Intersubjektivität und Friedrich Trautmann: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Intersubjektivität''' (von [[Latein|lat.]] ''inter'', "zwischen" und ''subiectum'', "das Daruntergeworfene", das [[Subjekt]]) ist gegeben, wenn ein bestimmter [[Sachverhalt]] von verschiedenen [[Person]]en, die über entsprechende Voraussetzungen verfügen, in vergleichbarer Weise, ggf. durch geeignete Hilsmittel, [[Wahrnehmung|wahrgenommen]] und/oder [[Gedanke|gedanklich]] nachvollzogen und dadurch [[verifiziert]] werden kann und gilt als eines der grundlegenden Kriterien für die [[wissenschaft]]liche Anerkennung dieses Sachverhalts. Im Detail wird der [[Begriff]] ''Intersubjektivität'' allerdings sehr unterschiedlich interpretiert und angewendet und bildet darum auch keine allgemein gültige Basis für die wissenschaftliche Anerkennung eines bestimmten Tatsachenbereichs.
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Schon in seinen grundlegenden [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] [[Rudolf Steiner, Werke 1884-1925|Schriften]] hat [[Rudolf Steiner]] nachdrücklich darauf hingewiesen, dass [[Erkenntnis]] nur ''durch'' den Menschen und ''für'' den Menschen vorhanden ist und daher zwangsläufig ''immer'' einen subjektiven Faktor enthalten ''muss''. Er entfernt sich dadurch aber keineswegs von der Wirklichkeit, die grundsätzlich ''nur'' in einem Subjekt und Objekt übergreifenden Prozess zu erreichen ist. Die [[Wahrheit]], durch die die [[Wirklichkeit]] ergriffen werden soll, ist immer ein [[Freiheit|freies]] schöpferisches Erzeugnis des [[individuell]]en Menschen, das aber bei entsprechender geistiger Beweglichkeit ''intersubjektiv'' nachvollzogen werden kann. Damit wird kein willkürlicher Relativismus begründet, sondern es wird nur betont, dass die Wirklichkeit im Erkenntnisvorgang individuell ergriffen werden ''muss'' und auch auf diese Weise ergriffen werden ''kann'', weil der Mensch als [[Mikrokosmos]] sämtliche Gesetzmäßigkeiten des [[Makrokosmos]] in sich trägt. So viel er davon in sein [[Bewusstsein]] zu heben vermag, soweit vermag er sich in seiner Erkenntnis auch von immer neuen Seiten der Wirklichkeit in einem beständig fortschreitenden Prozess anzunähern. [[Goethe]] hatte darum geschrieben:
 
{{Zitat|Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außenwelt, so heiß ich's Wahrheit. Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist doch immer dieselbige.|Goethe|''Maximen und Reflexionen'', 4. Band, 2. Heft (1823)<ref name=goethe>{{Zeno-Werk|http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Aphorismen+und+Aufzeichnungen/Maximen+und+Reflexionen/Aus+%C2%BBKunst+und+Altertum%C2%AB/Vierten+Bandes+zweites+Heft.+1823|Maximen und Reflexionen, 4. Band, 2. Heft (1823)|Johann Wolfgang Goethe}}</ref>}}
 
Eine rein ''objektive'' Erkenntnis, die das ''Subjekt'' völlig ausschalten will, gibt es nicht und ist auch nicht nötig; stellt man ein derartiges Ansinnen, unterliegt man einer Täuschung. Auch den ''scheinbar'' rein objektiven Erkenntnissen der [[Naturwissenschaft]]en haftet ein solcher, meist verhüllter und dadurch oft übersehener ''subjektiver Faktor'' an.
 
Bereits in den «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» hatte [[Rudolf Steiner]] anlässlich der Betrachtung von [[Goethe]]s Forschungsmethode geschrieben, dass der Mensch damit zwangsläufig einen offenbaren oder verhüllten [[Anthropomorphismus]] in seine [[Erkenntnis]]tätigkeit hineinträgt, ja, dass dadurch, wenn es in richtiger Weise geschieht, überhaupt erst Erkenntnis möglich wird.
 
