Proton und Neutron: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Neutron''' [{{IPA|ˈnɔɪ̯trɔn}}] ([[Plural]] ''Neutronen'' [{{IPA|nɔɪ̯ˈtroːnən}}]) ist ein elektrisch neutrales [[Baryon]] mit dem Formelzeichen <math>\mathrm{n}</math>. Es ist neben dem [[Proton]] Bestandteil fast aller [[Atomkern]]e und somit der uns vertrauten [[Materie (Physik)|Materie]]. Neutron und Proton, gemeinsam [[Nukleon]]en genannt, gehören als Baryonen zu den [[Fermion]]en und den [[Hadron]]en.
|name=Proton (p<sup>+</sup>)
|klassifikation=[[Fermion]]<br />[[Hadron]]<br />[[Baryon]]<br />[[Nukleon]]
|hauptquelle=
|wechselwirkung=[[Starke Wechselwirkung|stark]]<br />[[Schwache Wechselwirkung|schwach]]<br />[[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetisch]]<br />[[Gravitation]]
|quark=1 Down, 2 Up|quark_bild=[[Datei:Proton quark structure.svg|100px]]
|ladung_e=1|ladung_c=
|masse_u=1,007&nbsp;276&nbsp;466&nbsp;583(15)(29)<ref>{{internetquelle |url= http://www.spektrum.de/news/proton-leichter-als-gedacht/1483665 |titel=Proton leichter als gedacht |zugriff=2017-07-27}} Protonenmasse in [[Atomare Masseneinheit|u]]. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
|masse_kg=1,672&nbsp;621&nbsp;923&nbsp;69(51)&nbsp;·&nbsp;10<sup>−27</sup><ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?mp |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} Protonenmasse in [[Kilogramm|kg]]. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
|masse_me=1836,152&nbsp;673&nbsp;43(11)<ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?mpsme |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} Protonenmasse in Vielfachen der Elektronenmasse. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
|ruheenergie_mev=938,272&nbsp;088&nbsp;16(29)<ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?mpc2mev |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} Protonenmasse in [[Elektronenvolt|MeV/c<sup>2</sup>]]. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
|compton_wellenlaenge_m=1,321&nbsp;409&nbsp;855&nbsp;39(40)&nbsp;·&nbsp;10<sup>−15</sup><ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?pcomwl |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} Compton-Wellenlänge des Protons. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
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|magnetisches_moment_mun=2,792&nbsp;847&nbsp;344&nbsp;63(82)
|g_faktor=5,585&nbsp;694&nbsp;6893(16)<ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?gp |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} g-Faktor des Protons. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
|gyromagnetisches_verhaeltnis_st=2,675&nbsp;221&nbsp;8744(11)&nbsp;·&nbsp;10<sup>8</sup><ref>{{internetquelle |url=http://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?gammap |hrsg=National Institute of Standards and Technology |titel=CODATA Recommended Values |zugriff=2019-07-21}} Gyromagnetisches Verhältnis des Protons. Die eingeklammerten Ziffern bezeichnen die Unsicherheit in den letzten Stellen des Wertes, diese Unsicherheit ist als [[CODATA#Standardunsicherheiten von CODATA-Werten|geschätzte Standardabweichung]] des angegebenen Zahlenwertes vom tatsächlichen Wert angegeben.</ref>
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[[Datei:Quark structure proton.svg|mini|Innerer Aufbau des Protons]]
[[Datei:Quark structure antiproton.svg|mini|Innerer Aufbau des Antiprotons]]


Das '''Proton''' [{{IPA|ˈproːtɔn}}] (Plural ''Protonen'' [{{IPA|proˈtoːnən}}]; von [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|τὸ πρῶτον}} ''to prōton'' ‚das erste‘)<ref>Wilhelm Gemoll: ''Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch.'' München/Wien 1965.</ref> ist ein stabiles, elektrisch positiv geladenes [[Hadron]]. Sein Formelzeichen ist <math>\mathrm{p}</math>. Das Proton gehört neben dem [[Neutron]] und dem [[Elektron]] zu den Bausteinen der [[Atom]]e, aus denen alle alltägliche [[Materie (Physik)|Materie]] zusammengesetzt ist. Sein zugehöriges [[Antiteilchen]] ist das negativ geladene '''Antiproton''' <math>\mathrm{\bar{p}}</math>.
Freie, d.&#8239;h. nicht in einem Atomkern gebundene Neutronen sind instabil, allerdings mit vergleichsweise langer [[Halbwertszeit]] von etwa 10 Minuten. Freie Neutronen finden in Form von [[Neutronenstrahlung]] Verwendung.


Der [[Atomkern]] des gewöhnlichen [[Wasserstoff]]s ist ein einzelnes Proton, daher wird das Proton auch als Wasserstoffkern oder Wasserstoff[[ion]] bezeichnet. Diese Bezeichnungen sind jedoch nicht eindeutig, weil es [[Isotop]]e des Wasserstoffs gibt, die zusätzlich ein oder zwei [[Neutron]]en im Kern enthalten.
== Physikalische Beschreibung ==
=== Elementare Eigenschaften ===
Das Neutron trägt keine [[elektrische Ladung]] (daher der Name), aber ein [[magnetisches Moment]] von −1,91 [[Kernmagneton]]en. Seine Masse beträgt rund 1,675&#8239;·&#8239;10<sup>−27</sup>&nbsp;kg (1,008&#8239;665&nbsp;[[atomare Masseneinheit|u]]). Es ist als Baryon aus drei [[Quark (Physik)|Quarks]] zusammengesetzt – einem up-Quark und zwei down-Quarks (Formel udd). Das Neutron hat den [[Spin]] 1/2 und ist damit ein Fermion. Als zusammengesetztes Teilchen ist es räumlich ausgedehnt mit einem Durchmesser von ca. 1,7&#8239;·&#8239;10<sup>−15</sup>&nbsp;m.


In der [[Chemie]] wird generell das positiv geladene [[Wasserstoff]]ion H<sup>+</sup> als Proton bzw. nach der [[w:IUPAC|IUPAC]]-Nomenklatur als '''Hydron''' bezeichnet<ref> J. F. Bunnet, R. A. Y. Jones: ''Names for hydrogen atoms, ions, and groups, and for reactions involving them (Recommendations 1988)''. In: Pure Appl. Chem.. 60, Nr. 7, 1968, S. 1115–6. {{DOI|10.1351/pac198860071115}} [http://publications.iupac.org/pac/1988/pdf/6007x1115.pdf pdf]</ref>, unabhängig davon, um welches Wasserstoffisotop (<sup>1</sup>H<sup>+</sup>, [[Deuteron]] <sup>2</sup>H<sup>+</sup> oder [[Triton (Physik)|Triton]] <sup>3</sup>H<sup>+</sup>) es sich dabei handelt. Da der Kern der schwereren Wasserstoffisotope auch über ein oder zwei [[Neutron]]en verfügt, ist die chemische Definition des Protons nicht mit der physikalischen Definition identisch.
Das [[Antiteilchen]] des Neutrons ist das [[Antineutron]], das erstmals 1956 von [[Bruce Cork]] am [[Bevatron]] bei Proton-Proton-Kollisionen nachgewiesen wurde.


== Aufbau ==
=== Elementare Wechselwirkungen ===
Das Neutron unterliegt allen in der Physik bekannten vier [[Grundkräfte|Wechselwirkungen]]: der [[Gravitationskraft]], der [[Starke Wechselwirkung|starken]], der [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischen]] und der [[Schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkung]].


Das Proton besteht aus zwei [[Up-Quark]]s und einem [[Down-Quark]] (Formel uud). Diese drei [[Valenzquark]]s werden von einem [[Seequark|„See“]] aus [[Gluon]]en und Quark-Antiquark-Paaren umgeben. Nur ungefähr 1 Prozent der Masse des Protons kommt von den Massen der Valenzquarks, der Rest stammt von der Bewegungs- und Bindungsenergie zwischen Quarks und den Gluonen, wobei letztere als Kraft-[[Austauschteilchen]] die [[starke Kraft]] zwischen den Quarks vermitteln.<ref name="Durr:2008zz">S. Dürr et al.: [http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/322/5905/1224 ''Ab initio determination of Light Hadron Masses.''] Science 322 (2008) S. 1224–1227</ref>
Die starke Wechselwirkung – genauer die Kernkraft, eine Art Restwechselwirkung der zwischen den Quarks wirkenden starken Wechselwirkung – ist dafür verantwortlich, dass Neutronen in Kernen gebunden sind, und bestimmt auch das Verhalten von freien Neutronen bei Stößen mit Atomkernen.
<!-- Vor Änderungen am Durchmesser bitte unbedingt die Diskussionsseite beachten und die Änderungen dort absprechen! -->
Der [[Durchmesser]] eines freien Protons beträgt etwa 1,7&#8239;·&#8239;10<sup>−15</sup>&nbsp;m.
<!-- Vor Änderungen am Durchmesser bitte unbedingt die Diskussionsseite beachten und die Änderungen dort absprechen! -->
Das Proton ist wie das Neutron ein [[Baryon]].


