [[Dale Carnegie]], [[Norman Vincent Peale]], [[Frederick Bailes]] und [[Vernon Howard]]).
 
== Kritik ==
Eine weltweit erste umfassende Kritik des Positiven Denkens auf der Basis der wissenschaftlichen [[Psychologie]] wurde von dem deutschen Psychotherapeuten [[Günter Scheich]] vorgenommen.<ref>Günter Scheich: ''Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen.'' (PD) Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8218-3904-X</ref> Sein Buch »Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen« gilt schon seit der Erstauflage von 1997 als Standardwerk.<ref>Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: ''Brockhaus. Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Bd. 17.'' 20. Auflage. Brockhaus-Verlag, Mannheim 1998.</ref>
 
Psychologen und Psychiater warnen ausdrücklich davor, dass die Methoden labile und [[Depression|depressive]] Patienten weiter schädigen können. Besonders bei unkritischen Menschen können sie auch zu einem [[Realitätsverlust]] führen. Der Realitätsverlust kann durch das Vermeiden von kritischen Fragen und der damit einhergehenden teilweisen Leugnung von vorhandenen Schwächen entstehen. Vernachlässigt werden zudem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen, ihre unterschiedliche [[Persönlichkeit]]sstruktur sowie die Wechselwirkung zwischen individueller Psyche und sozialer Umgebung.
 
Problematisch wird positives Denken insbesondere dann, wenn Unglück und Leid als vom Menschen selbst verschuldet gelten.
 
Ein Experiment von Joanne Wood mit Kollegen von der [[University of Waterloo]] zeigte, dass Teilnehmer mit gering ausgeprägtem Selbstbewusstsein alleine durch das Aufsagen allgemein positiv konnotierter Sätze ihre Stimmung, ihren Optimismus und ihre Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, messbar verschlechterten. Personen mit gutem Selbstbewusstsein würden zwar leicht von der [[Autosuggestion]] profitieren, der Effekt war jedoch kaum ausgeprägt.<ref>[http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,634510,00.html ''Schlecht fühlen mit positivem Denken.''] In: ''Spiegel Online.'' 6. Juli 2009.</ref>
 
[[Oswald Neuberger]], Professor für Psychologie an der [[Universität Augsburg]], sieht in der Methode des Positiven Denkens eine zirkuläre Falle: „''Wenn du keinen Erfolg hast, dann bist du eben selber schuld, weil du es offensichtlich nicht richtig probiert hast. Der Trainer aber bleibt unfehlbar.''“ Zudem werde das Problem des Versagens individualisiert, Misserfolge personalisiert, das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aber von Schuld freigesprochen.
 
[[Colin Goldner]], Leiter des Forums Kritische Psychologie e.&nbsp;V., diagnostiziert „''Denk- und Wahrnehmungsdefizite''“ zunehmend bei Personen, die den „''trivialisierten Hypnosuggestionen''“ und „''pseudodialektischen Heilsversprechen''“ tingelnder „''Drittklassgurus''“ auf den Leim gingen, und kritisiert den „''psycho- und sozialdarwinistischen Machbarkeitswahn''“ der Motivationstrainer.<ref>Christian Schüle: [http://www.zeit.de/2001/25/200125_glueckspropheten.xml?page=3 ''Die Diktatur der Optimisten.''] In: ''Zeit online.''</ref>
 
Die wichtigsten Kritikpunkte an dem „[[Zwanghafte Persönlichkeitsstörung|zwanghaft]] aufgesetzten positiven Denken“ sind nach Scheich:
* Positives Denken basiert nicht auf der [[Psychologie|psychologischen Wissenschaft]].
* Es handelt sich um ein [[Esoterik|esoterisches]] Ratgebergebilde.<ref>Vgl. PD hier insbesondere S. 119–132.</ref><ref>[http://www.bvvp.de/files/bvvp1_2006.pdf Vgl. Artikel: Ursula Neumann „Positives Denken macht krank“, in: bvvp Magazin. Zeitschrift für die Regionalverbände im Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten. 5. Jahrgang, 1/2006.] (PDF; 896&nbsp;kB) S.&nbsp;33&nbsp;f.</ref><ref>Vgl. Artikel „Positives Denken“ in: ''Lexikon der Psychologie in fünf Bänden.'' Band 3. Spektrum-Verlag, Heidelberg/Berlin 2001.</ref>
 
Aufgrund unreifer Ziele und mangelnder Fähigkeiten kann das willentlich aufgesetzte, zwanghafte Positive Denken nicht nur nutzlos sein, sondern auch erheblichen Schaden für die [[Psyche]] des (fanatischen) „Positiv-Denkers“ anrichten. Zugleich zeigt sich nach Scheich auch, dass viele Menschen, die bewusst positiv denken wollen, noch nie so stark negativ gedacht haben. Es ist ein [[Paradoxon]] der „entgegengesetzten Wirkung“ von Abschottung, [[Realitätsverlust]] und [[Dissoziative Identitätsstörung|Bewusstseinsspaltung]] in das „positiv denkende Ich“ und den „übermächtigen Rest der Seele“.<ref>Vgl. PD S. 102, 109 ff., 119 ff., S.&nbsp;212.</ref><ref>''Mit positivem Denken zum Misserfolg.'' In: [https://www.gdi.ch/gdi-impuls-archiv GDI Impulse]. Zeitschrift des Duttweiler-Managerinstituts, Zürich/Schweiz, Nr. 3/1997, S. 6 ff.</ref>
 
