Jakin und Boas und Mathematik: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Jachin''' (oder '''Jakin''') und '''Boas''' wurden die beiden Säulen genannt, die am Eingangstor des [[Salomonischer Tempel|Salomonischen Tempels]] standen. König [[Salomo]] hatte sie durch die Baumeister von König [[Wikipedia:Hiram I. (Tyros)|Hiram I.]] anfertigen lassen. Sie waren nach den Angaben des [[Wikipedia:Altes Testament|Alten Testaments]] aus [[Wikipedia:Bronze|Bronze]] gegossen, innen hohl und je 18 [[Wikipedia:Elle|Elle]]<ref name=Elle>Die [[Wikipedia:Elle|Elle]] entspricht dem Maß des Vorderarms vom Ellenbogen bis zur äußersten Spitze des Mittelfingers. Im ägyptischen System betrug die große, die "königliche" Elle 52,5 cm, die kleinste 45,8 cm. Nach dem babylonischen System betrugen diese Maße 51,8 cm bzw. 49,5 cm. 1 Elle = 2 Spannen; 1 Spanne = 3 Handbreiten; 1 Handbreite = 4 Fingerbreiten (siehe auch [[Wikipedia:Maße und Gewichte in der Bibel|Maße und Gewichte in der Bibel]])</ref> (etwa 8,2 m) hoch, hatten einen Umfang von 12 Ellen (etwa 5,47 m) und eine Wandstärke von 4 Fingerbreit (ca 7,6 cm):
Die '''Mathematik''' ([[Wikipedia:Altgriechische Sprache|griech.]] μαθηματική τέχνη ''mathēmatikē téchnē'': "die Kunst des Lernens, zum Lernen gehörig" oder μανθάνω ''manthánō'': "ich lerne") ist jene [[Wissenschaft]], die die Gesetzmäßigkeiten von [[Zahlen]] und [[Geometrie|geometrischen Figuren]] durch [[reines Denken]] mit innerer, sich selbst tragender Gewissheit zu ergründen sucht.
 
Nach [[Rudolf Steiner]] ist die Mathematik die erste Stufe der [[Hellsehen|übersinnlichen Anschauung]]. Aus diesem Grund hatten die [[Gnostiker]] auch ihre [[Mystik]] als [[Mathesis]] aufgefasst, weil die selbe [[Gedanke]]nklarheit wie in der Mathematik auch in der [[geist]]igen [[Erkenntnis]] herrschen sollte.


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13 Und der König Salomo sandte hin und ließ holen Hiram von Tyrus 14 - den Sohn einer Witwe aus dem Stamm Naftali, sein Vater aber war aus Tyrus gewesen -; der war ein Kupferschmied, voll Weisheit, Verstand und Kunst in allerlei Kupferarbeit. Der kam zum König Salomo und machte ihm alle seine Werke. 15 Er goss zwei Säulen aus Kupfer, jede achtzehn Ellen hoch, und eine Schnur von zwölf Ellen war das Maß um jede Säule herum. 16 Und er machte zwei Knäufe, aus Kupfer gegossen, oben auf die Säulen zu setzen; jeder Knauf war fünf Ellen hoch. 17 Und es war an jedem Knauf oben auf den Säulen Gitterwerk, sieben geflochtene Reifen wie Ketten. 18 Und er machte an jedem Knauf zwei Reihen Granatäpfel ringsumher an dem Gitterwerk, mit denen der Knauf bedeckt wurde. 19 Und die Knäufe oben auf den Säulen waren wie Lilien, jeder vier Ellen dick. 20 Und es waren zweihundert Granatäpfel in den Reihen ringsum, oben und unten an dem Gitterwerk, das um die Rundung des Knaufs her ging, an jedem Knauf auf beiden Säulen. 21 Und er richtete die Säulen auf vor der Vorhalle des Tempels; die er zur rechten Hand setzte, nannte er Jachin, und die er zur linken Hand setzte, nannte er Boas. 22 Und oben auf den Säulen war Lilienschmuck. So wurde vollendet das Werk der Säulen. {{Bibel|1 Kön|7|13|LUT}}
"Wer mit der richtigen Gesinnung an Mathematik sich
heranbegibt, der wird dazu kommen, gerade in dem
Verhalten des Menschen im Mathematisieren das Musterbild
zu sehen für alles dasjenige, was dann erreicht
werden soll für eine höhere, eine übersinnliche Anschauung.
Denn die Mathematik ist einfach die erste Stufe
übersinnlicher Anschauung. Dasjenige, was wir als mathematische
Strukturen des Raumes schauen, ist übersinnliche
Anschauung. Wir geben es nur nicht zu, weil
wir gewöhnt sind es hinzunehmen. Derjenige aber, der
die eigentliche Natur dieses Mathematisierens kennt, der
weiß, daß es zwar zunächst eine uns nicht sonderlich für
unsere ewige Menschennatur interessierende Wissenschaft
ist, was wir da mit der Raumesstruktur gegeben haben,
daß es aber durchaus den Charakter alles dessen vollständig
trägt, was man im anthroposophischen Sinne -
jetzt ohne nebulose Mystik, ohne verworrenen Okkultismus,
sondern einfach mit dem Ziele, in die übersinnlichen
Welten auf exakt-wissenschaftliche Weise hinaufzusteigen
-, was man im wahren Sinne des Wortes vom
Hellsehen verlangen kann.
 
