Josef Gikatilla und Christliche Kabbala: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Odyssee
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Bild:Tree of Life Medieval.jpg|thumb|300px|Abb. in „Portae Lucis“ (Die Pforten des Lichts) von Gikatilla: Mann, der einen Baum mit den zehn [[Sephiroth]] hält.]]
Die '''christliche Kabbala''' war eine Strömung, die meist als Phänomen der [[Renaissance]] angesehen wird<ref name=gangleri>{{Internetquelle|url=http://www.gangleri.nl/articles/36/christian-cabala/|titel=Christian Cabala|hrsg=Gangleri|datum=2007-05-17|zugriff=2012-05-20|sprache=englisch}}</ref> und die jüdische [[Kabbala]] nutzte, um darin nach einem [[Christentum|christlichen]] Sinn zu suchen beziehungsweise um [[Juden]] damit zum Christentum zu konvertieren. Zur Unterscheidung von jüdischer und [[Hermetische Kabbala|hermetischer Kabbala]] wird oftmals eine Schreibweise mit C, wie '''Cabala''', verwandt<ref name=gangleri/><ref name=karr-s1>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=1|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref><ref name=martin-rische-gorden-s147-151>{{Literatur|Autor=Walter Martin, Jill Martin Rische, Kurt van Gorden|Titel=The Kingdom of the Occult|Verlag=Thomas Nelson|Ort=Nashville, Tennessee|Jahr=2008|Seiten=147-151|ISBN=9-781-4185-1644-4|Online={{Google Buch|BuchID=3mVevn3NWYAC|Seite=147}}|Zugriff=2012-05-20}}</ref>; diese Schreibweise kam mit der Übertragung kabbalistischer Texte ins [[Latein]]ische auf<ref name=elia-s13>{{Literatur|Autor=Anthony J. Elia|Titel=An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries|Sammelwerk=Theological Librarianship: An Online Journal of the American Theological Library Association|Band=2|Nummer=2|Verlag=American Theological Society|Ort=Chicago|Jahr=2009|Monat=Dezember|Seiten=13|ISSN=1937-8904|Online=[https://journal.atla.com/ojs/index.php/theolib/article/view/111/386 Online] |Zugriff=2012-05-20}}</ref>.
'''Josef ben Abraham Gikatilla''' ({{HeS|יוסף בן אברהם ג'יקטיליה}}; * [[Wikipedia:1248|1248]] in [[Wikipedia:Medinaceli|Medinaceli]]; † um [[Wikipedia:1325|1325]] in [[Wikipedia:Peñafiel|Peñafiel]]) war ein [[Wikipedia:Spanien|spanischer]] [[Kabbala|Kabbalist]], [[Wikipedia:Philosophie|Philosoph]] und [[Mystik|Mystiker]], der zwischen [[Ekstase|ekstatischer]] und [[Theosophie|theosophischer]] [[Kabbala]] eine Zwischenstellung einnimmt.


== Leben ==
== Beschreibung ==
Gikatilla wurde 1248 in Medinaceli ([[Wikipedia:Kastilien|Altkastilien]]) geboren, verbrachte aber die meiste Zeit seines Lebens in [[Wikipedia:Segovia|Segovia]]. In den Jahren von 1272 bis 1274 studiert er bei [[Abraham Abulafia]], dem Begründer der ekstatischen Kabbala, der von entscheidendem Einfluss für sein späteres Werk sein wird und der umgekehrt von seinem Schüler nur in den höchsten Tönen spricht. Hier findet eine intensive Auseinandersetzung mit den profanen Wissenschaften und den Schriften des [[Wikipedia:Ibn Ezra|Ibn Ezra]], des [[Wikipedia:Solomon ibn Gabirol|Ibn Gabirol]], des Baruch [[Wikipedia:Togarmi|Togarmi]] und des [[Wikipedia:Maimonides|Maimonides]] statt, wobei letzterer überwältigend häufig zitiert wird. 1280 begegnet er [[Moses de Leon]], unter dessen Einfluss er sich von der linguistischen Kabbala Abulafias abwendet und zur [[Theosophie|theosophischen]] Kabbala kommt. Gleichzeitig ist ein Einfluss Gikatillas auf de Leon augenscheinlich, der als Verfasser des größten Teils des [[Sohar]] gilt. 1293 entsteht Gikatillas Hauptwerk, die ''Scha'are Orah'' (Tore des Lichts), eine der ersten Systematiken des Sohar. Alle seine Schriften behandeln die Rekombination von Buchstaben und Zahlen ([[Gematria]]), zugleich aber ist es sein Hauptanliegen, die Kabbala als Grundlage rationaler [[Philosophie]] zu begründen.
Wie in der jüdischen Kabbala, gab es auch in der christlichen keine einheitliche Lehre, sondern praktisch ausgerichtete Kabbalisten, die auch [[Magie]] anwandten, und theoretisch orientierte, die Magie ablehnten.<ref name=gangleri/>


