Der Name der Rose und Erika Mann: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
(Die Seite wurde neu angelegt: „mini|hochkant|Erika Mann (um 1938) '''Erika Julia Hedwig Mann''' (* 9. November 1905 in München; † 27. August…“)
 
Zeile 1: Zeile 1:
'''Der Name der Rose''' ist der erste Roman des italienischen Schriftstellers [[Umberto Eco]]. Eco gelang damit ein Welterfolg. Das Buch erschien 1980 im italienischen Original als ''Il nome della rosa'' und 1982 in der deutschen Übersetzung von [[Burkhart Kroeber]].
[[Datei:Erika Mann NYWTS.jpg|mini|hochkant|Erika Mann (um 1938)]]
'''Erika Julia Hedwig Mann''' (* [[9. November]] [[1905]] in [[München]]; † [[27. August]] [[1969]] in [[Zürich]]) war eine deutsche [[Schauspieler]]in, [[Kabarett]]istin, [[Schriftsteller]]in und [[Verlagslektor|Lektorin]]. Sie gründete 1933 das politische Kabarett ''[[Die Pfeffermühle]]'' und arbeitete mit Vorträgen – als Schriftstellerin und [[Journalist]]in auch nach ihrer [[Auswanderung|Emigration]] in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] – gegen den [[Nationalsozialismus]]. Neben ihrer Tätigkeit als Nachlassverwalterin ihres Vaters [[Thomas Mann|Thomas]] sowie ihres Bruders [[Klaus Mann]] hat sie ein umfangreiches Werk aus politischen Essays, Reportagen, Reiseberichten und Kinderbüchern hinterlassen.


Das mehrschichtige Werk, Epochenporträt, philosophisches Essay und der äußeren Form nach ein breit angelegter historischer Kriminalroman, der anno 1327 in einer italienischen Benediktinerabtei spielt, entwirft in der Substanz ein lebendiges Bild des späten Mittelalters mit seinen politischen, sozialen und religiösen Konflikten. Es ist zudem mit zahlreichen Anspielungen auf die Gegenwart, besonders auf das [[Italien]] der 1970er Jahre, durchsetzt. Mit seiner ''Nachschrift zum Namen der Rose'' versuchte Eco, auch den in Mediävistik, Semiotik oder postmoderner Kultur weniger bewanderten Lesern einen Zugang zu den tieferen Schichten des Buches zu eröffnen.
== Zum Leben siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Erika Mann#Leben}}


Der Roman wurde 1986 von Jean-Jacques Annaud unter dem Originaltitel ''[[Wikipedia:Der Name der Rose (Film)|Der Name der Rose]]'' mit Sean Connery in der Hauptrolle verfilmt.
== Das schriftstellerische Werk ==
=== Journalistisches und literarisches Frühwerk ===
{{Zitat|Die nächste Station war ''Boston'', wo die ‚alte amerikanische Kultur‘ zu finden sein soll. Boston ist die allereuropäischste Stadt der Vereinigten Staaten, seine Atmosphäre ist englisch. Nichts kann unamerikanischer sein als diese stillen Straßen mit den niedrigen Häusern, wo die feinen und zurückgezogenen Bürger wohnen. Manche Partien der Stadt erinnern geradezu an Bremen.|Autor=Erika und Klaus Mann|Quelle=''Rundherum'', Seite 59}}
Erika Manns schriftstellerisches Werk begann 1928 mit journalistischen Veröffentlichungen, vor allem verfasste sie Glossen in der Berliner Tageszeitung ''[[Tempo (Zeitung)|Tempo]]'', hinzu kamen Gelegenheitstexte für ''Ford im Bild'', das Werbemagazin des Automobilkonzerns [[Ford]], die erst vor wenigen Jahren wiedergefunden wurden.<ref>S. Björn Weyand: ''Launige Schilderungen der Erlebnisse mit dem getreuen Ford''. Vier Texte Erika Manns für die Zeitschrift ''Ford im Bild'' (Dokumentation und Kommentar). In: ''Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens'' 5 (2003), S. 130–147</ref> Es setzte sich 1929 fort mit dem heiteren Reisebuch ''Rundherum'', in dem sie, zusammen mit ihrem Bruder Klaus, die Erlebnisse aus der gemeinsamen Weltreise verarbeitete. In einer Anzeige im [[Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel]] vom 19.&nbsp;Januar 1929 warb der Fischer Verlag für das Buch der Geschwister Mann: „In ihrem Reisebuch stellen sie keine kritischen Bemerkungen, keine Reflexionen über Länder und Menschen an. Mit neugierigen jungen Augen blicken sie um sich und erzählen einfach und lebendig, was sie sahen und was ihnen begegnete.“<ref>Erika und Klaus Mann: ''Rundherum'', S. 149</ref>
Ein weiteres gemeinsames Reisebuch der frühen Zeit ist ''Das Buch von der Riviera'' von 1931.


== Zusammenfassung ==
An Erika Manns Theaterstück ''Plagiat, eine Komödie in fünf Bildern'' –&nbsp;es stammt ebenfalls aus dem Jahr 1931&nbsp;– hat der Bruder mitgeschrieben. Das Manuskript von ''Plagiat'', mit Szenen aus dem Berliner Theater- und Intellektuellenmilieu, galt lange Zeit als verschollen. Es wurde erst Anfang der 1990er Jahre im Nachlass eines Klaus-Mann-Sammlers aufgefunden. Eine Lesung dieses Stückes fand anlässlich Erika Manns 100.&nbsp;Geburtstags am 14. Februar 2005 im [[Ernst-Deutsch-Theater]] in [[Hamburg]] statt. Das mit Ricki Hallgarten gemeinsam verfasste Weihnachtsspiel ''Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern'' erlebte 1932 in Darmstadt seine Premiere, es wurde später jedoch nicht mehr aufgeführt.
In einem Vorwort mit dem Titel ''Natürlich, eine alte Handschrift'', datiert auf den 5. Januar 1980 (Ecos 48. Geburtstag), aber nicht mit Namen gezeichnet, wird die Geschichte als Nacherzählung einer verlorenen alten Handschrift ausgegeben. Diese Geschichte spielt vor dem historischen Hintergrund eines Streites zwischen dem [[Papst]] und dem Mönchsorden der Franziskaner, diese vom [[Ludwig IV. (HRR)|Kaiser]] des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] protegiert, in einer mittelalterlichen Benediktinerabtei, in der mysteriöse Morde geschehen. Die Abtei liegt an den Hängen des [[Apennin]] („zwischen [[Lerici]] und [[La Turbie]]“<ref>Nach [[Dante Alighieri|Dante]], Purgatorio 3,51: ''Tra Lerice e Turbìa la più diserta, la più rotta ruina'' (zwischen Lerci und Turbia, nun Trümmerstätte).</ref>)
Der englische [[Franziskanische Orden|Franziskanerpater]] William von Baskerville, der in einer politischen Mission als Sondergesandter des Kaisers unterwegs ist, wird vom [[Abt]] der Benediktinerabtei gebeten, den Täter zu ermitteln. Ihm eröffnet sich bei seinen Untersuchungen eine Welt von Glaubensfehden, verbotener und verborgener Leidenschaften sowie krimineller Energien. Am Ende verbrennt mit dem geheim gehaltenen zweiten Buch der ''[[Poetik (Aristoteles)|Poetik]]'' des Aristoteles, das von der Komödie handelt, die ganze Abtei mitsamt ihrer kostbaren Bibliothek.


Der Roman ist (analog zu den sieben Posaunen der biblischen [[Offenbarung des Johannes|Apokalypse]]) in sieben Tage unterteilt und voller philosophischer, theologischer, historischer, zeitgenössischer und literarischer Anspielungen und Zitate.
=== ''Die Pfeffermühle'' ===
{{Zitat
|Text=[…] schon im Januar 33 in München konnte man ja nicht mehr direkt [sein] – also wir waren indirekt. Wir haben alles gemacht mit Märchen, Parabeln und Gleichnissen aller Art – wir haben nie einen Namen genannt, nie ein Land genannt, wir waren indirekt, völlig eindeutig für unser Publikum.
|Quelle=Erika Mann im Gespräch mit [[Fritz J. Raddatz]] (1969)
|ref=<ref>Erika Mann im Gespräch mit Fritz J. Raddatz in einer Sendung des WDR, 1969</ref>}}


== Handlung ==
Mit der Gründung der ''[[Die Pfeffermühle|Pfeffermühle]]'' Anfang 1933 versuchte Erika Mann sich erfolgreich als Texterin, Vortragende und Conférencière in der kleinen Kunstform des Kabarettbeitrags. Hier konnte sie ihr schauspielerisches mit dem schriftstellerischen und organisatorischen Talent vereinen. ''Die Pfeffermühle'' war eine „Kleinkunstbühne“, deren Texte dem Vorbild von [[Klabund]], [[Christian Morgenstern]] und [[Joachim Ringelnatz]] nachempfunden waren. Thomas Mann war der Namensgeber für das Kabarett. Etwa 85 Prozent der Texte stammten von Erika Mann selbst. Nach einem sehr erfolgreichen Beginn verhinderten die politischen Umstände weitere Aufführungen in Deutschland. Auf eine im [[Pariser Tageblatt]] vom Januar 1934 veröffentlichte Kritik von [[Ludwig Marcuse]], der bereits in [[Paris]] im Exil lebte, die ''Pfeffermühle'' sei in ihrem Auftreten zu „mild“, schrieb Erika Mann in einem Brief an Klaus erbost: „Wer wird denn ausgewiesen, er oder wir, wenn wir mehr pfeffern?“<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S. 385</ref> Nach insgesamt 1034 Vorstellungen im europäischen Exil scheiterte die ''Peppermill'' Anfang 1937 in New York am mangelnden Interesse des amerikanischen Publikums.
[[Datei:Labyrinthus Aedificium.svg|miniatur|Das Labyrinth der Bibliothek im obersten Stock des Aedificiums]]
Als [[Noviziat|Novize]] in der Obhut des Franziskaners ''William von Baskerville'' besucht der junge ''Adson von Melk'' Ende November 1327 – während der Zeit des [[Avignonesisches Papsttum|Avignonesischen Papsttums]] – eine [[Benediktiner]]abtei im ligurischen [[Apennin]]. Dort sollen sich führende Köpfe des Franziskanerordens mit einer Gesandtschaft des Papstes [[Johannes XXII.]] treffen, um brisante theologische Fragen des Für und Wider der [[Vita apostolica]], der Armut der Kirche, zu diskutieren und damit gleichzeitig Machtpositionen zwischen dem [[Heiliger Stuhl|Apostolischen Stuhl]], einigen Mönchsorden und dem Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] abzustecken.