Was Hellsehen auf höherem Gebiete ist, studieren
kann es jeder Mensch am Mathematisieren." {{Lit|{{G|082|60f}}}}
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Der Name der rechten Säule '''Jachin''' ({{HeS|יָכִין}}) bedeutet „''Ich'' (Gott) ''werde aufstehen!''“ oder „''Ich werde aufrichten!''“, die Bezeichnung der linken Säule '''Boas''' ({{HeS|בועז}}) bedeutet „''In ihm'' (Gott) ''ist Stärke!''“. In freimaurerischen Zusammenhängen wird jedoch zumeist die ''linke'' Säule Jakim genannt und die ''rechte'' Boas.
Die mathematische Begabung resultiert aus dem inneren [[Erleben]] der ''Knochenmechanik'', also des [[Gliedmaßen-System]]s bis in die [[Knochen]] hinein:


''Jakim'' kann auch als ''Säule der Geburt'' und ''Boas'' als ''Säule des Todes'' bezeichnet werden:
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"Ein Geometer wird einer, weil er das Gehirn deutlich erlebt. Und Mathematiker
werden wir dadurch, daß wir unsere Gliedmaßen bis ins Knochensystem
erleben. Nicht aus dem Nervensystem kommt die mathematische Begabung, im
Hirn ist nur die Spiegelung." {{Lit|{{G|217a|229}}}}
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[[Datei:Siegel 04 (Tafel X) AS.jpg|thumb|300px|[[Apokalyptische Siegel#Siegel IV|Das vierte apokalyptische Siegel]]]]
Darüber hinaus ist auch der [[Gleichgewichtssinn]] von großer Bedeutung für die mathematischen [[Fähigkeiten]]:


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"Es ist wirklich so, daß wir uns bewegen durch das Gesamtleben, wie die Sonne sich bewegt durch die zwölf Sternbilder. Wir treten in unser Leben ein, indem unser Bewußtsein für die Sinne gewissermaßen aufgeht bei der einen Weltensäule und untergeht bei der anderen Weltensäule. An diesen Säulen gehen wir vorüber, wenn wir am Sternenhimmel gewissermaßen von der Nachtseite in die Tagseite hineingehen. Darauf suchten denn nun auch diese okkulten oder symbolischen Gesellschaften immer hinzuweisen, indem sie die Säule der Geburt, die der Mensch passiert, wenn er eintritt in das Leben der Tagseite, Jakim nannten. Sie müssen diese Säule letzten Endes am Himmel suchen. Und dasjenige, was während des Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt Außenwelt ist, sind die Wahrnehmungen des über die ganze Welt verbreiteten Tastsinnes, wo wir nicht tasten, sondern getastet werden, wo wir fühlen, wie uns die geistigen Wesen überall berühren, während wir hier das andere berühren. Während des Lebens zwischen Tod und neuer Geburt leben wir in der Bewegung darinnen, so daß wir diese Bewegung so fühlen, wie wenn hier in uns ein Blutkörperchen oder ein Muskel seine Eigenbewegung fühlen würde. Im Makrokosmos fühlen wir uns uns bewegend zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, das Gleichgewicht fühlen wir, und im Leben des Ganzen fühlen wir uns darinnen. Hier ist unser Leben in unserer Haut abgeschlossen, dort aber fühlen wir uns im Gesamt-, im All-Leben drinnen und fühlen uns in jeder Lage uns selbst unser Gleichgewicht gebend. Hier gibt uns die Schwerkraft der Erde und unsere besondere Körperkonstitution das Gleichgewicht, und wir wissen eigentlich in der Regel nichts davon. Jederzeit fühlen wir das Gleichgewicht in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Das ist eine unmittelbare Empfindung, die andere Seite des Seelenlebens. Der Mensch tritt durch Jakim in das Erdenleben ein, versichernd durch Jakim: Dasjenige, was draußen im Makrokosmos ist, das lebt jetzt in dir, du bist jetzt ein Mikrokosmos, denn das heißt das Wort «Jakim»: In dir das über die Welt ausgegossene Göttliche.
"Da zeigte sich mir nämlich, daß das mathematische Denken, das ganze mathematische
Vorstellen etwas viel Objektiveres ist, als man eigentlich gewöhnlich
denkt; daß das ganze mathematische Vorstellen eigentlich etwas ist, was wie eine
Art Automat wirkt, und zwar so: die Gründe für dieses mathematische Vorstellen
sind, daß das gesamte mathematische Vorstellen in der Konstitution der ganzen
Erde liegt. Die Erde ist nämlich nicht jenes undifferenzierte Wesen, als welches
die Menschen theoretisch sich die Erde vorstellen. Sie ist außerordentlich
fein gegliedert und wirkt von innen heraus auf die Wesen, die sie bewohnen.


Boas, die andere Säule: der Eintritt durch den Tod in die geistige Welt. Dasjenige, was mit dem Worte Boas zusammengefaßt ist, bedeutet ungefähr: Das, was ich bisher in mir gesucht habe, die Stärke, die werde ich ausgegossen finden über die ganze Welt, in ihr werde ich leben." {{Lit|{{G|169|58ff}}}}
Nun hängt beim Menschen die mathematische Begabung vorzugsweise ab
von den drei Kanälen im Mittelohr, die mit dem Gleichgewicht etwas zu tun
haben, und es besteht für den Menschen eine Art Verbindung zwischen diesem
Organ im Ohr und zwischen dem gesamten das Rückenmark konstituierenden
Nervensystem. Wenn der Mensch nämlich mathematische Urteile fällt, so können
wir sehen, daß er viel mehr, als man gewöhnlich glaubt, Zuschauer ist. Die
mathematischen Urteile machen sich viel mehr selber, und der Mensch ist gerade
auf dem Gebiete der Mathematik mehr eine Art Automat. Daher gehört es
auch zu den Eigentümlichkeiten der Mathematik, daß man wirklich den Drang
hat, die ganze Mathematik zu einer Art Automat zu gestalten. Man zählt nur bis
zehn in unserem Zahlensystem, dann zählt man die Zehner und so weiter. Dadurch
wird das ganze Rechnen innerlich automatisiert. Es besteht wirklich eine
innere Gesetzmäßigkeit in den Zahlen, die in einer Art mathematischen Automatismus
an die Erde gebunden ist. Beim Menschen wirkt dieser Automatismus
nicht so stark, weil der Mensch herausgehoben ist aus diesem Automatismus
und die Urteilskraft doch eintritt und niederhält den ganzen mathematischen
Automatismus." {{Lit|Beiträge 114/115, S 66}}
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[[Rudolf Steiner]] gibt an, dass die beiden Säulen ein Symbol für die beiden Hälften der [[Erdentwicklung]], [[Mars]] - [[Merkur]], sind. Das Prinzip dieser beiden Säulen liegt auch dem vierten [[Apokalyptische Siegel|Siegel]]bild in der [[Offenbarung des Johannes]] zugrunde, hier allerdings in Gestalt eines [[Engel]]s mit Füßen wie Feuer''säulen''. Die linke Säule (''Jakim'') steht auf dem Meer, das die bewegte [[Astralwelt]] symbolisiert, die rechte (''Boas'') ruht auf dem festen Land:
Mathematische Fähigkeiten, ja die Schlagfertigkeit des [[Denken]]s überhaupt, schult man daher am besten über die Geschicklichkeit der Gliedmaßen-Tätigkeit - ein Prinzip, das in der [[Waldorfpädagogik]] besondere Beachtung findet:


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1 Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen, mit einer Wolke bekleidet, und der Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen. 2 Und er hatte in seiner Hand ein Büchlein, das war aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde, 3 und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er schrie, erhoben die sieben Donner ihre Stimme. {{Bibel|Offb|10|1|LUT}}
"Aber man muß wissen, wie eng ein
ordentliches Denken nicht bloß mit dem Gehirn und
dem Kopf des Menschen zusammenhängt, sondern mit
dem ganzen Menschen. Es hängt von der Art und Weise,
wie jemand denken gelernt hat, ab, welche Geschicklichkeit
er in den Fingern hat. Denn der Mensch denkt ja in
Wirklichkeit mit dem ganzen Leibe. Man glaubt nur
heute, er denke mit dem Nervensystem, in Wahrheit
denkt er mit dem ganzen Organismus. Und auch umgekehrt
ist es: Wenn man in richtiger Weise dem Kinde
Schlagfertigkeit im Denken, sogar bis zu einem gewissen
Grade Geistesgegenwart auf natürliche Weise beibringen
kann, arbeitet man für die körperliche Geschicklichkeit,
und wenn man bis in die Körperlichkeit hinein diese
Denkgeschicklichkeit treibt, dann kommt einem auch
die Geschicklichkeit der Kinder zu Hilfe. Es ist viel
wichtiger, was wir jetzt in der Waldorfschule eingerichtet
haben, daß die Kinder statt des gewöhnlichen
Anschauungsunterrichts im Handfertigkeitsunterricht
übergehen zum Selbstformen, wodurch sie in die Empfindung
hineinbekommen die künstlerische Gestaltung
der Fläche. Das leitet dann wiederum hinüber zur mathematischen
Auffassung der Fläche in späteren Jahrgängen.
Dieses Sich-Hineinleben in die Sachen nicht durch
bloßen Anschauungsunterricht für die Sinne, sondern
durch einen Zusammenlebe-Unterricht mit der ganzen
Umwelt, der für den ganzen Menschen erzielt wird, das
ist es, worauf hingearbeitet werden muß." {{Lit|{{G|077a|93}}}}
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== Siehe auch ==
{{Portal|Mathematik}}
* {{WikipediaDE|Mathematik}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Rudolf Steiner]]: ''Weltwesen und Ichheit'', [[GA 169]] (1963) {{Vorträge|169}}
#''Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe'', Heft 114/115, Dornach 1995
#Rudolf Steiner: ''Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben'', [[GA 77a]] (1997), ISBN 3-7274-0771-9 {{Vorträge|077a}}
#Rudolf Steiner: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
#Rudolf Steiner: ''Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend'', [[GA 217a]] (1981), ISBN 3-7274-2175-4 {{Vorträge|217a}}
#Ernst Schuberth: ''Der Anfangsunterricht in der Mathematik an Waldorfschulen. Aufbau, fachliche Grundlagen und menschenkundliche Gesichtspunkte'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7725-2563-6
#Ernst Schuberth: ''Der Mathematikunterricht in der 6. Klasse an Waldorfschulen. Teil 1: Vom Rechnen zur Algebra'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1995, ISBN 978-3772502668
#Ernst Schuberth: ''Der Mathematikunterricht in der 3.Klasse'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7725-2592-6
#Arnold Bernhard: ''Algebra: Für die siebte und achte Klasse an Waldorfschulen'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996, ISBN 978-3772502521
#Bengt Ulin: ''Der Lösung auf der Spur. Ziele und Methoden des Mathematikunterrichts. Erfahrungen aus der Waldorfpädagogik'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1987, ISBN 978-3772502484


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Tempel]] [[Kategorie:Salomonischer Tempel]] [[Kategorie:Kabbala]] [[Kategorie:Sephiroth]] [[Kategorie:Innere Strukturen der Sephiroth]]
== Weblinks ==
 
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/mathematik.html Projekt Mathematik] Website
 
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Version vom 23. März 2018, 10:04 Uhr

Die Mathematik (griech. μαθηματική τέχνη mathēmatikē téchnē: "die Kunst des Lernens, zum Lernen gehörig" oder μανθάνω manthánō: "ich lerne") ist jene Wissenschaft, die die Gesetzmäßigkeiten von Zahlen und geometrischen Figuren durch reines Denken mit innerer, sich selbst tragender Gewissheit zu ergründen sucht.

