Phasenraum und Starke Wechselwirkung: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Phasenraum''' beschreibt die Menge aller möglichen [[Zustand (Physik)|Zustände]] eines [[Dynamisches System|dynamischen Systems]]. Ein Zustand wird durch einen Punkt im Phasenraum eindeutig abgebildet. In der [[Mechanik]] besteht er aus [[Generalisierte Koordinate|(verallgemeinerten) Ortskoordinaten]] ([[Konfigurationsraum]]) und zugehörigen [[Generalisierter Impuls|(verallgemeinerten) Impulsen]] (siehe [[Hamilton-Mechanik]]).
[[Datei:Gluon_coupling.svg|mini|400px|[[Feynman-Diagramm|Feynman-Diagramme]] zu den fundamentalen Kopplungsmöglichkeiten der starken Wechselwirkung, von links nach rechts: Abstrahlung eines Gluons, Aufspaltung eines Gluons und „Selbstkopplung“ der Gluonen.]]


== Hauptteil ==
Die '''starke Wechselwirkung''' (auch '''starke Kraft''', '''Gluonenkraft''', '''Farbkraft''', aus historischen Gründen '''Kernkraft''' oder '''starke Kernkraft''' genannt) ist eine der vier [[Fundamentale Wechselwirkung|Grundkräfte der Physik]]. Mit ihr wird die [[Gebundener Zustand|Bindung]] zwischen den [[Quark (Physik)|Quarks]] in den [[Hadron]]en erklärt. Ihre [[Austauschteilchen]] sind die [[Gluon]]en.
Bei <math>n</math> [[Freiheitsgrad|Freiheitsgraden]] (Anzahl generalisierter Koordinaten oder Ortskoordinaten) ist der Phasenraum <math>2n</math>-dimensional. Beispielsweise hat ein Gasteilchen im dreidimensionalen Raum <math>n =3</math> Freiheitsgrade, mit den zugehörigen Impulsen sind das <math>6</math> Phasenraumkoordinaten. Ein System (Gas) von <math>N</math> Teilchen hat einen <math>6N</math>-dimensionalen Phasenraum. Es werden aber auch Phasenräume in anderen Anwendungen außerhalb der Mechanik untersucht.


Die zeitliche Entwicklung eines Punktes im Phasenraum wird durch Differentialgleichungen beschrieben und durch [[Trajektorie (Mathematik)|Trajektorie]]n (Bahnkurven, Orbit) im Phasenraum dargestellt. In der Hamilton-Mechanik sind dies Differentialgleichungen erster Ordnung in der Zeit ([[kanonische Gleichungen]]) und durch einen Anfangspunkt eindeutig festgelegt (ist die [[Hamilton-Funktion]] zeitunabhängig, sind dies [[autonome Differentialgleichung]]en). Dementsprechend kreuzen sich zwei Trajektorien im Phasenraum auch nicht,<ref>Es kann allerdings der Fall auftreten, dass im Phasenraumportrait zwei Kurven einander schneiden wie die Separatrix beim Pendel, der Kreuzungspunkt wird aber bei der Bewegung auf Trajektorien des Systems nicht erreicht.</ref> da an einem Kreuzungspunkt der weitere Verlauf nicht eindeutig ist. Geschlossene Kurven beschreiben [[Schwingung|oszillierende]] (periodische) Systeme.
Vor der Einführung des Quark-Modells wurde als starke Wechselwirkung die Anziehungskraft zwischen den [[Nukleon]]en ([[Proton]]en und [[Neutron]]en) des [[Atomkern]]s bezeichnet. Auch heute noch ist mit der starken Wechselwirkung oft nur diese ''Restwechselwirkung'' gemeint.
[[File:Pendulum phase portrait illustration.svg|thumb|300px|right|Konstruktion eines Phasen(raum)portraits für ein [[mathematisches Pendel]]]]
Für Systeme mit bis zu drei Variablen kann der Phasenraum graphisch dargestellt werden. Insbesondere für zwei Variable kann man so die Bewegung (Trajektorien, Phasenraumfluss als [[Vektorfeld]]) in einem ''Phasenraumportrait'' oder ''Phasenportrait'' anschaulich darstellen und qualitativ analysieren (''Phasenraumanalyse,'' [[#Nullkline|Nullklinen]] und [[Kritischer Punkt (Dynamik)|Fixpunkte]]).