Der Sage nach war Gikatillas Kenntnis der Kabbala so groß, dass er [[Wunder]] wirken konnte; er wird daher auch Jospeh „Ba'al ha-Nissim“ (Wunderherr) genannt. Isaak ben Samuel kritisierte ihn in seinem ''Me'irat 'Enayyim'' für die übertrieben häufige Verwendung des Gottesnamens.
Anhänger der christlichen Kabbala vertraten die Sichtweise, dass jüdische Lehren für das Christentum wertvoll seien und das [[Judentum]] mehr Wahrheit enthalte, als von Christen behauptet. Insbesondere in der Kabbala sahen sie christliche Wahrheiten und suchten nach Parallelen zwischen Juden- und Christentum; das Christentum sollte hierbei als Nachfolger und Verbesserung des Judentums dargestellt werden, ohne dabei den Respekt vor dem Judentum zu verlieren.<ref name=gangleri/> Mithilfe der christlichen Kabbala versuchten sie, die Juden zu konvertieren und somit die (von ihnen aus jüdisch-kabbalistischer Sicht missverstandene und verfälschte) Kabbala als Waffe gegen diese zu verwenden.<ref name=karr-s1/> Für die christliche Umdeutung der Kabbala waren vermutlich insbesondere zwei Fälschungen aus dem 15. Jahrhundert verantwortlich, die das Christentum unverhüllt predigen.<ref>{{Literatur|Autor=[[Wikipedia:Karl R. H. Frick|Karl R. H. Frick]]|Titel=Die Erleuchteten|TitelErg=Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18.Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit|Verlag=[[Wikipedia:Akademische Druck– und Verlagsanstalt|Akademische Druck– und Verlagsanstalt]]|Ort=Graz|Jahr=1973|Seiten=110|ISBN=3-201-00834-6}}</ref>


== Werk ==
Aufgrund fehlender Kenntnisse konnten christliche Kabbalisten [[Wikipedia:talmud|talmud]]ische Kommentare nicht von kabbalistischen Lehren unterscheiden und hatten nur Fragmente kabbalistischen Wissens zur Verfügung; im Falle [[Wikipedia:Johannes Reuchlin|Johannes Reuchlin]]s etwa ist aber davon auszugehen, dass diese Unkenntnis vorgeschoben wurde und der Rettung jüdischer Bücher diente; der Talmud etwa wurde als böse angesehen und die Kabbala als Quelle christlicher Wahrheiten, und die Behauptung, bestimmte talmudische Werke seien kabbalistisch, konnte diese vor der Verbrennung retten.<ref name=gangleri/> Die Unwissenheit einiger Autoren ist laut [[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]] „horrend. [[Robert Fludd]] hielt den [[Zohar|Sohar]] für einen [[Wikipedia:Rabbiner|Rabbiner]]!“<ref>{{Literatur|Autor=Karl R. H. Frick|Titel=Die Erleuchteten|TitelErg=Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18.Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit|Verlag=Akademische Druck- und Verlagsanstalt|Ort=Graz|Jahr=1973|Seiten=109|ISBN=3-201-00834-6}}</ref>.  
=== Scha'are Orah - Die Tore des Lichts (1293) ===
Gikatillas Hauptwerk, das '''Scha'are Orah''' ({{HeS|שערי אורה|Tore des Lichts}}; [[lat.]] ''Portae Lucis'') oder '''Sefer ha-Orah''' (Buch vom Licht), diskutiert in zehn Kapiteln die zehn [[Sefirot]], entgegen der sonst üblichen Reihenfolge aufsteigend von [[Malkuth]] nach [[Kether]], und die entsprechenden Gottesnamen. Zu den zitierten Quellen gehört neben dem [[Sohar]] auch das [[Sefer Jezirah]] und das [[Pirka Hekalot]].


Zugleich ist das Buch eine leicht fassliche Einleitung in die Symbolik des ''[[Sohar]]''. Der Sohar wird hier nach den Regeln der Wort- und Namensrekombination systematisiert. Dieses Interesse für Wort- und Buchstabensymbolik kann nicht allein auf den Sohar zurückgeführt werden, sondern geht zurück auf den Einfluss seines Lehrers [[Abulafia]] und dessen ''Sefer ha-ot'' (Buch der Zeichen). Diese linguistische Traditionslinie begegnet hier durch die Konzentration auf die nichtlinguistische Wirklichkeit (in Gikatillas Fall: auf das [[Licht]]) der [[Theosophie|theosophischen]] Linie, mit der er durch [[Wikipedia:Moses de Leon|de Leon]] in Berührung kam.
Die Suche nach christlichen Inhalten in der Kabbala schloss unter anderem die Deutung der drei unterschiedlichen Buchstaben im [[JHWH|Tetragrammaton]] oder der drei oberen [[Sephiroth]] als [[Dreifaltigkeit]]<ref name=gangleri/> sowie die Übertragung hebräischer Gottesbezeichnungen auf die drei [[Hypostase]]n des [[Christentum|christlichen]] [[Gott]]es<ref name=gangleri/> oder [[Jesus Christus|Jesu Christi]] auf den kabbalistischen Lebensbaum<ref name=martin-rische-gorden-s147-151/><ref name=pollack-s49>{{Literatur|Autor=Rachel Pollack|Titel=The Kabbalah Tree: A Journey of Balance & Growth|Auflage=2|Verlag=Llewellyn Publications|Ort=St. Paul, MN|Jahr=2004|Seiten=49|ISBN=0-7387-0507-1|Online={{Google Buch|BuchID=Ztl-B6NxftAC|Seite=49}}|Zugriff=2012-05-20}}</ref> ein, letzteres wird von Rachel Pollack als größte Innovation der christlichen Kabbala angesehen<ref name=pollack-s49/>. Außerdem wandten christliche Kabbalisten Methoden wie [[Notarikon]] an, um einen christlichen Sinn in der [[Wikipedia:Tora|Tora]] zu finden<ref name=gangleri/><ref name=martin-rische-gorden-s147-151/>; [[Gematrie|Gematria]], Notarikon und [[Temura]], die „in der populären Meinung als besonders ‚kabbalistisch‘ gelten“<ref name=scholem-s109>{{Literatur|Autor=Gershom Scholem|Titel=Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen|Reihe=suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft|Band=330|Auflage=1|Verlag=suhrkamp Verlag|Ort=Frankfurt am Main|Jahr=1980|Seiten=109|Originaltitel=Major Trends in Jewish Mysticism|Originalsprache=englisch|Übersetzer=Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro}}</ref>, wurden von christlichen Kabbalisten in ihrer Bedeutung allerdings überbewertet<ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=59|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref> und treten in der klassischen kabbalistischen Literatur „oft ganz und gar in den Hintergrund“<ref name=scholem-s109/>.


