Satz von Pascal und Kongruenzsätze: Unterschied zwischen den Seiten

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Als '''Kongruenzsatz''' bezeichnet man in der [[Ebene Geometrie|ebenen Geometrie]] Aussagen, anhand deren sich einfach die [[Kongruenz (Geometrie)|Kongruenz]] von [[Dreieck]]en nachweisen lässt. Dreiecke sind kongruent (deckungsgleich), wenn sie in Form und [[Flächeninhalt]] gleich sind. Die ''Dreieckskongruenz'' (also die Kongruenz von Dreiecken) bildet eine [[Äquivalenzrelation]],<ref>{{Literatur  | Autor = Hartmut Wellstein | Titel = Elementargeometrie | Jahr = 2009 | Verlag = Vieweg + Teubner | Ort = Wiesbaden | ISBN = 978-3-8348-0856-1 | Seiten = 12 }}</ref> das heißt, kongruente Dreiecke können als gleich angesehen werden.
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Der '''Satz von Pascal''' (nach [[Blaise Pascal]]) ist eine Aussage über ein 6-Eck auf einem nicht ausgearteten Kegelschnitt in einer [[Projektive Ebene|projektiven Ebene]]. Er lässt sich in der reellen affinen Ebene wie folgt formulieren:


: Für ein 6-Eck <math>P_1,P_2,P_3,P_4,P_5,P_6</math> auf einer Ellipse bei dem zwei Paare gegenüberliegender Seiten  parallel sind (im Bild <math>\overline{P_1P_2} \parallel \overline{P_4P_5},\;\overline{P_6P_1}\parallel \overline{P_3P_4}</math>), ist auch das dritte Paar gegenüberliegender Seiten parallel (im Bild: <math> \overline{P_2P_3} \parallel \overline{P_5P_6}</math>).
== Kongruenzsätze ==


Betrachtet man diesen Satz in dem projektiven Abschluss einer affinen Ebene (man nimmt die "Ferngerade", auf der sich parallele Geraden schneiden, hinzu), so gilt:
In den üblichen Bezeichnungen der vier Kongruenzsätze steht jeweils „S“ für die Übereinstimmung einer Seitenlänge und „W“ für die Übereinstimmung eines Winkels:
; SSS-Satz (erster Kongruenzsatz): Zwei Dreiecke, die in ihren drei Seitenlängen übereinstimmen, sind kongruent.
; SWS-Satz (zweiter Kongruenzsatz): Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in dem eingeschlossenen Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
; WSW-Satz (dritter Kongruenzsatz): Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge und in den dieser Seite anliegenden Winkeln übereinstimmen, sind kongruent.
:Dies schließt über den Satz von der [[Winkelsumme|Summe der Innenwinkel]] im Dreieck auch den folgenden Satz mit ein:
;SWW-Satz: Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge, einem dieser Seite anliegenden Winkel und dem dieser Seite gegenüberliegenden Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
:Bemerkung: Nicht zwingend kongruent sind jedoch zwei Dreiecke, die in zwei Winkeln und in einer Seitenlänge übereinstimmen, wenn nicht bekannt ist, welche der gegebenen Winkel an der gegebenen Seite anliegen. Aus Angaben zu einer Seite und zwei Winkeln können somit drei im Allgemeinen nicht kongruente Dreiecke konstruiert werden, je nachdem ob der erste, zweite oder beide Winkel der Seite anliegen.
; SSW-Satz (vierter Kongruenzsatz): Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in jenem Winkel übereinstimmen, der der längeren Seite gegenüberliegt, sind kongruent.
:Hierbei wird die Einschränkung gegenüber einem nicht allgemein existierenden SSW-Satz durch eine entsprechende Schreibweise oder Kennzeichnung (etwa SsW, Ssw oder SSW<sub>g</sub>, siehe die Abbildung [[#Beweis|unten]]) zum Ausdruck gebracht.


Für beliebige 6 Punkte <math>P_1,P_2,P_3,P_4,P_5,P_6 </math> eines [[Projektiver Kegelschnitt|nicht ausgearteten Kegelschnitts]] in einer projektiven Ebene liegen die Punkte
Stimmen zwei Dreiecke in zwei oder allen drei [[Innenwinkel]]n überein, so sind sie ''nicht'' notwendigerweise kongruent. Sie sind jedoch [[Ähnlichkeit (Geometrie)|ähnlich]].
: <math> P_7:= \overline{P_1P_2}\cap \overline{P_4P_5},</math>
: <math> P_8:= \overline{P_6P_1}\cap \overline{P_3P_4},</math>
: <math> P_9:= \overline{P_2P_3}\cap \overline{P_5P_6}</math>
auf einer Gerade, der '''Pascal-Gerade''' (s. Bild).