== Eigenschaften ==
Das Neutron ist zwar elektrisch neutral und unterliegt damit nicht der elektrostatischen Anziehung oder Abstoßung, aber aufgrund seines magnetischen Moments trotzdem der elektromagnetischen Wechselwirkung. Diese Tatsache sowie die räumliche Ausdehnung sind klare Indizien dafür, dass das Neutron ein zusammengesetztes Teilchen ist.
Das Proton ist das einzige stabile [[Hadron]] und das leichteste [[Baryon]]. Da ein Zerfall immer nur zu leichteren Teilchen führen kann, muss das Proton wegen der Baryonenzahlerhaltung nach dem [[Standardmodell]] stabil sein. Experimente am [[Kamiokande]] lassen auf eine [[Halbwertszeit]] von mindestens 10<sup>32</sup> Jahren schließen. Die Suche nach dem [[Protonenzerfall]] ist für die Physik von besonderer Bedeutung, da sie einen möglichen Test für Theorien jenseits des Standardmodells darstellt.


Das magnetische Moment lässt sich nach dem vereinfachten Quarkmodell auf der Ebene der [[Konstituentenquark]]s zu <math>\vec{\mu_{\rm p}} = \tfrac{4}{3}\vec{\mu_{\rm u}} - \tfrac{1}{3}\vec{\mu_{\rm d}} = +2{,}79\, \vec{\mu_\mathrm{N}}</math> berechnen. Dabei ist <math>\mu_\mathrm{N}</math> das [[Kernmagneton]];  <math>\mu_{\rm u}, \mu_{\rm d}</math> sind die Momente zu den Massen des jeweiligen Konstituentenquark mit dem g-Faktor 2. Das Ergebnis stimmt mit gemessenen Werten annähernd überein.
Die schwache Wechselwirkung ist verantwortlich für den [[Betazerfall]] des freien Neutrons in ein Proton, ein [[Elektron]] und ein [[Neutrino|Elektron-Antineutrino]].


Protonen können aus dem [[Betazerfall]] von Neutronen entstehen:
=== Zerfall und Lebensdauer ===
: <math>\mathrm{n}\rightarrow\mathrm{p}+\mathrm{e}^-+\bar{\nu}_e + 0{,}78\,\mathrm{MeV} </math>
Das Neutron hat mit 939,6&nbsp;MeV eine um 1,3&nbsp;MeV (0,14 %) größere [[Ruheenergie]] als das Proton. Es zerfällt als [[Betastrahlung|Beta-Minus-Strahler]] (β<sup>−</sup>-Strahler) in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino:
: <math>\mathrm{n}\rightarrow\mathrm{p}+\mathrm{e}^-+\bar{\nu}_e + 0{,}78\,\mathrm{MeV} </math>.


Der umgekehrte Prozess tritt z.&nbsp;B. bei der Entstehung eines [[Neutronenstern]]s auf und ist auch unter Normalbedingungen theoretisch möglich, aber statistisch extrem selten, da drei Teilchen mit genau abgestimmten Energien gleichzeitig zusammenstoßen müssten.  
Die [[Lebensdauer (Physik)|mittlere Lebensdauer]] beträgt 880,2 Sekunden<ref name="PDG2017" /> (knapp 15&nbsp;Minuten); dies entspricht einer [[Halbwertszeit]] von 610,1&nbsp;Sekunden. Das ist die mit Abstand größte Halbwertszeit aller instabilen [[Hadron]]en. Sie ist schwierig zu messen, denn ein in normaler materieller Umgebung freigesetztes Neutron (auch in Luft) wird meist in Sekundenbruchteilen wieder von einem Atomkern absorbiert, „erlebt“ seinen Zerfall also nicht. Dementsprechend ist der Zerfall bei praktischen Anwendungen bedeutungslos, und das Neutron kann dafür als stabiles Teilchen angesehen werden.<ref>K. Wirtz, K. H. Beckurts: ''Elementare Neutronenphysik''. Springer, 1958, Seite 2</ref> Grundlagenphysikalisch ist der Zerfall jedoch interessant. In einer frühen Phase des Universums machten freie Neutronen einen bedeutenden Teil der Materie aus; man kann die Entstehung besonders der leichten Elemente (und deren Isotopenverteilung) besser nachvollziehen, wenn die Lebensdauer des Neutrons genau bekannt ist. Außerdem erhofft man sich ein besseres Verständnis der schwachen Wechselwirkung.


Jedoch kann ein in einem sehr protonenreichen [[Atomkern]] gebundenes Proton sich durch [[Betazerfall|Beta-plus-Zerfall]] oder [[Elektroneneinfang]] in ein Neutron verwandeln.  
Die Lebensdauer des Neutrons kann mit Hilfe zweier verschiedener Methoden bestimmt werden: mit der Strahl-Methode, die 888,0&#8239; ± &#8239;2,0&nbsp;s ergibt, und der Flaschen-Methode, die 879,6&#8239;±&#8239;0,6&nbsp;s (nach einer neueren (2018) Messung<ref>R. W. Pattie Jr. u.&nbsp;a.: ''Measurement of the neutron lifetime using a magneto-gravitational trap and in situ detection''. In: ''Science'' Bd. 360, 2018, S. 627, [[DOI:10.1126/science.aan8895]]</ref> 877,7&nbsp;s) ergibt. Mit Verbesserung der Messmethoden ist dieser Unterschied von ca.&nbsp;1 %, den man anfangs für einen Messfehler hielt, immer signifikanter geworden und liegt mittlerweile bei etwas mehr als 4&nbsp;σ.<ref name="sdw2018-05">Natalie Wolchover: ''Zwiespältige Stabilität des Neutrons'', in [[Spektrum der Wissenschaft]], Ausgabe 5/2018, Spektrum der Wissenschaften Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, S.&nbsp;26–28.</ref><ref name="sdw2016-06">{{Internetquelle |url=https://www.spektrum.de/news/das-neutronenraetsel/1414113 |titel=Das Neutronenrätsel |titelerg= |autor=Geoffrey L. Greene, Peter Geltenbort |hrsg=Spektrum der Wissenschaft |werk= |seiten= |datum=2016-06-23 |archiv-url= |archiv-datum= |zugriff=2018-07-15 |sprache= |format= |kommentar= |zitat= |offline=}}</ref> Die Ursache ist unbekannt.


Das [[Antimaterie]]-Teilchen ([[Antiteilchen]]) zum Proton ist das [[Antiproton]], das 1955 erstmals von [[Emilio Segrè]] und [[Owen Chamberlain]] künstlich erzeugt wurde, was den Entdeckern den [[Nobelpreis für Physik]] des Jahres 1959 einbrachte. Es hat dieselbe Masse wie das Proton, aber elektrisch negative Ladung.
== Neutronen als Bestandteile von Atomkernen ==
Mit Ausnahme des häufigsten [[Wasserstoff#Deuterium und Tritium|Wasserstoffisotops]] (Protium, <sup>1</sup>H), dessen Atomkern nur aus einem einzelnen Proton besteht, enthalten alle [[Atomkern]]e sowohl Protonen als auch Neutronen. Protonen und Neutronen werden zusammenfassend [[Nukleon]]en (von lateinisch ''nucleus'', Kern) genannt. Atome mit gleicher Protonenanzahl, aber unterschiedlicher Neutronenanzahl heißen [[Isotop]]e.


== Protonen als Bestandteile von Atomkernen ==
=== β<sup>−</sup>- und β<sup>+</sup>-Zerfall von Atomkernen ===
Der [[Atomkern]] fast aller [[Nuklid]]e besteht aus Protonen und [[Neutron]]en, den [[Nukleon]]en; die einzige Ausnahme ist das häufigste Wasserstoff-Atom <sup>1</sup>H, dessen Atomkern nur aus einem einzelnen Proton besteht (siehe auch [[Proton (Chemie)]]). Die Anzahl der Protonen im Atomkern, die [[Ordnungszahl]] des jeweiligen [[Chemisches Element|Elements]], bestimmt – über die durch die Protonen bestimmte Elektronenzahl – dessen chemische Eigenschaften. Atome mit gleicher Protonenzahl, aber unterschiedlicher Neutronenzahl werden [[Isotop]]e genannt und haben nahezu identische chemische Eigenschaften.
{{Hauptartikel|Betastrahlung}}
Wie stark ein Atomkern gebunden ist, hängt von der Zahl der Protonen ''Z'' und Neutronen ''N'', vor allem aber vom Verhältnis dieser Zahlen ab. Bei leichteren Kernen ist die Bindung bei etwa gleicher Anzahl (''N/Z''&nbsp;≈&nbsp;1) am stärksten (z.&#8239;B. ist bei der [[Massenzahl]] 40 der stabilste Kern <sup>40</sup>Ca mit je 20 Protonen und Neutronen); bei großen Massenzahlen verschiebt sich das Verhältnis bis hin zu ''N/Z'' ≈ 1,5, z.&#8239;B. in <sup>208</sup>Pb, da mit wachsendem ''Z'' die elektrische Abstoßung der Protonen zunehmend destabilisierend wirkt. Dieser Unterschied in der Bindungsenergie wirkt sich stärker als der eher geringe Massenunterschied von Proton und Neutron aus, so dass von Kernen gleicher Massenzahl diese jeweils am stabilsten sind.