Von anderen [[Sefer Jetzira|Jetzira]]-Kommentaren unterscheidet sich das Buch durch die veränderte Reihenfolge der Sefirot und der Betonung der Bedeutung der Gottesnamen. Die meisten Sefirotkommentare beginnen mit den Symbolen der höchsten Sphäre [[Kether]] oder sogar dem [[En Sof]] und diskutieren die übrigen dann in absteigender Reihenfolge. Im Gegensatz dazu favorisiert Gikatilla eine aufsteigende Reihenfolge. Dies wird als theoretische Schuld an die linguistisch-ekstatische Schule Abulafias betrachtet: während der Theosoph die absteigenden Emanationen der Schöpfung nachvollziehen will, versucht der Ekstatiker gerade die Rückkehr zum Beginn der Schöpfung.
Anhänger der christlichen Kabbala waren eher an der Suche [[Wikipedia:Griechische Philosophie|griechischer Philosophie]] oder christlicher Inhalte in der Kabbala als an der Kabbala selbst interessiert.<ref name=gangleri/> Auch wurde das weibliche Moment Gottes in der [[Schechina]] beziehungsweise der untersten Sephira [[Malchuth]] nicht in die christliche Kabbala übernommen.<ref name=gangleri/>


Entgegen der Legendenbildung um seine eigene Person macht Gikatilla klar, dass die Kenntnis der Kabbalah für [[Magie|magische]] oder [[Prophet|mantische]] Zwecke nicht geeignet ist, und revidiert hier eigene Fehleinschätzungen aus dem ''Nußgarten''.
== Geschichte ==
Erste Versuche, Juden mithilfe kabbalistischer Ideen zu [[Wikipedia:Bekehrung (Christentum)|bekehren]], wurden im Mittelalter von [[Ramon Llull]] unternommen<ref name=hames>{{Internetquelle|url=http://www.esoteric.msu.edu/VolumeVI/KabbalahHames.htm|titel=Exotericism and Esotericism in Thirteenth Century Kabbalah|autor=Harvey J. Hames|hrsg=Esoterica|zugriff=2012-05-20|sprache=englisch}}</ref>, Llull selbst war jedoch kein Kabbalist<ref name=karr-s1/>. Beim prophetischen Kabbalisten [[Abraham Abulafia]] wurde von einigen Gelehrten wie [[Wikipedia:M. H. Landauer|M. H. Landauer]] eine Hinwendung zu christlichen Ideen gesehen, allerdings äußerte Abulafia sich antichristlich<ref>{{Literatur|Autor=[[Wikipedia:Gershom Scholem|Gershom Scholem]]|Titel=Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen|Reihe=suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft|Band=330|Auflage=1|Verlag=suhrkamp Verlag|Ort=Frankfurt am Main|Jahr=1980|Seiten=140, 412|Originaltitel=Major Trends in Jewish Mysticism|Originalsprache=englisch|Übersetzer=Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro}}</ref>, beeinflusste aber die Entwicklung der christlichen Kabbala.<ref name=gangleri/><ref name=hames/> 1480 erschien die lateinische Übersetzung des vorkabbalistischen ''[[Sefer Jetzira]]'' durch Meister Isaak.<ref name=gangleri/>


Historisch legt das Buch Zeugnis ab für die entscheidende Verschiebung innerhalb der kastilischen Mystik, die mit dem Weggang Abulafias aus Spanien entstanden war.
Als erster christlicher Kabbalist, von [[Wikipedia:Konversion (Religion)|Konvertiten]] abgesehen<ref name=gangleri/>, gilt [[Giovanni Pico della Mirandola]] (15. Jahrhundert)<ref name=gangleri/><ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=2|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref><ref name=elia-s13/>; als erstes christlich-kabbalistisches Werk gelten zwei mutmaßlich gefälschte [[Hebräische Sprache|hebräische]] Briefe, die Pablo de Heredia ins Lateinische übersetzte und kommentierte, sein Werk besteht jedoch zum Großteil aus Zitaten aus nichtexistenten kabbalistischen Werken und verfälschten Zitaten aus echten kabbalistischen Quellen wie dem [[Zohar]]<ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=2f|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref>. Erstmals systematisiert wurden christliche kabbalistische Lehren durch [[Wikipedia:Paul Ritz|Paulus Ricius]], der auch mit weniger bekannten Texten vertraut war. Er betätigte sich als Übersetzer unter anderem von [[Josef Gikatilla]]s Hauptwerk ''[[Scha’are Orah]]'', in Ricii Übersetzung ''Portae lucis'' ‚Die Pforten des Lichts‘. Ebenfalls mit den Quellen der Kabbala vertraut war der Konvertit [[Wikipedia:Pietro Colonna Galatino|Pietro Colonna Galatino]], der ''De arcanis Catholicae veritatis'' ‚Über arkane katholische Wahrheit‘ schrieb.<ref name=gangleri/> Im 16. Jahrhundert erschienen Übersetzungen des ''Sefer Jetzira'' und des Zohar durch [[Wikipedia:Guillaume Postel|Guillaume Postel]] sowie eine zweisprachige Ausgabe (Hebräisch/Latein) des ''Sefer Jetzira'' durch Johannes Stephanus Rittangelus.<ref name=gangleri/> [[Wikipedia:Johannes Pistorius der Jüngere|Johannes Pistorius der Jüngere]] veröffentlichte mit ''Artis cabalisticae'' eine Auswahl kabbalistischer Texte, darunter Ricii ''Portae lucis'' und die ''Sefer-Jetzira''-Übersetzung von 1480. Die bekannteste Zusammenstellung jüdischer und christlicher kabbalistischer Texte dürfte jedoch die ''Kabbala denudata'' von [[Wikipedia:Christian Knorr von Rosenroth|Christian Knorr von Rosenroth]] sein, die auch jüdische Texte aus der Zeit nach der Vertreibung aus Spanien enthielt.<ref name=gangleri/>