Bevor es zu dem politisch-theologischen Treffen kommt, bittet der [[Abt]] des Klosters den für seinen Scharfsinn bekannten William (der früher einmal [[Inquisitor]] gewesen war, aber dieses Amt niedergelegt hatte), einen mysteriösen Todesfall aufzuklären, der sich unlängst im Kloster ereignete. Während Williams Arbeit an diesem Fall werden innerhalb weniger Tage vier weitere Mönche ermordet.
=== Kinderbücher ===
[[Datei:Stoffel fliegt übers Meer.jpg|mini|hochkant=0.6|Umschlag von Ricki Hallgarten]]
{{Zitat
|Text=Für Medi und Bibi, weil sie meine Geschwister sind, und weil sie es gerne wollten
|Quelle=Widmung Erika Manns für ihre Geschwister Elisabeth und Michael in ''Stoffel fliegt übers Meer''}}


Die Aufklärung dieser Verbrechen ist der erzählerische Hauptstrang des Romans, der mit etlichen Verzweigungen und Nebenlinien aufwartet, die ein komplexes und vielfarbiges Bild des mittelalterlichen Lebens auf allen sozialen Ebenen zeichnen und insbesondere den erzählenden Adson zu zahlreichen prägenden Erlebnissen und inneren Auseinandersetzungen mit theologischen, historischen und philosophischen Fragestellungen führen. Anhand des [[Fra Dolcino]] und des Inquisitors [[Bernard Gui]] werden auch die Phänomene der [[Häresie]] und der Inquisition behandelt. Zudem entspinnt sich am Rande eine zarte Liebesgeschichte zwischen Adson und einem namenlosen Bauernmädchen, welches er während einer nächtlichen Verfolgungsjagd trifft, das ihn unversehens verführt und welches er vor der Inquisition des Bernard Gui retten will.
Erika Manns erstes Kinderbuch ''[[Stoffel fliegt übers Meer]]'' mit Illustrationen ihres Jugendfreunds [[Richard Hallgarten|Ricki Hallgarten]] aus dem Jahr 1932 hatte großen Erfolg, es erlebte innerhalb kurzer Zeit zehn Auflagen und wurde in viele Sprachen übersetzt. Es folgte 1934 ''Muck, der Zauberonkel''; mit beiden Büchern erreichte sie einen größeren Bekanntheitsgrad beim deutschen Lesepublikum, doch blieb sie hinter der Popularität ihres Vaters und ihres Bruders zurück. Ein Freund der Familie Mann, der Anglist [[Hans Reisiger]], lobte in der „BZ am Mittag“ vom 12.&nbsp;Dezember 1932, der ''Stoffel'' sei „das schönste, reichste und wärmste Kinderbuch, das ich seit [[Erich Kästner]]s ''[[Emil und die Detektive]]'' und [[Rudyard Kipling|Kiplings]] ''Fischerjungs'' gelesen habe“.<ref>Erika Mann: ''Stoffel fliegt übers Meer'', Nachwort der Neuausgabe 2005, S.&nbsp;123; vgl. [[Manfred Berger (Pädagoge)|Manfred Berger]]: Erika Mann, in:Baumgärtner, A. C./Kurt, F./Pleticha, H. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, Meitingen 1999 (7. Ergänzungslieferung).</ref>


Die Spur führt William und Adson in die als nahezu unzugängliches [[Labyrinth]] angelegte Klosterbibliothek zu dem blinden Bibliothekar Jorge von [[Burgos]]. Dieser greise Mönch hütet dort einen besonderen Schatz, nämlich das womöglich einzige erhaltene Exemplar des „Zweiten Buches der [[Poetik (Aristoteles)|Poetik]]“ des [[Aristoteles]], in dem – nach der [[Tragödie]] im ersten Teil – die [[Komödie]] behandelt wird. Jorge hält die in diesem Buch vertretene positive Einstellung zur Freude und zum Lachen für derart gefährlich, dass er es mit einem Gift versehen hat und es lieber vernichten würde, als es in fremde Hände fallen zu lassen. Als der Versuch, nach den fünf ermordeten Mönchen schließlich auch William durch das vergiftete Buch zu töten, scheitert, setzt Jorge die weitgerühmte Bibliothek in Brand. William und Adson können zwar aus der brennenden Bibliothek entkommen, jedoch ergreift das Feuer das gesamte Kloster und vernichtet es.
=== Im amerikanischen Exil entstandene Arbeiten ===
{{Zitat|Eine Welt – eine einzige, mäßig große, die Raum hat für alle, doch nicht für alles. Und wofür nun einmal gewiss nicht? Das Wort ist flach, und wir vermieden es lieber. Es ist unvermeidlich. Was hinter ihm steht, hat die Erde in Rauch und Flammen gehüllt und muß verfemt sein, nach den Gesetzen der neuen Welt. Es heißt: Nationalismus! |Autor=Erika Mann| Quelle=''Gedanken im Tee-Salon'', 28. Mai 1943<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S. 11, 371. In: ''Die Zeitung''</ref>}}


Am Ende hat William zwar den Fall gelöst, die Katastrophe jedoch nicht verhindern können. Resigniert stellt er fest: „Ich bin wie ein Besessener hinter einem Anschein von Ordnung hergelaufen, während ich doch hätte wissen müssen, dass es in der Welt keine Ordnung gibt.“ Ähnlich entmutigt beendet Adson seinen Bericht mit den Worten „Stat rosa pristina nomine, [[Nomen nudum|nomina nuda]] tenemus“ („Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen“), einem Zitat von [[Bernhard von Cluny|Bernhard von Morlaix]].<ref>[http://www.hoye.de/name/abel.pdf Der Ausdruck „Der Name der Rose“ bei Peter Abaelard]</ref>
Der Großteil der Werke Erika Manns gehört zur [[Exilliteratur]], darunter das von ihr so genannte politische Lehrbuch ''[[Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich]]'' ''(School for Barbarians. Education under the Nazis)'' im Jahr 1938; mit diesem Werk gelang ihr in den USA ein großes Maß an Aufklärung über die politische Situation in Deutschland. Erstmals fand sie ihren eigenen Erzählstil, indem sie dokumentarisches Material mit selbst erlebten Geschichten mischte. Ein Jahr später folgte ''[[Escape to Life]]'', eine Art [[Who’s Who]] der Exilierten, das Erika Mann in Kooperation mit ihrem Bruder Klaus schrieb. 1940 entstand die Publikation ''The Other Germany'', in dem sich die Geschwister Mann kritisch mit ihrem Geburtsland auseinandersetzten. Im selben Jahr verfasste Erika Mann ihr zweites politisches Lehrbuch ''The Lights Go Down''. Eine deutsche Rückübersetzung aus dem Englischen, da das deutsche Manuskript als verloren gelten muss, erschien erst im Jahr 2005 unter dem Titel ''[[Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich]]'' anlässlich ihres 100.&nbsp;Geburtstags. Darüber hinaus entstanden in ihrer Eigenschaft als „lecturer“ und Kriegskorrespondentin zahlreiche Essays, Statements und Kommentare für Zeitungen und Magazine.


== Entstehung ==
Ein weiteres Kinderbuch ''A Gang of Ten'' erschien 1942, später wurde es in Deutschland unter dem Titel ''Zehn jagen Mr. X'' veröffentlicht. Eine Neuausgabe mit einem von [[Uwe Naumann]] verfassten Nachwort erschien anlässlich ihres 50. Todesjahrs 2019 im [[Rowohlt Verlag]].<ref>[https://www.perlentaucher.de/buch/erika-mann/zehn-jagen-mr-x.html Rezensionen bei perlentaucher]</ref>
Eco begann im März 1978 zuerst ohne klare Vorstellung der Handlung. Der Grundgedanke war „einen Mönch zu vergiften“. Darüber schreibt er in seiner ''Nachschrift zum Namen der Rose'': „Ich glaube, Romane entstehen aus solchen Ideen-Keimen, der Rest ist Fruchtfleisch, das man nach und nach ansetzt.“ Die Hauptfigur sollte zunächst ein zeitgenössischer Mönchs-Detektiv sein, der [[Il manifesto]] liest. Um sich bei seinem Romandebüt nicht zu exponieren, beschloss er allerdings bald einen mittelalterlichen Mönch erzählen zu lassen und dem Roman eine fiktive Überlieferungsgeschichte zu geben, beginnend bei den Jugenderinnerungen des greisen Adson,<ref>Umberto Eco: ''Nachschrift zum Namen der Rose''. (dt. von B. Kroeber, dtv 1986, 8. Auflage 1987) ISBN 3-423-10552-6 S. 21–28. Erstmals erschienen bei Hanser 1984.</ref> bis hin zu der eigenen eiligen Rohübersetzung eines nicht mehr greifbaren französischen Buches.<ref>Umberto Eco: ''Der Name der Rose''. dt. von Burkhart Kroeber, Hanser, München 1982; dtv, München 1986 (Natürlich, eine alte Handschrift)</ref>


{{Zitat|Ich setzte mich also hin und las (erneut) die mittelalterlichen Chronisten, um mir den Rhythmus und die Unschuld ihrer Erzählweise anzueignen. ''Sie'' sollten für mich sprechen, dann war ich frei von jedem Verdacht. Von jedem Verdacht, aber nicht vom Gewicht der Vergangenheit, von den Echos der Intertextualität. Denn nun entdeckte ich, was die Dichter seit jeher wußten (und schon so oft gesagt haben): Alle Bücher sprechen immer von anderen Büchern, und jede Geschichte erzählt eine längst schon erzählte Geschichte. Das wußte Homer, das wußte Ariost, zu schweigen von Rabelais und Cervantes. Ergo konnte meine Geschichte nur mit der wiedergefundenen Handschrift beginnen, und auch das wäre dann (natürlich) nur ein Zitat. So schrieb ich zuerst das Vorwort, in dem ich meine Erzählung, verpackt in drei andere Erzählungen, in den vierten Grad der Verpuppung setzte: Ich sage, daß Vallet sagte, daß Mabillon sagte, daß Adson sagte …<ref>Umberto Eco: ''Nachschrift zum Namen der Rose''. (dt. von B. Kroeber, dtv 1986, 8. Auflage 1987) ISBN 3-423-10552-6 S. 27 – 28. Erstmals erschienen bei Hanser 1984.</ref>}}
=== Das Spätwerk, postume Veröffentlichungen ===
{{Zitat|Deine Beziehung zu Doktor Bermann und seinem Haus ist unverwüstlich, – Du scheinst bereit, ihr alle Opfer zu bringen. Falls es ein Opfer für Dich bedeutet, daß ich Dir mählich, aber sicher, abhanden komme,&nbsp;–: leg es zu dem übrigen. Für mich ist es traurig und schrecklich. Ich bin Dein Kind E.| Quelle=Schlusssatz von Erika Manns Brief vom 19.&nbsp;Januar 1936 zum Thema „Emigration“ an Thomas Mann<ref>Erika Mann: ''Mein Vater, der Zauberer'', S.&nbsp;93</ref>}}
In der Nachkriegszeit schrieb Erika Mann ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater'' (1956) und ''Die Zugvögel''- Kinderbuchreihe (1953 bis 1956), zu der die Titel ''Till bei den Zugvögeln'', ''Die Zugvögel auf Europa-Fahrt'' und ''Die Zugvögel singen in Paris und Rom'', gehören. Weiterhin wurden die Kinderbücher ''Stoffel fliegt übers Meer'' und ''Muck, der Zauberonkel'' –&nbsp;unter den Titeln ''Christoph fliegt nach Amerika'' (1952) und ''Unser Zauberonkel Muck'' (1953)&nbsp;– in Neuausgaben bei [[Franz Schneider Verlag|Franz Schneider]] in München, herausgegeben. 1959 veröffentlichte der [[Scherz Verlag]] in Bern die vier Ausgaben der ''Zugvögel''-Geschichten im Sammelband ''Die Zugvögel. Sängerknaben auf abenteuerlicher Fahrt''.


=== Titel ===
1996 kam unter dem Titel ''Mein Vater, der Zauberer'' postum eine Brief- und Essaysammlung Erika Manns heraus, die unter anderem den mühsamen Weg nachzeichnet, mit dem die Autorin Thomas Mann brieflich zwischen 1933 und 1936 zur endgültigen Absage an das nationalsozialistische Regime bewog. Eine weitere postume Essaysammlung ist ''Blitze überm Ozean'', die im Jahr 2000 erschien, in der auch ihre fragmentarische Autobiographie ''Ausgerechnet Ich'' veröffentlicht wurde. Zum ersten Mal wurden darin ihre wichtigsten journalistischen Arbeiten, viele davon bisher ungedruckt, in einem Buch versammelt.
Der Arbeitstitel lautete erst, wie Eco schreibt, ''Die Abtei des Verbrechens'' und danach, nach der Hauptfigur, ''Adson von Melk''. Dieser zweite Titel sei jedoch vom Verlag abgelehnt worden. Der endgültige Titel bezieht sich auf eine Variation eines Hexameters von Bernhard von Cluny (Bernhard von Morlaix): ''Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus''<ref>In Bernhard von Clunys ''De contemptu mundi'' (Von der Geringschätzung der Welt): ''Stat Roma pristina nomine, nomina nuda tenemus''. Siehe: thelatinlibrary.com: [http://www.thelatinlibrary.com/bernardcluny1.html ''Bernard of Cluny. De contemptu mundi: Prologus et liber primus]'' (952) aufgerufen am 4. Juli 2016</ref> (Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen). ''Der Name der Rose'' schicke den Leser in alle Richtungen – also in keine bestimmte. Wer wolle, könne auch an den Namen des Mädchens denken.<ref>Umberto Eco: ''Nachschrift zum Namen der Rose''. (dt. von B. Kroeber, dtv 1986, 8. Auflage 1987) ISBN 3-423-10552-6 Kapitel: Titel und Sinn, S. 9 – 14. Erstmals erschienen bei Hanser 1984.</ref> 