Die Protonen im Atomkern tragen zur atomaren Gesamtmasse bei. Die [[starke Wechselwirkung]] zwischen Protonen und Neutronen ist für den Erhalt und die Stabilität des Atomkerns verantwortlich. Während die positiv geladenen Protonen untereinander sowohl anziehende (starke Wechselwirkung) als auch abstoßende Kräfte ([[elektromagnetische Wechselwirkung]]) erfahren, tritt zwischen Neutronen untereinander und zwischen Neutronen und Protonen keine elektrostatische Kraft auf.
Ein zu neutronenreicher Kern kann sich – wie das freie Neutron – durch β<sup>−</sup>-Zerfall unter Beibehaltung der Massenzahl in einen Kern umwandeln, der ein Neutron weniger und ein Proton mehr hat. Dabei hat sich ein Neutron in ein Proton umgewandelt. Dagegen kann sich  ein zu neutronenarmer Kern durch β<sup>+</sup>-Zerfall in einen Kern umwandeln, der ein Neutron mehr und ein Proton weniger hat. Dabei wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, ein Vorgang, der bei freien Protonen nicht möglich ist.
: <math>\mathrm{p}+ 1{,}80\,\mathrm{MeV}\rightarrow\mathrm{n}+\mathrm{e}^++ \nu_e </math>.
Die Umkehrung des Neutronenzerfalls tritt auf, wenn ein protonenreicher Atomkern mit einem Elektron der Atomhülle reagiert ([[Elektroneneinfang]]) sowie unter den extremen Bedingungen bei der Entstehung eines [[Neutronenstern]]s:
: <math>\mathrm{p}+\mathrm{e}^-+ 0{,}78\,\mathrm{MeV} \rightarrow\mathrm{n}+\nu_e </math>.


Das ''[[Diproton]]'', das fiktive Helium-Isotop <sup>2</sup>He, dessen Kern lediglich aus zwei Protonen bestünde, ist nicht „teilchenstabil“, denn zwei Protonen können sich wegen des [[Pauli-Prinzip]]s – im Gegensatz zum Proton und Neutron beim [[Deuteron]] – nur in einem [[Singulett]]-Zustand mit antiparallelen Spins befinden. Auf Grund der starken Spinabhängigkeit der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung ist dieser aber energetisch angehoben und daher nicht gebunden. Erst mit einem weiteren Neutron im Kern erhält man das stabile <sup>3</sup>He.
== Freie Neutronen ==
=== Erzeugung ===
Es gibt viele verschiedene Arten von [[Neutronenquelle]]n, in denen Neutronen aus Atomkernen freigesetzt werden.


Über den [[Kernphotoeffekt]] können Protonen durch hochenergetische [[Photon]]en aus dem Kern gelöst werden, ebenso in anderen [[Kernreaktion]]en durch Stoß schneller Protonen, Neutronen oder [[Alphateilchen]].
Zur Untersuchung von [[kondensierte Materie|kondensierter Materie]] durch elastische und inelastische [[Neutronenstreuung]] werden vor allem Neutronen aus Forschungsreaktoren genutzt. Dort werden die Neutronen bei der [[Kernspaltung]] frei. Diese schnellen Neutronen haben Energien im Bereich von einigen [[Elektronenvolt|MeV]] und müssen für Materialuntersuchungen erst auf rund ein Millionstel ihrer Bewegungsenergie abgebremst werden. Eine neuere Alternative zu Forschungsreaktoren sind [[Neutronenquelle#Spallations-Neutronenquellen|Spallationsquellen]].


Bei Kernen mit besonders hoher oder besonders geringer Neutronenzahl kann es zu spontaner Nukleonenemission, also Protonen- oder Neutronenemission, kommen. Man spricht hier von Protonen- bzw. Neutronenstrahlung. Die Halbwertszeiten sind hierbei stets sehr kurz. Bei extremem Protonenüberschuss (wie zum Beispiel beim Eisenisotop <sup>45</sup>Fe) kann der Zwei-Protonen-Zerfall auftreten, bei dem sogar zwei Protonen gleichzeitig abgestrahlt werden (siehe hierzu den Hauptartikel [[Radioaktivität]]).
=== Nachweis ===
Da Neutronen keine elektrische Ladung tragen, können sie nicht direkt mit auf [[Ionisierung]] beruhenden Detektoren nachgewiesen werden. Der Nachweis von Neutronen geschieht mittels [[Neutronendetektor]]en. Bei niedrigen Neutronenenergien (unter etwa hundert&nbsp;keV) beruhen diese stets auf einer geeigneten [[Kernreaktion]], z.&#8239;B. Neutronenabsorption mit anschließendendem Zerfall:


== Streuprozesse von oder an Protonen ==
: <math>\mathrm{n}+{}^3\mathrm{He} \rightarrow {}^3\mathrm{H} + {}^1\mathrm{H} + 0{,}764\,\mathrm{MeV}</math>,&nbsp; siehe [[Helium-3#Neutronendetektion|Neutronendetektion mit Helium-3]]
Streuexperimente mit Protonen an anderen Nukleonen werden durchgeführt, um die Eigenschaften der Nukleon-Nukleon-Wechselwirkungen zu erforschen. Bei der Streuung an Neutronen ist die starke Wechselwirkung die dominierende Kraft; die elektromagnetische und erst recht die schwache Wechselwirkung sind hier vernachlässigbar. Streut man Protonen an Protonen, so muss zusätzlich die [[Coulomb-Kraft]] berücksichtigt werden. Die Kernkräfte hängen zudem noch vom Spin ab. Ein Ergebnis des Vergleichs der p-p-Streuung mit der n-n-Streuung ist, dass die Kernkräfte unabhängig vom Ladungszustand der Nukleonen sind (der Anteil der Coulombkraft am [[Wirkungsquerschnitt]] der p-p-Streuung wird hierbei abgezogen, um nur die Wirkung der Kernkräfte zu vergleichen).


Mit elastischen oder quasielastischen Streuungen von Elektronen an Protonen lässt sich der [[Formfaktor (Physik)|Formfaktor]] des Protons bestimmen.
Bei höheren Energien kann auch der Rückstoß ausgenutzt werden, den ein geladenes Teilchen (meist [[Proton]]) bei der [[Streuung (Physik)|Streuung]] des Neutrons erfährt.


Durch Streuung eines [[Spinpolarisation|polarisierten]] 1,16-[[Elektronenvolt|GeV]]-Elektronenstrahls an Protonen ist deren [[schwache Ladung]] genau gemessen worden. Dabei wurde ausgenutzt, dass nur bei der schwachen Wechselwirkung die [[Paritätsverletzung|Nichterhaltung der Parität]] gilt.<ref> The Jefferson Lab Q-weak Collaboration: Precision measurement of the weak charge of the proton. ''Nature'' Bd. 557 (2018) Seite 207–211, [[doi:10.1038/s41586-018-0096-0]]</ref>
=== Klassifizierung ===
Die Wechselwirkung freier Neutronen mit Materie ist je nach ihrer kinetischen Energie sehr verschieden. Deswegen werden Neutronen nach ihrer Energie klassifiziert. Die Bezeichnungen werden nicht ganz einheitlich verwendet. Folgende Tabelle ist angelehnt an <ref>E. B. Paul: ''Nuclear and Particle Physics''. North Holland, 1969, Seite 151–152</ref>:


== Weitere Reaktionen des Protons (Astrophysik) ==
:{| class="wikitable"
* [[Proton-Proton-Reaktion]]en sind eine von zwei [[Kernfusion|Fusionsreaktionen]] beim [[Wasserstoffbrennen]].
! Klassifizierung                        || kinetische Energie || Geschwindigkeit || Temperatur
* Bei einer [[Protonenanlagerung]] im sogenannten [[p-Prozess]] überwindet ein schnelles Proton die Abstoßung durch die Coulombkraft und wird Bestandteil des getroffenen Atomkerns.
|-
| '''Langsame Neutronen'''              || bis 100 eV        || bis 150 km/s  || bis 800&#8239;000 K
|-
| &emsp;&emsp;Ultrakalte Neutronen (UCN) || unter 0,05 bis 0,23 µeV || unter 3,2 bis 6,8 m/s || unter 0,4 bis 1,8 mK
|-
| &emsp;&emsp;Sehr kalte Neutronen (VCN) || ~10<sup>−4</sup> eV|| ~150 m/s      || ~1 K
|-
| &emsp;&emsp;Kalte Neutronen            || unter 0,025 eV    || unter 2,2 km/s|| bis 200 K
|-
| &emsp;&emsp;[[Thermische Neutronen]]   || etwa 0,025 eV      || etwa 2,2 km/s || etwa 200 K
|-
| &emsp;&emsp;Epithermische Neutronen    || 0,025 bis 1 eV    || 2,2 bis 15 km/s || 200 bis 8&#8239;000 K
|-
| &emsp;&emsp;Resonanzneutronen          || 1 bis 100 eV      || 15 bis 150 km/s || 8&#8239;000 bis 800&#8239;000 K
|-
| '''Mittelschnelle Neutronen'''        || 100 eV bis 500 keV || 150 bis 10&#8239;000 km/s || 800&#8239;000 K bis 4 Mrd. K
|-
| '''Schnelle Neutronen'''              || ab 500 keV        || ab 10&#8239;000 km/s  || über 4 Mrd. K
|}


== Aktuelle Forschungsgebiete ==
Neutronenquellen, egal welcher Art, erzeugen schnelle Neutronen mit 2 bis 5 MeV. Durch [[Moderator (Physik)|Moderatoren]] können diese auf Temperaturen bis zu der Moderators abgebremst werden. Je nach Stärke der Moderation sind so mittelschnelle bis hin zu thermischen Neutronen erzeugbar. Mit Hilfe tiefgekühlter Moderatoren sind kalte bis sehr kalte Neutronen (VCN) erzeugbar. Noch weiter können Neutronen mit Hilfe von Neutronenzentrifugen gekühlt werden.
Die Eigenschaften des Protons erforscht man u.&nbsp;a. in Anlagen wie dem [[Super Proton Synchrotron]] (SPS) und dem [[Large Hadron Collider]] (LHC) des [[CERN]]s, dem [[Tevatron]] im [[Fermilab]] oder [[Deutsches Elektronen-Synchrotron#HERA|HERA]].  