Der historische Ursprung der Verwendung von Phasenräumen wird häufig auf [[Joseph Liouville]] zurückgeführt&nbsp;– wegen des [[Satz von Liouville (Physik)|Satzes von Liouville]] (1838), dass bei [[Konservative Kraft|konservativen]] Systemen (mit Energieerhaltung) das Phasenraumvolumen benachbarter Trajektorien zeitlich konstant ist. Liouville hatte aber kein mechanisches System im Auge, sondern bewies den Satz für allgemeine gewöhnliche Differentialgleichungen erster Ordnung, die Verbindung zur Mechanik schlug erst [[Carl Gustav Jacobi]] vor.<ref>David Nolte: ''The tangled tale of phase space.'' Physics Today, April 2010, S. 33.</ref> Das Phasenraumkonzept entstand erst, nachdem im weiteren Verlauf des 19.&nbsp;Jahrhunderts die Geometer zur Betrachtung höherdimensionaler Räume übergegangen waren und die erste Verwendung des Phasenraums im heutigen Sinn war bei [[Ludwig Boltzmann]] 1872<ref>Boltzmann, Wien. Ber., 66, 1872, S. 275.</ref> im Rahmen seiner Untersuchungen der [[Statistische Mechanik|statistischen Mechanik]], was 1879 von [[James Clerk Maxwell]] übernommen wurde<ref>Maxwell, Trans. Cambridge Phil. Soc., Band 12, 1879, S. 547.</ref>. Das Konzept fand dann Verwendung in den Vorlesungen von Boltzmann und [[Josiah Willard Gibbs]] zur statistischen Mechanik, im Artikel zur statistischen Mechanik in der [[Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften]] von 1911 von [[Paul Ehrenfest]] und [[Tatjana Ehrenfest]] (die die Bezeichnung <math>\Gamma</math> für den Phasenraum einführten) und in der qualitativen Theorie der Differentialgleichungen durch [[Henri Poincaré]].
== Bindung zwischen Quarks ==
[[Datei:Neutron QCD Animation.gif|miniatur|150px|Wechselwirkung innerhalb eines Neutrons (Beispiel). Die Gluonen sind dargestellt als Punkte mit der [[Farbladung]] im Zentrum und der Antifarbe am Rand.]]


Ein dynamisches System, dessen Trajektorien den gesamten Phasenraum ausfüllen, also jedem Punkt im Phasenraum beliebig nahe kommen, nennt man [[Ergodizität|ergodisch]], siehe auch [[Ergodenhypothese]]. Bei konservativen mechanischen Systemen (abgeschlossene Systemen) ist nach dem Satz von Liouville das Phasenraumvolumen benachbarter Trajektorien zeitlich konstant, bei [[Dissipatives System|dissipativen Systemen]] nimmt es ab (offene Systeme).
Nach der [[Quantenchromodynamik]] (im Folgenden: QCD) wird die starke Wechselwirkung – wie die [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetische]] und die [[schwache Wechselwirkung]] – durch den Austausch von [[Eichboson]]en beschrieben. Die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung werden als [[Gluon]]en bezeichnet, von denen es acht Sorten (unterschiedliche [[Farbladung]]s<nowiki />zustände) gibt. Die Gluonen übertragen eine Farbladung zwischen den Quarks. Ein Gluon kann dabei mit anderen Gluonen interagieren und Farbladungen austauschen.


