Quelltext der Seite Freiseele

[[Datei:Ba and mum.jpg|miniatur|Freiseele in Gestalt des ''[[Ba (ägyptische Mythologie)|Ba]]''-Vogels im [[Ägyptisches Totenbuch|Ägyptischen Totenbuch]]]]
Als '''Freiseele''' (freie  [[Seele]]) bezeichnet die [[Religionswissenschaft]] und die [[Ethnologie]] (Völkerkunde) die [[Vorstellung]] von einer Seele, die auch unabhängig vom [[Körper (Biologie)|biologischen Körper]] als '''''anima separata''''' ([[lat.]]) existieren kann und als ''Totenseele'' oder ''[[Schatten (Mythologie)|Schatten]]'' dessen [[Tod]] überlebt, weshalb auch die Bezeichnung '''Schattenseele''' gebräuchlich ist. 

Im Gegensatz zur Freiseele ist eine ''Körperseele'' oder ''Vitalseele'' untrennbar an den Körper gebunden; sie entsteht und stirbt mit ihm und kann ihn grundsätzlich nicht verlassen. Sie regelt die körperlichen Funktionen eines Menschen (oder eines Tieres). Je nach Religion kann eine Person sowohl eine Körperseele als auch eine oder sogar mehrere Freiseelen haben.<ref name="Hasenfratz 1999-734" />

Freiseelen-Konzepte finden sich in vielen [[Mythologie]]n und [[Religion]]en weltweit, aber auch als '''Exkursionsseele''' (von [[latein]]isch ''excursio'' „Streifzug“) in der [[Parapsychologie]]. Dies beschreibt die Vorstellung, die Seele könne bereits zu Lebzeiten eines Menschen seinen Körper zeitweilig verlassen, ohne dass dies seinen Tod herbeiführe, beispielsweise im [[Schlaf]] oder [[Traum]] ''(Traumseele)'', im Zustand einer [[Ekstase]] oder [[Wikipedia:Synkope (Medizin)|Ohnmacht]], oder bewusst erlebt als [[außerkörperliche Erfahrung]], etwa bei einer [[Nahtoderfahrung]].<ref name="Hasenfratz 1999-734" /><ref>{{Literatur|Autor=Johann Figl, Hans-Dieter Klein|Titel=Der Begriff der Seele in der Religionswissenschaft|Verlag=Königshausen & Neumann|Ort=|Datum=2002-01-01|Seiten=121 f|ISBN=978-3-8260-2377-4|Online=[https://books.google.com/books?id=admpGopiKCcC books.google.com]}}</ref>

Zum Teil wird postuliert, dass ein [[Astralleib]] die freie Seele unsichtbar und wolkenartig umgibt.

== Freiseelen-Konzepte in verschiedenen Religionen ==

Einige Religionen gehen davon aus, dass die Freiseele schon vor dem Körper existiert ([[Präexistenz]] einer [[Unsterblichkeit|unsterblichen]] Seele), andere Glaubenslehren nehmen an, dass die Freiseele zugleich mit dem Körper entsteht oder von einer [[Gott]]heit geschaffen wird. Mit dem Tod trennt sich die Freiseele endgültig vom Körper und führt fortan als Totenseele ein eigenständiges Dasein, wobei sie sich entweder als „Geist“ ([[Gespenst]]) unter den Menschen aufhält oder in einem jenseitigen [[Totenreich]] weilt. Durch ihre Unsterblichkeit ermöglicht sie das [[Individuum|individuelle]] Fortbestehen der Person. 

Vorstellungen eines [[Leben nach dem Tod|Lebens nach dem Tod]] gab es beispielsweise in den [[Wikipedia:Sumerische Religion|mesopotamischen Religionen]],<ref name="Janowski 2012-95" /> im [[Wikipedia:Altes Ägypten|alten Ägypten]] ([[Ka (ägyptische Mythologie)|Ka]] und [[Ba (ägyptische Mythologie)|Ba]]) und im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] ([[Unterwelt der griechischen Mythologie|Unterwelt]], Hades). Sie sind noch heute bei vielen [[Ethnie|ethnischen Gruppen]] und [[Wikipedia:Indigene Völker|indigenen Völkern]] verbreitet. Auch die Vorstellung der Wiedergeburt ([[Reinkarnation]]) geht von einer Seele aus, die verschiedene Körper nacheinander bewohnen kann ''(Seelenwanderung)'', beispielsweise in den [[Samsara|indischen Religionen]] [[Hinduismus]] und [[Jainismus]] und im [[Buddhismus]] (siehe [[Wiedergeburt (Buddhismus)|Wiedergeburt im Buddhismus]]).