Die Forschung mit Proton-Antiproton-Kollisionen dient unter anderem der Suche nach einer Physik jenseits des Standardmodells.<ref>Suche nach Physik außerhalb des Standardmodells in Proton-Antiproton-Kollisionen mit Leptonen und Jets im Endzustand; Thomas Nunnemann; [http://www.etp.physik.uni-muenchen.de/dokumente/talks/fakkolloq_nunnemann_060705.pdf Weblink zu PDF Vortrag]</ref>
==== „Kalte“ und „heiße“ Neutronen ====
Mit zusätzlichen Moderatoren hoher oder niedriger [[Temperatur]] kann das Energiespektrum der Neutronen verschoben werden. Diese zusätzlichen Moderatoren an [[Forschungsreaktor]]en bezeichnet man auch als sekundäre Neutronenquellen. Zur Gewinnung „kalter“ Neutronen dient häufig flüssiges [[Deuterium]] mit einer Temperatur von etwa 20&nbsp;K. „Heiße“ Neutronen werden in der Regel mit Graphit-Moderatoren bei etwa 3000&nbsp;K erzeugt. Kalte, thermische und heiße Neutronen weisen jeweils eine bestimmte, mehr oder weniger breite Energieverteilung und damit [[De-Broglie-Wellenlänge|Wellenlängenverteilung]] auf.


Messungen der [[Lamb-Verschiebung]] am [[Myonischer Wasserstoff|myonischen Wasserstoff]], also am gebundenen System aus [[Myon]] und Proton, ergaben 2010 für den Ladungsradius des Protons einen um 4 % geringeren als den bisher angenommenen Wert, der u.&nbsp;a. aus Streuversuchen an Elektronenbeschleunigern ermittelt worden war. Da das Myon viel schwerer als das Elektron ist, kommt es dem Proton viel näher. Das macht  bei myonischen Atomen den Einfluss der Ausdehnung des Protons auf das Spektrum genauer messbar. Der Unterschied im Protonenradius lag im Bereich von vier Standardabweichungen. Das fand damals große Aufmerksamkeit, da es Fragen in Bezug zur [[Quantenelektrodynamik]] aufwirft, die eigentlich als die besterforschte physikalische Theorie gilt, die zum Beispiel die Energieniveaus im Wasserstoffatom bis auf 12 Dezimalstellen genau vorhersagt.<ref>{{Literatur | Autor = Randolf Pohl et al.<!--, Aldo Antognini, François Nez, Fernando D. Amaro, François Biraben, João M. R. Cardoso, Daniel S. Covita, Andreas Dax, Satish Dhawan, Luis M. P. Fernandes, Adolf Giesen, Thomas Graf, Theodor W. Hänsch, Paul Indelicato, Lucile Julien, Cheng-Yang Kao, Paul Knowles, Eric-Olivier Le Bigot, Yi-Wei Liu, José A. M. Lopes, Livia Ludhova, Cristina M. B. Monteiro, Françoise Mulhauser, Tobias Nebel, Paul Rabinowitz, Joaquim M. F. dos Santos, Lukas A. Schaller, Karsten Schuhmann, Catherine Schwob, David Taqqu, João F. C. A. Veloso, Franz Kottmann--> | Titel = The size of the proton | Sammelwerk = Nature | Band = 466 | Nummer = 7303 | Jahr = 2010 | Seiten = 213–216 | DOI=10.1038/nature09250}}</ref> Auch Abweichungen vom [[Standardmodell]] wurden diskutiert, einer der beteiligten Physiker ([[Randolf Pohl]]) hält aber eine Abweichung der Rydbergkonstante von bisher akzeptierten Werten für wahrscheinlicher.<ref>[https://www.quantamagazine.org/proton-radius-puzzle-deepens-with-new-measurement-20160811 Natalie Wolchover, New Measurement Deepens Proton Puzzle, Quanta Magazine, 11. August 2016]</ref> 2016 wurde die Abweichung auch an myonischen Deuterium-Atomen bestätigt. 2017 wurde eine Abweichung zu den Wasserstoff-Standarddaten auch bei Messungen an gewöhnlichem Wasserstoff entdeckt (in Höhe 3,3 Standardabweichungen sowohl bei Protonenradius als auch bei [[Rydbergkonstante]]).<ref>[http://www.pro-physik.de/details/news/10655019/Geschrumpftes_Proton.html Geschrumpftes Proton], Pro Physik, 6. Oktober 2017</ref><ref>A. Beyer et al.: The Rydberg constant and proton size from atomic hydrogen, Science, Band 358, 2017, S. 79</ref> Dafür mussten zwei Übergänge gemessen werden (neben 2s-1s der Übergang 2s-4p). Das Experiment stellt eine der bisher genauesten Messungen der Laserspektroskopie dar.
Die Neutronen aus einem Forschungsreaktor werden durch Strahlrohre ([[Neutronenleiter]]) aus dem Moderatortank oder den sekundären Neutronenquellen zu den Experimenten geleitet. Allerdings müssen noch genügend viele Neutronen im [[Reaktorkern]] verbleiben oder dorthin zurück reflektiert werden, um die Kettenreaktion aufrechtzuerhalten.


In [[Terrestrischer Gammablitz|Terrestrischen Gammablitzen]] könnten neben anderen Masseteilchen auch Protonen mit Energien bis zu 30&nbsp;MeV auftreten.<ref>Köhn, C., Ebert, U.: Calculation of beams of positrons, neutrons and protons associated with terrestrial gamma-ray flashes. ''J. Geophys. Res. Atmos.'' (2015), vol. 23, {{doi|10.1002/2014JD022229}}</ref> Jedoch ist die Zeitskala, auf der terrestrische Protonenstrahlen gemessen werden können, deutlich länger als für terrestrische Gammablitze.<ref>Köhn, C., Diniz, G., Harakeh, M.N.: Production mechanisms of leptons, photons, and hadrons
''Ultrakalte'' Neutronen (UCN) haben nur sehr geringe [[kinetische Energie]] und bewegen sich mit weniger als 5 m/s, so dass sie sich magnetisch, mechanisch oder gravitativ speichern lassen. Von Gefäßwänden aus [[Beryllium]], [[Berylliumoxid]], [[Magnesium]], [[Aluminium]] oder [[Nickel]] werden sie unterhalb einer materialabhängigen Grenzenergie reflektiert. Speicherexperimente ermöglichen minutenlange Beobachtungsdauern, viel länger als bei Experimenten an Neutronenstrahlen.<ref>[http://www.ncnr.nist.gov/summerschool/ss09/pdf/Liu_FP09.pdf Cold Neutron and Ultracold Neutron Sources]</ref>
and their possible feedback close to lightning leaders. ''J. Geophys. Res. Atmos.'' (2017), vol. 122, {{doi|10.1002/2016JD025445}}</ref>


== Technische Anwendungen ==
==== Monochromatische Neutronen ====
Beschleunigte Protonen werden in der Medizin im Rahmen der [[Protonentherapie]] zur Behandlung von Tumorgewebe eingesetzt. Dies ist eine im Vergleich zur konventionellen Röntgenbestrahlung schonendere Therapie, da die Protonen ihre Energie im Wesentlichen erst in einem eng begrenzten Tiefenbereich im Gewebe abgeben ([[Bragg-Peak]]). Das Gewebe, das sich auf dem Weg dorthin befindet, wird deutlich weniger belastet (Faktor 3 bis 4), das Gewebe dahinter wird im Vergleich zur Röntgen-[[Radiotherapie]] relativ wenig belastet.
Für viele Experimente werden monoenergetische Neutronen, also Neutronen einheitlicher Energie, benötigt. Diese erhält man an Reaktoren z.&#8239;B. durch den Einsatz eines [[Monochromator]]s. Dies ist ein [[Einkristall]] oder Mosaik-Kristall aus beispielsweise Silizium, Germanium, Kupfer oder Graphit; durch Nutzung bestimmter [[Bragg-Gleichung|Bragg-Reflexe]] und Monochromatorwinkel können verschiedene Wellenlängen (Energien) aus der Wellenlängenverteilung ausgewählt werden (siehe auch [[Neutronensuperspiegel]]).


Protonen mit kinetischen Energien etwa im Bereich 10 bis 50 [[Elektronenvolt|MeV]] aus [[Zyklotron]]s dienen z. B. auch zur Herstellung protonenreicher [[Radionuklid]]e für medizinische Zwecke oder zur oberflächlichen [[Radioaktivität|Aktivierung]] von Maschinenteilen zwecks späterer Verschleißmessungen.
Monochromatische Neutronen höherer Energien können an Beschleunigern aus geeigneten Kernreaktionen gewonnen werden.