Mathematisch ist der Phasenraum der Hamiltonschen Mechanik ein Beispiel für eine [[Symplektische Geometrie]] und die Hamiltonsche Mechanik nach den Worten von [[Wladimir Arnold]] ''ist die Geometrie des Phasenraums''<ref>Arnold: ''Mathematical methods of classical mechanics.'' Springer, 1989, S. 161.</ref>. Da die Impulse als Ableitungen der Hamiltonfunktion nach den generalisierten Koordinaten definiert sind, ist der Phasenraum dort ein [[Kotangentialbündel]] über dem Konfigurationsraum.
[[Datei:Strong Interaction Potential.svg|miniatur|Potential zwischen zwei Quarks in Abhängigkeit ihres Abstands. Zusätzlich sind die mittleren Radien verschiedener Quark-Antiquark-Zustände gekennzeichnet.]]
Die Anziehungskraft zwischen Quarks bleibt auch bei steigender Entfernung konstant, anders als z.&nbsp;B. bei der [[Coulombsches Gesetz|Coulombkraft]], bei der es mit steigendem Abstand immer leichter wird, zwei sich anziehende Teilchen zu trennen. Sie ist damit grob vergleichbar mit einem Gummiseil oder einer [[Zugfeder]]. Wird der Abstand zu groß, „reißt“ das Seil in dieser Analogie und es wird ein [[Meson]] gebildet durch Erzeugung eines Quark-Antiquark-Paares aus dem Vakuum. Bei kleinem Abstand können die Quarks wie [[Freies Teilchen|freie Teilchen]] betrachtet werden ([[asymptotische Freiheit]]). Mit größerem Abstand bewirkt die zunehmende Wechselwirkungsenergie, dass die Quarks den Charakter selbstständiger Teilchen verlieren, weswegen sie nicht als freie Teilchen beobachtet werden können ([[Confinement]]).


In der Quantenmechanik drückt die [[Heisenbergsche Unschärferelation]] eine ''[[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]]'' des Phasenraums aus. In der älteren Quantentheorie erfolgt dies durch die [[Bohr-sommerfeldsches Atommodell|Bohr-Sommerfeld Quantisierung]]. Übergänge von Verteilungsfunktionen vom klassischen zum quantenmechanischen Phasenraum (und umgekehrt) liefern die [[Wigner-Funktion]] und [[Weyl-Quantisierung]].
== Bindung zwischen Nukleonen ==
Obwohl Nukleonen immer die Farbladung null haben, gibt es zwischen ihnen eine ''Restwechselwirkung'' oder ''Kernkraft'' (entfernt vergleichbar den [[Van-der-Waals-Kräfte]]n, die man als elektromagnetische Restwechselwirkungen zwischen elektrisch neutralen [[Atom]]en und/oder [[Molekül]]en ansehen kann).


== Beispiel einer Phasenraumanalyse ==
Die Reichweite der Anziehung durch die Restwechselwirkung liegt bei etwa 2,5&nbsp;[[Femtometer]]n (fm). Bei diesem Wert des Abstands <math>r</math> ist sie vergleichbar stark wie die elektrische Abstoßung ([[Coulombsches Gesetz|Coulombkraft]]) zwischen den Protonen und bei kürzeren Abständen ist sie stärker als die Coulombkraft. Oberhalb dieses Abstandes dagegen nimmt die Anziehung schneller ab als die Coulombkraft, die proportional zu <math>1/r^2</math> sinkt. Dieses Zusammenspiel der beiden Grundkräfte erklärt den Zusammenhalt und die Größenordnung der Atomkerne, aber z.&nbsp;B. auch die [[Kernspaltung|Spaltung schwerer Kerne]].
[[Datei:Phasenportraet mit vektorfeld.svg|mini|Phasenportrait des gedämpften Feder-Masse-Schwingers mit [[Vektorfeld]] und Trajektorie]]
[[Datei:Van der pols equation phase portrait.jpg|miniatur|Phasenportrait des [[Van-der-Pol-System|van-der-Pol-Oszillators]] mit Vektorfeld und typischen Trajektorien]]


Das Phasenraumportrait gibt eine Möglichkeit, die zeitlichen Entwicklungen dynamischer Systeme graphisch zu analysieren. Dazu werden nur die dynamischen Gleichungen des Systems benötigt, eine explizite Darstellung der Zeitentwicklung, etwa durch analytisches Lösen einer Differentialgleichung, ist nicht nötig.
Auf sehr kurze Abstände wirkt die Kernkraft abstoßend, entsprechend einem harten Kern (Hard Core) von 0,4 bis 0,5 fm. Außerdem ist sie Spin-abhängig: sie ist stärker bei parallelen Spins als bei antiparallelen, so dass das [[Deuteron]] (bestehend aus einem Neutron und einem Proton) nur für parallele Spins (Gesamtspin 1) gebunden ist, und [[Diproton]] und [[Dineutron]] (mit antiparallelen Spins aufgrund des [[Pauli-Prinzip]]s) nicht gebunden sind. Neben dem Zentralpotential-Anteil und dem Spin-Spin-Wechselwirkungsanteil hat sie auch einen Tensoranteil und einen Spin-Bahn-Anteil.