Gikatilla hatte eine immense Wirkung insbesondere auf die [[christliche Kabbala]] der [[Wikipedia:Renaissance|Renaissance]], der es als wichtigstes Nachschlagewerk über die Traditionen der jüdischen Mystik diente. Auch [[Wikipedia:Johannes Reuchlin|Johannes Reuchlin]] wird die Autorität Gikatillas zitieren, um sich gegen seine Kritiker zu verteidigen.
Elemente der Kabbala finden sich auch in zeitgenössischen magischen Werken von Autoren wie [[Johannes Trithemius]], [[Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim]] (in Verbindung mit mittelalterlicher [[Angelologie]], [[Dämonologie]] und der damit verbundenen Magie in Buch 3 von ''De occulta philosophia''<ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=20|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref>) und [[John Dee]]<ref name=gangleri/>, bei Dee stammen die kabbalistischen Einflüsse wohl ausschließlich aus christlichen Quellen, insbesondere von Agrippa<ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=26|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref>. Ab dem späten 16. Jahrhundert fand eine Vermischung von [[Alchemie]] und christlicher Kabbala u. a. durch Paracelsus statt. Diese entwickelte sich bis ins 17. und 18. Jahrhundert, war unter anderem für [[Wikipedia:Heinrich Khunrath|Heinrich Khunrath]], [[Wikipedia:Abraham von Frankenberg|Abraham von Frankenberg]] und [[Robert Fludd]] typisch und fand ihren Höhepunkt mit [[Wikipedia:Georg von Welling|Georg von Welling]]s ''Opus Mago-Cabbalisticum'' und den Büchern von [[Wikipedia:Friedrich Christoph Oetinger|Friedrich Christoph Oetinger]].<ref>{{Literatur|Autor=Don Karr|Titel=The Study of Christian Cabala in English|Jahr=2012|Seiten=48|Online=http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf|Zugriff=2012-05-20}}</ref>


=== Ausgaben der ''Tore des Lichts'' ===
Vertreter einer als okkulte Philosophie bezeichneten Strömung, wie Agrippa und Pico, versuchten, Philosophien zu entwickeln, die [[Hermetik|hermetisches]], hebräisches und klassisches Wissen assimilieren, und diese Fusion mit der [[Wikipedia:Christliche Theologie|christlichen Theologie]] zu vereinigen.<ref>{{Literatur|Autor=Andrew Duxfield|Herausgeber=Sara Munson Deats|Titel=Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism|Sammelwerk=Doctor Faustus|WerkErg=A Critical Guide|Verlag=Continuum|Ort=London u. a.|Jahr=2010|Seiten=100}}</ref> Trotz ihres [[Esoterik|esoterischen]] Charakters wurden die der okkulten Philosophie zugrundeliegenden hermetischen und kabbalistischen Ideen im Europa der Renaissance anfangs positiv aufgenommen. Die Historikerin [[Wikipedia:Frances A. Yates|Frances A. Yates]] betrachtete die okkulte Philosophie sogar als zentrale Triebkraft hinter der Renaissance selbst.<ref>{{Literatur|Autor=Andrew Duxfield|Herausgeber=Sara Munson Deats|Titel=Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism|Sammelwerk=Doctor Faustus|WerkErg=A Critical Guide|Verlag=Continuum|Ort=London u. a.|Jahr=2010|Seiten=98}}</ref> Vermutlich ist es kein Zufall, dass die okkulte Philosophie, die Wert auf Einheit legte, während der Zeit der [[Wikipedia:Reformation|Reformation]] und der Renaissance populär wurde; möglicherweise wurde von ihr und ihrer Vereinigung so unterschiedlicher Quellen wie der klassischen Weisheit, der Magie, der hebräischen Kabbala und des Christentums erwartet, eine Lösung für das religiöse und politische Schisma der Zeit zu bieten.<ref name=duxfield-s108>{{Literatur|Autor=Andrew Duxfield|Herausgeber=Sara Munson Deats|Titel=Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism|Sammelwerk=Doctor Faustus|WerkErg=A Critical Guide|Verlag=Continuum|Ort=London u. a.|Jahr=2010|Seiten=108}}</ref> Während das [[Scholastik|scholastische]] Mittelalter Glauben und Frömmigkeit forderte, forderte die Renaissance individuelles Streben und die Suche nach Wissen; die Hermetik versuchte, Wissen und Glauben zu vereinigen.<ref>{{Literatur|Autor=Andrew Duxfield|Herausgeber=Sara Munson Deats|Titel=Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism|Sammelwerk=Doctor Faustus|WerkErg=A Critical Guide|Verlag=Continuum|Ort=London u. a.|Jahr=2010|Seiten=107}}</ref> Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden christliche Magi wie Agrippa und John Dee jedoch wegen ihrer [[Theurgie]] verdächtigt, und als Teil der [[Wikipedia:Gegenreformation|Gegenreformation]] wuchs auch die Reaktion gegen den Renaissance-[[Neuplatonismus]] und damit assoziierte okkulte Strömungen. Die christliche Kabbala, die zunächst der Legitimation okkulten Denkens diente, wurde nun wegen der okkulten Assoziation abgewertet und mit Hexerei assoziiert. Dee und [[Wikipedia:Giordano Bruno|Giordano Bruno]] wurden wegen ihrer Philosophie diskreditiert; ersterer verbrachte seine letzten Jahre in Armut, letzterer wurde 1600 verbrannt.<ref name=duxfield-s108/>
*Riva di Trento 1559
*Mantua 1561
*Krakau 1600
*Offenbach 1715
*Warschau 1876
*Jerusalem 1970