== Forschungsgeschichte ==
=== Wirkung von Neutronenstrahlen ===
Protonen tauchten in der Forschung zuerst 1898 auf, als [[Wilhelm Wien]] feststellte, dass man die [[Geißlerröhre]] mit Wasserstoff füllen muss, um [[Kanalstrahlen]] mit dem größten Verhältnis von Ladung zu Masse zu erhalten<ref>Wilhelm Wien: Über positive Elektronen und die Existenz hoher Atomgewichte. In: Annalen der Physik. Band 318 (4), 1904, S. 669–677.</ref>. Diese Strahlung besteht aus Protonen.
==== Typische von freien Neutronen ausgelöste Prozesse ====
''Freie'', nicht in einem Kern gebundene Neutronen können an Atomkernen [[Streuung (Physik)|gestreut]] werden oder in Form einer [[Kernreaktion]] von ihnen absorbiert werden.


1913 entwickelte [[Niels Bohr]] das nach ihm benannte Modell für das Wasserstoffatom, in dem ein [[Elektron]] einen positiv geladenen Atomkern umkreist. Dieser Kern ist ein Proton.
Die Streuung kann elastisch oder inelastisch sein. Bei inelastischer Streuung verbleibt der Atomkern in einem [[Angeregter Zustand|angeregten Zustand]], der dann (meist) durch Emission von [[Gammastrahlung]] zum Grundzustand zurückkehrt. Die elastische Streuung schneller Neutronen an leichten Atomkernen ([[Moderator (Physik)|Moderatoren]]) bewirkt ihre Abbremsung, bis sie zu [[Thermisches Neutron|thermischen  Neutronen]] werden.


1919 entdeckte [[Ernest Rutherford]], dass im Atomkern des [[Stickstoff]] Atomkerne des Wasserstoffs vorhanden sind. Er nahm daraufhin an, dass alle Atomkerne aus Wasserstoffkernen aufgebaut sind und schlug für diese den Namen ''Proton'' vor. Dabei nahm er Bezug auf das Wort ''Protyle'', das eine hypothetische Grundsubstanz aller [[Materie (Physik)|Materie]] bezeichnet. [[William Prout]] hatte 1815 vermutet, dass Wasserstoff diese Substanz sei, so dass alle Atome aus Wasserstoffatomen aufgebaut seien.<ref>Rutherford in einer Fußnote zum Artikel "The Constitution of Atoms." von Orme Masson in ''The Philosophical Magazine, Vol 41 (1921), S.&nbsp;281–285.'': "…Finally the name "proton" met with general approval, particularly as it suggests the original term "protyle" given by Prout in his well-known hypothesis that all atoms are built up of hydrogen. The need of a special name for the nuclear unit of mass 1 was drawn attention to by Sir Oliver Lodge at the Sectional meeting, and the writer then suggested the name "proton."</ref>
Insbesondere thermische Neutronen werden von vielen Atomkernen absorbiert. Wird danach nur Gammastrahlung, aber kein Teilchen mit Masse emittiert, heißt der Vorgang [[Neutroneneinfang]]. Der entstandene neue Atomkern ist ein um eine Masseneinheit schwereres [[Isotop]] des ursprünglichen Kerns und kann radioaktiv sein ([[Neutronenaktivierung]]). Nuklide mit besonders großem [[Wirkungsquerschnitt]] für die Absorption thermischer Neutronen werden als [[Neutronenabsorber]] bezeichnet. Üblich sind <sup>113</sup>[[Cadmium|Cd]] und <sup>10</sup>[[Bor|B]]. Sie werden in Neutronenabschirmungen und zur Steuerung von [[Kernreaktor]]en verwendet.
 
Einige sehr schwere Nuklide können durch Neutronen-Absorption [[Kernspaltung|gespalten]] werden. Setzt die Spaltung eines Atomkerns mehrere neue Neutronen frei, kann sich eine [[Kettenreaktion (Kernphysik)|Kettenreaktion]] mit Freisetzung großer Energiemengen ergeben. Dies wird sowohl kontrolliert in Kernreaktoren wie auch unkontrolliert in [[Kernwaffe]]n genutzt.
 
==== Wirkungen auf Materie ====
{{Siehe auch|Strahlenschaden}}
 
Die Materialeigenschaften von Metallen und anderen Werkstoffen werden durch Neutronenbestrahlung verschlechtert. Dies begrenzt die Lebensdauer von Komponenten in z.&#8239;B. Kernreaktoren. In eventuellen [[Kernfusionsreaktor]]en mit ihrer höheren Energie der Neutronen träte dieses Problem verstärkt auf.
 
Die Wirkung auf lebendes [[Gewebe (Biologie)|Gewebe]] ist ebenfalls schädlich. Sie beruht bei schnellen Neutronen größtenteils auf von diesen angestoßenen Protonen, die einer stark [[Ionisierende Strahlung|ionisierenden Strahlung]] entsprechen. Diese Schadwirkung ist gelegentlich als [[Strahlentherapie]] zur Bekämpfung von Krebszellen erprobt worden. Thermische Neutronen erzeugen durch [[Neutroneneinfang]] in Wasserstoff Gammastrahlung, die ihrerseits ionisiert.
 
== Entdeckung und Erforschung ==
[[Ernest Rutherford]] sagte im Jahr 1920 einen neutralen Kernbaustein voraus, bei dem es sich möglicherweise um eine Proton-Elektron-Kombination handele, er sprach von einem „kollabierten Wasserstoffatom“.<ref name="Miller">Arthur I. Miller (Hrsg.): Early Quantum Electrodynamics. A Sourcebook. Cambridge University Press 1995. ISBN 9780521568913. Fußnote 48</ref> [[William Draper Harkins]] bezeichnete dieses Teilchen 1921 als Neutron.<ref>Nils Wiberg (Hrsg.): Lehrbuch der Anorganischen ChemieLehrbuch der Anorganischen Chemie. Walter de Gruyter 2007 (102. Auflage). ISBN 9783110206845. {{doi|10.1515/9783110177701}} S. 83</ref>
 
Die ersten Schritte zur Entdeckung des Neutrons wurden von [[Walther Bothe]] und seinem Studenten Herbert Becker getan. Sie beschrieben im Jahr 1930 einen ungewöhnlichen Typ von Strahlung, der entstand, wenn sie [[Beryllium]] mit [[Alphastrahlung]] aus dem radioaktiven Zerfall von [[Polonium]] beschossen. Ziel war es, Beobachtungen [[Ernest Rutherford]]s zu bestätigen, wonach bei diesem Vorgang eine sehr energiereiche Strahlung emittiert wurde. Dementsprechend hielten sie die durchdringende Strahlung, die sie bei diesen Versuchen mit Hilfe von elektrischen Zählmethoden feststellen konnten, anfänglich fälschlicherweise für [[Gammastrahlung]]. Die gleichen Versuche machten sie auch mit [[Lithium]] und [[Bor]], und kamen schlussendlich zum Ergebnis, dass die beobachteten „Gammastrahlen“ mehr Energie besaßen als die Alphateilchen, mit denen sie die Atome beschossen hatten. Bei der Bestrahlung von Beryllium mit Alphateilchen entstand nicht – wie zuvor erwartet – Bor, sondern [[Kohlenstoff]]. In heutiger Schreibweise lautet die beobachtete [[Kernreaktion]]:
 
:<math>{}^{9}_4 \mathrm{Be} + {}^{4}_{2}\alpha \to{}^{12}_{\ 6}\mathrm{C} + {}^{1}_{0}\mathrm{n}</math>
 
oder in Kurzform
 
:<math>{}^{9}\mathrm{Be} (\alpha , \text{n}) {}^{12}\mathrm{C}</math>.
 
Die beobachtete, sehr energiereiche Strahlung hatte ein großes Durchdringungsvermögen durch Materie, zeigte jedoch sonst ein für Gammastrahlung ungewöhnliches Verhalten. Sie vermochte zum Beispiel leichte Atome in schnelle Bewegung zu versetzen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Energie dieser „Gammastrahlung“ so groß hätte sein müssen, dass sie alles bis dahin Bekannte weit übertroffen hätte. So kamen mehr und mehr Zweifel auf, ob es sich wirklich um Gammastrahlen handelte. Entsprechend dem durchgeführten Versuch nannte man die Strahlung inzwischen „Beryllium-Strahlung“.
 
1931 stellten [[Irène Joliot-Curie]] und ihr Ehemann [[Frédéric Joliot-Curie]] bei Experimenten mit der Beryllium-Strahlung folgende Tatsache fest: Lässt man die „Beryllium-Strahlung“ in eine [[Ionisationskammer]] treffen, so zeigt diese keinen nennenswerten Strom an. Bringt man jedoch vor die Ionisationskammer eine wasserstoffhaltige Materialschicht (zum Beispiel Paraffin), dann steigt der Strom in der Kammer stark an. Als Ursache vermutete das Ehepaar Joliot-Curie, dass die „Beryllium-Strahlung“ aus dem wasserstoffhaltigen Paraffin Protonen herauslöst, welche dann in der Ionisationskammer [[Ionisierung]] bewirken. Sie konnten ihre Vermutung durch den Nachweis solcher Rückstoß-Protonen in der [[Nebelkammer|Wilsonschen Nebelkammer]] belegen. Als Mechanismus vermuteten sie einen dem [[Compton-Effekt]] verwandten Vorgang. Die harte Gammastrahlung sollte den Protonen den notwendigen Impuls übertragen. Abschätzungen zeigten jedoch, dass zur Erzeugung eines Rückstoßprotons, dessen Spurlänge in der Nebelkammer etwa 26&nbsp;cm betrug, eine unrealistisch hohe Gammaenergie von etwa 50&nbsp;MeV notwendig wäre.
 