Als Beispiel folgen einige Elemente der Phasenraumanalyse in einem zweidimensionalen System <math>{x, y}</math>, das durch die Differentialgleichungen (<math>x'=\frac {\mathrm dx}{\mathrm dt}</math>, <math>y'=\frac {\mathrm dy}{\mathrm  dt}</math>)
Vor der Einführung des Quark-Modells wurden die Restwechselwirkung und ihre geringe Reichweite mit einer [[Effektive Theorie|effektiven Theorie]] erklärt: durch den [[Pion #Das Pion-Austauschmodell|Austausch von Pionen zwischen den Nukleonen]] ([[Yukawa-Potential]]) und die Masse der Pionen. Außerdem wurde in den Nukleon-Nukleon-Potential-Modellen der Austausch weiterer Mesonen berücksichtigt (wie dem [[Rho-Meson]]). Da Berechnungen der Kernkraft mit der QCD bisher nicht möglich sind, benutzt man zum Beispiel in der Beschreibung der Nukleon-Nukleon-Streuung verschiedene phänomenologisch angepasste Potentiale, die auf Mesonenaustauschmodellen basieren (wie das Bonn-Potential).
:<math>x' = f(x,y)</math>
:<math>y' = g(x,y)</math>
beschrieben ist:


* Einzeichnen des ''Vektorfelds der Dynamik:'' Für ein Raster von Punkten wird die Richtung der Bewegung im Phasenraum durch Pfeile dargestellt. Folgt man nun ausgehend von einem bestimmten Startpunkt dem Pfeil, kommt man zu einem neuen Punkt, wo man dieses Vorgehen wiederholen kann. So kann man anhand des Vektorfelds zusätzlich typische Trajektorien in das Phasenraumportrait einzeichnen, die das qualitative Verhalten der zeitlichen Entwicklung einzuschätzen helfen. Beim [[Van-der-Pol-System|van-der-Pol-Oszillator]] zum Beispiel laufen alle Trajektorien auf einen [[Grenzzyklus]] zu, was sich anhand von Beispieltrajektorien innerhalb und außerhalb des Zyklus illustrieren lässt. Für einfache dynamische Systeme kann man Vektorfeld und Beispieltrajektorien oft mit der Hand einzeichnen, bei komplexeren Systemen kann dies durch Computerprogramme geschehen.
=== Erklärung der Restwechselwirkung ===
[[Datei:Pn scatter pi0.svg|miniatur|300px|[[Feynman-Diagramm]] einer starken [[Proton]]-[[Neutron]]-Wechselwirkung vermittelt durch ein neutrales [[Pion]]. Die Zeit-Achse verläuft von links nach rechts.]]


{{Anker|Nullkline}}
[[Datei:Pn Scatter Quarks.svg|miniatur|300px|Dasselbe Diagramm mit den einzelnen Konstituenten-[[Quark (Physik)|Quarks]] gezeigt, um darzustellen, wie die ''fundamentale'' starke Wechselwirkung eine „Kernkraft“ erzeugt. Gerade Linien sind Quarks, vielfarbige Schleifen [[Gluonen]] (Träger der [[Grundkräfte der Physik|Grundkraft]]). Andere Gluonen, welche Proton, Neutron und Pion (im „Flug“) zusammenhalten, sind nicht dargestellt.]]
* Einzeichnen der ''Nullklinen:'' Eine Nullkline bezeichnet eine Kurve im Phasenraum, entlang der sich eine der dynamischen Variablen nicht ändert. Im Fall des obigen zweidimensionalen Systems ist die x-Nullkline durch die Bedingung <math>x' =f (x, y) = 0</math> und die y-Nullkline durch <math>y' = g(x, y) = 0</math> definiert. Diese Gleichungen lassen sich häufig auch dann nach einer der Variablen auflösen, wenn die Gesamtdynamik nicht analytisch integriert werden kann.