Die ''Nummerierung'' gibt an, welche 6 der 15 Verbindungsgeraden der 6 Punkte benutzt werden und welche Kanten benachbart sind. Die Nummerierung ist so gewählt, dass der Kantengraph durch ein reguläres 6-Eck dargestellt werden kann. Geraden zu gegenüberliegenden Kanten des Kantengraphs werden also geschnitten. Sollen andere Kanten in die Pascalfigur eingehen, muss man die Indizes entsprechend permutieren. Für die 2. Pascal-Konfiguration wurden die Indizes 2 und 5 vertauscht (s. Bild, unten).
Die nachfolgende Abbildung zeigt für jeden der vier Kongruenzsätze die Größen, in denen zwei Dreiecke übereinstimmen müssen.


''Nichtausgeartet'' heißt hier: keine 3 Punkte liegen auf einer Gerade. Den Kegelschnitt kann man sich also als Ellipse vorstellen. (Ein sich schneidendes Geradenpaar ist ein ''ausgearteter'' Kegelschnitt.)
== Beweise ==
Klassisch beweist man die Kongruenzsätze, indem man Konstruktionen mit Zirkel und Lineal angibt, die aus den entsprechenden gegebenen Größen eines Dreiecks ein zweites konstruieren. Geht dies nur auf genau eine Weise, so sind die beiden Dreiecke kongruent. Mit Bezeichnungen wie in obiger Abbildung geht dies wie folgt:
; SSS: Gegeben <math>a</math>, <math>b</math> und <math>c</math>. Trage eine Strecke <math>BC</math> der Länge <math>a</math> ab; der Kreis um <math>C</math> mit Radius <math>b</math> und der um <math>B</math> mit Radius <math>c</math> schneiden sich in zwei Punkten <math>A_1</math> und <math>A_2</math>, wodurch sich zwei spiegelsymmetrische (also kongruente) Dreiecke <math>A_1BC</math> und <math>A_2BC</math> ergeben. Legt man sich auf eine Orientierung fest, ist das Dreieck sogar eindeutig. Dies gilt entsprechend auch für die folgenden Konstruktionen:
; WSW: Gegeben <math>a</math>, <math>\beta</math> und <math>\gamma</math>. Trage eine Strecke <math>BC</math> der Länge <math>a</math> ab; die [[Halbgerade]] (der Strahl), die bei <math>B</math> mit <math>BC</math> den Winkel <math>\beta</math> einschließt, und die, die bei <math>C</math> mit <math>BC</math> den Winkel <math>-\gamma</math> einschließt, schneiden sich in einem Punkt <math>A</math>.
; SWS: Gegeben <math>a</math>, <math>b</math> und <math>\gamma</math>.  Auf zwei [[Halbgerade]]n (Strahlen), die mit <math>C</math> als Scheitel den Winkel <math>\gamma</math> einschließen, trage die Länge <math>b</math> bzw. <math>a</math> ab, um <math>A</math> und <math>B</math> zu finden.
[[Datei:Kongruenzsatz.png|mini|hochkant=1.5|rechts|SSW-Kongruenzsatz]]
; SSW: Gegeben <math>b</math>, <math>c</math> und <math>\gamma</math> (wobei <math>c > b</math>).  Konstruiere zwei [[Halbgerade]]n, die mit <math>C</math> als Scheitel den Winkel <math>\gamma</math> einschließen; trage auf einem Schenkel die kürzere Strecke <math>b</math> ab, um <math>A</math> zu finden; der Kreis um <math>A</math> mit Radius <math>c</math> schneidet den anderen Schenkel in einem Punkt <math>B</math>. 