Beachtenswert ist jedoch, dass die ''Rose'' wie auch der ''Name'' seit dem Mittelalter Zentralbegriffe im Universalienstreit waren, auch exakt in der Zusammenstellung ''Der Name der Rose'' als Beispiel für eine Verknüpfung von Begriff und Objekt<ref>Vgl. die Anspielung auf diese philosophische Diskussion in William Shakespeare: ''Romeo and Juliet'', Akt 2, Szene 2, in der Julia sagt: ''„What’s in a name? that which we call a rose / By any other name would smell as sweet“''.</ref>, speziell auch bei Peter Abaelard. Dessen tragische Liebesbeziehung zu Heloisa findet sich wiederum in der bekannten Bebilderung einer mittelalterlichen Handschrift des Rosenromans (franz. ''Le Roman de la Rose''), in welchem die Rose symbolisch für die geliebte Frau steht. Man kann annehmen, dass der Buchtitel auch auf diese Zusammenhänge anspielt, zumal Eco ein anerkannter [[Wikipedia:Mediävistik|Mediävist]] und profunder Kenner der mittelalterlichen [[Wikipedia:Semiotik|Semiotik]] war.
== Rezeption ==
{{Zitat|Warum sind wir so kalt? / Warum, – das tut doch weh! / Warum? Wir werden bald / Wie lauter Eis und Schnee! / Beteiligt Euch, – es geht um Eure Erde! / Und Ihr allein, Ihr habt die ganze Macht! / Seht zu, daß es ein wenig wärmer werde / In unserer schlimmen, kalten Winternacht! | Autor=Erika Mann | Quelle=Song aus ''Kälte'', 2.&nbsp;Folge des Exilprogramms der „Pfeffermühle“ am 1.&nbsp;Januar 1934<ref>Helga Keiser-Hayne: ''Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937'', S.&nbsp;108</ref>}}


== Figuren ==
=== Wirkung zu Lebzeiten ===
Viele Figuren des Romans spielen auf historische Persönlichkeiten und literarische Gestalten an.
Nach der pazifistischen Frauenversammlung in München am 13. Januar 1932, auf der Erika Mann zu Beginn ihrer politischen Arbeit als Rednerin aufgetreten war, attackierte das nationalsozialistische Kampfblatt, der ''[[Völkischer Beobachter|Völkische Beobachter]]'', drei Tage später auf der Titelseite die Vortragende mit den hämischen Worten: „Ein besonders widerliches Kapitel stellte das Auftreten Erika Manns dar, die […] ihre ‚Kunst‘ dem Heil des Friedens widmete. In Haltung und Gebärde ein blasierter Lebejüngling, brachte sie ihren blühenden Unsinn über die ‚deutsche Zukunft‘ vor.“ Es folgte eine unverhohlene Drohung auch gegen Erika Manns Angehörige: „Das Kapitel ‚Familie Mann‘ erweitert sich nachgerade zu einem Münchener Skandal, der auch zu gegebener Zeit seine Liquidierung finden muß.“<ref>Irmela von der Lühe: ''Erika Mann'', S. 88</ref>


=== William von Baskerville ===
Zur Gründung der ''Pfeffermühle'' am 1. Januar 1933 beschrieb Klaus Mann in seiner Autobiographie ''Der Wendepunkt'' den hohen Anteil, den seine Schwester am Gelingen des literarisch-politischen Kabarettprogramms hatte: „Die Texte der meisten Nummern –&nbsp;[[Chanson]]s, Rezitationen, [[Sketch]]e&nbsp;– waren von Erika (einige auch von mir); Erika war Conférencier ''[sic]'', Direktor, Organisator; Erika sang, agierte, inspirierte, kurz, war die Seele des Ganzen.“<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'', S. 385</ref>
Der Franziskaner William von Baskerville ist eine der beiden fiktiven Hauptfiguren des Romans. Sein Name „William“ und seine philosophisch-erkenntniskritische Grundhaltung verweisen auf den Scholastiker [[Wilhelm von Ockham]]; sein [[Herkunftsname]] „von Baskerville“ spielt auf [[John Baskerville]] und den Detektivroman [[Der Hund von Baskerville]] (1901/1902) an, geschrieben von [[Arthur Conan Doyle]]. Doyles Figurenkonstellation (der Detektiv [[Sherlock Holmes]] und sein Gehilfe [[Dr. Watson]]), wurde genretypisch für [[Detektivgeschichte]]n. Eco schuf mit William und seinem Gehilfen Adson eine solche Konstellation.


William wird im Buch als großgewachsen und schlank beschrieben, mit durchdringendem Blick und einer schmalen, leicht gebogenen Nase. Diese Personenbeschreibung ist ein fast wörtliches Zitat von Conan Doyles Beschreibung von Sherlock Holmes in seinem ersten Detektivroman ''A Study in Scarlet'' (dt. [[Eine Studie in Scharlachrot]])<ref>{{PGIW|files/244/244-h/244-h.htm#link2HCH0002|A Study In Scarlet|Arthur Conan Doyle|link=true}} Chapter II. Abgerufen 16. Januar 2012.</ref>. Adson schätzt sein Alter auf 50 Jahre. Er ist einer der scharfsinnigsten Inquisitoren der damaligen Zeit.<!--- wer sagt/meint das: Eco oder Adson?--->
Erika Manns vielseitige antifaschistische Arbeit im Exil und nach Kriegsende erwähnt ihr Neffe [[Frido Mann]], der selbst in Kalifornien aufgewachsen war, aus eigener Anschauung und nicht ohne Bewunderung: „Sie wirkte wie eine vom Sieg über die Nazibarbarei gestählte Amazone, die ich mir noch lange in ihrer englischen Uniform genau vorstellen konnte und von deren Abenteuerberichten aus dem Londoner Bombenkrieg, den Kampfhandlungen im teilweise noch besetzten Frankreich und dann von ihren geradezu apokalyptischen Begegnungen mit den in Nürnberg verurteilten Nazi-Kriegsverbrechern ich nie genug hören konnte.“ Doch die Folgen ihrer auf zwei Kontinenten geführten Feldzüge, beginnend mit dem politisch-literarischen Kabarett ''Die Pfeffermühle'' und fortgesetzt mit ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin waren offensichtlich, sie kamen „erst nach der Rückkehr nach Europa in den fünfziger Jahren zum Vorschein und beschleunigten ihre zunehmende Zerrüttung und Erkrankung vor allem nach dem Tod ihres Vaters“.<ref>Uwe Naumann: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum'', S.&nbsp;10 (Einleitung von Frido Mann)</ref>


Im Roman treten viele historisch belegte Persönlichkeiten als Nebenfiguren auf (beispielsweise [[Bernard Gui]] und [[Michael von Cesena]]) oder werden erwähnt (wie etwa [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig der Bayer]] oder [[Thomas von Aquin]]). Eco lässt William wie eine reale historische Gestalt des [[Spätmittelalter]]s erscheinen. Innerhalb des scholastischen Diskurses verkörpert William eine extrem [[Universalienproblem|nominalistische]] Position. Wie modern seine Denk- und Ausdrucksweise ist, wird an vielen Stellen des Romans angedeutet, so zum Beispiel, wenn er [[Ludwig Wittgenstein]] (in [[mittelhochdeutsch]]er „Übersetzung“) zitiert (vorgreifender [[Anachronismus]]).
Zu ihrer persönlichen Ausstrahlung schreibt Frido Mann in seiner Biographie ''Achterbahn'': „Sie ist bei ihrem Eintreten für demokratische und humanistische Werte immer auch von Kopf bis Fuß Schauspielerin. Ihre Mimik, jede Bewegung ihres Körpers, ihre Wortwahl und Artikulation erscheinen wie einstudiertes Theaterspiel, ohne jedoch künstlich oder affektiert zu sein.“ Er fährt fort mit der Vermutung der Familie, Erika Mann „trüge in ihrem Auftreten und in ihrer ganzen Persönlichkeit besonders das kreolisch-brasilianische Erbe ihrer Großmutter [[Julia da Silva-Bruhns|Julia]] in sich“.<ref>Frido Mann: ''Achterbahn'', S. 23 f.</ref>


=== Adson von Melk ===
In den späten Lebensjahren in Kilchberg kamen die problematischen, eigenwilligen Seiten Erika Manns jedoch besonders zum Ausbruch. In Tagebüchern und Briefen ist belegt, dass die Familienmitglieder unter ihrer rechthaberischen, herrschsüchtigen Art litten; so hat der jüngste Bruder, Michael Mann, kurz nach Erikas Tod bei einem Besuch im Kilchberger Haus befreit die Bemerkung fallen lassen: „Jetzt ist es eigentlich ganz gemütlich hier.“<ref>Uwe Naumann (Hrsg.): ''Die Kinder der Manns'', S. 16</ref> Und Erika Manns jüngste Schwester Elisabeth Mann Borgese äußert sich in [[Heinrich Breloer|Breloers]] Doku-Drama ''[[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]'' mit einer gewissen Ratlosigkeit über den Verlauf von Erikas Manns Leben:
Der junge Benediktiner, benannt nach dem Benediktinerkloster [[Stift Melk]], ist die zweite fiktive Hauptfigur des Romans. Er begleitet William von Baskerville als junger Gehilfe ([[Adlatus]]“) und nimmt zugleich die Rolle des [[Typologisches Modell der Erzählsituationen#Ich-Erzählsituation|Ich-Erzählers]] ein, der als greiser [[Mönchtum|Mönch]] an der Schwelle des Todes „die denkwürdigen und entsetzlichen Ereignisse“ niederschreibt, „deren Zeuge zu werden mir in meiner Jugend einst widerfuhr“. Sein Name (im italienischen Original ist es die lateinische Form „Adso“ da Melk, die italienische Namensform wäre „Adsone“, „Azzo(ne)“) erinnert an Sherlock Holmes’ Freund und Gehilfen [[Dr. Watson]] und ist offenbar eine Anspielung auf den Namen Watson. Auch in vielen Dialogen finden sich deutliche Anspielungen auf Doyle (''„My dear Watson“'' als häufiger Auftakt eines Holmes-Monologs wird bei Eco zu ''„Mein lieber Adson“''). Ein weiterer Bezug wird im Roman durch eine Bemerkung von Jorge von Burgos nahegelegt, nämlich zu [[Adso von Montier-en-Der]], dem Benediktinermönch und Verfasser des bekanntesten frühmittelalterlichen Traktats über den [[Antichrist]]en.
{{Zitat|Erika war ganz ungeheuer begabt – als Schauspielerin, als Schriftstellerin, als Journalistin, als Unternehmerin, als alles … Und sie besaß einen Charme, wie ihn wenige haben. Also, was will man mehr im Leben? Aber sie hat sich eben ihr Leben sehr zerstört, und ist doch eigentlich sehr traurig verendet. Und man fragt sich immer: warum, wieso?|ref=<ref>Breloer/Königstein: ''Die Manns'', S. 424</ref>}}


=== Jorge von Burgos ===
=== Stimmen zum Werk ===
[[Jorge Luis Borges]] fantastische Erzählung ''[[Die Bibliothek von Babel|La biblioteca de Babel]]'', die sich durch [[Intertextualität]] auszeichnet und als Parabel der europäischen Diktaturen der 30/40er Jahre und in Argentinien unter [[Juan Perón|Perón]] gelesen werden kann, inspirierte Umberto Eco, den Roman ''Der Name der Rose'' zu schreiben. Borges' Erzählung  ''El Libro de Arena'' (Das Sandbuch), in der der Erzähler ein Buch mit anscheinend unendlich vielen unendlich dünnen Seiten erwirbt, weist deutliche Parallelen zu dem Roman auf: Der Erzähler entschließt sich, das unheimliche Buch in der Nationalbibliothek unter anderen Büchern zu verstecken, da er nicht wagt, es zu vernichten, es aber auch nicht selbst aufbewahren möchte.
Erika Manns Nachlasstätigkeit für Thomas Mann und Klaus Mann rief später Kritik hervor, da sie bei der Bearbeitung der Texte für die geplanten Editionen vor Streichungen nicht zurückschreckte. Der Klaus-Mann-Experte [[Fredric Kroll]] weist in seinem Nachwort zur Neuausgabe des ''[[Der Wendepunkt|Wendepunkt]]'' 2006 darauf hin, dass im konservativen Deutschland der 1950er Jahre selbst Thomas Mann ein umstrittener Autor war. Daher wurden in der Auswahlausgabe von Thomas Manns Briefen Stellen getilgt, die sich auf dessen Neigung zur Homosexualität bezogen, und in Klaus Manns ''Der Wendepunkt'' schwächte Erika Mann in Zusammenarbeit mit einem Fischer-Lektor (1950 waren die Verlagsrechte an Klaus Manns Werken von Querido auf den Fischer-Verlag übergegangen) unter anderem Passagen ab, die sich mit Gustaf Gründgens auseinandersetzten oder sich auf Klaus Manns Homosexualität, Rauschgiftsucht und Todesgedanken bezogen. Es mag ein Grund gewesen sein, die Autoren in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen, und die Furcht vor Prozessen wegen Beleidigung wird auch eine Rolle gespielt haben.<ref>Klaus Mann: ''Der Wendepunkt'', Nachwort von Fredric Kroll, S.&nbsp;874&nbsp;ff.</ref>