* Bestimmen von ''Fixpunkten'' und ihrer ''Stabilität:'' Als [[Kritischer Punkt (Dynamik)|Fixpunkte]] werden Zustände bezeichnet, die sich mit der Zeit nicht ändern. Solche Fixpunkte entsprechen den Kreuzungspunkten der [[Nullkline]]n im Phasenraum. Im obigen zweidimensionalen System erklärt sich das dadurch, dass an so einem Kreuzungspunkt die Bedingung <math>g(x,y) = f(x,y) = 0</math> erfüllt ist. Durch eine [[Stabilitätstheorie#Stabilitätsanalyse linearer und nichtlinearer Systeme|lineare Stabilitätsanalyse]] kann auch bestimmt werden, ob Trajektorien in der Nähe dieser Punkte angezogen oder abgestoßen werden.
[[Datei:Nuclear Force anim smaller.gif|miniatur|350px|Eine Animation der Wechselwirkung, die zwei kleinen farbigen Punkte sind Gluonen. Anti-Farben können [[:Datei:Quark Anticolours.png|diesem Diagramm]] entnommen werden. ([//upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/de/Nuclear_Force_anim.gif größere Version])]]


{{Anker|Separatrix}}
Zwischen Atomen ist das abstoßende [[Potential (Physik)|Potential]] bei kleinen Abständen eine Folge des [[Pauli-Prinzip]]s für die [[Elektron]]en<nowiki />zustände. Bei Annäherung zweier Nukleonen mit sechs Quarks hat jedes Quark aber erheblich mehr Freiheitsgrade im niedrigsten Zustand (Bahndrehimpuls l=0): neben [[Spin]] (2&nbsp;Zustände) noch eine Farbladung (3&nbsp;Zustände) und [[Isospin]] (2&nbsp;Zustände), zusammen also 12, auf die sich die sechs Quarks nach dem Pauli-Prinzip verteilen können.<ref>Die Gesamtwellenfunktion ist antisymmetrisch und damit muss, da der Farbanteil immer antisymmetrisch ist (Gesamtfarbladung Null) bei symmetrischer Raum-Wellenfunktion (Bahndrehimpuls 0) der Spin-Isospin-Anteil auch symmetrisch sein</ref> Das Pauli-Prinzip ist hier nicht unmittelbar für die Abstoßung verantwortlich, die sich unterhalb etwa 0,8 fm bemerkbar macht. Der Grund liegt vielmehr in der starken Spin-Spin-Wechselwirkung der Quarks, die sich augenfällig darin ausdrückt, dass die [[Delta-Resonanz]] (mit parallelen Spins der drei Quarks) eine um etwa ein Drittel höhere Masse als das Proton hat. Stehen also die Spins der Quarks parallel zueinander, so nimmt die [[potentielle Energie]] des Systems zu. Dies gilt auch bei sich überlappenden Nukleonen, und zwar umso stärker, je geringer der Abstand der Nukleonen voneinander ist. Versuchen die Quarks durch Umkehrung des Spins ihre ''chromomagnetische'' Energie zu minimieren, gelingt dies nur durch Übergang in einen energetisch höheren Bahndrehimpulszustand (l=1).<ref>Diskussion nach Povh, Rith, Schulze, Zetsche ''Teilchen und Kerne'', S. 250f, dort nach [[Amand Fäßler]]</ref>  
* Finden von ''Separatrizen:'' Als ''Separatrix'' (abgeleitet von lat. ''{{lang|la|separare}}'' „trennen“) wird eine [[Kurve (Mathematik)|Kurve]] bzw. ([[Hyperfläche|Hyper]]-) [[Fläche (Mathematik)|Fläche]] bezeichnet, die Phasenraumgebiete mit unterschiedlichem (Langzeit-) Verhalten voneinander trennt.<ref>{{Literatur |Autor=Steven H. Strogatz |Titel=Nonlinear Dynamics And Chaos |Seiten=159 |Datum=2000 |Verlag=Westview Press |ISBN=9780738204536}}</ref> Gibt es beispielsweise zwei Fixpunkte, die Trajektorien anziehen, gibt es unter Umständen eine Separatrix, die die beiden Einzugsbereiche voneinander trennt. Mit den Orten und der Stabilität aller Fixpunkte bzw. mit dem ''Vektorfeld der Dynamik'' können in geeigneten Fällen die Separatrizen ohne weitere Berechnungen gefunden werden.
 