<div style="margin-left:20px">
"Der Mensch muß die Dinge aus seinem Geiste sprechen
lassen, wenn er ihr Wesen erkennen will. Alles, was er über
dieses Wesen zu sagen hat, ist den geistigen Erlebnissen seines
Innern entlehnt. Nur von sich aus kann der Mensch die
Welt beurteilen. Er muß anthropomorphisch denken. In die
einfachste Erscheinung, z. B. in den Stoß zweier Körper
bringt man einen Anthropomorphismus hinein, wenn man
sich darüber ausspricht. Das Urteil: «Der eine Körper
stößt den andern», ist bereits anthropomorphisch. Denn
man muß, wenn man über die bloße Beobachtung des Vorganges
hinauskommen will, das Erlebnis auf ihn übertragen,
das unser eigener Körper hat, wenn er einen Körper
der Außenwelt in Bewegung versetzt. Alle physikalischen
Erklärungen sind versteckte Anthropomorphismen. Man
vermenschlicht die Natur, wenn man sie erklärt, man legt
die inneren Erlebnisse des Menschen in sie hinein. Aber
diese subjektiven Erlebnisse sind das innere Wesen der
Dinge. Und man kann daher nicht sagen, daß der Mensch
die objektive Wahrheit, das «An sich» der Dinge nicht erkenne,
weil er sich nur subjektive Vorstellungen über sie
machen kann.<ref>Goethes Anschauungen stehen in dem denkbar schärfsten Gegensatz
zur Kantschen Philosophie. Diese geht von der Auffassung aus, daß
die Vorstellungswelt von den Gesetzen des menschlichen Geistes beherrscht
werde und deshalb alles, was ihr von außen entgegengebracht
wird, in ihr nur als subjektiver Abglanz vorhanden sein könne.
Der Mensch nehme nicht das «An sich» der Dinge wahr, sondern die
Erscheinung, die dadurch entsteht, daß die Dinge ihn affizieren und
er diese Affektionen nach den Gesetzen seines Verstandes und seiner
Vernunft verbindet. Daß durch diese Vernunft das Wesen der Dinge
spricht, davon haben Kant und die Kantianer keine Ahnung. Deshalb
konnte die Kantsche Philosophie für Goethe nie etwas bedeuten.
Wenn er sich einzelne ihrer Sätze aneignete, so gab er ihnen einen
völlig anderen Sinn, als sie innerhalb der Lehre ihres Urhebers
haben. Es ist durch eine Notiz, die erst nach Eröffnung des Weimarischen
Goethe-Archivs bekannt geworden ist, klar, daß Goethe den
Gegensatz seiner Weltauffassung und der Kantschen sehr wohl
durchschaute. Für ihn liegt der Grundfehler Kants darin, daß dieser
«das ''subjektive'' Erkenntnisvermögen nun selbst als ''Objekt'' betrachtet
und den Punkt, wo ''subjektiv'' und ''objektiv'' zusammentreffen,
zwar scharf aber nicht ganz richtig sondert». Subjektiv und objektiv
treten zusammen, wenn der Mensch das, was die Außenwelt ausspricht,
und das, was sein Inneres vernehmen läßt, zum ''einigen'' Wesen
der Dinge verbindet. Dann hört aber der Gegensatz von subjektiv
und objektiv ganz auf; er verschwindet in der geeinten Wirklichkeit.
Ich habe darauf schon hingedeutet in dieser Schrift S. 218 ff.
Gegen meine damaligen Ausführungen polemisiert nun K. ''Vorländer''
im 1. Heft der «Kantstudien». Er findet, daß meine Anschauung
über den Gegensatz von Goethescher und Kantscher Weltauffassung
«mindestens stark einseitig und mit klaren Selbstzeugnissen
Goethes in Widerspruch» sei und sich «aus dem völligen Mißverständnis
der transzendentalen Methode» Kants von meiner Seite
erkläre. ''Vorländer'' hat keine Ahnung von der Weltanschauung, in
der Goethe lebte. Mit ihm zu polemisieren würde mir gar nichts
nützen, denn wir sprechen verschiedene Sprachen. Wie klar sein
Denken ist, zeigt sich darin, daß er bei meinen Sätzen nie weiß, was
gemeint ist. Ich mache z. B. eine Bemerkung zu dem Goetheschen
Satze: «Sobald der Mensch die Gegenstände um sich her gewahr
wird, betrachtet er sie in bezug auf sich selbst, und mit Recht. Denn
es hängt sein ganzes Schicksal davon ab, ob sie ihm gefallen oder
mißfallen, ob sie ihn anziehen oder abstoßen, ob sie ihm nützen oder
schaden. Diese ganz natürliche Art, die Sachen anzusehen und zu beurteilen, scheint so leicht zu sein, als sie notwendig i s t . . . Ein weit
schwereres Tagewerk übernehmen diejenigen, deren lebhafter Trieb
nach Kenntnis die Gegenstände der Natur ''an sich selbst'' und in
ihren Verhältnissen untereinander zu beobachten strebt, sie suchen
und untersuchen, was ist, und nicht was behagt.» Meine Bemerkung
lautet: «Hier zeigt sich, wie Goethes Weltanschauung gerade der
entgegengesetzte Pol der Kantschen ist. Für Kant gibt es überhaupt
keine Ansicht über die Dinge, wie sie an sich sind, sondern nur wie
sie in bezug auf uns ''erscheinen''. Diese Ansicht läßt Goethe nur als
ganz untergeordnete Art gelten, sich zu den Dingen in ein Verhältnis
zu setzen.» Dazu sagt ''Vorländer'': «Diese (Worte Goethes) wollen
weiter nichts als einleitend den trivialen Unterschied zwischen dem
Angenehmen und dem Wahren auseinandersetzen. Der Forscher soll
suchen, <''was ist'' und nicht was ''behagt''>. Wer, wie Steiner, die letztere
allerdings sehr untergeordnete Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis
zu setzen, als diejenige Kants zu bezeichnen wagt, dem ist zu
raten, daß er sich erst die Grundbegriffe der Kantschen Lehre, z. B.
den Unterschied von subjektiver und objektiver Empfindung, etwa
aus § 3 der Kr. d. U. klarmache.» Nun habe ich durchaus nicht, wie
aus meinem Satze klar hervorgeht, gesagt, daß jene Art, sich zu den
Dingen in ein Verhältnis zu setzen, die Kants ist, sondern daß Goethe
die Kantsche Auffassung vom Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt
nicht entsprechend dem Verhältnis findet, in dem der Mensch
zu den Dingen steht, wenn er erkennen will, wie sie an sich sind.
Goethe ist der Ansicht, daß die Kantsche Definition nicht dem
menschlichen Erkennen, sondern nur dem Verhältnisse entspricht,
in das sich der Mensch zu den Dingen setzt, wenn er sie in bezug auf
sein Gefallen und Mißfallen betrachtet. Wer einen Satz in einer solchen
Weise mißverstehen kann wie ''Vorländer'', der mag es sich ersparen,
andern Leuten Ratschläge zu geben über ihre philosophische
Ausbildung, und lieber erst sich die Fähigkeit aneignen, einen Satz
richtig ''lesen'' zu lernen. Goethesche Zitate aufsuchen und sie historisch
zusammenstellen kann jeder; sie im Sinne der Goetheschen
Weltanschauung deuten, kann jedenfalls ''Vorländer'' nicht.</ref> Von einer andern als einer subjektiven
menschlichen Wahrheit kann gar nicht die Rede sein. Denn
Wahrheit ist Hineinlegen subjektiver Erlebnisse in den objektiven
Erscheinungszusammenhang. Diese subjektiven
Erlebnisse können sogar einen ganz individuellen Charakter
annehmen. Sie sind dennoch der Ausdruck des inneren
Wesens der Dinge. Man kann in die Dinge nur hineinlegen,
was man selbst in sich erlebt hat. Demnach wird auch jeder
Mensch, gemäß seinen individuellen Erlebnissen etwas in
gewissem Sinne anderes in die Dinge hineinlegen. Wie ich
mir gewisse Vorgänge der Natur deute, ist für einen andern,
der nicht das gleiche innerlich erlebt hat, nicht ganz
zu verstehen. Es handelt sich aber gar nicht darum, daß alle
Menschen das gleiche über die Dinge denken, sondern nur
darum, daß sie, wenn sie über die Dinge denken, im Elemente
der Wahrheit leben. Man kann deshalb die Gedanken
eines andern nicht als solche betrachten und sie annehmen
oder ablehnen, sondern man soll sie als die Verkünder
seiner Individualität ansehen. «Diejenigen, welche
widersprechen und streiten, sollten mitunter bedenken, daß
nicht jede Sprache jedem verständlich sei» (Natw. Schr.,
4. Bd., 2. Abt., S. 355). Eine Philosophie kann niemals eine
allgemeingültige Wahrheit überliefern, sondern sie schildert
die inneren Erlebnisse des Philosophen, durch die er
die äußeren Erscheinungen deutet." {{Lit|{{G|001|335ff}}}}
</div>
 