Der Name ''Jorge von Burgos'' ist eine Anspielung auf ebendiesen im Alter erblindeten argentinischen Schriftsteller und Bibliothekar, der wegen seiner immensen Kenntnisse als Genie galt und noch heute als Begründer des ''fantastischen Realismus'' bekannt ist, aber wegen seiner Unterstützung des [[Argentinische Militärdiktatur (1976–1983)#Verlauf der Diktatur|Militärputsches vom März 1976]] als ein [[Reaktion (Politik)|Reaktionär]] angefeindet wurde. Indem Jorge von Burgos das Lachen wegen seines [[Aufklärung|aufklärerischen]] Potentials ablehnt, erweist er sich ebenfalls als Reaktionär.
[[Marcel Reich-Ranicki]] resümiert am 18. Januar 1986 in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]]: „Wenn der Eindruck nicht trügt, war es dieser hochbegabten und überaus temperamentvollen Frau nicht gegeben, in Frieden mit sich selber zu leben: Die man einst aus Deutschland vertrieben hatte, ist eine Getriebene geblieben. Überdies wurden ihr vermutlich tiefe persönliche Enttäuschungen nicht erspart.“ Diese durchaus kritische Formulierung über die Persönlichkeit Erika Manns zeigt die [[Ambivalenz]] auf, die ihr Leben und Werk ausweist, denn Reich-Ranicki führt weiter in seinem Buch ''Thomas Mann und die Seinen'' aus: „Sie verfaßte rasche Reportagen und kühne Korrespondentenberichte, sie war eine politische Publizistin, der man Unabhängigkeit und Entschiedenheit auch dann bescheinigen mußte, wenn man ihre Ansichten nicht teilen konnte.“<ref>Marcel Reich-Ranicki: ''Thomas Mann und die Seinen'', S.&nbsp;180</ref>


=== Weitere Figuren ===
Im Nachwort von ''Blitze überm Ozean'', einer Erstveröffentlichung ihrer fragmentarischen Autobiografie ''Ausgerechnet Ich'' und zahlreicher Aufsätze, Reden, Reportagen (so der Untertitel) aus dem Jahr 2000, beschreiben die Herausgeber [[Irmela von der Lühe]] und [[Uwe Naumann]] Erika Manns schriftstellerische Intentionen: „Das Material für die Bücher sammelte sie auf ihren Reisen und während ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin; es wurde meist auch für Vorträge und öffentliche Auftritte verwendet. Auf Originalität kam es dabei weniger an als auf Authentizität; nicht für die Ewigkeit und ihren Nachruhm, sondern für den Augenblick, für die Aufklärung über die Gegenwart waren Bücher und Vorträge, Aufsätze und Rundfunkberichte gedacht.
Der deutschen Erstausgabe von 1982 war (in Absprache mit dem Autor) als [[Lesezeichen (Buch)|Lesezeichen]] eine Art Theaterzettel beigegeben, der unter der Überschrift [[Dramatis personae|„Dramatis Personae“]] folgende Angaben enthielt:
* ''William von Baskerville'' – Zeichendeuter und Spurensucher
* ''Adson von Melk'' – sein Schüler, Chronist
* ''Abbo von [[Kloster Fossanova|Fossanova]]'' – [[Abt]], einst Leichenträger
* ''Remigius von [[Varazze|Varagine]]'' – Kellermeister
* ''Malachias von [[Hildesheim]]'' – [[Bibliothekar]]
* ''Severin von [[Kloster Sankt Emmeram|St. Emmeram]]'' – Kräuter- und Giftforscher
* ''Nicolas von [[Kloster Morimond|Morimond]]'' – Handwerker, brav
* ''Alinardus von [[Grottaferrata]]'' – Greis
* ''Jorge von [[Burgos]]'' – blinder Seher
* ''Adelmus von [[Otranto]]'' – Monstermaler, tot
* ''Venantius von Salvemec'' – [[Aristoteles]]-Experte
* ''Berengar von [[Arundel (West Sussex)|Arundel]]'' – Verführer
* ''Benno von [[Uppsala]]'' – Büchernarr
* ''Aymarus von [[Alessandria]]'' – Intrigant
* ''Petrus von Sant'Albano'' – dito
* ''Pacificus von [[Tivoli (Latium)|Tivoli]]'' – dito
* ''[[Ubertinus de Casale|Ubertin von Casale]]'' – [[Mystik]]er
* ''[[Michael von Cesena]]'' – [[Politiker]]
* ''Bertrand del Poggetto'' – [[Kardinal]]
* ''[[Bernard Gui]]'' – Ketzer- und Hexenjäger, franz. [[Inquisitor]]
* ''[[Fra Dolcino]]'' – toter, noch sehr lebendiger Ketzerführer
* ''Salvatore'' – armer Teufel, Sprachgenie
* ''Das Mädchen'' – namenlos, vielleicht die Rose
* und weitere fleißige Mönche, [[Minoriten|Mindere Brüder]], [[Päpstlicher Legat|päpstliche Legaten]], französische [[Bogenschütze]]n, tote und lebendige [[Ketzer]], einfache Leute, Volk.


== Literaturgeschichtliche Einordnung und Interpretationen ==
=== Würdigung ===
''Der Name der Rose'' gilt als einer der bekanntesten Vertreter des [[Postmoderner Roman|postmodernen Romans]]. Typischerweise vereinen sich dabei mehrere literarische Genres in einem Text. So weist der Roman deutliche Merkmale des Kriminalromans sowie des [[Schauerroman]]s auf und beinhaltet klare Anspielungen auf Werke von [[Edgar Allan Poe]], [[Arthur Conan Doyle]] und [[Agatha Christie]].<ref name="Mersch">Dieter Mersch: ''Umberto Eco zur Einführung'', Junius: Hamburg (1993), S. 14ff.</ref>
Die Journalistin Margrit Gerste äußert sich im Jahr 2000 begeistert in der ''[[Die Zeit|Zeit]]'' über ''Blitze überm Ozean'' und erklärt die späte Veröffentlichung von Erika Manns Texten in Deutschland mit den Folgen des Kalten Krieges:


Überdies steht er in der Tradition des [[Historischer Roman|historischen Romans]]. Dabei neigt er dazu, Geschichte nicht nur wiederzugeben, sondern das Problem der Geschichtsschreibung selbst zu thematisieren. Exemplarisch dafür sind die Mischung historischer und fiktionaler Figuren, Ecos starke Bezugnahmen auf historische und zeitgenössische [[Intertextualität|Intertexte]], die teilweise direkt in den Roman eingearbeitet werden, und das Auftreten vieler [[Anachronismus|Anachronismen]]: So beschäftigt sich ''Der Name der Rose'' vor dem mittelalterlichen Hintergrund mit politischen und [[Semiotik|semiotischen]] Problemen, die typisch für die wissenschaftlichen Diskurse des 20. Jahrhunderts sind. Auch die [[Textualität]] selber, die Eigenschaften von Texten sowie ihres Verfassens und ihrer Rezeption, wird durchgängig thematisiert. In der Literaturwissenschaft wurde für Romane dieser Art der Begriff [[historiografische Metafiktion]] geprägt.<ref name="Mersch" /><ref name="Ickert">Klaus Ickert/Ursula Schick: ''Das Geheimnis der Rose entschlüsselt'', Heyne: München (1986), S. 76ff.</ref> Ferner finden sich Elemente eines [[Liebesroman]]s, nicht nur in Bezug auf Adson und das namenlose Bauernmädchen, sondern auch hinsichtlich der Frage, in welche Beziehungen und Passionen Menschen zu Gott, der Erkenntnis und Interpretation von Wahrheit sowie zu irdischen Dingen treten können.
{{Zitat|Sie hatte alles, was eine große Reporterin und Publizistin ausmacht: ein scharfes Auge, den untrüglichen Sinn für das Wesentliche, einen unabhängigen Geist und natürlich eine kraftvolle Sprache. Obendrein besaß sie Humor und Temperament. Sie war eine vehemente Wahrheitssucherin und Moralistin in den Zeiten der Lüge und Verkommenheit zwischen 1933 und 1945 und des widerwärtigen Freund-Feind-Denkens im Kalten Krieg. [] Warum Erika Mann im Nachkriegsdeutschland nicht zur gefragten Publizistin wurde, hat viel mit dem Kalten Krieg zu tun, der so manchen freien Geist zermalmte, den Nazis aber sehr zupass kam.|ref=<ref>Margrit Gerste: [http://www.zeit.de/2000/43/Ausgerechnet_ich ''Ausgerechnet ich – Endlich: Die Publizistin Erika Mann ist auf Deutsch zu lesen''.] In: ''[[Die Zeit]]'', Nr. 43/2000</ref>}}


Eco selbst wies darauf hin, dass der Roman auch als [[Schlüsselroman]] gelesen werden kann, und gab an, ihn unter dem Einfluss der [[Aldo Moro|Aldo-Moro]]-Ermordung geschrieben zu haben. Nach dieser Lesart ließen sich verschiedene Gruppierungen des Romans mit politischen Gruppierungen im Italien der 1970er Jahre entschlüsseln. Verschiedene Kritiker identifizierten die Dolcinianer mit den [[Rote Brigaden|Roten Brigaden]], die Franziskaner mit den [[Kommunistische Partei Italiens|Kommunisten]] und die Benediktiner mit der [[Democrazia Cristiana]]. Trotz Ecos eigenem Hinweis ist eine solche Lesart jedoch umstritten, da sie teilweise als Überinterpretation empfunden wurde. Eco selbst gab an anderer Stelle der eigenen Erklärung widersprechend auch an, sich nicht um Fragen politischer Aktualität zu kümmern.<ref name="Ickert" />
=== Rezensionen zu Viola Roggenkamps ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter'' ===
Erika Manns Biografin [[Irmela von der Lühe]] und auch bekannte Mann-Experten wie [[Inge Jens|Inge]] und [[Walter Jens]] oder [[Heinrich Breloer]] verfolgten die Auswirkung der jüdischen Abstammung Katia Manns und ihrer Kinder in ihren Werken nicht ausreichend – so behauptet es wenigstens die Schriftstellerin [[Viola Roggenkamp]]. Die amerikanische Schriftstellerin [[Ruth Klüger]] rezensiert unter dem Titel ''Verleugnetes [[Judentum]]'' in ''[[Die Welt]]'' 2005 Roggenkamps Buch ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim'', das eine neue, wenn auch vielleicht zu einseitige Sichtweise der Familie Mann aufzeigt:
{{Zitat
|Text=Laut Roggenkamp hat Erika Mann ihre jüdische Herkunft mütterlicherseits konsequent verleugnet, im Sinne, dass sie sich nie als Jüdin einstufte, und diese Verleugnung, so folgert sie, kam einer psychologischen Verdrängung im [[Sigmund Freud|Freud]]'schen Sinne gleich, die sich in Erikas Leben, Schreiben und Denken ungut, oder zumindest belastend, auswirkte. Man kann dieses oder jenes Detail in dem zügig geschriebenen und polemisch angelegten Buch anzweifeln, doch die Autorin hat gewiss recht, wenn sie meint, es müsse doch stutzig machen, wenn eine Tochter aus prominenter und nur teils assimilierter Familie (Katia Manns Mutter war getauft, der alte Pringsheim war es nicht) während der großen Judenverfolgung, der sie in Deutschland zum Opfer gefallen wäre, sich nicht mit ihrem jüdischen Erbe auseinandersetzt, sondern konsequent so tut, als gäbe es das gar nicht. […] So wurde diese hochbegabte Frau nach und nach Thomas Manns Tochter und weiter nichts. Die allzu enge Bindung an einen extrem ichbezogenen Vater verstellte ihr den Weg ins eigene Leben.
|ref=<ref>Ruth Klüger: [https://www.welt.de/print-welt/article187395/Verleugnetes-Judentum.html ''Verleugnetes Judentum''.] In: ''[[Die Welt]]'', 31. Dezember 2005. Buchbesprechung über Viola Roggenkamps ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter'' (abgerufen am 22. Juli 2008)</ref>}}