Das „Positive Denken“ kontraindiziert die besondere Errungenschaft der aufkommenden [[Geschichte der Psychotherapie|Seelenheilkunde]] Ende des 19. Jahrhunderts. Hier wurde u.&nbsp;a. von [[Sigmund Freud|Freud]] u.&nbsp;a. die besondere seelische sowie evolutionäre Bedeutung der negativen Gefühle und Gedanken erkannt. Das Wahrnehmen und Ausdrücken negativer Gefühle und Gedanken wird bis in die Gegenwart als Hilfe, Befreiung und Problemlösestrategie bei psychischen Belastungen und Erkrankungen von den unterschiedlichsten [[Psychotherapie#Psychotherapieverfahren|psychotherapeutischen Schulen]] genutzt.
 
Das zwanghaft aufgesetzte Positive Denken wird aufgrund der vorliegenden Schriften und Äußerungen der Verfechter als eine Art Religion postuliert. Der Glaubensanspruch besteht darin, dass das Positive Denken ein anscheinender Weg der Selbsterlösung auf Erden ist. Diese Selbsthilfemethode des Zwangsoptimismus hat nichts mit einem durchaus berechtigten gesunden [[Optimismus]] zu tun.<ref>Vgl. PD S. 119 ff.</ref><ref>''Mit positivem Denken zum treuen Untertan.'' In: [http://www.publik-forum.de/ Publik Forum] Nr. 4/1999. S.&nbsp;20.</ref>
 
Kritisch zu sehen ist nach Scheich ebenfalls das dem „Positiven Denken“ immanente Menschenbild der ungehemmt-grenzenlosen sowie moralfreien permanenten Absicht der Selbst- und Fremdmanipulation. Der Mensch wird so zur Marionette von unreifem Wunschdenken und Egotrips. Er verliert dabei jegliche Wertvorstellungen und zwischenmenschlich notwendige Ansprüche im gegenseitigen Umgang.<ref>Bayer. Rundfunk S. A – PR 61304/2 Gesundheit – B 5 vom 11. Januar 1998.</ref>
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Positives Denken}}
* {{WikipediaDE|Gesetz der Anziehung}}
* {{WikipediaDE|Wohlstandsevangelium}}
 
== Literatur ==
* Barbara Ehrenreich: ''Smile or Die: Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt.'' Kunstmann, München 2010, ISBN 978-3-88897-682-7.
* Uwe Kanning: ''Wie Sie garantiert nicht erfolgreich werden! Dem Phänomen der Erfolgsgurus auf der Spur.'' Lengerich, Berlin u.&nbsp;a. Pabst 2007, ISBN 978-3-89967-388-3
* Günter Scheich: ''Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen.'' Unter Mitarbeit von Klaus Waller. Eichborn, Frankfurt 1997, ISBN 3-8218-3904-X.
 
== Weblinks ==
* [https://www.thomas-blachnik.de/positiv-denken-lernen/ Positiv denken lernen in Praxisorientierten Handlungen]
* [http://www.wissenschaft.de/wissen/news/257242.html wissenschaft.de: ''Warum positives Denken Schmerzen lindert'']
* [http://www.zeit.de/2001/25/200125_glueckspropheten.xml?page=1 ''Die Diktatur der Optimisten''], Artikel in der Zeitschrift »Die Zeit«
* [http://www.psychotherapie-scheich.de/P.Denken.html „Positiv Denken“ macht krank – vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen (Scheich, 1999)]
* [http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/793-positiv-denken-gegen-krebs Positiv denken gegen Krebs?] aus Skeptiker 1/2003
* [http://www.zrm.ch/images/stories/download/pdf/wissenschftl_arbeiten/seminararbeiten/seminararbeit_keller_20070801.pdf ''Positives Denken und der Beitrag der modernen Motivationspsychologie''] (Seminararbeit in pädagogischer Psychologie; PDF-Datei; 404&nbsp;kB)
* [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,634510,00.html ''Schlecht fühlen mit positivem Denken''], Artikel in Spiegel Online
* [http://www.drs.ch/www/de/drs/sendungen/kontext/5005.sh10148794.html Der Zwang zum positiven Denken. Interview mit Barbara Ehrenreich und Günter Scheich.]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4192367-4}}
 
[[Kategorie:Positive Psychologie]]
[[Kategorie:Neugeist-Bewegung]]
[[Kategorie:Positive Praxis]]
[[Kategorie:Weltanschauung]]
[[Kategorie:The Secret]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 3. Juni 2018, 10:24 Uhr

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