=== Weitere Werke von Gikatilla ===
Spätere christliche Kabbalisten folgten oftmals Pico und Reuchlin, die selbst Quellen zweiter Hand verwandt hatten; nur wenige lernten von Juden und in hebräischer Sprache, sie kamen aber oft nicht weit über die Bücher, aus denen sie die Sprache gelernt hatten, hinaus.<ref name=gangleri/>
*''Sefer Ginnat Egoz'' („Der Nußgarten“, 1274) - Eine Schrift über die mystische Bedeutung der Namen, der Vokale und des Alphabet ([[Gematria]], Notarikon, Temura), die Einflüsse Jakobs ha-Kohen aus [[Wikipedia:Soria|Soria]] zeigt und den enigmatischen Yetzirah-Kommentar [[Wikipedia:Togarmi|Togarmis]] in vielen Bereichen richtigstellt.
*Kommentar(e?) zu den Zeitfolgen im [[Wikipedia:Hohelied|Hohelied]] [[Salomo]]s (Schemitott).
*''Kelalei ha-Mitzwot'' - zur [[Wikipedia:Halacha|Halacha]]
*''Sefer ha-Meschalim'' - Sprichwörter
*''Scha'ar ha-Niqud'' - über die [[Nikud|Vokale]]
*''Perusch Haggada schel Pesach'' - kabbalistischer Kommentar zum [[Wikipedia:Pessach|Pessach]]
* ein Kommentar zur [[Merkaba]]
*''Scha'are Zedek'' (auch: ''Scha'ar ha-Shamayin''): eine Wiederholung der Ergebnisse aus den ''Scha'are Orah''; wieder sind die [[Sefirot]] in aufsteigender Reihenfolge geordnet
*''Or ha-Sekhel'' (Licht des Intellekts)


=== Übersetzungen ===
Die christlichen Kabbalisten waren von großer Bedeutung für die Entstehung der hermetischen Kabbala.<ref>{{Literatur|Autor=[[Wikipedia:Israel Regardie|Israel Regardie]]|Titel=A Garden of Pomegranates: Skrying on the Tree of Life|TitelErg=Edited and Annotated with New Material by Chich Cicero and Sandra Tabatha Cicero|Auflage=3|Verlag=Llewellyn Publications|Ort=St. Paul, MN|Jahr=2004|Seiten=XIII, 138|ISBN=1-56718-141-4|Online={{Google Buch|BuchID=ATD9xJr36pEC}}|Zugriff=2012-05-20}}</ref>
*Paulus Riccius: ''Portae Lucis. - Lateinische Übersetzung, Hauptquelle der christlichen Kabbala der Renaissance.''
*J. Winter / A. Wünsche: ''Die jüdische Literatur seit Abschluss des Kanons''. Bd. III. Trier 1896, p. 267 (nur Auszüge).
*Avi Weinstein: ''Gates of Light''. Walnut Creek, London, New Delhi 1992.
*umfassende Auszüge in deutscher Übersetzung in: [[Wikipedia:Johann Maier (Judaist)|Johann Maier]]: ''Die Kabbalah'', München 2005.


== Literatur ==
== Literatur ==
*[[Wikipedia:Gerschom Scholem|Gerschom Scholem]]: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt am Main 1957.
* Giulio Busi, Simonetta M. Bondoni, Saverio Campanini (Hg.): ''The Great Parchment. Flavius Mithidates’ Latin Translation, The Hebrew Text, and an English Version''; Turin: Nino Aragno, 2004.
*Mosche Idel: Kabbalah. New Perspectives. New Haven und London 1988.
* Saverio Campanini (Hg.): ''The Book of Bahir. Flavius Mithridates’ Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version''; Turin: Nino Aragno, 2005.
*S. Blickstein: Between Philosophy and Mysticism. A Study of the Philosophical-Qabbalistic Writings of Joseph Giqatila. New York 1983.
* [[Wikipedia:Otto Betz|Otto Betz]] [senior]: ''Licht vom unerschaffnen Lichte. Die kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia''. 3. Auflage, bearbeitet von Isolde Betz. Verlag Werner Grimm, Tübingen, Oktober 2013; ISBN 978-3-00-041501-2. - 108 Seiten, 50 zum Teil ganzseitige Bilder.
*[[Wikipedia:Johann Maier (Judaist)|Johann Maier]]: ''Die Kabbalah: Einführung, Klassische Texte, Erläuterungen'', Verlag C. H. Beck, München 2005, ISBN 978-3406396595
* Saverio Campanini: ''Ein unbekannter Kommentar zum „Hohelied“ aus der kabbalistischen Schule von Francesco Zorzi''; in: G. Frank, A. Hallacker, S. Lalla (Hg.): ''Erzählende Vernunft''; Berlin: Akademie Verlag, 2006; S. 265–281.
*[[Wikipedia:Karl Erich Grözinger|Karl Erich Grözinger]]: ''Jüdisches Denken. Theologie - Philosophie - Mystik: Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus'', Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006, ISBN 978-3593375137
* Saverio Campanini: ''Francesco Giorgio’s Criticism of the Vulgata: „Hebraica Veritas“ or „Mendosa Traductio“?'' In: G. Busi (Hg.): ''Hebrew to Latin, Latin to Hebrew. The Mirroring of Two Cultures in the Age of Humanism''; Berlin Studies in Judaism 1; Turin: Nino Aragno Editore, 2006; S. 206–231.
* [[Wikipedia:Christian Knorr von Rosenroth|Christian Knorr von Rosenroth]]: ''Kabbala Denudata'', 2 Bände; Hildesheim: Olms Verlag 1999; Deutsche Version.
* [[Wikipedia:Friedrich Christoph Oetinger|Friedrich Christoph Oetinger]]: ''Die Lehrtafel der [[Wikipedia:Antonia von Württemberg|Prinzessin Antonia]]''; Hrsg. von [[Wikipedia:Reinhard Breymayer|Reinhard Breymayer]] und Friedrich Häußermann, 2 Teile; Texte zur Geschichte des [[Wikipedia:Pietismus|Pietismus]], Abt. 7, Bd. 1, Teil 1.2; Berlin, New York: [[Wikipedia:De Gruyter|Walter de Gruyter]], 1977; ISBN 3-11-004130-8.
* [[Giovanni Pico della Mirandola]]: ''Conclusiones philosophicae, kabblisticae et theologicae sive theses DCCCC, 1486 – Philosophische, kabbalistische und theologische Schlussfolgerungen''
** ''Oratio de hominis dignitate, 1486 – Über die Würde des Menschen''.
* [[Wikipedia:Johannes Pistorius der Jüngere|Johannes Pistorius der Jüngere]]: ''Artis cabalisticae: hoc est, reconditae Theologiae et Philosophiae scriptorum, Tomus I''; Basel 1587.
* [[Wikipedia:Johannes Reuchlin|Johann Reuchlin]]: ''De arte cabalistica''; Mailand: ARCHÈ/EDIDIT, 1995; ISBN 88-7252-174-2. Latein-Französisch, Originalversion von 1517.
* [[Wikipedia:Wilhelm Schmidt-Biggemann|Wilhelm Schmidt-Biggemann]] (Hrsg.): ''Christliche Kabbala''; Ostfildern: Thorbecke, 2003.
* Theodor Zechinger: ''Die christliche Kabbala aus katholischer Sicht – Exegese und Transzendenz''; in: Res Theologicae 11 (1986); Hamburg: Münzinger, 1986; S. 68–81.


