Fernrohr

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Fernrohr an der Orangerie Kassel
Astronomisches Fernrohr mit Tripel-Objektiv, Zenitprisma und Sucher

Das Fernrohr, auch Linsenfernrohr oder Refraktor, ist ein optisches Instrument, bei dessen Nutzung entfernte Objekte um ein Vielfaches näher oder größer erscheinen. Dies wird durch eine Vergrößerung des Sehwinkels mit Hilfe von Linsen erreicht. Prismen und Spiegel können dazu dienen, das Bild aufzurichten oder die Baulänge des Fernrohrs zu vermindern.

Die Entwicklung leistungsfähiger Fernrohre spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte der Astronomie. Fernrohre bilden zusammen mit Spiegelteleskopen die Klasse der optischen Teleskope.

Wortherkunft

Das Wort Fernrohr ist eine wörtliche Eindeutschung des lateinischen Tubus telescopius „Fern-seh-Röhre“, aus tubus „Rohr, Schlauch“, von altgriech. τῆλε tele „fern“ und σκοπεῖν „schauen, beobachten“ (siehe auch -skop). Maximilian Hell würdigte im Jahre 1789 Wilhelm Herschels Entdeckung des Uranus mit der Benennung zweier Sternbilder als Tubus Herschelii Maior und Tubus Herschelii Minor, womit er Bezug auf die von Herschel gebauten Fernrohre nahm. Johann Elert Bode fasste die beiden Sternbilder dann 1801 zu einem zusammen und prägte den Ausdruck Telescopium Herschelii dafür. Das deutsche Wort gab es auch schon in dieser Zeit, die anfangs synonymen Wörter Fernrohr und Teleskop entwickelten sich jedoch auseinander. Heute ist Teleskop der Oberbegriff. Fernrohr steht für ein aus Linsen aufgebautes optisches Teleskop. Tubus bezeichnet den technischen Bauteil der Hülle, in die die Linsen-, Spiegel- und Prismenkonstruktion eingefasst ist.

Aufbau und Funktionsweise

Fernrohre bestehen generell aus einer Kombination von Linsen, die von einer mechanischen Konstruktion gehalten werden. Je nach Strahlengang des Lichts durch die Linsen unterscheidet man dabei zwischen Galilei-Fernrohr und Kepler-Fernrohr. Zusätzliche optische Elemente können das Bild beim Blick ins Fernrohr in gleicher Weise wie das Original ausrichten. Der Strahlengang im Fernrohr kann durch Spiegel gefaltet werden, um trotz der langen Brennweite eine kurze Bauform zu erhalten.

Galilei-Fernrohr

Strahlengang in einem Galilei-Fernrohr

Das Galilei-Fernrohr, auch holländisches Fernrohr genannt, wurde vom deutsch-niederländischen Brillenmacher Hans Lipperhey aus Wesel um 1608 erfunden (und etwa gleichzeitig von Jacob Metius und Zacharias Janssen und dessen Vater) und in der Folgezeit von dem Physiker und Mathematiker Galileo Galilei weiterentwickelt. Es hat als Objektiv eine konvexe Sammellinse und als Okular eine konkave Zerstreuungslinse kleinerer Brennweite. Da das Okular eine negative Brennweite besitzt, muss es innerhalb der Brennweite des Objektivs so liegen, dass die Brennpunkte von Objektiv und Okular auf der Seite des Beobachters zusammenfallen. Es entsteht ein virtuelles, aufrechtes und seitenrichtiges Bild mit einem im Verhältnis zum Kepler-Fernrohr großen Sichtfeld. Das Galilei-Fernrohr wird heute beim Opernglas und bei der Fernrohrbrille eingesetzt. Das Prinzip findet auch bei Telekonvertern Verwendung.

Kepler-Fernrohr

Strahlengang beim Kepler-Fernrohr. Das Objektiv (1) erzeugt vom Objekt (4) ein umgekehrtes, reelles Zwischenbild (5), das man mit dem Okular (2) betrachtet. Das Auge (3) sieht ein vergrößertes, virtuelles Bild (6) in scheinbar geringer Entfernung (gestrichelte Linien).