[[James Chadwick]]&nbsp;– ein Schüler Rutherfords, der wie er zunächst die Hypothese eines stark gebundenen Elektron-Proton-Zustands vertrat<ref name="Miller"/>&nbsp;– glaubte wie dieser nicht an einen „Compton-Effekt beim Proton“ und nahm an, dass die „Beryllium-Strahlung“ aus Teilchen bestehen müsse. Als Irène und Frédéric Joliot-Curie ihre Versuchsergebnisse veröffentlichten, in denen sie zeigten, dass Bothes „Beryllium-Strahlung“ in der Lage war, aus [[Paraffin]] Protonen mit hoher Energie herauszuschlagen, war für Chadwick klar, dass es sich nicht um Gammastrahlung, sondern nur um Teilchen mit einer dem Proton vergleichbaren Masse handeln konnte. In den zahlreichen Versuchen wiederholte er die Experimente von Joliot-Curie und bestätigte deren Beobachtung. 1932 konnte er experimentell erhärten, dass es sich bei der „Beryllium-Strahlung“ nicht um Gammastrahlen, sondern um schnell bewegte Teilchen handelte, die ungefähr die Masse des Protons besitzen, jedoch elektrisch neutral sind; die Eigenschaften dieser Strahlung waren eher mit denen eines bereits zwölf Jahre zuvor von Ernest Rutherford als Kernbaustein vermuteten neutralen Teilchens in Einklang zu bringen. Da die nunmehr entdeckten Teilchen keine elektrische Ladung trugen, nannte er sie Neutronen. Chadwick veröffentlichte seine Entdeckung im Jahr 1932.<ref>{{Literatur|Autor=James Chadwick|Titel=Possible existence of a neutron|Sammelwerk=Nature|Jahr=1932|Seiten=312|Online=[http://web.mit.edu/22.54/resources/Chadwick.pdf online]|Zugriff=2016-07-16}}</ref> Die Publikation erschien unter ''Letters to the Editor'', ist knapp eine Seite lang und trug ihm im Jahre 1935 den Nobelpreis für Physik ein.
 
Dass gerade die Kombination von Beryllium als [[Target (Physik)|Target]] und Polonium als Alphateilchen-Quelle eine hohe Neutronenausbeute ergibt, erklärt sich nach heutigem Wissen daraus, dass der Energiegewinn (Q-Wert) der <math>(\alpha, \text{n})</math>-Reaktion an <sup>9</sup>Be mit 5,7&nbsp;MeV besonders hoch ist und dass <sup>210</sup>Po mit 5,3&nbsp;MeV eine der höchsten natürlichen Alpha-Energien liefert.
 
Mit der Entdeckung des Neutrons konnte die Beschreibung des [[Atomaufbau]]s vorerst vollendet werden: Der Atomkern, bestehend aus Protonen und Neutronen, wird von einer [[Elektronenhülle|Hülle aus Elektronen]] umgeben. Bei einem elektrisch neutralen Atom ist die Anzahl der negativ geladenen Elektronen gleich der der positiv geladenen Protonen im Atomkern, wohingegen die Anzahl der Neutronen im Kern variieren kann.
 
Im gleichen Jahr 1932 stellte [[Werner Heisenberg]] seine Nukleonentheorie auf.
 
Noch 1940 nahm man an, dass das Neutron eine Verbindung aus Proton und Elektron darstellt. So hätte man alle Atome auf diese zwei Bausteine zurückführen können. Erst mit der weiteren Entwicklung der Quantenmechanik und der Kernphysik wurde klar, dass es keine Elektronen als dauerhafte Bestandteile des Kerns geben kann.
 
„Neutron“ war ursprünglich [[Wolfgang Pauli]]s Bezeichnung für das 1930 von ihm postulierte Auftreten eines (Anti-)[[Neutrino]]s beim Betazerfall gewesen. Die Bezeichnung Neutrino, vorgeschlagen von [[Enrico Fermi]], etablierte sich erst später.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Proton}}
* {{WikipediaDE|Neutron}}
* {{WikipediaDE|Protonium}}
* {{WikipediaDE|Dineutron}}
* {{WikipediaDE|Proton (Chemie)|Hydron}}: Zur Bedeutung des Protons in der Chemie bei Protonenübertragungsreaktionen ([[Säure-Base-Reaktion]]en) bzw. zum [[Säuren|Säurebegriff]] nach [[Wikipedia:Johannes Nicolaus Brønsted|Brønsted]] und [[Wikipedia:Thomas Lowry|Lowry]].
* {{WikipediaDE|Tetraneutron}}
* {{WikipediaDE|Neutronium}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Wolfgang Demtröder: ''Experimentalphysik'' (Band 4). 2. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21451-8.
* {{Literatur|Autor=Dirk  Dubbers, Reinhard  Scherm|Titel=Neutronen-Forschung am Institut Laue-Langevin: Neutronen-Quelle und Experimente|Sammelwerk=Physik in unserer Zeit|Band=34|Nummer=3|Jahr=2003|Seiten=108–111|DOI=
* Donald H. Perkins: ''Introduction to high energy physics.'' 4th edition. Cambridge University Press, 2000, ISBN 0-521-62196-8.
10.1002/piuz.200390052}}
* {{Literatur|Autor=Arno Hiess, Helmut Schober|Titel=Mit Neutronen auf der Spur der Elektronen: Neutronen-Spektroskopie an Festkörpern|Sammelwerk=Physik in unserer Zeit|Band=34|Nummer=3|Jahr=2003|Seiten=112–118|DOI=10.1002/piuz.200390053}}
* {{Literatur|Autor=Torsten Soldner|Titel=Das Neutron, der Kosmos und die Kräfte: Neutronen in der Teilchenphysik|Sammelwerk=Physik in unserer Zeit|Band=34|Nummer=3|Jahr=2003|Seiten=127–132|DOI=10.1002/piuz.200390056}}
* {{Literatur|Autor=Matthias Honal, Wolfgang Scherer, Götz Eckold|Titel=Wozu brauchen Chemiker Neutronen?|Sammelwerk=Nachrichten aus der Chemie|Band=51|Nummer=11|Jahr=2003|Seiten=1133–1138|Online=[http://paux.com/datei/download/132439417.pdf online]; PDF}}
 
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Neutron}}
* [http://www.psi.ch/industry/MediaBoard/neutron_imaging_d_07.pdf Neutronenradiographie (PDF 5,8 MB)]
* [http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/kernphysik-grundlagen/ausblick#Neutronen%20-%20Wissenswertes Nachweis und Erzeugung von Neutronen] (LEIFI)
* [http://neutronsources.org Neutronsources.org] – Neutronenforschung international (englisch)
* [http://nmi3.eu/neutron-research/characteristics-of-neutrons.html Characteristics of neutrons] (Fünf Gründe, weshalb Neutronen zur Erforschung von Materie besonders geeignet sind, Englisch)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Commons}}


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Version vom 30. Dezember 2018, 17:17 Uhr

Das Neutron [ˈnɔɪ̯trɔn] (Plural Neutronen [nɔɪ̯ˈtroːnən]) ist ein elektrisch neutrales Baryon mit dem Formelzeichen . Es ist neben dem Proton Bestandteil fast aller Atomkerne und somit der uns vertrauten Materie. Neutron und Proton, gemeinsam Nukleonen genannt, gehören als Baryonen zu den Fermionen und den Hadronen.

Freie, d. h. nicht in einem Atomkern gebundene Neutronen sind instabil, allerdings mit vergleichsweise langer Halbwertszeit von etwa 10 Minuten. Freie Neutronen finden in Form von Neutronenstrahlung Verwendung.

Physikalische Beschreibung

Elementare Eigenschaften

Das Neutron trägt keine elektrische Ladung (daher der Name), aber ein magnetisches Moment von −1,91 Kernmagnetonen. Seine Masse beträgt rund 1,675 · 10−27 kg (1,008 665 u). Es ist als Baryon aus drei Quarks zusammengesetzt – einem up-Quark und zwei down-Quarks (Formel udd). Das Neutron hat den Spin 1/2 und ist damit ein Fermion. Als zusammengesetztes Teilchen ist es räumlich ausgedehnt mit einem Durchmesser von ca. 1,7 · 10−15 m.

Das Antiteilchen des Neutrons ist das Antineutron, das erstmals 1956 von Bruce Cork am Bevatron bei Proton-Proton-Kollisionen nachgewiesen wurde.

Elementare Wechselwirkungen

Das Neutron unterliegt allen in der Physik bekannten vier Wechselwirkungen: der Gravitationskraft, der starken, der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung.

Die starke Wechselwirkung – genauer die Kernkraft, eine Art Restwechselwirkung der zwischen den Quarks wirkenden starken Wechselwirkung – ist dafür verantwortlich, dass Neutronen in Kernen gebunden sind, und bestimmt auch das Verhalten von freien Neutronen bei Stößen mit Atomkernen.

Das Neutron ist zwar elektrisch neutral und unterliegt damit nicht der elektrostatischen Anziehung oder Abstoßung, aber aufgrund seines magnetischen Moments trotzdem der elektromagnetischen Wechselwirkung. Diese Tatsache sowie die räumliche Ausdehnung sind klare Indizien dafür, dass das Neutron ein zusammengesetztes Teilchen ist.

Die schwache Wechselwirkung ist verantwortlich für den Betazerfall des freien Neutrons in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino.