''Kegelschnitte'' sind nur in solchen projektiven Ebenen definiert, die sich über (kommutativen) [[Körper (Algebra)|Körpern]] koordinatisieren lassen. Beispiele von Körpern sind: die [[reelle Zahl|reellen Zahlen]] <math>\R</math>, die [[rationale Zahl|rationalen Zahlen]] <math>\Q</math>, die [[Komplexe Zahl|komplexen Zahlen]] <math>\Complex</math>, [[Körper (Algebra)#Endliche Körper|endliche Körper]]. Jeder nicht ausgeartete Kegelschnitt einer projektiven Ebene lässt sich in geeigneten [[Homogene Koordinaten|homogenen Koordinaten]] durch die Gleichung <math> x_1x_2=x_0^2</math> beschreiben (s. [[projektiver Kegelschnitt]]).
Das nebenstehende Bild zeigt, dass der Winkel beim SSW-Satz der längeren Seite gegenüberliegen ''muss''. Andernfalls hätte man Dreiecke, die zwar in drei Teilen (SSW) übereinstimmen, aber nicht kongruent sind: Die beiden Dreiecke <math>A_1BC</math> und <math>A_2BC</math> stimmen in den Seitenlängen <math>a</math> und <math>c</math> sowie im Winkel <math>\gamma=\angle ACB</math> überein. Die Seitenlängen <math>b_1</math> und <math>b_2</math> unterscheiden sich aber.


== Bezug zu anderen Sätzen und Verallgemeinerungen ==
== Bemerkungen ==
[[Datei:Pascal-3456-s.svg|450px|mini|Satz v.Pascal: Ausartungen]]
* Der Satz von Pascal ist die [[Dualität (Mathematik)#Dualitätsprinzip der projektiven Geometrie und in Inzidenzstrukturen|duale]] Version des [[Satz von Brianchon|Satzes von Brianchon]].
* Zum Satz von Pascal gibt es ''Ausartungen'' mit 5 bzw. 4 bzw. 3 Punkten (auf einem Kegelschnitt). Bei einer Ausartung fallen zwei durch eine Kante verbundene Punkte formal zusammen und die zugehörige Sekante der Pascalfigur wird durch die Tangente in dem verbleibenden Punkt ersetzt. Siehe hierzu die Figur und weblink ''planar circlegeometries'', S. 30–35. Durch eine geeignete Wahl einer Gerade der Pascalfiguren als Ferngerade ergeben sich Schließungssätze für Hyperbeln und Parabeln. Siehe [[Hyperbel (Mathematik)#Hyperbel als affines Bild der Hyperbel y=1/x|Hyperbel]] und [[Parabel (Mathematik)#Eigenschaften|Parabel]].
* Falls der Kegelschnitt ''vollständig'' in einer affinen Ebene enthalten ist, gibt es auch (die am Anfang beschriebene) '''affine Form''' des Satzes, bei der die Pascalgerade die Ferngerade ist. Die affine Form gibt es z.&nbsp;B. in der reellen und der rationalen affinen Ebene, aber nicht in der komplexen affinen Ebene. In der komplexen projektiven Ebene schneidet jeder n.a. Kegelschnitt jede Gerade. Es gibt also keine Passante des Kegelschnitts, die man als Ferngerade wählen könnte.
* Die Figur der sechs Punkte auf dem Kegelschnitt wird auch '''Hexagrammum Mysticum''' genannt.<ref>''Jacob Steiner’s Vorlesungen über synthetische Geometrie'', B. G. Teubner, Leipzig 1867 (bei Google Books: [http://books.google.de/books?id=jCgPAAAAQAAJ]), 2. Teil, S. 128. </ref>
* Der Satz von Pascal ist auch für ein Geradenpaar (ausgearteter Kegelschnitt) gültig und ist dann identisch mit dem [[Satz von Pappos-Pascal]].
* Der Satz von Pascal wurde durch [[August Ferdinand Möbius]] im Jahre [[1847]] verallgemeinert:
: Angenommen, ein [[Polygon]] mit <math>4n + 2</math> Seiten sei in einen Kegelschnitt einbeschrieben. Nun verlängert man die gegenüberliegenden Seiten, bis sie sich in <math>2n + 1</math> Punkten schneiden. Liegen dann <math>2n</math> dieser Punkte auf einer gemeinsamen Linie, so liegt auch der letzte Punkt auf dieser Linie.
* Eine weitere Verallgemeinerung ist der [[Satz von Cayley-Bacharach]].