Mit noch größerem Abstand voneinander gelangen die Nukleonen in den anziehenden Teil der starken Wechselwirkung. Hierbei spielt weniger der Quark-Quark-Austausch (zwei Quarks sind gleichzeitig beiden beteiligten Nukleonen zugeordnet), den man in Analogie zur [[Kovalente Bindung|kovalenten Bindung]] erwartet, eine Rolle, als vielmehr der von farbneutralen Quark-Antiquark-Paaren (Mesonen) aus dem ''[[Seequark]]''-Anteil der Nukleonwellenfunktion in der QCD.
 
Eine vollständige Beschreibung der Kernkraft aus der Quantenchromodynamik ist jedoch bisher nicht möglich.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Phasenraum}}
* {{WikipediaDE|Starke Wechselwirkung}}
* {{WikipediaDE|Zustandssumme}}
* {{WikipediaDE|Zustandsraum (Mechanik)}}
* {{WikipediaDE|Impulsraum}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Y. S. Kim: ''The physics of phase space.'' Springer, Berlin 1987, ISBN 3-540-17894-5.
* Manfred Böhm, Ansgar Denner, Hans Joos: ''Gauge theories of the strong and electroweak interaction'', Teubner-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-519-23045-8 (deutsches Original: Becher-Böhm-Joos, ''Eichtheorien der starken und elektroschwachen Wechselwirkung'') – ein Standardwerk für die Theorie
* Cosmas K. Zachos: ''Quantum mechanics in phase space – an overview with selected papers.'' World Scientific, Singapore 2005, ISBN 978-981-238-384-6.
* Bogdan Povh, Klaus Rith, Christoph Scholz, Frank Zetsche ''Teilchen und Kerne'', 8. Auflage, Springer Verlag 2009
* V. Arnold: ''Mathematical methods of classical mechanics.'' Springer 1989.
* Wolfgang Wild ''Kernkräfte und Kernstruktur'', Teil 1,2, Physikalische Blätter 1977, S. 298, 356, [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/phbl.19770330703/abstract Teil 1], [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/phbl.19770330804/abstract Teil 2]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.scholarpedia.org/article/State_space ''State space.''] In: ''Scholarpedia.org.'' (Englisch, inkl. Literaturangaben).
* Marc Gänsler: [http://www.drillingsraum.de/4_grundkraefte_physik/4_grundkraefte_physik.html ''Die starke Wechselwirkung''.] In: ''Einführung: Die 4 Grundkräfte der Physik'', abgerufen 30. Januar 2009.
* [http://www.physicsmasterclasses.org/exercises/kworkquark/de/kennenlernen/artikel.teilchen-und-kraefte-3/9/1/index.html ''Gluonen und die starke Kraft''.] DESYs Kwork Quark, ''»Teilchenphysik für alle«''


== Einzelnachweise ==
==Einzelnachweise==
<references />
<references />


[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]]
[[Kategorie:Theorie dynamischer Systeme]]
[[Kategorie:Atomphysik]]
[[Kategorie:Statistische Physik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Physik]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 1. Januar 2019, 04:59 Uhr

Feynman-Diagramme zu den fundamentalen Kopplungsmöglichkeiten der starken Wechselwirkung, von links nach rechts: Abstrahlung eines Gluons, Aufspaltung eines Gluons und „Selbstkopplung“ der Gluonen.

Die starke Wechselwirkung (auch starke Kraft, Gluonenkraft, Farbkraft, aus historischen Gründen Kernkraft oder starke Kernkraft genannt) ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Mit ihr wird die Bindung zwischen den Quarks in den Hadronen erklärt. Ihre Austauschteilchen sind die Gluonen.

Vor der Einführung des Quark-Modells wurde als starke Wechselwirkung die Anziehungskraft zwischen den Nukleonen (Protonen und Neutronen) des Atomkerns bezeichnet. Auch heute noch ist mit der starken Wechselwirkung oft nur diese Restwechselwirkung gemeint.

