Exerzitien

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Exerzitien sind geistliche Übungen, die abseits des alltäglichen Lebens zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit Gott führen sollen. Sie werden einzeln oder in Gruppen durchgeführt und können von einigen Stunden bis mehrere Wochen oder Monate dauern. Grundlegende Elemente sind Gebet (insbesondere das Jesusgebet), Meditation, Lectio divina, Fasten, Schweigen, Gespräche mit einem Exerzitienbegleiter und körperliche oder künstlerische Betätigung (Ora et labora, Ikonographie).

Geschichtliche Entwicklung

Als älteste Form christliche Exerzitien lässt sich das eremitische Leben der Wüstenväter betrachten.

Prägend für den Wortgebrauch wie für die Praxis sind die Ignatianischen Exerzitien, die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola. Der Gründer der Gesellschaft Jesu versuchte, darin seine eigenen geistlichen Erfahrungen anderen zugänglich zu machen. Dazu lud er Freunde und andere an einer radikaleren Nachfolge Jesu Interessierte ein, sich für eine Zeit zurückzuziehen und unter seiner Anleitung dem Gebet, der Meditation und Unterscheidung der Geister zu widmen.

Mit der Apostolischen Konstitution Summorum Pontificum vom 25. Juli 1922 erklärte Papst Pius XI. den Heiligen Ignatius von Loyola zum Schutzpatron aller geistigen Exerzitien.

Benediktinische und weitere klassische Exerzitienformen

Es gibt heute viele Formen von geistlichen Übungen, „Exerzitien“. Ein Beispiel sind benediktinische Exerzitien, in denen die lectio divina, die geistliche Schriftlesung, das „wiederkäuende Betrachten“ biblischer oder anderer geistlicher Texte geübt wird, das gemeinsame Stundengebet und die Pflege des Schweigens eingeübt werden. Andere Formen sind Exerzitien nach Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, bei denen das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit im Mittelpunkt steht, franziskanische Exerzitien, die Inspirationen des Heiligen Franz von Assisi aufnehmen, oder verschiedene Formen von kontemplativen Exerzitien, die Elemente der christlichen Mystik und fernöstlicher Spiritualität (Zen, Yoga) verbinden.

Exerzitien in Protestantismus und Orthodoxie

Eine neue Entwicklung ist es, dass auch im Rahmen evangelischer und orthodoxer Kirchen Exerzitien angeboten werden; bisweilen führen sie in der evangelischen Kirche die Bezeichnung „Rüstzeit“. In der Vergangenheit wurden in evangelischen Kirchen Exerzitien eher abgelehnt, da der Übungscharakter mit der Gefahr der Werkgerechtigkeit verbunden und im Gegensatz zum reinen Gnadencharakter der Erlösung (sola gratia) gesehen wurde.[1] Auf orthodoxer Seite ist es die Skepsis gegenüber einer zu großen Unabhängigkeit des Individuums von kirchlicher Autorität, die gegenüber ignatianischen Exerzitien, die die Unmittelbarkeit des Individuums in seiner Beziehung zu Gott fördern wollen, zurückhaltend bis ablehnend sein lässt.

Neuere Exerzitienformen

  • Exerzitien im Alltag, regelmäßige Treffen mit Impulsen und Gesprächen, während das alltägliche Leben mit Arbeit und Familie ganz normal weitergeht. Die Teilnehmer sind eingeladen, Zeiten des Gebetes in ihren Alltag zu gestalten.
  • Die Benediktiner Georg Eisenstein und Sebastian Debour bieten in der Abtei Gerleve seit Anfang der 1990er Jahre „Gestalt-Exerzitien“ als pastoralpsychologisch orientierte Kleingruppen-Exerzitien auf der Basis der Gestalttherapie an.
  • Der Jesuit Christian Herwartz aus Berlin bot zunächst in Berlin „Exerzitien auf der Straße“ an.[2] Inzwischen gibt es diese Form der Exerzitien auch in anderen Städten.[3] Die Teilnehmenden lassen sich ungeplant von Orten der jeweiligen (Groß-)Stadt herausfordern, wie Mose, der mit seiner Herde über die Steppe hinaus in die Wüste zog und auf einen brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch traf. Auf dem Weg spürte er, dass er sich auf heiligem Boden befand. Dort wollte Gott mit ihm sprechen. (ExEU) Im respektvollen Sehen und Hören wollen die Übenden diese besonderen Orte in der Stadt wahrnehmen, wo sie „ihre Schuhe ausziehen können“, um ganz vor der Barmherzigkeit Gottes zu stehen, dem sie im Hungrigen, Gefangenen, Fremden, abseits Stehenden begegnen und dabei Heilung von Ängsten und Sorgen finden.
  • Bei „Online-Exerzitien“ leben die Teilnehmenden wie bei Exerzitien im Alltag zu Hause und gehen ihrer gewöhnlichen Betätigung nach. Vier Wochen lang bekommen sie täglich per E-Mail einen kurzen Impuls zugeschickt, der kurz genug ist, um sich tagsüber im Kopf damit beschäftigen zu können. Abends sollte Zeit für einen kurzen Tagesrückblick sein, und einmal pro Woche korrespondiert der Teilnehmer mit seinem Begleiter der Exerzitien. Die Begleiter sind Jesuiten und andere Theologinnen und Theologen.[4]
  • Die katholischen Theologen Alexandra Pook und Thomas Harling halten seit 2009 u. a. in den Benediktinerabteien Münsterschwarzach und Gerleve „Exerzitien für Atheisten, Andersgläubige und Suchende“. Ihre Idee ist, die klassischen Formen und Rituale der Exerzitien Menschen als Erfahrungs- und Übungsweg anzubieten, ohne einen christlichen Glauben vorauszusetzen.
  • Wanderexerzitien
  • Wüstenexerzitien

Literatur

Wanderexerzitien

  • Knut Waldau/Helmut Betz: Berge sind stille Meister. Spirituelle Begleitung beim Weg durchs Gebirge. München 2003

Karmelitanische Exerzitien

  • Sr. Veronika Elisabeth Schmitt OCD: Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz. Pneuma, München 2009, ISBN 978-3-942013-02-4.

Exerzitien im Alltag

  • Anselm Grün: Exerzitien für den Alltag. Münsterschwarzach 2009, ISBN 978-3-89680-424-2.
  • Michael Hettich: Den Glauben im Alltag einüben. Genese und Kriterien der ignatianischen Exerzitien im Alltag. Würzburg 2007, ISBN 978-3-429-03109-1.

Exerzitien auf der Straße

  • Christian Herwartz: Auf nackten Sohlen – Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2006, ISBN 3-429-02839-6.
  • Christian Herwartz: Brennende Gegenwart – Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2011, ISBN 978-3-429-03428-3.

Weblinks

 Wikisource: Catholic Encyclopedia (1913)/Retreats – Quellen und Volltexte (english)

Einzelnachweise


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Exerzitien aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.