== Beweis des Satzes von Pascal ==
* In [[Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie]] hat SWS den Rang eines [[Axiom]]s, die anderen werden aus diesem und den übrigen Axiomen bewiesen. Das erkannte Hilbert als nötig, weil im überlieferten Aufbau Euklids Beweisideen verwendet wurden, die nicht aus seinen Axiomen und Postulaten rein logisch abzuleiten waren, sondern sich auf die anschaulich einleuchtende freie Beweglichkeit der Dreiecke beriefen.
[[Datei:Proof-6p-pascal.svg|350px|mini|Zum Beweis des Satzes von Pascal]]
Im reellen Fall kann man den Beweis am Einheitskreis führen. Da ein nichtausgearteter Kegelschnitt über einem beliebigen Körper aber nicht immer als Einheitskreis darstellbar ist, wird hier die immer mögliche Darstellung des Kegelschnitts als Hyperbel benutzt<ref>E. Hartmann: ''[http://www.mathematik.tu-darmstadt.de/~ehartmann/circlegeom.pdf Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes.]'' Skript, TH Darmstadt (PDF; 891&nbsp;kB), S.&nbsp;29</ref>.


Für den Beweis koordinatisiert man die projektive Ebene [[Projektiver Kegelschnitt|inhomogen]] so, dass <math>P_1=(\infty), P_6=(0)</math> ist, d. h. die Ferngerade ist <math>g_\infty=\overline{P_1P_6} </math> (s. Bild). Ferner sei <math>P_5=(x_5,0)</math> ein Punkt der x-Achse, <math>P_2=(0,y_2)</math> ein Punkt der y-Achse. Dann gilt <math>P_9=(x_9,0)</math> und <math>P_7=(0,y_7)</math> (s. Bild). Die Steigung der Gerade <math>\overline{P_iP_k} </math> sei <math>m_{ik}</math>. Der Satz ist bewiesen, wenn <math>m_{79}=m_{43}</math> bewiesen worden ist.
* Es ist unter Umständen auch möglich, ein Dreieck aus anderen drei Bestimmungsstücken zu konstruieren, unter denen beispielsweise Inkreisradius, Umkreisradius, Fläche oder Höhen auftreten. Die zugehörigen Kongruenzaussagen werden jedoch nicht zu den klassischen Kongruenzsätzen gezählt.


Man rechnet leicht nach, dass <math>\frac{m_{29}}{m_{25}}=\frac{m_{79}}{m_{75}}</math> ist. Mit <math>m_{29}=m_{23},\;m_{75}=m_{45}</math> (siehe Bild) erhält man
* In der [[sphärische Geometrie|sphärischen Geometrie]] weicht die Sachlage teilweise ab. So sind dort zwei (sphärische) Dreiecke bereits kongruent und nicht nur ähnlich, wenn sie in den drei Innenwinkeln übereinstimmen. Die Angabe des dritten Winkels ist auch nicht mehr redundant ([[Sphärischer Exzess]]).
: '''(1)'''<math>:\ m_{79}=\frac{m_{23}}{m_{25}}\cdot m_{45}</math>.
Der Kegelschnitt <math>\mathfrak o</math> wird in dem inhomogenen Koordinatensystem als Hyperbel mit einer Gleichung
:: <math> y=\frac{a}{x-b}+c</math> beschrieben (Die Asymptoten sind parallel zu den Koordinatenachsen !).
: Für solch eine Hyperbel gilt der [[Hyperbel (Mathematik)#Peripheriewinkelsatz für Hyperbeln|Peripheriewinkelsatz für Hyperbeln]]. Wendet man den Peripheriewinkelsatz auf die Grundpunkte <math>P_3,P_5</math> und die Hyperbelpunkte <math>P_2,P_4</math> an, so erhält man die Gleichung
: '''(2)'''<math>:\ \frac{m_{23}}{m_{25}}=\frac{m_{43}}{m_{45}}</math>.
Aus '''(1)''' und '''(2)''' ergibt sich schließlich <math>m_{79}=m_{43}</math>, was zu beweisen war.


== Bedeutung des Satzes von Pascal und seiner Ausartungen ==
== Kongruenzbeweise ==
Da der Satz von Pascal eine Aussage über Kegelschnitte ist und Kegelschnitte nur in pappusschen Ebenen erklärt sind, führt man den Begriff des ''Ovals'' in einer beliebigen projektiven Ebene ein, um die Pascal-Eigenschaft in einer beliebigen projektiven Ebene formulieren zu können. Dies ist z.&nbsp;B. bei dem [[Satz von Pappus]] nicht nötig, da dieser ein Satz über Geraden und Punkte ist, die es in jeder projektiven Ebene gibt. Ein Oval ist eine Punktmenge (Kurve) einer projektiven Ebene mit den wesentlichen Inzidenzeigenschaften eines nicht ausgearteten Kegelschnitts.


