Esel

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Hausesel (Equus asinus asinus)
Wettstreit zwischen Pan und Apoll: Midas mit Eselsohren (Hendrik de Clerck, ca. 1620)
Hippolyte Flandrin: Christi Einzug in Jerusalem (1842)

Der Esel (von lat. asinus) ist ein Symbol für den physischen Leib des Menschen und den an das physische Gehirn gebundenen Verstand, das auch in den Märchen gerne verwendet wird (vgl. etwa Die Bremer Stadtmusikanten). Philosophen, die sich ja des Verstandes bedienen, werden gerne mit imaginativen Eselsohren dargestellt, die aber zugleich auch ein - durchaus nicht abwertendes - Symbol für die Inspiration sind, aus der sie in ihrem Denken schöpfen.

"Nehmen wir an, ein heutiger Philosoph, so ein normaler Universitätsprofessor, würde - es wäre ja ein kleines Wunder, aber nehmen wir an, daß das Wunder geschehen würde - fünf Minuten durch irgendeine Inspiration dazu kommen, an die geistige Welt die Frage zu stellen, ob er ein wirklicher Philosoph durch inneren Beruf sei. Was glauben Sie, wie diese Antwort ungefähr aussehen würde? Er würde eine Imagination haben, und diese Imagination würde die richtige Antwort sein, nur muß man Imaginationen im richtigen Sinne deuten. Wirklich, ich erzähle Ihnen nichts, was nicht in unzähligen Fällen da war. Solch ein Philosoph würde nämlich die Antwort dadurch bekommen, daß ihm Eselsohren aufgesetzt würden. Und aus dieser Imagination würde er sich zu deuten haben: Also bin ich ein richtiger Philosoph. - Das ist kein Scherz, sondern das beruht darauf, daß gewisse Vorstellungen, die auf diesem physischen Plane so und so beschaffen sind, auf dem geistigen Plane die gerade entgegengesetzten sind. Eselsohren zu haben, ist auf dem physischen Plan keine Auszeichnung; in der geistigen Welt ist Eselsohren zu haben als Imagination viel mehr wert als der höchste Orden auf dem physischen Plan für irgendeinen Philosophieprofessor." (Lit.: GA 177, S. 111)

In der griechischen Mythologie wird König Midas mit Eselsohren bestraft, weil er das Flötenspiel des Marsyas, das mehr die Kopf- und Verstandeskräfte repräsentiert, dem harmonischen Saitenspiel Apollons vorzog. Nach einer anderen Variante der Sage war es der hässliche Pan, der mit seiner Flöte in den Wettstreit mit Apollo trat.

"... verbunden finden wir mit Apollo die Musik, das Saitenspiel. Es stellt dar den Ausdruck des Zusammenstimmens der drei menschlichen Seelenkräfte. Und von einem berühmten Manne mit zu großen Ohren, dem König Midas, wird gesagt, daß Apollo ihm die Eselsohren wachsen ließ als Strafe dafür, daß Midas beim musischen Wettkampf zwischen Apollo und Marsyas gegen Apollo entschied, weil er Marsyas Flöte dem Saitenspiel Apollos vorzog." (Lit.: GA 152, S. 96)

Diese Sage hängt eng zusammen mit den Vorstufen des Mysteriums von Golgatha, durch die u.a. Denken, Fühlen und Wollen in ein harmonisches Gleichgewicht gebracht wurden.