Nach Rudolf Steiner ist die Mathematik die erste Stufe der übersinnlichen Anschauung. Aus diesem Grund hatten die Gnostiker auch ihre Mystik als Mathesis aufgefasst, weil die selbe Gedankenklarheit wie in der Mathematik auch in der geistigen Erkenntnis herrschen sollte.

"Wer mit der richtigen Gesinnung an Mathematik sich heranbegibt, der wird dazu kommen, gerade in dem Verhalten des Menschen im Mathematisieren das Musterbild zu sehen für alles dasjenige, was dann erreicht werden soll für eine höhere, eine übersinnliche Anschauung. Denn die Mathematik ist einfach die erste Stufe übersinnlicher Anschauung. Dasjenige, was wir als mathematische Strukturen des Raumes schauen, ist übersinnliche Anschauung. Wir geben es nur nicht zu, weil wir gewöhnt sind es hinzunehmen. Derjenige aber, der die eigentliche Natur dieses Mathematisierens kennt, der weiß, daß es zwar zunächst eine uns nicht sonderlich für unsere ewige Menschennatur interessierende Wissenschaft ist, was wir da mit der Raumesstruktur gegeben haben, daß es aber durchaus den Charakter alles dessen vollständig trägt, was man im anthroposophischen Sinne - jetzt ohne nebulose Mystik, ohne verworrenen Okkultismus, sondern einfach mit dem Ziele, in die übersinnlichen Welten auf exakt-wissenschaftliche Weise hinaufzusteigen -, was man im wahren Sinne des Wortes vom Hellsehen verlangen kann.

Was Hellsehen auf höherem Gebiete ist, studieren kann es jeder Mensch am Mathematisieren." (Lit.: GA 082, S. 60f)

Die mathematische Begabung resultiert aus dem inneren Erleben der Knochenmechanik, also des Gliedmaßen-Systems bis in die Knochen hinein:

"Ein Geometer wird einer, weil er das Gehirn deutlich erlebt. Und Mathematiker werden wir dadurch, daß wir unsere Gliedmaßen bis ins Knochensystem erleben. Nicht aus dem Nervensystem kommt die mathematische Begabung, im Hirn ist nur die Spiegelung." (Lit.: GA 217a, S. 229)

Darüber hinaus ist auch der Gleichgewichtssinn von großer Bedeutung für die mathematischen Fähigkeiten:

"Da zeigte sich mir nämlich, daß das mathematische Denken, das ganze mathematische Vorstellen etwas viel Objektiveres ist, als man eigentlich gewöhnlich denkt; daß das ganze mathematische Vorstellen eigentlich etwas ist, was wie eine Art Automat wirkt, und zwar so: die Gründe für dieses mathematische Vorstellen sind, daß das gesamte mathematische Vorstellen in der Konstitution der ganzen Erde liegt. Die Erde ist nämlich nicht jenes undifferenzierte Wesen, als welches die Menschen theoretisch sich die Erde vorstellen. Sie ist außerordentlich fein gegliedert und wirkt von innen heraus auf die Wesen, die sie bewohnen.