{{DEFAULTSORT:Gikatilla, Josef}}
== Nachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Philosoph (Mittelalter)]]  
[[Kategorie:Christentum]]
[[Kategorie:Kabbalist]]
[[Kategorie:Christliche Kabbala|!]]
[[Kategorie:Person des Judentums]]
[[Kategorie:Renaissance]]
[[Kategorie:Kabbalist]]
[[Kategorie:Mystiker]]
[[Kategorie:Autor (Philosophie)]]
[[Kategorie:Autor (Kabbala)]]
[[Kategorie:Spanier]]
[[Kategorie:Geboren 1248]]
[[Kategorie:Gestorben im 14. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 26. April 2019, 00:34 Uhr

Die christliche Kabbala war eine Strömung, die meist als Phänomen der Renaissance angesehen wird[1] und die jüdische Kabbala nutzte, um darin nach einem christlichen Sinn zu suchen beziehungsweise um Juden damit zum Christentum zu konvertieren. Zur Unterscheidung von jüdischer und hermetischer Kabbala wird oftmals eine Schreibweise mit C, wie Cabala, verwandt[1][2][3]; diese Schreibweise kam mit der Übertragung kabbalistischer Texte ins Lateinische auf[4].

Beschreibung

Wie in der jüdischen Kabbala, gab es auch in der christlichen keine einheitliche Lehre, sondern praktisch ausgerichtete Kabbalisten, die auch Magie anwandten, und theoretisch orientierte, die Magie ablehnten.[1]

Anhänger der christlichen Kabbala vertraten die Sichtweise, dass jüdische Lehren für das Christentum wertvoll seien und das Judentum mehr Wahrheit enthalte, als von Christen behauptet. Insbesondere in der Kabbala sahen sie christliche Wahrheiten und suchten nach Parallelen zwischen Juden- und Christentum; das Christentum sollte hierbei als Nachfolger und Verbesserung des Judentums dargestellt werden, ohne dabei den Respekt vor dem Judentum zu verlieren.[1] Mithilfe der christlichen Kabbala versuchten sie, die Juden zu konvertieren und somit die (von ihnen aus jüdisch-kabbalistischer Sicht missverstandene und verfälschte) Kabbala als Waffe gegen diese zu verwenden.[2] Für die christliche Umdeutung der Kabbala waren vermutlich insbesondere zwei Fälschungen aus dem 15. Jahrhundert verantwortlich, die das Christentum unverhüllt predigen.[5]

Aufgrund fehlender Kenntnisse konnten christliche Kabbalisten talmudische Kommentare nicht von kabbalistischen Lehren unterscheiden und hatten nur Fragmente kabbalistischen Wissens zur Verfügung; im Falle Johannes Reuchlins etwa ist aber davon auszugehen, dass diese Unkenntnis vorgeschoben wurde und der Rettung jüdischer Bücher diente; der Talmud etwa wurde als böse angesehen und die Kabbala als Quelle christlicher Wahrheiten, und die Behauptung, bestimmte talmudische Werke seien kabbalistisch, konnte diese vor der Verbrennung retten.[1] Die Unwissenheit einiger Autoren ist laut Gershom Scholem „horrend. Robert Fludd hielt den Sohar für einen Rabbiner!“[6].

Die Suche nach christlichen Inhalten in der Kabbala schloss unter anderem die Deutung der drei unterschiedlichen Buchstaben im Tetragrammaton oder der drei oberen Sephiroth als Dreifaltigkeit[1] sowie die Übertragung hebräischer Gottesbezeichnungen auf die drei Hypostasen des christlichen Gottes[1] oder Jesu Christi auf den kabbalistischen Lebensbaum[3][7] ein, letzteres wird von Rachel Pollack als größte Innovation der christlichen Kabbala angesehen[7]. Außerdem wandten christliche Kabbalisten Methoden wie Notarikon an, um einen christlichen Sinn in der Tora zu finden[1][3]; Gematria, Notarikon und Temura, die „in der populären Meinung als besonders ‚kabbalistisch‘ gelten“[8], wurden von christlichen Kabbalisten in ihrer Bedeutung allerdings überbewertet[9] und treten in der klassischen kabbalistischen Literatur „oft ganz und gar in den Hintergrund“[8].