Ein Kepler-Fernrohr (astronomisches Fernrohr), ist ein Fernrohr, das einer von Johannes Kepler 1611 beschriebenen Bauweise folgt. Danach ist auch das Okular eine konvexe Sammellinse (mit geringerer Brennweite). Okular und Objektiv sind im Abstand ihrer addierten Brennweiten aufgestellt. Das Gesichtsfeld ist ausgedehnter als beim Galilei-Fernrohr. Ob wirklich Johannes Kepler diesen Fernrohrtyp – der außer in der Astronomie z. B. auch in geodätischen Theodoliten verwendet wird – erfunden hat, ist ungewiss. Das erste überlieferte Kepler-Fernrohr wurde vom Jesuiten Christoph Scheiner um 1613 gebaut.

Da sich der Strahlengang im Fernrohr kreuzt, erzeugt das Objektiv ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes (also insgesamt um 180 Grad gedrehtes) reelles Bild des betrachteten Gegenstands, das man mittels des Okulars (Prinzip der Lupe) vergrößert betrachtet.

Seitenvertauschung

Keplersche Fernrohre erzeugen für den Beobachter ein um 180° gedrehtes Bild. Es steht im Vergleich zum Original auf dem Kopf und ist seitenverkehrt. Bei einem Schwenk des Fernrohrs bewegt sich das Bild im Bildfeld daher umgekehrt als wenn man durch eine leere Röhre blickt. Entsprechendes gilt für Schwenks nach oben und unten. Dies kann mit weiteren Linsen oder mit Prismen behoben werden:

Um das Bild gleich dem Original auszurichten, gibt es folgende Möglichkeiten einer „Umkehroptik“:

  • zwei in den Strahlengang gelegte geneigte Spiegel (in der Regel um 45°)
  • zwei Prismen, deren rückseitige Flächen durch Totalreflexion wie Spiegel wirken
  • eine dritte Sammellinse zur erneuten Umkehrung des Bildes (sog. terrestrische Umkehrsätze u. ä.)

Bei Prismenferngläsern (Feldstechern) und Spektiven wird das umgedrehte Bild des Kepler-Fernrohrs mittels verschiedener Prismensysteme um 180° gedreht. Je nach Ausführung ergibt sich auch eine kürzere Bauweise. Die Bildumkehr kann auch durch eine Umkehrlinse erfolgen. Das findet z. B. bei Aussichtsfernrohren und manchen Zielfernrohren Verwendung, aber auch beim Ausziehfernrohr oder terrestrischen Fernrohr für unterwegs oder auf See. Es ist trotz Vergrößerungen von etwa 20-fach bis 60-fach klein, zusammenschiebbar und preiswert. Nachteilig sind die geringere Lichtstärke und der Zutritt von Außenluft beim Auseinanderziehen, wodurch Schmutz und Wasser eindringen können. Neuere Bautypen und Spektive haben daher einen festen Tubus und verkürzen die Baulänge durch ein geradsichtiges Porroprisma oder leicht geknicktes Umkehrprisma. Auch mit einer (negativen, zerstreuenden) Fokussierlinse ist das möglich – etwa in neueren Theodoliten und elektronischen Tachymetern.

Das verkehrte Bild wird bei den größeren Fernrohren der Astronomie in Kauf genommen, da die Ausrichtung der Beobachtungsobjekte am Himmel in der Regel keine Rolle spielt. Zur Verbesserung des Einblicks ins Okular werden häufig 90°- oder 45°-Umlenkprismen und -spiegel eingesetzt, deren Bild dann zumindest aufrecht oder seitenrichtig ist (Zenitspiegel).

Eine vierte Möglichkeit besteht in der Verwendung einer Zerstreuungslinse als Okular, wodurch das astronomische zu einem Galilei-Fernrohr wird. Es ist optisch ungünstiger, aber wegen der extrem kurzen Bauweise z. B. für Theatergläser (vulgo „Operngucker“) sehr gebräuchlich. Der Galilei-Bautyp erlaubt aber kein Anbringen eines Fadenkreuzes oder Mikrometers.