=== Definition eines Ovals ===
Die vier Kongruenzsätze bilden die Grundlage eines Beweisverfahrens, das in der Elementargeometrie häufig verwendet wird: In einem ''Kongruenzbeweis'' begründet man die Gleichheit zweier Streckenlängen oder zweier Winkelgrößen dadurch, dass man zunächst die Kongruenz zweier geeigneter Dreiecke zeigt und anschließend die Gleichheit entsprechender Seitenlängen bzw. Winkel folgert.
{{Hauptartikel|Oval (Projektive Geometrie)}}
* Eine Menge <math>\mathfrak o</math> von Punkten in einer projektiven Ebene heißt ''Oval'', wenn
: (1) Eine beliebige Gerade <math>g</math> trifft <math>\mathfrak o</math> in höchstens 2 Punkten.<br /> Falls <math>|g\cap\mathfrak o|=0</math> ist, heißt <math>g</math> ''Passante'', falls <math>|g\cap\mathfrak o|=1</math> ist, heißt <math>g</math> ''Tangente'' und falls <math>|g\cap\mathfrak o|=2</math> ist, heißt <math>g</math> ''Sekante''.
: (2) Zu jedem Punkt <math>P \in \mathfrak o</math> gibt es genau eine Tangente <math>t</math>, d.&nbsp;h. <math> t\cap\mathfrak o=\{P\}</math>.
 
=== Pascal-Eigenschaft eines Ovals ===
Ein Oval in einer beliebigen projektiven Ebene, das die im Satz von Pascal für Kegelschnitte angegebene Eigenschaft für beliebige 6 Punkte besitzt, nennt mann ''6-Punkte-pascalsch'' oder kurz ''pascalsch''. Entsprechend definiert man ''5-Punkte-pascalsch'', ''4-Punkte-pascalsch'' und ''3-Punkte-pascalsch'', falls die Aussage der 5-, 4- oder 3-Punkte-Ausartung des Satzes von Pascal für das Oval erfüllt ist (s. Bild).
 
=== Bedeutungen ===
Die Gültigkeit der Pascal-Eigenschaft oder der 5-Punkte-Ausartung für ein Oval in einer projektiven Ebene hat dieselbe Bedeutung wie die [[Satz von Pappus|Pappus-Eigenschaft]] (für ein Geradenpaar):
 
; Satz von [[Francis Buekenhout|Buekenhout]]<ref>F. Buekenhout: ''Plans Projectifs à Ovoides Pascaliens'', Arch. d. Math. Vol. XVII, 1966, S. 89–93.</ref>:
Ist <math>\mathcal P</math> eine projektive Ebene und <math>\mathfrak o</math> ein <math>\color{red}6</math>-Punkte-pascalsches Oval darin, so ist <math>\mathcal P</math> eine pappussche Ebene und <math>\mathfrak o</math> ein Kegelschnitt.
 
; Satz von Hofmann<ref> C.E. Hofmann: ''Specelizations of Pascal's Theorem on an Oval'', Journ. o. Geom., Vol. 1/2 (1971), S. 143–153. </ref>,
Ist <math>\mathcal P</math> eine projektive Ebene und <math>\mathfrak o</math> ein <math>\color{red}5</math>-Punkte-pascalsches Oval darin, so ist <math>\mathcal P</math> eine pappussche Ebene und <math>\mathfrak o</math> ein Kegelschnitt.
 
Mit Hilfe der 4-Punkte-Ausartung und der 3-Punkte-Ausartung des Satzes von Pascal lassen sich in ''pappusschen'' Ebenen Kegelschnitte charakterisieren:
 
; Satz<ref>E. Hartmann: ''[http://www.mathematik.tu-darmstadt.de/~ehartmann/circlegeom.pdf Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes.]'' Skript, TH Darmstadt (PDF; 891&nbsp;kB), S.&nbsp;32,33</ref>.
: (a): Ist <math>\mathcal P</math> eine ''pappussche'' projektive Ebene und <math>\mathfrak o</math> ein '''<math>\color{magenta}4</math>'''-Punkte-pascalsches Oval darin, so ist <math>\mathfrak o</math> ein Kegelschnitt.
: (b): Ist <math>\mathcal P</math> eine ''pappussche'' projektive Ebene der Charakteristik <math>\ne 2</math> und <math>\mathfrak o</math> ein '''<math>\color{blue}3</math>'''-Punkte-pascalsches Oval darin, so ist <math>\mathfrak o</math> ein Kegelschnitt.
 