Bindung zwischen Quarks

Wechselwirkung innerhalb eines Neutrons (Beispiel). Die Gluonen sind dargestellt als Punkte mit der Farbladung im Zentrum und der Antifarbe am Rand.

Nach der Quantenchromodynamik (im Folgenden: QCD) wird die starke Wechselwirkung – wie die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung – durch den Austausch von Eichbosonen beschrieben. Die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung werden als Gluonen bezeichnet, von denen es acht Sorten (unterschiedliche Farbladungszustände) gibt. Die Gluonen übertragen eine Farbladung zwischen den Quarks. Ein Gluon kann dabei mit anderen Gluonen interagieren und Farbladungen austauschen.

Potential zwischen zwei Quarks in Abhängigkeit ihres Abstands. Zusätzlich sind die mittleren Radien verschiedener Quark-Antiquark-Zustände gekennzeichnet.

Die Anziehungskraft zwischen Quarks bleibt auch bei steigender Entfernung konstant, anders als z. B. bei der Coulombkraft, bei der es mit steigendem Abstand immer leichter wird, zwei sich anziehende Teilchen zu trennen. Sie ist damit grob vergleichbar mit einem Gummiseil oder einer Zugfeder. Wird der Abstand zu groß, „reißt“ das Seil in dieser Analogie und es wird ein Meson gebildet durch Erzeugung eines Quark-Antiquark-Paares aus dem Vakuum. Bei kleinem Abstand können die Quarks wie freie Teilchen betrachtet werden (asymptotische Freiheit). Mit größerem Abstand bewirkt die zunehmende Wechselwirkungsenergie, dass die Quarks den Charakter selbstständiger Teilchen verlieren, weswegen sie nicht als freie Teilchen beobachtet werden können (Confinement).

Bindung zwischen Nukleonen

Obwohl Nukleonen immer die Farbladung null haben, gibt es zwischen ihnen eine Restwechselwirkung oder Kernkraft (entfernt vergleichbar den Van-der-Waals-Kräften, die man als elektromagnetische Restwechselwirkungen zwischen elektrisch neutralen Atomen und/oder Molekülen ansehen kann).

Die Reichweite der Anziehung durch die Restwechselwirkung liegt bei etwa 2,5 Femtometern (fm). Bei diesem Wert des Abstands ist sie vergleichbar stark wie die elektrische Abstoßung (Coulombkraft) zwischen den Protonen und bei kürzeren Abständen ist sie stärker als die Coulombkraft. Oberhalb dieses Abstandes dagegen nimmt die Anziehung schneller ab als die Coulombkraft, die proportional zu sinkt. Dieses Zusammenspiel der beiden Grundkräfte erklärt den Zusammenhalt und die Größenordnung der Atomkerne, aber z. B. auch die Spaltung schwerer Kerne.

Auf sehr kurze Abstände wirkt die Kernkraft abstoßend, entsprechend einem harten Kern (Hard Core) von 0,4 bis 0,5 fm. Außerdem ist sie Spin-abhängig: sie ist stärker bei parallelen Spins als bei antiparallelen, so dass das Deuteron (bestehend aus einem Neutron und einem Proton) nur für parallele Spins (Gesamtspin 1) gebunden ist, und Diproton und Dineutron (mit antiparallelen Spins aufgrund des Pauli-Prinzips) nicht gebunden sind. Neben dem Zentralpotential-Anteil und dem Spin-Spin-Wechselwirkungsanteil hat sie auch einen Tensoranteil und einen Spin-Bahn-Anteil.

Vor der Einführung des Quark-Modells wurden die Restwechselwirkung und ihre geringe Reichweite mit einer effektiven Theorie erklärt: durch den Austausch von Pionen zwischen den Nukleonen (Yukawa-Potential) und die Masse der Pionen. Außerdem wurde in den Nukleon-Nukleon-Potential-Modellen der Austausch weiterer Mesonen berücksichtigt (wie dem Rho-Meson). Da Berechnungen der Kernkraft mit der QCD bisher nicht möglich sind, benutzt man zum Beispiel in der Beschreibung der Nukleon-Nukleon-Streuung verschiedene phänomenologisch angepasste Potentiale, die auf Mesonenaustauschmodellen basieren (wie das Bonn-Potential).