Das gilt nicht nur für [[wissenschaft]]liche [[Theorie]]n, sondern auch für die durch die [[Forschung]] ermittelten [[Tatsache]]n, denn auch die bloße Feststellung einer bestimmten Tatsache ist bereits ein [[Erkenntnisakt]] und beinhaltet somit notwendig auch einen ''subjektiven'' Anteil. Wie die [[Wissenschaftsgeschichte]] zur Genüge zeigt, sind die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung daher immer auch im [[historisch]]en Kontext zu lesen, der den Forschern betimmte subjektive Standpunkte ([[Paradigma|Paradigmen]]) nahelegt, von denen aus sie ihre Betrachtungen und Überlegungen anstellen, dabei aber oft übersehen, dass auch eine ganz andere Perspektive sinnvoll und fruchtbar sein kann. [[Wikipedia:Thomas S. Kuhn|Thomas S. Kuhn]] hat mit seinem [[Wikipedia:1962|1962]] veröffentlichten, bahnbrechenden Werk betreffend die ''[[Wikipedia:The Structure of Scientific Revolutions|Struktur wissenschaftlicher Revolutionen]]'' deutlich gezeigt, dass die Entwicklung der [[Wissenschaft]] immer wieder durch einen von Zeit zu Zeit auftretenden, grundlegenden [[Paradigmenwechsel]], wie beispielsweise dem Übergang vom [[Geozentrisches Weltbild|geozentrischen]] zum [[Heliozentrisches Weltbild|heliozentrischen Weltbild]], geprägt war.
 
== Siehe auch ==
 
* {{Eisler|Intersubjectiv}}
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>
 
== Literatur ==
 
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0; '''Tb 649''', ISBN 978-3-7274-6490-4 {{Schriften|001}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]] [[Kategorie:Wissenschaft]]

Aktuelle Version vom 12. Juni 2011, 11:08 Uhr

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