"Es war den Griechen bewußt, daß ihre musikalische Kunst gleichsam der irdische Abglanz jener alten Kunst war, welche in himmlischen Hohen zur Harmonisierung von Denken, Fühlen und Wollen das Engelwesen pflegte, das von dem Christus durchsetzt war. Sie haben es nicht so ausgesprochen; nur in ihren Mysterien war es bekannt, um was es sich dabei handelte. In den apollinischen Mysterien der Griechen wurde gesagt: Ein hohes Götterwesen hatte einstmals ein Wesen aus der Hierarchie der Angeloi durchsetzt. Das hat Harmonie gebracht in das Denken, Fühlen und Wollen, und ein Abglanz davon ist die musische Kunst, insbesondere die apollinische Kunst, jene Kunst zum Beispiel des Musikalischen, welche im Saitenklange sich ergießt. Nicht als apollinisch sah man dasjenige an, was etwa durch Pfeifen oder durch Blasinstrumente zutage trat. Das, was weniger als die Blasinstrumente an die Elemente appelliert, was sozusagen am meisten nur Menschheitshandhabung nötig macht, kurz, was in den Saiten Apollos erklingt, dem schreiben die Griechen jene musische Wirkung zu, die das Gemüt in Harmonie versetzt Und von Menschen, welche nicht Hinneigung haben, nicht Schätzung genug haben für diese musische Kunst des Apollo, von denen sagten die Griechen, im Bewußtsein alles dessen, was wir auseinandergesetzt haben, daß sie in der Tat am äußeren Leibe ein Merkmal zeigen für ihre Stumpfheit gegenüber dem apollinischen Prinzip; sie zeigen am äußeren Leibe gewissermaßen, wie sie zurückgeblieben sind atavistisch auf einer früheren Stufe. Merkwürdig ist, daß, als ein Mann mit besonders verlängerten Ohren geboren wurde — es war das der König Midas —, die Griechen gesagt haben: Der hat Eselsohren mit auf die Welt bekommen, weil er, bevor er zur Welt gekommen ist, nicht in der richtigen Weise sich den Wirkungen hingegeben hat, die einstmals in die Welt gekommen sind durch jenes engelartige Wesen, das von Christus durchsetzt war. Deshalb, sagten sie, habe er Eselsohren, und das habe bewirkt, daß er die Blasinstrumente den Saiteninstrumenten vorziehe. Und als einmal ein Kind geboren wurde, das sozusagen keine Haut hatte, das ohne Haut geboren wurde — es ist in der Mythologie bekannt geworden unter dem Namen des geschundenen Marsyas —, da sagten sie: Das ist, weil er vor seiner Geburt nicht hingehört hat auf das, was von dem engelartigen Wesen ausging. So stellt sich das nämlich für die okkulte Beobachtung heraus. Der Marsyas ist für die okkulte Beobachtung nicht erst am lebendigen Leib geschunden worden, sondern er wurde so geboren. Das, was er verbrochen hat, hat er verbrochen vor seiner Geburt." (Lit.: GA 149, S. 58f)

Die Eselin und ihr Füllen sind wie die zwei ineinandergeschlungen Spiralen ein Symbol für einen schöpferischen Neubeginn (Zeichnung aus GA 97, S 204)

Der Christus zieht auf einem Eselfüllen in Jerusalem ein (Mt 21,1-2 LUT, Lk 19,29-30 LUT, Mk 11,1 LUT, Joh 12,14-14 LUT).

„1 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. 4 Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): 5 »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« 6 Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, 7 und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf. 8 Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9 Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! 10 Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? 11 Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.“

Matthäus: 21,1-11 LUT

Hier erhält das Esels-Symbol eine noch höhere Bedeutung. Die Eselin (die nur im Matthäus-Evangelium erwähnt wird) und ihr Füllen sind hier, ähnlich wie die zwei ineinander verschlungenen Spiralen im Symbol für das Tierkreiszeichen Krebs, ein Zeichen für den Aufstieg in den Makrokosmos, aus dem ein neuer schöpferischer Impuls geholt wird.

"Nun gab es noch ein anderes Zeichen in der Darstellung dieser Verhältnisse. So sonderbar es ihnen scheinen mag, es war so gebildet, daß man einen Esel und sein Füllen abbildete, den Vorfahren und den Nachkommen. Das sollte darstellen das eigentliche Übergangsverhältnis von einem Zustand in den anderen. Und in der Tat wird sogar das Sternbild des Krebses in alten Abbildungen sehr häufig so dargestellt, daß man einen Esel und sein Füllen abbildete. Das zu wissen ist nicht unwichtig. Es ist eine wichtige Lehre für den Menschen zum Verständnis dessen, daß auch beim Aufstieg in den Makrokosmos ein solcher wichtiger Übergang ist, indem der Mensch hinaufwächst in die geistige Welt, aber dann an ganz neue Erleuchtungen anknüpfen muß. Das wird ganz richtig dargestellt, indem man es in der Sternensprache so darstellt, wie wenn die physische Sonne durchgeht durch das Sternbild des Krebses und, nachdem sie den höchsten Punkt erreicht hat, wieder einen Abstieg durchmacht." (Lit.: GA 123, S. 222)

Literatur

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