Nun hängt beim Menschen die mathematische Begabung vorzugsweise ab von den drei Kanälen im Mittelohr, die mit dem Gleichgewicht etwas zu tun haben, und es besteht für den Menschen eine Art Verbindung zwischen diesem Organ im Ohr und zwischen dem gesamten das Rückenmark konstituierenden Nervensystem. Wenn der Mensch nämlich mathematische Urteile fällt, so können wir sehen, daß er viel mehr, als man gewöhnlich glaubt, Zuschauer ist. Die mathematischen Urteile machen sich viel mehr selber, und der Mensch ist gerade auf dem Gebiete der Mathematik mehr eine Art Automat. Daher gehört es auch zu den Eigentümlichkeiten der Mathematik, daß man wirklich den Drang hat, die ganze Mathematik zu einer Art Automat zu gestalten. Man zählt nur bis zehn in unserem Zahlensystem, dann zählt man die Zehner und so weiter. Dadurch wird das ganze Rechnen innerlich automatisiert. Es besteht wirklich eine innere Gesetzmäßigkeit in den Zahlen, die in einer Art mathematischen Automatismus an die Erde gebunden ist. Beim Menschen wirkt dieser Automatismus nicht so stark, weil der Mensch herausgehoben ist aus diesem Automatismus und die Urteilskraft doch eintritt und niederhält den ganzen mathematischen Automatismus." (Lit.: Beiträge 114/115, S 66)

Mathematische Fähigkeiten, ja die Schlagfertigkeit des Denkens überhaupt, schult man daher am besten über die Geschicklichkeit der Gliedmaßen-Tätigkeit - ein Prinzip, das in der Waldorfpädagogik besondere Beachtung findet:

"Aber man muß wissen, wie eng ein ordentliches Denken nicht bloß mit dem Gehirn und dem Kopf des Menschen zusammenhängt, sondern mit dem ganzen Menschen. Es hängt von der Art und Weise, wie jemand denken gelernt hat, ab, welche Geschicklichkeit er in den Fingern hat. Denn der Mensch denkt ja in Wirklichkeit mit dem ganzen Leibe. Man glaubt nur heute, er denke mit dem Nervensystem, in Wahrheit denkt er mit dem ganzen Organismus. Und auch umgekehrt ist es: Wenn man in richtiger Weise dem Kinde Schlagfertigkeit im Denken, sogar bis zu einem gewissen Grade Geistesgegenwart auf natürliche Weise beibringen kann, arbeitet man für die körperliche Geschicklichkeit, und wenn man bis in die Körperlichkeit hinein diese Denkgeschicklichkeit treibt, dann kommt einem auch die Geschicklichkeit der Kinder zu Hilfe. Es ist viel wichtiger, was wir jetzt in der Waldorfschule eingerichtet haben, daß die Kinder statt des gewöhnlichen Anschauungsunterrichts im Handfertigkeitsunterricht übergehen zum Selbstformen, wodurch sie in die Empfindung hineinbekommen die künstlerische Gestaltung der Fläche. Das leitet dann wiederum hinüber zur mathematischen Auffassung der Fläche in späteren Jahrgängen. Dieses Sich-Hineinleben in die Sachen nicht durch bloßen Anschauungsunterricht für die Sinne, sondern durch einen Zusammenlebe-Unterricht mit der ganzen Umwelt, der für den ganzen Menschen erzielt wird, das ist es, worauf hingearbeitet werden muß." (Lit.: GA 077a, S. 93)

Siehe auch

Portal
Portal
 Wikipedia:Portal: Mathematik – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Mathematik

Literatur

  1. Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 114/115, Dornach 1995
  2. Rudolf Steiner: Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben, GA 77a (1997), ISBN 3-7274-0771-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Damit der Mensch ganz Mensch werde, GA 82 (1994), ISBN 3-7274-0820-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend, GA 217a (1981), ISBN 3-7274-2175-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Ernst Schuberth: Der Anfangsunterricht in der Mathematik an Waldorfschulen. Aufbau, fachliche Grundlagen und menschenkundliche Gesichtspunkte, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7725-2563-6
  6. Ernst Schuberth: Der Mathematikunterricht in der 6. Klasse an Waldorfschulen. Teil 1: Vom Rechnen zur Algebra, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1995, ISBN 978-3772502668
  7. Ernst Schuberth: Der Mathematikunterricht in der 3.Klasse, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7725-2592-6
  8. Arnold Bernhard: Algebra: Für die siebte und achte Klasse an Waldorfschulen, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1996, ISBN 978-3772502521
  9. Bengt Ulin: Der Lösung auf der Spur. Ziele und Methoden des Mathematikunterrichts. Erfahrungen aus der Waldorfpädagogik, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1987, ISBN 978-3772502484
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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