Zahlreiche Merkmale teilt ''Der Name der Rose'' auch mit [[Trivialliteratur|Trivialromanen]]. So sind die Hauptfiguren stark typisiert, es findet eine klare Trennung in gute und böse Figuren statt, zahlreiche [[Klischee]]s und [[Stereotyp]]e werden aufgerufen. Dieses Vorgehen kann als [[Pastiche]] verstanden werden, und damit als bewusste Auseinandersetzung mit der Rolle von Trivialität in der Literatur. Dieses Stilmittel ist ebenfalls typisch für viele postmoderne Romane; Stereotype werden bewusst aufgerufen, um sie klar als Stereotype auszustellen und sie gerade dadurch zu hinterfragen.<ref name="Mersch" />
[[Manfred Koch (Germanist)|Manfred Koch]] sieht Roggenkamps Buch weniger positiv und weist in seiner Rezension in der ''[[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]]'' im Jahr 2005 auf Erika Manns antifaschistische Arbeit hin, die sie im Kontext mit ihrer Überzeugung und nicht um ihrer jüdischen Wurzeln willen geleistet hat:
{{Zitat
|Text=Man staunt über die grossrichterliche Attitüde der Verfasserin, die sich nicht scheut, gleich zu Beginn mögliche Kritiker ihres Verfahrens vorsorglich unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen. Roggenkamp huldigt einem diffusen Essenzialismus des ‚Jüdischseins‘, der sie von genaueren historischen Überlegungen entlastet. [] Zu Beginn des Kaiserreichs zählten bereits fast zwei Drittel der deutschen Juden zur wirtschaftlichen und kulturellen Elite des Landes; die religiösen Bindungen und Lebensformen der Vergangenheit waren ihnen fern gerückt. [] Das Desinteresse der Pringsheims und vieler anderer an ihrem jüdischen Erbe hat deshalb nichts von pathologischer Verdrängung oder gar Verrat. Erika Mann hat den Antisemitismus bekämpft, wo immer er ihr begegnete. Dass sie es ihrem Selbstverständnis nach nicht als Jüdin, sondern als demokratische Humanistin tat – wer darf ihr das verübeln?
|ref=<ref>[[Neue Zürcher Zeitung]], 5. November 2005, Rezension</ref>}}


== Rezeption ==
== Ehrungen ==
Der Roman ''Der Name der Rose'' war weltweit außergewöhnlich erfolgreich – allein bis 1989 wurden über acht Millionen Exemplare verkauft.<ref>Rudolf Radler (Hrsg.), ''Kindlers Neues Literaturlexikon'', München (1989), Band 5, S. 22</ref> Mit der Veröffentlichung gingen umfangreiche Marketing- und Reklameaktionen sowie eine starke mediale Aufmerksamkeit einher. Das US-Magazin ''Newsweek'' zeigte Eco auf der Titelseite. Der Roman wurde nach seinem Erscheinen Gegenstand zahlreicher literaturwissenschaftlicher Arbeiten. Auch Historiker beschäftigten sich mit dem von Eco gezeichneten Bild des Mittelalters; insgesamt rief der Roman in breiteren Kreisen ein plötzliches Interesse an der Mittelalterforschung hervor.<ref name="Heit">Alfred Heit: ''Einleitung'', in: ders. (Hrsg.): ''Ecos Rosenroman – ein Kolloquium'', DTV: München (1987), S. 12</ref> Die ungewöhnlich starke Rezeption wurde auch selbst zum Gegenstand von Studien; so befragte das italienische Magazin ''Panorama'' 900 Probanden mit höherer Schulbildung und kam zu dem Ergebnis, dass nur 16 % der Leser des Romans zu Ecos Stammlesern gehörten, 40 % hingegen durch das Marketing und die mediale Berichterstattung aufmerksam geworden waren.<ref name="Heit" />
[[Datei:Erika-Mann-Bogen.jpg|mini|hochkant|links|Zusätzliches Straßenschild in [[Hamburg]] mit einer kurzen Einführung]]
Eine Grundschule in Berlin, die sich für soziale Gleichbehandlung einsetzt, trägt seit dem 8.&nbsp;November 1999 ihren Namen. Die gleichnamige Politikerin [[Erika Mann (Politikerin)|Erika Mann]] ist Patin dieser Schule.


Die französische Tageszeitung Le Monde nahm ''Der Name der Rose'' in ihre [[Wikipedia:Die 100 Bücher des Jahrhunderts von Le Monde|Liste der 100 besten Bücher des 20. Jahrhunderts]] auf.
In München wurde im Jahr 2004 anlässlich ihres 100.&nbsp;Geburtstags 2005 die „Erika-Mann-Straße“ (bei der Donnersbergerbrücke) nach ihr benannt. Und mit Beschluss vom 18.&nbsp;Dezember 2006 benannte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg eine im Stadtteil [[Hamburg-Barmbek-Süd|Barmbek-Süd]] liegende Straße mit „Erika-Mann-Bogen“; sie ist eine von zwei neu angelegten Straßen in einem Neubaugebiet auf dem ehemaligen Gelände des [[Krankenhaus Eilbek|Krankenhauses Eilbek]], deren Namensgebung auf Antrag der [[Grün-Alternative Liste|GAL]] den Kriterien „Verfolgte des Nationalsozialismus“ und „Frau“ entsprechen sollten.


== Bearbeitung in anderen Medien ==
[[Datei:Irmela von der Lühe 2019 - 01.jpg|mini|Irmela von der Lühe, Kuratorin der Erika-Mann-Ausstellung in der [[Monacensia]]]]
1986 verfilmte Jean-Jacques Annaud den Roman mit Sean Connery als William von Baskerville. [[Wikipedia:Der Name der Rose (Film)|Der Film]] erhielt gemischte Kritiken, war aber ebenfalls kommerziell sehr erfolgreich. 1986 produzierte Richard Hey ein sechsstündiges deutschsprachiges Hörspiel für den Südwestfunk. 2008 erschien bei Ravensburger ein gleichnamiges Brettspiel auf der Grundlage des Romans. Diese Bearbeitungen trugen weiter zum Verkaufserfolg bei, obwohl sie den Stoff teilweise stark veränderten.<ref name="Heit" />
Das Münchner Literaturarchiv [[Monacensia]] widmet Erika Mann eine erste Einzelausstellung mit dem Titel ''Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin'', die vom 11. Oktober 2019 bis zum 30. Juni 1920 läuft. Schirmherr ist [[Frido Mann]].<ref>[https://www.muenchner-stadtbibliothek.de/monacensia-2016/ausstellungen/veranstaltung-tag/erika-mann-kabarettistin-kriegsreporterin-politische-rednerin/ ''Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin''], muenchner-stadtbibliothek.de, abgerufen am 10. Oktober 2019</ref> Die Ausstellungskuratorin [[Irmela von der Lühe]] präsentiert Erika Mann als eine „Persönlichkeit singulären Formats“. Darüber hinaus initiierte die Monacensia eine interessante Vernetzungsaktion mit vielfältigen Kulturinstitutionen, um das Spektrum zu Erika Mann zu erweitern<ref>https://blog.muenchner-stadtbibliothek.de/vernetzungsaktion-erika-mann-anstand-freiheit-toleranz-erikamann-maerz-2020/ abgerufen am 31. März 2020</ref><ref>https://wakelet.com/wake/7bf83ced-d137-46d5-a78e-ef7e2345db0a abgerufen am 31. März 2020</ref>


== Siehe auch ==
== Werke in deutschen Ausgaben (Auswahl) ==
* {{WikipediaDE|Der Name der Rose}}
* '' Zehn jagen Mr. X''. Aus dem Englischen von Elga Abramowitz. Kinderbuch Verlag GmbH, Berlin 1990, ISBN 3-358-01562-9; Neuausgabe mit einem Nachwort von [[Uwe Naumann]], Rowohlt, Hamburg 2019, ISBN 978-3-499-21851-4.
** Originalausgabe ''A Gang of Ten.'' L.B. Fischer, New York 1942
* ''Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich''. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-22169-1.
* '' Mein Vater, der Zauberer''. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22282-5. (Enthält den Briefwechsel mit Thomas und Katia Mann von 1919–1955 sowie Essays, Statements, Kommentare und ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater''.)
* ''Briefe und Antworten.'' Hrsg. von Anna Zanco-Prestel. Neuausgabe: Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-498-04420-6.
* ''Blitze überm Ozean, Aufsätze, Reden, Reportagen''. Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-23107-7. (Enthält die fragmentarische Autobiografie ''Ausgerechnet Ich'' und ihre wichtigsten, zum Teil bisher unveröffentlichten journalistischen Arbeiten.)
* ''Stoffel fliegt übers Meer. Mit Bildern von Richard Hallgarten, Nachwort von Dirk Heißerer''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-21331-1.
* ''Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern.'' (Zusammen mit Richard Hallgarten). Mit einer Erklärung von Erika Mann. Hrsg. und mit einem Nachwort von Dirk Heißerer. Thomas-Mann-Schriftenreihe, Fundstücke 1. peniope. Anja Gärtig Verlag, 2005, ISBN 3-936609-20-9.
* ''Ausgerechnet Ich. Ein Lesebuch''. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-24158-7.
* ''Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater''. Neuausgabe: Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16637-3.
* ''Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich''. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24413-6.


== Literatur ==
Zusammen mit Klaus Mann:
=== Ausgaben ===
* ''Rundherum''. S. Fischer Verlag, Berlin 1929, Neuausgabe: ''Rundherum. Abenteuer einer Weltreise''. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13931-6.
* Umberto Eco, ''Il nome della rosa'', Bompiani, Mailand 1980
* ''Das Buch von der Riviera. [[Was nicht im „Baedeker“ steht]]''. Bd. XIV, Piper, München 1931. Reprint: Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23667-2; Neuausgabe Kindler, Hamburg 2019, ISBN 978-3-463-40715-9.
* Umberto Eco, ''Il nome della rosa'', prima edizione riveduta e corretta, Bompiani, Mailand 2012
* ''Escape to Life'', aus dem Deutschen ins Englische übertragen von Mary Hottinger-Mackie. Houghton Mifflin, Boston 1939. Deutsche Originalausgabe: ''Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil''. edition spangenberg, München 1991; Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13992-8.
* Umberto Eco, ''Der Name der Rose'', Übersetzung von Burkhart Kroeber, Hanser, München 1982 (36 Wochen lang in den Jahren 1982 bis 1984 auf dem [[Wikipedia:Liste der meistverkauften Belletristikbücher in Deutschland#1981 ff|Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste)]]; dtv, München 1986 ff.
* Umberto Eco, ''Der Name der Rose'', aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, Verlag Volk und Welt, Berlin 1989, ISBN 3-353-00108-5


=== Sekundär ===
== Siehe auch ==
* Umberto Eco: ''Nachschrift zum „Namen der Rose“'', Übers. Burkhart Kroeber, Hanser, München 1984, ISBN 978-3-423-10552-1
* {{WikipediaDE|Kategorie:Erika Mann}}
* Hans-Jürgen Bachorski Hg.: ''Lektüren. Aufsätze zu Umberto Ecos „Der Name der Rose“.'' Kümmerle, Göppingen 1985
* {{WikipediaDE|Erika Mann}}
* Armin Burkhardt, Eberhard Rohse: ''Umberto Eco – Zwischen Literatur und Semiotik''. Ars & Scientia, Braunschweig 1991, ISBN 3-9802066-2-9
* Theresa Coletti: ''Naming the Rose. Eco, medieval signs and modern theory'', Cornell UP Ithaca, N.Y. 1988 (engl.)
* Alfred Haverkamp & Alfred Heit (Hgg.): ''Ecos Rosenroman. Ein Kolloquium'', dtv, München 1987, ISBN 978-3-423-04449-3
* Klaus Ickert & Ursula Schick: ''Das Geheimnis der Rose entschlüsselt. Zu Umberto Ecos Weltbestseller „Der Name der Rose“'', Heyne, München 1986, ISBN 978-3-453-03732-8
* Max Kerner (Hrsg.): ''„… eine finstere und fast unglaubliche Geschichte“? Mediävistische Notizen zu U. Ecos Mönchsroman „Der Name der Rose“.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG), Darmstadt 1988
* Burkhart Kroeber (Hrsg.): ''Zeichen in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“. Aufsätze aus Europa und Amerika'', Übers. B.K. und Michael Walter, Hanser, München 1987, ISBN 978-3-446-14882-6
* Teresa de Lauretis: ''Umberto Eco'', La nuova Italia, Florenz 1981 (Il Castoro Nr. 179) In Ital.
* Thomas Stauder: ''Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Forschungsbericht und Interpretation.'' Mit komm. internat. Bibliographie 1980–1986. Palm & Enke, Erlangen 1988
* Cerstin Urban: ''U. E.: „Der Name der Rose.“'' Reihe Königs Erläuterungen|Königs Erläuterungen und Materialien, 391. Bange, Hollfeld 1998 ISBN 3-8044-1627-6