== Freiseelen im Christentum ==
[[Datei:Seele entweicht.jpg|mini|Ein Engel holt die entweichende Seele eines Sterbenden. [[Wikipedia:Holzschnitt|Holzschnitt]] aus dem frühen 16. Jahrhundert]]
Während das [[Judentum]] und das frühe [[Christentum]] noch kein Konzept einer vom Körper lösbaren, unsterblichen Seele kannten, übernahm das spätere Christentum diese Vorstellung aus [[Hellenismus|hellenistischen]] Überlieferungen, insbesondere dem [[Platonismus]].<ref>{{Literatur|Autor=Markus F. Peschl|Titel=Die Rolle der Seele in der Kognitionswissenschaft und der Neurowissenschaft: auf der Suche nach dem Substrat der Seele|Verlag=Königshausen & Neumann|Ort=|Datum=2005-01-01|Seiten=28|ISBN=978-3-8260-2909-7|Online=[https://books.google.com/books?id=5vXiXb5e5zUC books.google.com]}}</ref> In der [[Bibel]] finden sich nur wenige Stellen, die auf eine derartige Seelenvorstellung hinweisen, etwa das Gleichnis vom [[Reicher Mann und armer Lazarus|reichen Mann und armen Lazarus]] oder den [[Abstieg Christi in die Unterwelt]].

Gängige, mittlerweile aber auch schon umstrittene Lehrmeinung ist die Freiseele in der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]], die ein [[Fegefeuer]] annimmt, in dem die Totenseelen einen „Reinigungsprozess“ durchlaufen, bevor sie in den [[Himmel (Religion)|Himmel]] aufgenommen werden, mit Ausnahme derjenigen Seelen, die direkt in den Himmel eingehen. Das Thema der [[Auferstehung der Toten]] ist konfessionell umstritten. Überwiegend wird es als Auferstehung des Menschen mit Leib und Seele verstanden, gegebenenfalls nach einer Wiedervereinigung der Seele mit einem wiedererweckten oder neugeschaffenen Körper.

== Siehe auch ==
* [[Seele]]
* [[Alter Ego#Ethnologie]] (animistische Glaubensvorstellungen zu „Außenseelen“)
* [[Seelenreise]] (zum Vorgang der Reinkarnation bzw. des Samsaras oder der außerkörperlichen Erfahrung)
* [[Schamane#Schamanische_Seelenreisen|Schamanische Seelenreisen]] (Rituelle „Reise“ in die Welt der Geister)
* [[Nahtoderfahrung]] (Erlebnismuster am Rande des Todes)
* [[Seelenschlaf]] (Tote schlafen bis zu ihrer Auferstehung)
* [[Atemseele]] (Atem als Sitz der Lebenskraft)
* [[Leib-Seele-Problem]] (Philosophie des Geistes)
* [[Ewiges Leben]] (philosophisch-religiöse Fragestellungen)

== Literatur ==
* [[Wikipedia:Hans-Peter Hasenfratz|Hans-Peter Hasenfratz]]: ''Seele I: 2. Seele, Arten und Eigenart seelischer Epiphanien.'' In: ''[[Wikipedia:Theologische Realenzyklopädie|Theologische Realenzyklopädie]].'' Band 30, Gruyter, Berlin/New York 1999, ISBN 3-11-016243-1, S. 734&nbsp;ff. ({{Google Buch| Land=DE| BuchID=uJrc3zAhxcUC| Seite=734| Linktext=Leseprobe}}; Hasenfratz, 1938 in Zürich geboren, war bis 2003 Professor für Theologie der Religionsgeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der [[Wikipedia:Ruhr-Universität Bochum|Ruhr-Universität Bochum]]).

== Einzelnachweise ==
<references>
<ref name="Hasenfratz 1999-734">
Hans-Peter Hasenfratz: ''Seele I: 2. Seele, Arten und Eigenart seelischer Epiphanien.'' In: ''[[Wikipedia:Theologische Realenzyklopädie|Theologische Realenzyklopädie]].'' Band 30, Gruyter, Berlin/New York 1999, S. 734 ({{Google Buch| Land=DE| BuchID=uJrc3zAhxcUC| Seite=734| Linktext=Seitenansicht| Hervorhebung=Freiseele}}).
</ref>
<ref name="Janowski 2012-95">
Annette Zgoll: ''Der oikomorphe Mensch. Wesen im Menschen und das Wesen des Menschen in sumerisch-akkadischer Perspektive.'' In: [[Wikipedia:Bernd Janowski|Bernd Janowski]] (Hrsg.): ''Der ganze Mensch. Zur Anthropologie der Antike und ihrer europäischen Nachgeschichte.'' Akademie, Berlin 2012, ISBN 978-3-05-005113-0, S. 83–108, hier S. 95 ({{Google Buch| Land=DE| BuchID=G4-mkFaoeZwC| Seite=95| Linktext=Seitenansicht| Hervorhebung=Freiseele}}).
</ref>
</references>

[[Kategorie:Esoterik]]
[[Kategorie:Spiritualismus]]
[[Kategorie:Spiritualität]]
[[Kategorie:Metaphysik]]
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Psychologie]]

{{Wikipedia}}