Objektiv und Okular aus mehr als einer Linse

Jede optische Linse weist mehr oder weniger starke Farblängs- und Farbquerfehler auf. Unterschiedliche Wellenlängen werden unterschiedlich stark gebrochen. Langwelliges rotes Licht wird weniger stark als kurzwelliges blaues Licht gebrochen. Somit liegt für jeden Wellenlängenbereich ein eigener Brennpunkt vor. Bei der praktischen Beobachtung führt dies zu störenden Farbsäumen.

In der Vergangenheit versuchte man den Farblängsfehler mitunter dadurch zu reduzieren, indem man möglichst langbrennweitige Fernrohre konstruierte. So benutzte der Danziger Gelehrte Johannes Hevelius meterlange Luftteleskope.

Eine weitere Möglichkeit der Minimierung besteht in der Kombination von Glaslinsen mit unterschiedlicher Abbe-Zahl. Eine in kurzem Abstand hintereinander gestellte Gruppe von zwei Linsen wird Achromat genannt. Bei drei oder mehr Linsen spricht man von Apochromaten. Pioniere dieser Technik waren Chester Moor Hall und Joseph von Fraunhofer.

Beim Okular haben mehrere Linsen zusätzlich die Aufgabe, das Gesichtsfeld zu vergrößern. Mit zunehmender Größe des Fernrohrs und Ansprüchen an die Qualität des Bilds werden Entwurf und Bau solcher Linsensysteme sehr aufwändig.

Faltrefraktoren

Datei:Schaer Refraktor Strahlengang.JPG
Schaer-Refraktor, Strahlengang
Faltrefraktoren mit 230 mm Linsendurchmesser und 2058 mm Brennweite

Die Faltrefraktoren sind eine Sonderform des Fernrohrs. Der Strahlengang wird meist über einen oder zwei Planspiegel umgelenkt, er wird also quasi gefaltet. Die diversen Faltvarianten werden dabei oft nach ihren Konstrukteuren oder nach dem äußeren Erscheinungsbild des Fernrohrs benannt. So erinnert der Fagott-Refraktor (einfache Faltung) an die geknickte Bauweise des gleichnamigen Musikinstrumentes und der Newton-Refraktor (zweifache Faltung) wegen seines Okulareinblicks an das Spiegelteleskop nach Newton. Der Schaer-Refraktor ist zweifach gefaltet und nach seinem Konstrukteur benannt.

Okularzenitprismen oder -spiegel gehen bei der Klassifizierung dieser Bauweisen nicht mit ein. Sie gelten als Zubehörteile für alle Fernrohrtypen.

Linsenobjektive haben den Nachteil, dass sie durch die Brechung des Lichtes im Bild Farbsäume bilden. Diese so genannte chromatische Aberration war früher bei einfachen zweilinsigen Objektiven („Achromaten“) nur ab einem Öffnungsverhältnis von kleiner als ca. 1:15 akzeptabel. Dadurch wurden die Fernrohre bei größeren Öffnungen sehr lang und unhandlich.

Verschiedene zweifach gefaltete Refraktoren wurden u. a. von E. Schaer, Ainslie und G. Nemec entworfen. Es ist dabei oft schwierig, den Ainslie- vom Nemec-Typen zu unterscheiden, da sie bis auf kleinere Modifikationen in der Strahlenführung sehr ähnlich sind. So führte Ainslie den Strahlengang seiner Newtonvariante nach der 2. Spiegelung an dem einfallenden Strahlengang seitlich vorbei.

Die Amateurastronomen Nemec, Sorgenfrey, Treutner und Unkel wurden in den 1960er bis Ende der 1970er Jahre durch hochwertige Astrofotos mit ihren Faltrefraktoren bekannt. Diese Bekanntheit brachte auch diesen Refraktortypen eine gewisse Popularität ein.

Faltrefraktoren werden heute im Wesentlichen als Selbstbaugeräte von Amateurastronomen und einigen Volkssternwarten eingesetzt. Die Firma Wachter bot in den 1970er und 1980er Jahren einen Schaer-Refraktor aus industrieller Serienfertigung an. Es handelte sich um einen FH 75/1200 mm des japanischen Herstellers Unitron.