=== Dissertationen ===
== Literatur über Erika Mann (und Familie) ==
* Barbara Niederer: ''Il trionfo della rosa. Indagine sulla ricezione del „Nome della rosa“'', Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1985
* {{Theaterlexikon|Erika Mann|2|1169|1170|Autor=Anna Beck, Christian Jauslin}}
* Gabriella Borter-Sciuchetti von Ringgenberg BE: ''Annäherungen an das Namenlose. Eine Interpretation von Umberto Ecos „Il nome della rosa“ und Boris Vians „L'Ecume des jours“'', Universität Zürich, 1987
* [[Heinrich Breloer]], [[Horst Königstein]]: ''Die Manns. Ein Jahrhundertroman.'' Fischer, Frankfurt/Main 2003, ISBN 3-596-15380-8.
* Daniela Chana: ''Erika Mann und die 'Pfeffermühle'. Dadaismus und die Anfänge des Cabarets in der Schweiz.'' danzig & unfried, Wien, 2015, ISBN 978-3-902752-10-9.
* {{HLS|12090|Mann, Erika|Autor=Susanne Gisel-Pfankuch}}
* Anke Hertling: ''Eroberung der Männerdomäne Automobil. Die Selbstfahrerinnen [[Ruth Landshoff]]-Yorck, Erika Mann und [[Annemarie Schwarzenbach]]''. Aisthesis-Verlag, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-89528-941-5.
* Helga Keiser-Hayne: ''Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937, Texte, Bilder, Hintergründe.'' Erweiterte Neuausgabe. Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-499-13656-2.
* Ute Kröger: ''„Wie ich leben soll, weiss ich noch nicht“. Erika Mann zwischen „Pfeffermühle“ und „Firma Mann“. Ein Porträt.'' Limmat, Zürich 2005, ISBN 3-85791-484-X.
* [[Marianne Krüll]]: ''Im Netz der Zauberer. Eine andere Geschichte der Familie Mann.'' Überarbeitete Ausgabe. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1999, ISBN 3-596-11381-4; durchgesehene und ergänzte Neuauflage Fischer Verlag, Frankfurt 2005, ISBN 3-10-042030-6.
* [[Tilmann Lahme]]: ''Die Manns. Geschichte einer Familie.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-10-043209-4.
* [[Irmela von der Lühe]]: ''Erika Mann. Eine Biographie.'' Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 5.&nbsp;Aufl.&nbsp;2001, ISBN 3-596-12598-7; ''Erika Mann. Eine Lebensgeschichte''. Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-62535-0.
* [[Frido Mann]]: ''Achterbahn. Ein Lebensweg.'' Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-498-04510-4.
* [[Klaus Mann]]: ''Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht.'' Erweiterte Neuausgabe, mit Textvariationen und Entwürfen im Anhang herausgegeben und mit einem Nachwort von [[Fredric Kroll]]. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24409-8.
* Hildegard Möller: ''Die Frauen der Familie Mann.'' Piper, München 2005, ISBN 3-492-24576-5.
* Barbara Murken: ''Gedanken zum Kinder- und Jugendbuchwerk von Erika Mann. Ein biographisches Puzzle.'' Antiquariat Geisenheyner, Münster 1995, ISBN 3-9804674-0-6.
* [[Uwe Naumann]]: ''Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum.'' Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-04688-8.
* [[Marcel Reich-Ranicki]]: ''Thomas Mann und die Seinen.'' Fischer, Frankfurt/Main 1990, ISBN 3-596-26951-2.
* [[Viola Roggenkamp]]: ''Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim.'' Arche, Zürich 2005, ISBN 3-7160-2344-2.
* Michael Stübbe: ''Die Manns. Genealogie einer deutschen Schriftstellerfamilie.'' Degener & Co, Neustadt an der Aisch 2004, ISBN 3-7686-5189-4.
* [[Andrea Weiss]]: ''Flucht ins Leben. Die Erika und Klaus Mann-Story.'' Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22671-5.
* [[Gunna Wendt]]: ''Erika und Therese: Erika Mann und Therese Giehse – Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg.'' Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-30941-7.
* [[Kay Weniger]]: ''„Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben.“ Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht.'' S. 328 f., ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8.
* {{NDB|16|50|51|Mann, Erika|Anna Zanco Prestel|118747436}}


=== Hörbuch ===
== Film ==
* ''Der Name der Rose'', gelesen von Gert Heidenreich, 20 CDs, RBB / Der Hörverlag, München 2008
* ''Escape to Life – The Erika and Klaus Mann Story'', Dokumentarfilm von [[Andrea Weiss]] und [[Wieland Speck]] mit [[Maren Kroymann]] und [[Cora Frost]], 2000 (enthält das Interview aus dem Jahr 1968 mit [[Fritz J. Raddatz]])
 
* [[Die Manns – Ein Jahrhundertroman]]. Mehrteilige Fernsehverfilmung der Familiengeschichte von [[Heinrich Breloer]] und [[Horst Königstein]], 2001
=== Hörspiel ===
* ''[[Wikipedia:Der Name der Rose (Hörspiel)|Der Name der Rose]]'', Hörspielbearbeitung von Richard Hey, Regie: Otto Düben, BR/SWR/NDR 1986, 6 CDs, Der Hörverlag, München 2005


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Il nome della rosa|Der Name der Rose}}
{{Commonscat}}
* [http://www.eco-online.de/Bestseller/Rose.html Helge Schalk: ''Von Namen und Rosen. Eine Anregung zur Lektüre.'']
{{Wikiquote}}
* [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14356092.html Rezension des Romans] durch Lars Gustafsson
* {{DNB-Portal|118747436}}
* {{Webarchiv | url=http://hjg-sim.de/fileadmin/projekte/gotik/pro4.htm | wayback=20120406074433 | text=Projektarbeit mit Hintergrundinformationen}}
* {{DDB|Person|118747436}}
* {{DHM-HdG|Bio=erika-mann|Autor=Claudia Prinz}}
* {{HLS|12090|Erika Mann|Autor=Susanne Gisel-Pfankuch|Datum=2007-11-16|Zugriff=2020-02-15}}
* [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/erika-mann1 Biografie, Literatur und Quellen zu Erika Mann] FemBio des Instituts für Frauen-Biographieforschung
* [http://www.monacensia-digital.de/monac/nav/classification/16413 Briefe, Manuskripte, biographische Dokumente von Erika Mann online] auf: ''[[Monacensia|monacensia-digital.de]]''


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Normdaten|TYP=w|GND=4099176-3|LCCN=n/85/153703|VIAF=184638900}}
{{Navigationsleiste Mitglieder der Familie Mann}}
 
{{Exzellent|1. August 2008|49037791}}
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118747436|LCCN=n/85/12436|NDL=00678419|VIAF=46777706}}


{{SORTIERUNG:Name Der Rose #Der}}
{{SORTIERUNG:Mann, Erika}}
[[Kategorie:Literarisches Werk]]
[[Kategorie:Schriftsteller (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Historischer Roman]]
[[Kategorie:Schriftsteller (Deutscher)]]
[[Kategorie:Umberto Eco]]
[[Kategorie:Journalist]]
[[Kategorie:Kabarettist]]
[[Kategorie:Filmschauspieler]]
[[Kategorie:Kinder- und Jugendliteratur]]
[[Kategorie:Romancier]]
[[Kategorie:Erzähler]]
[[Kategorie:Essayist]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Brite]]
[[Kategorie:Geboren 1905]]
[[Kategorie:Gestorben 1969]]
[[Kategorie:Frau]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 28. Juni 2020, 00:03 Uhr

Erika Mann (um 1938)

Erika Julia Hedwig Mann (* 9. November 1905 in München; † 27. August 1969 in Zürich) war eine deutsche Schauspielerin, Kabarettistin, Schriftstellerin und Lektorin. Sie gründete 1933 das politische Kabarett Die Pfeffermühle und arbeitete mit Vorträgen – als Schriftstellerin und Journalistin auch nach ihrer Emigration in die Vereinigten Staaten – gegen den Nationalsozialismus. Neben ihrer Tätigkeit als Nachlassverwalterin ihres Vaters Thomas sowie ihres Bruders Klaus Mann hat sie ein umfangreiches Werk aus politischen Essays, Reportagen, Reiseberichten und Kinderbüchern hinterlassen.

Zum Leben siehe auch

Das schriftstellerische Werk

Journalistisches und literarisches Frühwerk

„Die nächste Station war Boston, wo die ‚alte amerikanische Kultur‘ zu finden sein soll. Boston ist die allereuropäischste Stadt der Vereinigten Staaten, seine Atmosphäre ist englisch. Nichts kann unamerikanischer sein als diese stillen Straßen mit den niedrigen Häusern, wo die feinen und zurückgezogenen Bürger wohnen. Manche Partien der Stadt erinnern geradezu an Bremen.“

Erika und Klaus Mann: Rundherum, Seite 59

Erika Manns schriftstellerisches Werk begann 1928 mit journalistischen Veröffentlichungen, vor allem verfasste sie Glossen in der Berliner Tageszeitung Tempo, hinzu kamen Gelegenheitstexte für Ford im Bild, das Werbemagazin des Automobilkonzerns Ford, die erst vor wenigen Jahren wiedergefunden wurden.[1] Es setzte sich 1929 fort mit dem heiteren Reisebuch Rundherum, in dem sie, zusammen mit ihrem Bruder Klaus, die Erlebnisse aus der gemeinsamen Weltreise verarbeitete. In einer Anzeige im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 19. Januar 1929 warb der Fischer Verlag für das Buch der Geschwister Mann: „In ihrem Reisebuch stellen sie keine kritischen Bemerkungen, keine Reflexionen über Länder und Menschen an. Mit neugierigen jungen Augen blicken sie um sich und erzählen einfach und lebendig, was sie sahen und was ihnen begegnete.“[2] Ein weiteres gemeinsames Reisebuch der frühen Zeit ist Das Buch von der Riviera von 1931.

An Erika Manns Theaterstück Plagiat, eine Komödie in fünf Bildern – es stammt ebenfalls aus dem Jahr 1931 – hat der Bruder mitgeschrieben. Das Manuskript von Plagiat, mit Szenen aus dem Berliner Theater- und Intellektuellenmilieu, galt lange Zeit als verschollen. Es wurde erst Anfang der 1990er Jahre im Nachlass eines Klaus-Mann-Sammlers aufgefunden. Eine Lesung dieses Stückes fand anlässlich Erika Manns 100. Geburtstags am 14. Februar 2005 im Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg statt. Das mit Ricki Hallgarten gemeinsam verfasste Weihnachtsspiel Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern erlebte 1932 in Darmstadt seine Premiere, es wurde später jedoch nicht mehr aufgeführt.

Die Pfeffermühle

„[…] schon im Januar 33 in München konnte man ja nicht mehr direkt [sein] – also wir waren indirekt. Wir haben alles gemacht mit Märchen, Parabeln und Gleichnissen aller Art – wir haben nie einen Namen genannt, nie ein Land genannt, wir waren indirekt, völlig eindeutig für unser Publikum.“

– Erika Mann im Gespräch mit Fritz J. Raddatz (1969)[3]

Mit der Gründung der Pfeffermühle Anfang 1933 versuchte Erika Mann sich erfolgreich als Texterin, Vortragende und Conférencière in der kleinen Kunstform des Kabarettbeitrags. Hier konnte sie ihr schauspielerisches mit dem schriftstellerischen und organisatorischen Talent vereinen. Die Pfeffermühle war eine „Kleinkunstbühne“, deren Texte dem Vorbild von Klabund, Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz nachempfunden waren. Thomas Mann war der Namensgeber für das Kabarett. Etwa 85 Prozent der Texte stammten von Erika Mann selbst. Nach einem sehr erfolgreichen Beginn verhinderten die politischen Umstände weitere Aufführungen in Deutschland. Auf eine im Pariser Tageblatt vom Januar 1934 veröffentlichte Kritik von Ludwig Marcuse, der bereits in Paris im Exil lebte, die Pfeffermühle sei in ihrem Auftreten zu „mild“, schrieb Erika Mann in einem Brief an Klaus erbost: „Wer wird denn ausgewiesen, er oder wir, wenn wir mehr pfeffern?“[4] Nach insgesamt 1034 Vorstellungen im europäischen Exil scheiterte die Peppermill Anfang 1937 in New York am mangelnden Interesse des amerikanischen Publikums.