''Bemerkung:'' Wie weit man in den beiden letzten Fällen die Voraussetzung ''pappussch'' abschwächen kann, ist noch ungeklärt. Die Voraussetzung in Aussage (a) lässt sich mindestens auf ''[[Moufang-Ebene|moufangsch]]'' abschwächen.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Satz von Pascal}}
* {{WikipediaDE|Kongruenzsatz}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Coxeter, H. S. M., und S. L. Greitzer: ''Zeitlose Geometrie'', Klett Stuttgart, 1983
*Hans Schupp: ''Elementargeometrie.'' UTB, Stuttgart 1977. ISBN 3-506-99189-2, S. 76.
* Gerd Fischer: ''Analytische Geometrie''. 4-te Auflage, Vieweg 1985, ISBN 3-528-37235-4, S. 199
* Hanfried Lenz: ''Vorlesungen über projektive Geometrie'', Akad. Verl. Leipzig, 1965, S. 60
* Roland Stärk: ''Darstellende Geometrie'', Schöningh-Verlag, Paderborn, 1978, ISBN 3-506-37443-5, S. 114
 
== Weblinks ==
* [http://www.mathematik.tu-darmstadt.de/~ehartmann/circlegeom.pdf ''Planar Circle Geometries, an Introduction to Moebius-, Laguerre- and Minkowski Planes''] (PDF; 891&nbsp;kB), Uni Darmstadt, S. 29–35.
* [http://www.mathematik.tu-darmstadt.de/~ehartmann/progeo.pdf ''Projektive Geometrie'', Kurzskript, Uni Darmstadt] (PDF; 180&nbsp;kB), S. 13–16
* [http://mathgardenblog.blogspot.de/2013/06/hexagrammum-mysticum1.html hexagrammum-mysticum]
* [http://www.cut-the-knot.org/Curriculum/Geometry/Pascal.shtml#words Pascal's theorem auf cut-the-knot] (englisch)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Ebene Geometrie]]
[[Kategorie:Ebene Geometrie]]
[[Kategorie:Projektive Geometrie]]
[[Kategorie:Dreiecksgeometrie]]
[[Kategorie:Satz (Mathematik)|Pascal, Satz von]]
[[Kategorie:Synthetische Geometrie]]
[[Kategorie:Pascal]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 23. August 2019, 13:31 Uhr

Als Kongruenzsatz bezeichnet man in der ebenen Geometrie Aussagen, anhand deren sich einfach die Kongruenz von Dreiecken nachweisen lässt. Dreiecke sind kongruent (deckungsgleich), wenn sie in Form und Flächeninhalt gleich sind. Die Dreieckskongruenz (also die Kongruenz von Dreiecken) bildet eine Äquivalenzrelation,[1] das heißt, kongruente Dreiecke können als gleich angesehen werden.

Kongruenzsätze

In den üblichen Bezeichnungen der vier Kongruenzsätze steht jeweils „S“ für die Übereinstimmung einer Seitenlänge und „W“ für die Übereinstimmung eines Winkels:

SSS-Satz (erster Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in ihren drei Seitenlängen übereinstimmen, sind kongruent.
SWS-Satz (zweiter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in dem eingeschlossenen Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
WSW-Satz (dritter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge und in den dieser Seite anliegenden Winkeln übereinstimmen, sind kongruent.
Dies schließt über den Satz von der Summe der Innenwinkel im Dreieck auch den folgenden Satz mit ein:
SWW-Satz
Zwei Dreiecke, die in einer Seitenlänge, einem dieser Seite anliegenden Winkel und dem dieser Seite gegenüberliegenden Winkel übereinstimmen, sind kongruent.
Bemerkung: Nicht zwingend kongruent sind jedoch zwei Dreiecke, die in zwei Winkeln und in einer Seitenlänge übereinstimmen, wenn nicht bekannt ist, welche der gegebenen Winkel an der gegebenen Seite anliegen. Aus Angaben zu einer Seite und zwei Winkeln können somit drei im Allgemeinen nicht kongruente Dreiecke konstruiert werden, je nachdem ob der erste, zweite oder beide Winkel der Seite anliegen.
SSW-Satz (vierter Kongruenzsatz)
Zwei Dreiecke, die in zwei Seitenlängen und in jenem Winkel übereinstimmen, der der längeren Seite gegenüberliegt, sind kongruent.
Hierbei wird die Einschränkung gegenüber einem nicht allgemein existierenden SSW-Satz durch eine entsprechende Schreibweise oder Kennzeichnung (etwa SsW, Ssw oder SSWg, siehe die Abbildung unten) zum Ausdruck gebracht.