Zerfall und Lebensdauer

Das Neutron hat mit 939,6 MeV eine um 1,3 MeV (0,14 %) größere Ruheenergie als das Proton. Es zerfällt als Beta-Minus-Strahler-Strahler) in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino:

.

Die mittlere Lebensdauer beträgt 880,2 Sekunden[1] (knapp 15 Minuten); dies entspricht einer Halbwertszeit von 610,1 Sekunden. Das ist die mit Abstand größte Halbwertszeit aller instabilen Hadronen. Sie ist schwierig zu messen, denn ein in normaler materieller Umgebung freigesetztes Neutron (auch in Luft) wird meist in Sekundenbruchteilen wieder von einem Atomkern absorbiert, „erlebt“ seinen Zerfall also nicht. Dementsprechend ist der Zerfall bei praktischen Anwendungen bedeutungslos, und das Neutron kann dafür als stabiles Teilchen angesehen werden.[2] Grundlagenphysikalisch ist der Zerfall jedoch interessant. In einer frühen Phase des Universums machten freie Neutronen einen bedeutenden Teil der Materie aus; man kann die Entstehung besonders der leichten Elemente (und deren Isotopenverteilung) besser nachvollziehen, wenn die Lebensdauer des Neutrons genau bekannt ist. Außerdem erhofft man sich ein besseres Verständnis der schwachen Wechselwirkung.

Die Lebensdauer des Neutrons kann mit Hilfe zweier verschiedener Methoden bestimmt werden: mit der Strahl-Methode, die 888,0  ±  2,0 s ergibt, und der Flaschen-Methode, die 879,6 ± 0,6 s (nach einer neueren (2018) Messung[3] 877,7 s) ergibt. Mit Verbesserung der Messmethoden ist dieser Unterschied von ca. 1 %, den man anfangs für einen Messfehler hielt, immer signifikanter geworden und liegt mittlerweile bei etwas mehr als 4 σ.[4][5] Die Ursache ist unbekannt.

Neutronen als Bestandteile von Atomkernen

Mit Ausnahme des häufigsten Wasserstoffisotops (Protium, 1H), dessen Atomkern nur aus einem einzelnen Proton besteht, enthalten alle Atomkerne sowohl Protonen als auch Neutronen. Protonen und Neutronen werden zusammenfassend Nukleonen (von lateinisch nucleus, Kern) genannt. Atome mit gleicher Protonenanzahl, aber unterschiedlicher Neutronenanzahl heißen Isotope.

β- und β+-Zerfall von Atomkernen

Hauptartikel: Betastrahlung

Wie stark ein Atomkern gebunden ist, hängt von der Zahl der Protonen Z und Neutronen N, vor allem aber vom Verhältnis dieser Zahlen ab. Bei leichteren Kernen ist die Bindung bei etwa gleicher Anzahl (N/Z ≈ 1) am stärksten (z. B. ist bei der Massenzahl 40 der stabilste Kern 40Ca mit je 20 Protonen und Neutronen); bei großen Massenzahlen verschiebt sich das Verhältnis bis hin zu N/Z ≈ 1,5, z. B. in 208Pb, da mit wachsendem Z die elektrische Abstoßung der Protonen zunehmend destabilisierend wirkt. Dieser Unterschied in der Bindungsenergie wirkt sich stärker als der eher geringe Massenunterschied von Proton und Neutron aus, so dass von Kernen gleicher Massenzahl diese jeweils am stabilsten sind.

Ein zu neutronenreicher Kern kann sich – wie das freie Neutron – durch β-Zerfall unter Beibehaltung der Massenzahl in einen Kern umwandeln, der ein Neutron weniger und ein Proton mehr hat. Dabei hat sich ein Neutron in ein Proton umgewandelt. Dagegen kann sich ein zu neutronenarmer Kern durch β+-Zerfall in einen Kern umwandeln, der ein Neutron mehr und ein Proton weniger hat. Dabei wandelt sich ein Proton in ein Neutron um, ein Vorgang, der bei freien Protonen nicht möglich ist.

.

Die Umkehrung des Neutronenzerfalls tritt auf, wenn ein protonenreicher Atomkern mit einem Elektron der Atomhülle reagiert (Elektroneneinfang) sowie unter den extremen Bedingungen bei der Entstehung eines Neutronensterns:

.

Freie Neutronen

Erzeugung

Es gibt viele verschiedene Arten von Neutronenquellen, in denen Neutronen aus Atomkernen freigesetzt werden.

Zur Untersuchung von kondensierter Materie durch elastische und inelastische Neutronenstreuung werden vor allem Neutronen aus Forschungsreaktoren genutzt. Dort werden die Neutronen bei der Kernspaltung frei. Diese schnellen Neutronen haben Energien im Bereich von einigen MeV und müssen für Materialuntersuchungen erst auf rund ein Millionstel ihrer Bewegungsenergie abgebremst werden. Eine neuere Alternative zu Forschungsreaktoren sind Spallationsquellen.

Nachweis

Da Neutronen keine elektrische Ladung tragen, können sie nicht direkt mit auf Ionisierung beruhenden Detektoren nachgewiesen werden. Der Nachweis von Neutronen geschieht mittels Neutronendetektoren. Bei niedrigen Neutronenenergien (unter etwa hundert keV) beruhen diese stets auf einer geeigneten Kernreaktion, z. B. Neutronenabsorption mit anschließendendem Zerfall:

,  siehe Neutronendetektion mit Helium-3

Bei höheren Energien kann auch der Rückstoß ausgenutzt werden, den ein geladenes Teilchen (meist Proton) bei der Streuung des Neutrons erfährt.

Klassifizierung

Die Wechselwirkung freier Neutronen mit Materie ist je nach ihrer kinetischen Energie sehr verschieden. Deswegen werden Neutronen nach ihrer Energie klassifiziert. Die Bezeichnungen werden nicht ganz einheitlich verwendet. Folgende Tabelle ist angelehnt an [6]:

Klassifizierung kinetische Energie Geschwindigkeit Temperatur
Langsame Neutronen bis 100 eV bis 150 km/s bis 800 000 K
  Ultrakalte Neutronen (UCN) unter 0,05 bis 0,23 µeV unter 3,2 bis 6,8 m/s unter 0,4 bis 1,8 mK
  Sehr kalte Neutronen (VCN) ~10−4 eV ~150 m/s ~1 K
  Kalte Neutronen unter 0,025 eV unter 2,2 km/s bis 200 K
  Thermische Neutronen etwa 0,025 eV etwa 2,2 km/s etwa 200 K
  Epithermische Neutronen 0,025 bis 1 eV 2,2 bis 15 km/s 200 bis 8 000 K
  Resonanzneutronen 1 bis 100 eV 15 bis 150 km/s 8 000 bis 800 000 K
Mittelschnelle Neutronen 100 eV bis 500 keV 150 bis 10 000 km/s 800 000 K bis 4 Mrd. K
Schnelle Neutronen ab 500 keV ab 10 000 km/s über 4 Mrd. K

Neutronenquellen, egal welcher Art, erzeugen schnelle Neutronen mit 2 bis 5 MeV. Durch Moderatoren können diese auf Temperaturen bis zu der Moderators abgebremst werden. Je nach Stärke der Moderation sind so mittelschnelle bis hin zu thermischen Neutronen erzeugbar. Mit Hilfe tiefgekühlter Moderatoren sind kalte bis sehr kalte Neutronen (VCN) erzeugbar. Noch weiter können Neutronen mit Hilfe von Neutronenzentrifugen gekühlt werden.

„Kalte“ und „heiße“ Neutronen

Mit zusätzlichen Moderatoren hoher oder niedriger Temperatur kann das Energiespektrum der Neutronen verschoben werden. Diese zusätzlichen Moderatoren an Forschungsreaktoren bezeichnet man auch als sekundäre Neutronenquellen. Zur Gewinnung „kalter“ Neutronen dient häufig flüssiges Deuterium mit einer Temperatur von etwa 20 K. „Heiße“ Neutronen werden in der Regel mit Graphit-Moderatoren bei etwa 3000 K erzeugt. Kalte, thermische und heiße Neutronen weisen jeweils eine bestimmte, mehr oder weniger breite Energieverteilung und damit Wellenlängenverteilung auf.

Die Neutronen aus einem Forschungsreaktor werden durch Strahlrohre (Neutronenleiter) aus dem Moderatortank oder den sekundären Neutronenquellen zu den Experimenten geleitet. Allerdings müssen noch genügend viele Neutronen im Reaktorkern verbleiben oder dorthin zurück reflektiert werden, um die Kettenreaktion aufrechtzuerhalten.

Ultrakalte Neutronen (UCN) haben nur sehr geringe kinetische Energie und bewegen sich mit weniger als 5 m/s, so dass sie sich magnetisch, mechanisch oder gravitativ speichern lassen. Von Gefäßwänden aus Beryllium, Berylliumoxid, Magnesium, Aluminium oder Nickel werden sie unterhalb einer materialabhängigen Grenzenergie reflektiert. Speicherexperimente ermöglichen minutenlange Beobachtungsdauern, viel länger als bei Experimenten an Neutronenstrahlen.[7]

Monochromatische Neutronen

Für viele Experimente werden monoenergetische Neutronen, also Neutronen einheitlicher Energie, benötigt. Diese erhält man an Reaktoren z. B. durch den Einsatz eines Monochromators. Dies ist ein Einkristall oder Mosaik-Kristall aus beispielsweise Silizium, Germanium, Kupfer oder Graphit; durch Nutzung bestimmter Bragg-Reflexe und Monochromatorwinkel können verschiedene Wellenlängen (Energien) aus der Wellenlängenverteilung ausgewählt werden (siehe auch Neutronensuperspiegel).