Kinderbücher

Datei:Stoffel fliegt übers Meer.jpg
Umschlag von Ricki Hallgarten

„Für Medi und Bibi, weil sie meine Geschwister sind, und weil sie es gerne wollten“

– Widmung Erika Manns für ihre Geschwister Elisabeth und Michael in Stoffel fliegt übers Meer

Erika Manns erstes Kinderbuch Stoffel fliegt übers Meer mit Illustrationen ihres Jugendfreunds Ricki Hallgarten aus dem Jahr 1932 hatte großen Erfolg, es erlebte innerhalb kurzer Zeit zehn Auflagen und wurde in viele Sprachen übersetzt. Es folgte 1934 Muck, der Zauberonkel; mit beiden Büchern erreichte sie einen größeren Bekanntheitsgrad beim deutschen Lesepublikum, doch blieb sie hinter der Popularität ihres Vaters und ihres Bruders zurück. Ein Freund der Familie Mann, der Anglist Hans Reisiger, lobte in der „BZ am Mittag“ vom 12. Dezember 1932, der Stoffel sei „das schönste, reichste und wärmste Kinderbuch, das ich seit Erich Kästners Emil und die Detektive und Kiplings Fischerjungs gelesen habe“.[5]

Im amerikanischen Exil entstandene Arbeiten

„Eine Welt – eine einzige, mäßig große, die Raum hat für alle, doch nicht für alles. Und wofür nun einmal gewiss nicht? Das Wort ist flach, und wir vermieden es lieber. Es ist unvermeidlich. Was hinter ihm steht, hat die Erde in Rauch und Flammen gehüllt und muß verfemt sein, nach den Gesetzen der neuen Welt. Es heißt: Nationalismus!“

Erika Mann: Gedanken im Tee-Salon, 28. Mai 1943[6]

Der Großteil der Werke Erika Manns gehört zur Exilliteratur, darunter das von ihr so genannte politische Lehrbuch Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich (School for Barbarians. Education under the Nazis) im Jahr 1938; mit diesem Werk gelang ihr in den USA ein großes Maß an Aufklärung über die politische Situation in Deutschland. Erstmals fand sie ihren eigenen Erzählstil, indem sie dokumentarisches Material mit selbst erlebten Geschichten mischte. Ein Jahr später folgte Escape to Life, eine Art Who’s Who der Exilierten, das Erika Mann in Kooperation mit ihrem Bruder Klaus schrieb. 1940 entstand die Publikation The Other Germany, in dem sich die Geschwister Mann kritisch mit ihrem Geburtsland auseinandersetzten. Im selben Jahr verfasste Erika Mann ihr zweites politisches Lehrbuch The Lights Go Down. Eine deutsche Rückübersetzung aus dem Englischen, da das deutsche Manuskript als verloren gelten muss, erschien erst im Jahr 2005 unter dem Titel Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich anlässlich ihres 100. Geburtstags. Darüber hinaus entstanden in ihrer Eigenschaft als „lecturer“ und Kriegskorrespondentin zahlreiche Essays, Statements und Kommentare für Zeitungen und Magazine.

Ein weiteres Kinderbuch A Gang of Ten erschien 1942, später wurde es in Deutschland unter dem Titel Zehn jagen Mr. X veröffentlicht. Eine Neuausgabe mit einem von Uwe Naumann verfassten Nachwort erschien anlässlich ihres 50. Todesjahrs 2019 im Rowohlt Verlag.[7]

Das Spätwerk, postume Veröffentlichungen

„Deine Beziehung zu Doktor Bermann und seinem Haus ist unverwüstlich, – Du scheinst bereit, ihr alle Opfer zu bringen. Falls es ein Opfer für Dich bedeutet, daß ich Dir mählich, aber sicher, abhanden komme, –: leg es zu dem übrigen. Für mich ist es traurig und schrecklich. Ich bin Dein Kind E.“

– Schlusssatz von Erika Manns Brief vom 19. Januar 1936 zum Thema „Emigration“ an Thomas Mann[8]

In der Nachkriegszeit schrieb Erika Mann Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater (1956) und Die Zugvögel- Kinderbuchreihe (1953 bis 1956), zu der die Titel Till bei den Zugvögeln, Die Zugvögel auf Europa-Fahrt und Die Zugvögel singen in Paris und Rom, gehören. Weiterhin wurden die Kinderbücher Stoffel fliegt übers Meer und Muck, der Zauberonkel – unter den Titeln Christoph fliegt nach Amerika (1952) und Unser Zauberonkel Muck (1953) – in Neuausgaben bei Franz Schneider in München, herausgegeben. 1959 veröffentlichte der Scherz Verlag in Bern die vier Ausgaben der Zugvögel-Geschichten im Sammelband Die Zugvögel. Sängerknaben auf abenteuerlicher Fahrt.

1996 kam unter dem Titel Mein Vater, der Zauberer postum eine Brief- und Essaysammlung Erika Manns heraus, die unter anderem den mühsamen Weg nachzeichnet, mit dem die Autorin Thomas Mann brieflich zwischen 1933 und 1936 zur endgültigen Absage an das nationalsozialistische Regime bewog. Eine weitere postume Essaysammlung ist Blitze überm Ozean, die im Jahr 2000 erschien, in der auch ihre fragmentarische Autobiographie Ausgerechnet Ich veröffentlicht wurde. Zum ersten Mal wurden darin ihre wichtigsten journalistischen Arbeiten, viele davon bisher ungedruckt, in einem Buch versammelt.

Rezeption

„Warum sind wir so kalt? / Warum, – das tut doch weh! / Warum? Wir werden bald / Wie lauter Eis und Schnee! / Beteiligt Euch, – es geht um Eure Erde! / Und Ihr allein, Ihr habt die ganze Macht! / Seht zu, daß es ein wenig wärmer werde / In unserer schlimmen, kalten Winternacht!“

Erika Mann: Song aus Kälte, 2. Folge des Exilprogramms der „Pfeffermühle“ am 1. Januar 1934[9]

Wirkung zu Lebzeiten

Nach der pazifistischen Frauenversammlung in München am 13. Januar 1932, auf der Erika Mann zu Beginn ihrer politischen Arbeit als Rednerin aufgetreten war, attackierte das nationalsozialistische Kampfblatt, der Völkische Beobachter, drei Tage später auf der Titelseite die Vortragende mit den hämischen Worten: „Ein besonders widerliches Kapitel stellte das Auftreten Erika Manns dar, die […] ihre ‚Kunst‘ dem Heil des Friedens widmete. In Haltung und Gebärde ein blasierter Lebejüngling, brachte sie ihren blühenden Unsinn über die ‚deutsche Zukunft‘ vor.“ Es folgte eine unverhohlene Drohung auch gegen Erika Manns Angehörige: „Das Kapitel ‚Familie Mann‘ erweitert sich nachgerade zu einem Münchener Skandal, der auch zu gegebener Zeit seine Liquidierung finden muß.“[10]

Zur Gründung der Pfeffermühle am 1. Januar 1933 beschrieb Klaus Mann in seiner Autobiographie Der Wendepunkt den hohen Anteil, den seine Schwester am Gelingen des literarisch-politischen Kabarettprogramms hatte: „Die Texte der meisten Nummern – Chansons, Rezitationen, Sketche – waren von Erika (einige auch von mir); Erika war Conférencier [sic], Direktor, Organisator; Erika sang, agierte, inspirierte, kurz, war die Seele des Ganzen.“[11]

Erika Manns vielseitige antifaschistische Arbeit im Exil und nach Kriegsende erwähnt ihr Neffe Frido Mann, der selbst in Kalifornien aufgewachsen war, aus eigener Anschauung und nicht ohne Bewunderung: „Sie wirkte wie eine vom Sieg über die Nazibarbarei gestählte Amazone, die ich mir noch lange in ihrer englischen Uniform genau vorstellen konnte und von deren Abenteuerberichten aus dem Londoner Bombenkrieg, den Kampfhandlungen im teilweise noch besetzten Frankreich und dann von ihren geradezu apokalyptischen Begegnungen mit den in Nürnberg verurteilten Nazi-Kriegsverbrechern ich nie genug hören konnte.“ Doch die Folgen ihrer auf zwei Kontinenten geführten Feldzüge, beginnend mit dem politisch-literarischen Kabarett Die Pfeffermühle und fortgesetzt mit ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin waren offensichtlich, sie kamen „erst nach der Rückkehr nach Europa in den fünfziger Jahren zum Vorschein und beschleunigten ihre zunehmende Zerrüttung und Erkrankung vor allem nach dem Tod ihres Vaters“.[12]

Zu ihrer persönlichen Ausstrahlung schreibt Frido Mann in seiner Biographie Achterbahn: „Sie ist bei ihrem Eintreten für demokratische und humanistische Werte immer auch von Kopf bis Fuß Schauspielerin. Ihre Mimik, jede Bewegung ihres Körpers, ihre Wortwahl und Artikulation erscheinen wie einstudiertes Theaterspiel, ohne jedoch künstlich oder affektiert zu sein.“ Er fährt fort mit der Vermutung der Familie, Erika Mann „trüge in ihrem Auftreten und in ihrer ganzen Persönlichkeit besonders das kreolisch-brasilianische Erbe ihrer Großmutter Julia in sich“.[13]

In den späten Lebensjahren in Kilchberg kamen die problematischen, eigenwilligen Seiten Erika Manns jedoch besonders zum Ausbruch. In Tagebüchern und Briefen ist belegt, dass die Familienmitglieder unter ihrer rechthaberischen, herrschsüchtigen Art litten; so hat der jüngste Bruder, Michael Mann, kurz nach Erikas Tod bei einem Besuch im Kilchberger Haus befreit die Bemerkung fallen lassen: „Jetzt ist es eigentlich ganz gemütlich hier.“[14] Und Erika Manns jüngste Schwester Elisabeth Mann Borgese äußert sich in Breloers Doku-Drama Die Manns – Ein Jahrhundertroman mit einer gewissen Ratlosigkeit über den Verlauf von Erikas Manns Leben:

„Erika war ganz ungeheuer begabt – als Schauspielerin, als Schriftstellerin, als Journalistin, als Unternehmerin, als alles … Und sie besaß einen Charme, wie ihn wenige haben. Also, was will man mehr im Leben? Aber sie hat sich eben ihr Leben sehr zerstört, und ist doch eigentlich sehr traurig verendet. Und man fragt sich immer: warum, wieso?“[15]

Stimmen zum Werk

Erika Manns Nachlasstätigkeit für Thomas Mann und Klaus Mann rief später Kritik hervor, da sie bei der Bearbeitung der Texte für die geplanten Editionen vor Streichungen nicht zurückschreckte. Der Klaus-Mann-Experte Fredric Kroll weist in seinem Nachwort zur Neuausgabe des Wendepunkt 2006 darauf hin, dass im konservativen Deutschland der 1950er Jahre selbst Thomas Mann ein umstrittener Autor war. Daher wurden in der Auswahlausgabe von Thomas Manns Briefen Stellen getilgt, die sich auf dessen Neigung zur Homosexualität bezogen, und in Klaus Manns Der Wendepunkt schwächte Erika Mann in Zusammenarbeit mit einem Fischer-Lektor (1950 waren die Verlagsrechte an Klaus Manns Werken von Querido auf den Fischer-Verlag übergegangen) unter anderem Passagen ab, die sich mit Gustaf Gründgens auseinandersetzten oder sich auf Klaus Manns Homosexualität, Rauschgiftsucht und Todesgedanken bezogen. Es mag ein Grund gewesen sein, die Autoren in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen, und die Furcht vor Prozessen wegen Beleidigung wird auch eine Rolle gespielt haben.[16]