Stimmen zwei Dreiecke in zwei oder allen drei Innenwinkeln überein, so sind sie nicht notwendigerweise kongruent. Sie sind jedoch ähnlich.

Die nachfolgende Abbildung zeigt für jeden der vier Kongruenzsätze die Größen, in denen zwei Dreiecke übereinstimmen müssen.

Beweise

Klassisch beweist man die Kongruenzsätze, indem man Konstruktionen mit Zirkel und Lineal angibt, die aus den entsprechenden gegebenen Größen eines Dreiecks ein zweites konstruieren. Geht dies nur auf genau eine Weise, so sind die beiden Dreiecke kongruent. Mit Bezeichnungen wie in obiger Abbildung geht dies wie folgt:

SSS
Gegeben , und . Trage eine Strecke der Länge ab; der Kreis um mit Radius und der um mit Radius schneiden sich in zwei Punkten und , wodurch sich zwei spiegelsymmetrische (also kongruente) Dreiecke und ergeben. Legt man sich auf eine Orientierung fest, ist das Dreieck sogar eindeutig. Dies gilt entsprechend auch für die folgenden Konstruktionen:
WSW
Gegeben , und . Trage eine Strecke der Länge ab; die Halbgerade (der Strahl), die bei mit den Winkel einschließt, und die, die bei mit den Winkel einschließt, schneiden sich in einem Punkt .
SWS
Gegeben , und . Auf zwei Halbgeraden (Strahlen), die mit als Scheitel den Winkel einschließen, trage die Länge bzw. ab, um und zu finden.
SSW-Kongruenzsatz
SSW
Gegeben , und (wobei ). Konstruiere zwei Halbgeraden, die mit als Scheitel den Winkel einschließen; trage auf einem Schenkel die kürzere Strecke ab, um zu finden; der Kreis um mit Radius schneidet den anderen Schenkel in einem Punkt .

Das nebenstehende Bild zeigt, dass der Winkel beim SSW-Satz der längeren Seite gegenüberliegen muss. Andernfalls hätte man Dreiecke, die zwar in drei Teilen (SSW) übereinstimmen, aber nicht kongruent sind: Die beiden Dreiecke und stimmen in den Seitenlängen und sowie im Winkel überein. Die Seitenlängen und unterscheiden sich aber.

Bemerkungen

  • In Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie hat SWS den Rang eines Axioms, die anderen werden aus diesem und den übrigen Axiomen bewiesen. Das erkannte Hilbert als nötig, weil im überlieferten Aufbau Euklids Beweisideen verwendet wurden, die nicht aus seinen Axiomen und Postulaten rein logisch abzuleiten waren, sondern sich auf die anschaulich einleuchtende freie Beweglichkeit der Dreiecke beriefen.
  • Es ist unter Umständen auch möglich, ein Dreieck aus anderen drei Bestimmungsstücken zu konstruieren, unter denen beispielsweise Inkreisradius, Umkreisradius, Fläche oder Höhen auftreten. Die zugehörigen Kongruenzaussagen werden jedoch nicht zu den klassischen Kongruenzsätzen gezählt.
  • In der sphärischen Geometrie weicht die Sachlage teilweise ab. So sind dort zwei (sphärische) Dreiecke bereits kongruent und nicht nur ähnlich, wenn sie in den drei Innenwinkeln übereinstimmen. Die Angabe des dritten Winkels ist auch nicht mehr redundant (Sphärischer Exzess).

Kongruenzbeweise

Die vier Kongruenzsätze bilden die Grundlage eines Beweisverfahrens, das in der Elementargeometrie häufig verwendet wird: In einem Kongruenzbeweis begründet man die Gleichheit zweier Streckenlängen oder zweier Winkelgrößen dadurch, dass man zunächst die Kongruenz zweier geeigneter Dreiecke zeigt und anschließend die Gleichheit entsprechender Seitenlängen bzw. Winkel folgert.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1.  Hartmut Wellstein: Elementargeometrie. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0856-1, S. 12.


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