Erklärung der Restwechselwirkung

Feynman-Diagramm einer starken Proton-Neutron-Wechselwirkung vermittelt durch ein neutrales Pion. Die Zeit-Achse verläuft von links nach rechts.
Dasselbe Diagramm mit den einzelnen Konstituenten-Quarks gezeigt, um darzustellen, wie die fundamentale starke Wechselwirkung eine „Kernkraft“ erzeugt. Gerade Linien sind Quarks, vielfarbige Schleifen Gluonen (Träger der Grundkraft). Andere Gluonen, welche Proton, Neutron und Pion (im „Flug“) zusammenhalten, sind nicht dargestellt.
Eine Animation der Wechselwirkung, die zwei kleinen farbigen Punkte sind Gluonen. Anti-Farben können diesem Diagramm entnommen werden. (größere Version)

Zwischen Atomen ist das abstoßende Potential bei kleinen Abständen eine Folge des Pauli-Prinzips für die Elektronenzustände. Bei Annäherung zweier Nukleonen mit sechs Quarks hat jedes Quark aber erheblich mehr Freiheitsgrade im niedrigsten Zustand (Bahndrehimpuls l=0): neben Spin (2 Zustände) noch eine Farbladung (3 Zustände) und Isospin (2 Zustände), zusammen also 12, auf die sich die sechs Quarks nach dem Pauli-Prinzip verteilen können.[1] Das Pauli-Prinzip ist hier nicht unmittelbar für die Abstoßung verantwortlich, die sich unterhalb etwa 0,8 fm bemerkbar macht. Der Grund liegt vielmehr in der starken Spin-Spin-Wechselwirkung der Quarks, die sich augenfällig darin ausdrückt, dass die Delta-Resonanz (mit parallelen Spins der drei Quarks) eine um etwa ein Drittel höhere Masse als das Proton hat. Stehen also die Spins der Quarks parallel zueinander, so nimmt die potentielle Energie des Systems zu. Dies gilt auch bei sich überlappenden Nukleonen, und zwar umso stärker, je geringer der Abstand der Nukleonen voneinander ist. Versuchen die Quarks durch Umkehrung des Spins ihre chromomagnetische Energie zu minimieren, gelingt dies nur durch Übergang in einen energetisch höheren Bahndrehimpulszustand (l=1).[2]

Mit noch größerem Abstand voneinander gelangen die Nukleonen in den anziehenden Teil der starken Wechselwirkung. Hierbei spielt weniger der Quark-Quark-Austausch (zwei Quarks sind gleichzeitig beiden beteiligten Nukleonen zugeordnet), den man in Analogie zur kovalenten Bindung erwartet, eine Rolle, als vielmehr der von farbneutralen Quark-Antiquark-Paaren (Mesonen) aus dem Seequark-Anteil der Nukleonwellenfunktion in der QCD.

Eine vollständige Beschreibung der Kernkraft aus der Quantenchromodynamik ist jedoch bisher nicht möglich.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Böhm, Ansgar Denner, Hans Joos: Gauge theories of the strong and electroweak interaction, Teubner-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-519-23045-8 (deutsches Original: Becher-Böhm-Joos, Eichtheorien der starken und elektroschwachen Wechselwirkung) – ein Standardwerk für die Theorie
  • Bogdan Povh, Klaus Rith, Christoph Scholz, Frank Zetsche Teilchen und Kerne, 8. Auflage, Springer Verlag 2009
  • Wolfgang Wild Kernkräfte und Kernstruktur, Teil 1,2, Physikalische Blätter 1977, S. 298, 356, Teil 1, Teil 2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Gesamtwellenfunktion ist antisymmetrisch und damit muss, da der Farbanteil immer antisymmetrisch ist (Gesamtfarbladung Null) bei symmetrischer Raum-Wellenfunktion (Bahndrehimpuls 0) der Spin-Isospin-Anteil auch symmetrisch sein
  2. Diskussion nach Povh, Rith, Schulze, Zetsche Teilchen und Kerne, S. 250f, dort nach Amand Fäßler


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