Marcel Reich-Ranicki resümiert am 18. Januar 1986 in der FAZ: „Wenn der Eindruck nicht trügt, war es dieser hochbegabten und überaus temperamentvollen Frau nicht gegeben, in Frieden mit sich selber zu leben: Die man einst aus Deutschland vertrieben hatte, ist eine Getriebene geblieben. Überdies wurden ihr vermutlich tiefe persönliche Enttäuschungen nicht erspart.“ Diese durchaus kritische Formulierung über die Persönlichkeit Erika Manns zeigt die Ambivalenz auf, die ihr Leben und Werk ausweist, denn Reich-Ranicki führt weiter in seinem Buch Thomas Mann und die Seinen aus: „Sie verfaßte rasche Reportagen und kühne Korrespondentenberichte, sie war eine politische Publizistin, der man Unabhängigkeit und Entschiedenheit auch dann bescheinigen mußte, wenn man ihre Ansichten nicht teilen konnte.“[17]

Im Nachwort von Blitze überm Ozean, einer Erstveröffentlichung ihrer fragmentarischen Autobiografie Ausgerechnet Ich und zahlreicher Aufsätze, Reden, Reportagen (so der Untertitel) aus dem Jahr 2000, beschreiben die Herausgeber Irmela von der Lühe und Uwe Naumann Erika Manns schriftstellerische Intentionen: „Das Material für die Bücher sammelte sie auf ihren Reisen und während ihrer Tätigkeit als Kriegskorrespondentin; es wurde meist auch für Vorträge und öffentliche Auftritte verwendet. Auf Originalität kam es dabei weniger an als auf Authentizität; nicht für die Ewigkeit und ihren Nachruhm, sondern für den Augenblick, für die Aufklärung über die Gegenwart waren Bücher und Vorträge, Aufsätze und Rundfunkberichte gedacht.“

Würdigung

Die Journalistin Margrit Gerste äußert sich im Jahr 2000 begeistert in der Zeit über Blitze überm Ozean und erklärt die späte Veröffentlichung von Erika Manns Texten in Deutschland mit den Folgen des Kalten Krieges:

„Sie hatte alles, was eine große Reporterin und Publizistin ausmacht: ein scharfes Auge, den untrüglichen Sinn für das Wesentliche, einen unabhängigen Geist und natürlich eine kraftvolle Sprache. Obendrein besaß sie Humor und Temperament. Sie war eine vehemente Wahrheitssucherin und Moralistin in den Zeiten der Lüge und Verkommenheit zwischen 1933 und 1945 und des widerwärtigen Freund-Feind-Denkens im Kalten Krieg. […] Warum Erika Mann im Nachkriegsdeutschland nicht zur gefragten Publizistin wurde, hat viel mit dem Kalten Krieg zu tun, der so manchen freien Geist zermalmte, den Nazis aber sehr zupass kam.“[18]

Rezensionen zu Viola Roggenkamps Erika Mann. Eine jüdische Tochter

Erika Manns Biografin Irmela von der Lühe und auch bekannte Mann-Experten wie Inge und Walter Jens oder Heinrich Breloer verfolgten die Auswirkung der jüdischen Abstammung Katia Manns und ihrer Kinder in ihren Werken nicht ausreichend – so behauptet es wenigstens die Schriftstellerin Viola Roggenkamp. Die amerikanische Schriftstellerin Ruth Klüger rezensiert unter dem Titel Verleugnetes Judentum in Die Welt 2005 Roggenkamps Buch Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim, das eine neue, wenn auch vielleicht zu einseitige Sichtweise der Familie Mann aufzeigt:

„Laut Roggenkamp hat Erika Mann ihre jüdische Herkunft mütterlicherseits konsequent verleugnet, im Sinne, dass sie sich nie als Jüdin einstufte, und diese Verleugnung, so folgert sie, kam einer psychologischen Verdrängung im Freud'schen Sinne gleich, die sich in Erikas Leben, Schreiben und Denken ungut, oder zumindest belastend, auswirkte. Man kann dieses oder jenes Detail in dem zügig geschriebenen und polemisch angelegten Buch anzweifeln, doch die Autorin hat gewiss recht, wenn sie meint, es müsse doch stutzig machen, wenn eine Tochter aus prominenter und nur teils assimilierter Familie (Katia Manns Mutter war getauft, der alte Pringsheim war es nicht) während der großen Judenverfolgung, der sie in Deutschland zum Opfer gefallen wäre, sich nicht mit ihrem jüdischen Erbe auseinandersetzt, sondern konsequent so tut, als gäbe es das gar nicht. […] So wurde diese hochbegabte Frau nach und nach Thomas Manns Tochter und weiter nichts. Die allzu enge Bindung an einen extrem ichbezogenen Vater verstellte ihr den Weg ins eigene Leben.“[19]

Manfred Koch sieht Roggenkamps Buch weniger positiv und weist in seiner Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung im Jahr 2005 auf Erika Manns antifaschistische Arbeit hin, die sie im Kontext mit ihrer Überzeugung und nicht um ihrer jüdischen Wurzeln willen geleistet hat:

„Man staunt über die grossrichterliche Attitüde der Verfasserin, die sich nicht scheut, gleich zu Beginn mögliche Kritiker ihres Verfahrens vorsorglich unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen. Roggenkamp huldigt einem diffusen Essenzialismus des ‚Jüdischseins‘, der sie von genaueren historischen Überlegungen entlastet. […] Zu Beginn des Kaiserreichs zählten bereits fast zwei Drittel der deutschen Juden zur wirtschaftlichen und kulturellen Elite des Landes; die religiösen Bindungen und Lebensformen der Vergangenheit waren ihnen fern gerückt. […] Das Desinteresse der Pringsheims und vieler anderer an ihrem jüdischen Erbe hat deshalb nichts von pathologischer Verdrängung oder gar Verrat. Erika Mann hat den Antisemitismus bekämpft, wo immer er ihr begegnete. Dass sie es ihrem Selbstverständnis nach nicht als Jüdin, sondern als demokratische Humanistin tat – wer darf ihr das verübeln?“[20]

Ehrungen

Zusätzliches Straßenschild in Hamburg mit einer kurzen Einführung

Eine Grundschule in Berlin, die sich für soziale Gleichbehandlung einsetzt, trägt seit dem 8. November 1999 ihren Namen. Die gleichnamige Politikerin Erika Mann ist Patin dieser Schule.

In München wurde im Jahr 2004 anlässlich ihres 100. Geburtstags 2005 die „Erika-Mann-Straße“ (bei der Donnersbergerbrücke) nach ihr benannt. Und mit Beschluss vom 18. Dezember 2006 benannte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg eine im Stadtteil Barmbek-Süd liegende Straße mit „Erika-Mann-Bogen“; sie ist eine von zwei neu angelegten Straßen in einem Neubaugebiet auf dem ehemaligen Gelände des Krankenhauses Eilbek, deren Namensgebung auf Antrag der GAL den Kriterien „Verfolgte des Nationalsozialismus“ und „Frau“ entsprechen sollten.

Irmela von der Lühe, Kuratorin der Erika-Mann-Ausstellung in der Monacensia

Das Münchner Literaturarchiv Monacensia widmet Erika Mann eine erste Einzelausstellung mit dem Titel Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin, die vom 11. Oktober 2019 bis zum 30. Juni 1920 läuft. Schirmherr ist Frido Mann.[21] Die Ausstellungskuratorin Irmela von der Lühe präsentiert Erika Mann als eine „Persönlichkeit singulären Formats“. Darüber hinaus initiierte die Monacensia eine interessante Vernetzungsaktion mit vielfältigen Kulturinstitutionen, um das Spektrum zu Erika Mann zu erweitern[22][23]

Werke in deutschen Ausgaben (Auswahl)

  • Zehn jagen Mr. X. Aus dem Englischen von Elga Abramowitz. Kinderbuch Verlag GmbH, Berlin 1990, ISBN 3-358-01562-9; Neuausgabe mit einem Nachwort von Uwe Naumann, Rowohlt, Hamburg 2019, ISBN 978-3-499-21851-4.
    • Originalausgabe A Gang of Ten. L.B. Fischer, New York 1942
  • Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-22169-1.
  • Mein Vater, der Zauberer. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22282-5. (Enthält den Briefwechsel mit Thomas und Katia Mann von 1919–1955 sowie Essays, Statements, Kommentare und Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater.)
  • Briefe und Antworten. Hrsg. von Anna Zanco-Prestel. Neuausgabe: Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-498-04420-6.
  • Blitze überm Ozean, Aufsätze, Reden, Reportagen. Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-23107-7. (Enthält die fragmentarische Autobiografie Ausgerechnet Ich und ihre wichtigsten, zum Teil bisher unveröffentlichten journalistischen Arbeiten.)
  • Stoffel fliegt übers Meer. Mit Bildern von Richard Hallgarten, Nachwort von Dirk Heißerer. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-21331-1.
  • Jan’s Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern. (Zusammen mit Richard Hallgarten). Mit einer Erklärung von Erika Mann. Hrsg. und mit einem Nachwort von Dirk Heißerer. Thomas-Mann-Schriftenreihe, Fundstücke 1. peniope. Anja Gärtig Verlag, 2005, ISBN 3-936609-20-9.
  • Ausgerechnet Ich. Ein Lesebuch. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-24158-7.
  • Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater. Neuausgabe: Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16637-3.
  • Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24413-6.

Zusammen mit Klaus Mann:

  • Rundherum. S. Fischer Verlag, Berlin 1929, Neuausgabe: Rundherum. Abenteuer einer Weltreise. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13931-6.
  • Das Buch von der Riviera. Was nicht im „Baedeker“ steht. Bd. XIV, Piper, München 1931. Reprint: Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23667-2; Neuausgabe Kindler, Hamburg 2019, ISBN 978-3-463-40715-9.
  • Escape to Life, aus dem Deutschen ins Englische übertragen von Mary Hottinger-Mackie. Houghton Mifflin, Boston 1939. Deutsche Originalausgabe: Escape to Life. Deutsche Kultur im Exil. edition spangenberg, München 1991; Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-13992-8.

Siehe auch

Literatur über Erika Mann (und Familie)

Film

Weblinks

Commons: Erika Mann - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikiquote: Erika Mann – Zitate

Einzelnachweise

  1. S. Björn Weyand: Launige Schilderungen der Erlebnisse mit dem getreuen Ford. Vier Texte Erika Manns für die Zeitschrift Ford im Bild (Dokumentation und Kommentar). In: Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens 5 (2003), S. 130–147
  2. Erika und Klaus Mann: Rundherum, S. 149
  3. Erika Mann im Gespräch mit Fritz J. Raddatz in einer Sendung des WDR, 1969
  4. Irmela von der Lühe: Erika Mann, S. 385
  5. Erika Mann: Stoffel fliegt übers Meer, Nachwort der Neuausgabe 2005, S. 123; vgl. Manfred Berger: Erika Mann, in:Baumgärtner, A. C./Kurt, F./Pleticha, H. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, Meitingen 1999 (7. Ergänzungslieferung).
  6. Irmela von der Lühe: Erika Mann, S. 11, 371. In: Die Zeitung
  7. Rezensionen bei perlentaucher
  8. Erika Mann: Mein Vater, der Zauberer, S. 93
  9. Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933–1937, S. 108
  10. Irmela von der Lühe: Erika Mann, S. 88
  11. Klaus Mann: Der Wendepunkt, S. 385
  12. Uwe Naumann: Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum, S. 10 (Einleitung von Frido Mann)
  13. Frido Mann: Achterbahn, S. 23 f.
  14. Uwe Naumann (Hrsg.): Die Kinder der Manns, S. 16
  15. Breloer/Königstein: Die Manns, S. 424
  16. Klaus Mann: Der Wendepunkt, Nachwort von Fredric Kroll, S. 874 ff.
  17. Marcel Reich-Ranicki: Thomas Mann und die Seinen, S. 180
  18. Margrit Gerste: Ausgerechnet ich – Endlich: Die Publizistin Erika Mann ist auf Deutsch zu lesen. In: Die Zeit, Nr. 43/2000
  19. Ruth Klüger: Verleugnetes Judentum. In: Die Welt, 31. Dezember 2005. Buchbesprechung über Viola Roggenkamps Erika Mann. Eine jüdische Tochter (abgerufen am 22. Juli 2008)
  20. Neue Zürcher Zeitung, 5. November 2005, Rezension
  21. Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin, muenchner-stadtbibliothek.de, abgerufen am 10. Oktober 2019
  22. https://blog.muenchner-stadtbibliothek.de/vernetzungsaktion-erika-mann-anstand-freiheit-toleranz-erikamann-maerz-2020/ abgerufen am 31. März 2020
  23. https://wakelet.com/wake/7bf83ced-d137-46d5-a78e-ef7e2345db0a abgerufen am 31. März 2020


Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.
Dieser Artikel wurde am 1. August 2008 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Erika Mann aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.