Anhänger der christlichen Kabbala waren eher an der Suche griechischer Philosophie oder christlicher Inhalte in der Kabbala als an der Kabbala selbst interessiert.[1] Auch wurde das weibliche Moment Gottes in der Schechina beziehungsweise der untersten Sephira Malchuth nicht in die christliche Kabbala übernommen.[1]

Geschichte

Erste Versuche, Juden mithilfe kabbalistischer Ideen zu bekehren, wurden im Mittelalter von Ramon Llull unternommen[10], Llull selbst war jedoch kein Kabbalist[2]. Beim prophetischen Kabbalisten Abraham Abulafia wurde von einigen Gelehrten wie M. H. Landauer eine Hinwendung zu christlichen Ideen gesehen, allerdings äußerte Abulafia sich antichristlich[11], beeinflusste aber die Entwicklung der christlichen Kabbala.[1][10] 1480 erschien die lateinische Übersetzung des vorkabbalistischen Sefer Jetzira durch Meister Isaak.[1]

Als erster christlicher Kabbalist, von Konvertiten abgesehen[1], gilt Giovanni Pico della Mirandola (15. Jahrhundert)[1][12][4]; als erstes christlich-kabbalistisches Werk gelten zwei mutmaßlich gefälschte hebräische Briefe, die Pablo de Heredia ins Lateinische übersetzte und kommentierte, sein Werk besteht jedoch zum Großteil aus Zitaten aus nichtexistenten kabbalistischen Werken und verfälschten Zitaten aus echten kabbalistischen Quellen wie dem Zohar[13]. Erstmals systematisiert wurden christliche kabbalistische Lehren durch Paulus Ricius, der auch mit weniger bekannten Texten vertraut war. Er betätigte sich als Übersetzer unter anderem von Josef Gikatillas Hauptwerk Scha’are Orah, in Ricii Übersetzung Portae lucis ‚Die Pforten des Lichts‘. Ebenfalls mit den Quellen der Kabbala vertraut war der Konvertit Pietro Colonna Galatino, der De arcanis Catholicae veritatis ‚Über arkane katholische Wahrheit‘ schrieb.[1] Im 16. Jahrhundert erschienen Übersetzungen des Sefer Jetzira und des Zohar durch Guillaume Postel sowie eine zweisprachige Ausgabe (Hebräisch/Latein) des Sefer Jetzira durch Johannes Stephanus Rittangelus.[1] Johannes Pistorius der Jüngere veröffentlichte mit Artis cabalisticae eine Auswahl kabbalistischer Texte, darunter Ricii Portae lucis und die Sefer-Jetzira-Übersetzung von 1480. Die bekannteste Zusammenstellung jüdischer und christlicher kabbalistischer Texte dürfte jedoch die Kabbala denudata von Christian Knorr von Rosenroth sein, die auch jüdische Texte aus der Zeit nach der Vertreibung aus Spanien enthielt.[1]

Elemente der Kabbala finden sich auch in zeitgenössischen magischen Werken von Autoren wie Johannes Trithemius, Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (in Verbindung mit mittelalterlicher Angelologie, Dämonologie und der damit verbundenen Magie in Buch 3 von De occulta philosophia[14]) und John Dee[1], bei Dee stammen die kabbalistischen Einflüsse wohl ausschließlich aus christlichen Quellen, insbesondere von Agrippa[15]. Ab dem späten 16. Jahrhundert fand eine Vermischung von Alchemie und christlicher Kabbala u. a. durch Paracelsus statt. Diese entwickelte sich bis ins 17. und 18. Jahrhundert, war unter anderem für Heinrich Khunrath, Abraham von Frankenberg und Robert Fludd typisch und fand ihren Höhepunkt mit Georg von Wellings Opus Mago-Cabbalisticum und den Büchern von Friedrich Christoph Oetinger.[16]

Vertreter einer als okkulte Philosophie bezeichneten Strömung, wie Agrippa und Pico, versuchten, Philosophien zu entwickeln, die hermetisches, hebräisches und klassisches Wissen assimilieren, und diese Fusion mit der christlichen Theologie zu vereinigen.[17] Trotz ihres esoterischen Charakters wurden die der okkulten Philosophie zugrundeliegenden hermetischen und kabbalistischen Ideen im Europa der Renaissance anfangs positiv aufgenommen. Die Historikerin Frances A. Yates betrachtete die okkulte Philosophie sogar als zentrale Triebkraft hinter der Renaissance selbst.[18] Vermutlich ist es kein Zufall, dass die okkulte Philosophie, die Wert auf Einheit legte, während der Zeit der Reformation und der Renaissance populär wurde; möglicherweise wurde von ihr und ihrer Vereinigung so unterschiedlicher Quellen wie der klassischen Weisheit, der Magie, der hebräischen Kabbala und des Christentums erwartet, eine Lösung für das religiöse und politische Schisma der Zeit zu bieten.[19] Während das scholastische Mittelalter Glauben und Frömmigkeit forderte, forderte die Renaissance individuelles Streben und die Suche nach Wissen; die Hermetik versuchte, Wissen und Glauben zu vereinigen.[20] Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden christliche Magi wie Agrippa und John Dee jedoch wegen ihrer Theurgie verdächtigt, und als Teil der Gegenreformation wuchs auch die Reaktion gegen den Renaissance-Neuplatonismus und damit assoziierte okkulte Strömungen. Die christliche Kabbala, die zunächst der Legitimation okkulten Denkens diente, wurde nun wegen der okkulten Assoziation abgewertet und mit Hexerei assoziiert. Dee und Giordano Bruno wurden wegen ihrer Philosophie diskreditiert; ersterer verbrachte seine letzten Jahre in Armut, letzterer wurde 1600 verbrannt.[19]