Coudé-Refraktor

Refraktor der Volkssternwarte Aachen

Auch beim Coudé-Refraktor wird der Strahlengang durch zwei Planspiegel oder Prismen gefaltet. Diese lenken das Licht durch die Montierung zu einem ortsfesten Fokus. Vorteil dieser Bauart ist die Beobachtung von einem festen Platz aus, der ohne großen Aufwand mit Sitzmöglichkeit, Hilfsmitteln und Arbeitstisch ausgestattet werden kann, während sich das in der Regel relativ lange Fernrohr unabhängig davon bewegt. Nachteil ist die beim Schwenken oder auch bloßen Nachführen des Fernrohrs verursachte Bilddrehung, so dass astronomische Fotografie nur mit kurzen Verschlusszeiten möglich ist oder aufwendige Drehnachführungen eingebaut werden müssen. Da der Strahlengang üblicherweise durch eine Achse der Montierung geführt wird, sind meistens nur relativ große Instrumente ab ca. 8 Zoll Öffnung aufwärts als Coudé-Refraktoren ausgeführt.

Das Coudé-System findet auch bei Spiegelteleskopen Anwendung.

Vergrößerung

Die Vergrößerung wird durch das Verhältnis der Brennweiten von Objektiv und Okular definiert. Das bedeutet, ein Fernrohr mit auswechselbaren Okularen, wie es in der Astronomie üblich ist, hat keine feste Vergrößerung; je länger die Brennweite des verwendeten Okulars ist, desto geringer ist die resultierende Vergrößerung. Wegen verschiedener Faktoren (siehe Störgrößen) ist eine übertrieben starke Vergrößerung sinnlos.

Literatur

  • Hans-Georg Pellengahr: Simon Marius – die Erforschung der Welt des Jupiter mit dem Perspicillum 1609–1614. In: Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.): Simon Marius, der fränkische Galilei, und die Entwicklung des astronomischen Weltbildes. (Nuncius Hamburgensis – Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 16), Hamburg 2012.
  • Rudolf Brandt: Das Fernrohr des Sternfreundes. Kosmos-Verlag, Stuttgart 1958.
  •  Rolf Riekher: Fernrohre und ihre Meister. 2. stark bearbeitete Auflage. Technik, Berlin 1990, ISBN 3-341-00791-1, S. 350–359.
  • Ulf Borgeest: Europas neue Teleskope. SuW-Verlag, Heidelberg 2003.
  •  Der Meister und die Fernrohre, das Wechselspiel zwischen Astronomie und Optik in der Geschichte, Festschrift zum 85. Geburtstag von Rolf Riekher (= Acta historica astronomiae). Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-8171-1804-5.
  •  Uwe Laux: Astrooptik. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-87973-928-5 (Erstauflage im Verlag Sterne und Weltraum, München, ISBN 3-8274-1305-2).
  • J. Bennett, M. Donahue u. a.: Astronomie. Die kosmische Perspektive. (Hrsg. Harald Lesch), Kapitel 6, „Teleskope – Tore der Entdeckung“. 5., aktualisierte Auflage. Pearson Studium Verlag, München 2010, ISBN 978-3-8273-7360-1.
  • Jingquan Cheng: The Principles of Astronomical Telescope Design. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-0-387-88790-6.
  • Chapman, Allan, Stargazers: Copernicus, Galileo, the Telescope and the Church, 2014
  • Hehl, Walter, Galileo Galilei kontrovers: Ein Wissenschaftler zwischen Renaissance – Genie und Despot, Wiesbaden 2017
  • Kepler, Johannes, Schriften zur Optik 1604 – 1611: Eingeführt und erg. durch historische Beitr. zur Optik- und Fernrohrgeschichte von Rolf Riekher, Frankfurt 2008
  • Osterhage, Wolfgang, Galileo Galilei: At the Threshold of the Scientific Age, 2018
  • Schmitz, Emil-Heinz, Handbuch zur Geschichte der Optik: Das Fernrohr, Wiesbaden 1982
  • Van Helden, Albert, Dupre, Sven, van Gent, Rob, Zuidervaart, Huib, The origins of the telescope, Amsterdam 2010

Weblinks

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 Wiktionary: Fernrohr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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