Spätere christliche Kabbalisten folgten oftmals Pico und Reuchlin, die selbst Quellen zweiter Hand verwandt hatten; nur wenige lernten von Juden und in hebräischer Sprache, sie kamen aber oft nicht weit über die Bücher, aus denen sie die Sprache gelernt hatten, hinaus.[1]

Die christlichen Kabbalisten waren von großer Bedeutung für die Entstehung der hermetischen Kabbala.[21]

Literatur

  • Giulio Busi, Simonetta M. Bondoni, Saverio Campanini (Hg.): The Great Parchment. Flavius Mithidates’ Latin Translation, The Hebrew Text, and an English Version; Turin: Nino Aragno, 2004.
  • Saverio Campanini (Hg.): The Book of Bahir. Flavius Mithridates’ Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version; Turin: Nino Aragno, 2005.
  • Otto Betz [senior]: Licht vom unerschaffnen Lichte. Die kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia. 3. Auflage, bearbeitet von Isolde Betz. Verlag Werner Grimm, Tübingen, Oktober 2013; ISBN 978-3-00-041501-2. - 108 Seiten, 50 zum Teil ganzseitige Bilder.
  • Saverio Campanini: Ein unbekannter Kommentar zum „Hohelied“ aus der kabbalistischen Schule von Francesco Zorzi; in: G. Frank, A. Hallacker, S. Lalla (Hg.): Erzählende Vernunft; Berlin: Akademie Verlag, 2006; S. 265–281.
  • Saverio Campanini: Francesco Giorgio’s Criticism of the Vulgata: „Hebraica Veritas“ or „Mendosa Traductio“? In: G. Busi (Hg.): Hebrew to Latin, Latin to Hebrew. The Mirroring of Two Cultures in the Age of Humanism; Berlin Studies in Judaism 1; Turin: Nino Aragno Editore, 2006; S. 206–231.
  • Christian Knorr von Rosenroth: Kabbala Denudata, 2 Bände; Hildesheim: Olms Verlag 1999; Deutsche Version.
  • Friedrich Christoph Oetinger: Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia; Hrsg. von Reinhard Breymayer und Friedrich Häußermann, 2 Teile; Texte zur Geschichte des Pietismus, Abt. 7, Bd. 1, Teil 1.2; Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1977; ISBN 3-11-004130-8.
  • Giovanni Pico della Mirandola: Conclusiones philosophicae, kabblisticae et theologicae sive theses DCCCC, 1486 – Philosophische, kabbalistische und theologische Schlussfolgerungen
    • Oratio de hominis dignitate, 1486 – Über die Würde des Menschen.
  • Johannes Pistorius der Jüngere: Artis cabalisticae: hoc est, reconditae Theologiae et Philosophiae scriptorum, Tomus I; Basel 1587.
  • Johann Reuchlin: De arte cabalistica; Mailand: ARCHÈ/EDIDIT, 1995; ISBN 88-7252-174-2. Latein-Französisch, Originalversion von 1517.
  • Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hrsg.): Christliche Kabbala; Ostfildern: Thorbecke, 2003.
  • Theodor Zechinger: Die christliche Kabbala aus katholischer Sicht – Exegese und Transzendenz; in: Res Theologicae 11 (1986); Hamburg: Münzinger, 1986; S. 68–81.

Nachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 1,16 1,17 1,18 Christian Cabala. Gangleri, 17. Mai 2007, abgerufen am 20. Mai 2012 (englisch).
  2. 2,0 2,1 2,2  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 1 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  3. 3,0 3,1 3,2  Walter Martin, Jill Martin Rische, Kurt van Gorden: The Kingdom of the Occult. Thomas Nelson, Nashville, Tennessee 2008, ISBN 9-781-4185-1644-4, S. 147-151 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche, abgerufen am 20. Mai 2012).
  4. 4,0 4,1  Anthony J. Elia: An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries. In: Theological Librarianship: An Online Journal of the American Theological Library Association. 2, Nr. 2, American Theological Society, Chicago Dezember 2009, ISSN 1937-8904, S. 13 (Online, abgerufen am 20. Mai 2012).
  5.  Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18.Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit. Akademische Druck– und Verlagsanstalt, Graz 1973, ISBN 3-201-00834-6, S. 110.
  6.  Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18.Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1973, ISBN 3-201-00834-6, S. 109.
  7. 7,0 7,1  Rachel Pollack: The Kabbalah Tree: A Journey of Balance & Growth. 2 Auflage. Llewellyn Publications, St. Paul, MN 2004, ISBN 0-7387-0507-1, S. 49 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche, abgerufen am 20. Mai 2012).
  8. 8,0 8,1  Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 330). 1 Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980 (Originaltitel: Major Trends in Jewish Mysticism, übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro), S. 109.
  9.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 59 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  10. 10,0 10,1 Harvey J. Hames: Exotericism and Esotericism in Thirteenth Century Kabbalah. Esoterica, abgerufen am 20. Mai 2012 (englisch).
  11.  Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 330). 1 Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980 (Originaltitel: Major Trends in Jewish Mysticism, übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro), S. 140, 412.
  12.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 2 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  13.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 2f (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  14.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 20 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  15.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 26 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  16.  Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 48 (http://www.digital-brilliance.com/contributed/Karr/Biblios/ccinea.pdf, abgerufen am 20. Mai 2012).
  17.  Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 100.
  18.  Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 98.
  19. 19,0 19,1  Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 108.
  20.  Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 107.
  21.  Israel Regardie: A Garden of Pomegranates: Skrying on the Tree of Life. Edited and Annotated with New Material by Chich Cicero and Sandra Tabatha Cicero. 3 Auflage. Llewellyn Publications, St. Paul, MN 2004, ISBN 1-56718-141-4, S. XIII, 138 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche, abgerufen am 20. Mai 2012).


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Christliche Kabbala aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.