Monochromatische Neutronen höherer Energien können an Beschleunigern aus geeigneten Kernreaktionen gewonnen werden.

Wirkung von Neutronenstrahlen

Typische von freien Neutronen ausgelöste Prozesse

Freie, nicht in einem Kern gebundene Neutronen können an Atomkernen gestreut werden oder in Form einer Kernreaktion von ihnen absorbiert werden.

Die Streuung kann elastisch oder inelastisch sein. Bei inelastischer Streuung verbleibt der Atomkern in einem angeregten Zustand, der dann (meist) durch Emission von Gammastrahlung zum Grundzustand zurückkehrt. Die elastische Streuung schneller Neutronen an leichten Atomkernen (Moderatoren) bewirkt ihre Abbremsung, bis sie zu thermischen Neutronen werden.

Insbesondere thermische Neutronen werden von vielen Atomkernen absorbiert. Wird danach nur Gammastrahlung, aber kein Teilchen mit Masse emittiert, heißt der Vorgang Neutroneneinfang. Der entstandene neue Atomkern ist ein um eine Masseneinheit schwereres Isotop des ursprünglichen Kerns und kann radioaktiv sein (Neutronenaktivierung). Nuklide mit besonders großem Wirkungsquerschnitt für die Absorption thermischer Neutronen werden als Neutronenabsorber bezeichnet. Üblich sind 113Cd und 10B. Sie werden in Neutronenabschirmungen und zur Steuerung von Kernreaktoren verwendet.

Einige sehr schwere Nuklide können durch Neutronen-Absorption gespalten werden. Setzt die Spaltung eines Atomkerns mehrere neue Neutronen frei, kann sich eine Kettenreaktion mit Freisetzung großer Energiemengen ergeben. Dies wird sowohl kontrolliert in Kernreaktoren wie auch unkontrolliert in Kernwaffen genutzt.

Wirkungen auf Materie

Die Materialeigenschaften von Metallen und anderen Werkstoffen werden durch Neutronenbestrahlung verschlechtert. Dies begrenzt die Lebensdauer von Komponenten in z. B. Kernreaktoren. In eventuellen Kernfusionsreaktoren mit ihrer höheren Energie der Neutronen träte dieses Problem verstärkt auf.

Die Wirkung auf lebendes Gewebe ist ebenfalls schädlich. Sie beruht bei schnellen Neutronen größtenteils auf von diesen angestoßenen Protonen, die einer stark ionisierenden Strahlung entsprechen. Diese Schadwirkung ist gelegentlich als Strahlentherapie zur Bekämpfung von Krebszellen erprobt worden. Thermische Neutronen erzeugen durch Neutroneneinfang in Wasserstoff Gammastrahlung, die ihrerseits ionisiert.

Entdeckung und Erforschung

Ernest Rutherford sagte im Jahr 1920 einen neutralen Kernbaustein voraus, bei dem es sich möglicherweise um eine Proton-Elektron-Kombination handele, er sprach von einem „kollabierten Wasserstoffatom“.[8] William Draper Harkins bezeichnete dieses Teilchen 1921 als Neutron.[9]

Die ersten Schritte zur Entdeckung des Neutrons wurden von Walther Bothe und seinem Studenten Herbert Becker getan. Sie beschrieben im Jahr 1930 einen ungewöhnlichen Typ von Strahlung, der entstand, wenn sie Beryllium mit Alphastrahlung aus dem radioaktiven Zerfall von Polonium beschossen. Ziel war es, Beobachtungen Ernest Rutherfords zu bestätigen, wonach bei diesem Vorgang eine sehr energiereiche Strahlung emittiert wurde. Dementsprechend hielten sie die durchdringende Strahlung, die sie bei diesen Versuchen mit Hilfe von elektrischen Zählmethoden feststellen konnten, anfänglich fälschlicherweise für Gammastrahlung. Die gleichen Versuche machten sie auch mit Lithium und Bor, und kamen schlussendlich zum Ergebnis, dass die beobachteten „Gammastrahlen“ mehr Energie besaßen als die Alphateilchen, mit denen sie die Atome beschossen hatten. Bei der Bestrahlung von Beryllium mit Alphateilchen entstand nicht – wie zuvor erwartet – Bor, sondern Kohlenstoff. In heutiger Schreibweise lautet die beobachtete Kernreaktion:

oder in Kurzform

.

Die beobachtete, sehr energiereiche Strahlung hatte ein großes Durchdringungsvermögen durch Materie, zeigte jedoch sonst ein für Gammastrahlung ungewöhnliches Verhalten. Sie vermochte zum Beispiel leichte Atome in schnelle Bewegung zu versetzen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Energie dieser „Gammastrahlung“ so groß hätte sein müssen, dass sie alles bis dahin Bekannte weit übertroffen hätte. So kamen mehr und mehr Zweifel auf, ob es sich wirklich um Gammastrahlen handelte. Entsprechend dem durchgeführten Versuch nannte man die Strahlung inzwischen „Beryllium-Strahlung“.

1931 stellten Irène Joliot-Curie und ihr Ehemann Frédéric Joliot-Curie bei Experimenten mit der Beryllium-Strahlung folgende Tatsache fest: Lässt man die „Beryllium-Strahlung“ in eine Ionisationskammer treffen, so zeigt diese keinen nennenswerten Strom an. Bringt man jedoch vor die Ionisationskammer eine wasserstoffhaltige Materialschicht (zum Beispiel Paraffin), dann steigt der Strom in der Kammer stark an. Als Ursache vermutete das Ehepaar Joliot-Curie, dass die „Beryllium-Strahlung“ aus dem wasserstoffhaltigen Paraffin Protonen herauslöst, welche dann in der Ionisationskammer Ionisierung bewirken. Sie konnten ihre Vermutung durch den Nachweis solcher Rückstoß-Protonen in der Wilsonschen Nebelkammer belegen. Als Mechanismus vermuteten sie einen dem Compton-Effekt verwandten Vorgang. Die harte Gammastrahlung sollte den Protonen den notwendigen Impuls übertragen. Abschätzungen zeigten jedoch, dass zur Erzeugung eines Rückstoßprotons, dessen Spurlänge in der Nebelkammer etwa 26 cm betrug, eine unrealistisch hohe Gammaenergie von etwa 50 MeV notwendig wäre.

James Chadwick – ein Schüler Rutherfords, der wie er zunächst die Hypothese eines stark gebundenen Elektron-Proton-Zustands vertrat[8] – glaubte wie dieser nicht an einen „Compton-Effekt beim Proton“ und nahm an, dass die „Beryllium-Strahlung“ aus Teilchen bestehen müsse. Als Irène und Frédéric Joliot-Curie ihre Versuchsergebnisse veröffentlichten, in denen sie zeigten, dass Bothes „Beryllium-Strahlung“ in der Lage war, aus Paraffin Protonen mit hoher Energie herauszuschlagen, war für Chadwick klar, dass es sich nicht um Gammastrahlung, sondern nur um Teilchen mit einer dem Proton vergleichbaren Masse handeln konnte. In den zahlreichen Versuchen wiederholte er die Experimente von Joliot-Curie und bestätigte deren Beobachtung. 1932 konnte er experimentell erhärten, dass es sich bei der „Beryllium-Strahlung“ nicht um Gammastrahlen, sondern um schnell bewegte Teilchen handelte, die ungefähr die Masse des Protons besitzen, jedoch elektrisch neutral sind; die Eigenschaften dieser Strahlung waren eher mit denen eines bereits zwölf Jahre zuvor von Ernest Rutherford als Kernbaustein vermuteten neutralen Teilchens in Einklang zu bringen. Da die nunmehr entdeckten Teilchen keine elektrische Ladung trugen, nannte er sie Neutronen. Chadwick veröffentlichte seine Entdeckung im Jahr 1932.[10] Die Publikation erschien unter Letters to the Editor, ist knapp eine Seite lang und trug ihm im Jahre 1935 den Nobelpreis für Physik ein.

Dass gerade die Kombination von Beryllium als Target und Polonium als Alphateilchen-Quelle eine hohe Neutronenausbeute ergibt, erklärt sich nach heutigem Wissen daraus, dass der Energiegewinn (Q-Wert) der -Reaktion an 9Be mit 5,7 MeV besonders hoch ist und dass 210Po mit 5,3 MeV eine der höchsten natürlichen Alpha-Energien liefert.

Mit der Entdeckung des Neutrons konnte die Beschreibung des Atomaufbaus vorerst vollendet werden: Der Atomkern, bestehend aus Protonen und Neutronen, wird von einer Hülle aus Elektronen umgeben. Bei einem elektrisch neutralen Atom ist die Anzahl der negativ geladenen Elektronen gleich der der positiv geladenen Protonen im Atomkern, wohingegen die Anzahl der Neutronen im Kern variieren kann.

Im gleichen Jahr 1932 stellte Werner Heisenberg seine Nukleonentheorie auf.

Noch 1940 nahm man an, dass das Neutron eine Verbindung aus Proton und Elektron darstellt. So hätte man alle Atome auf diese zwei Bausteine zurückführen können. Erst mit der weiteren Entwicklung der Quantenmechanik und der Kernphysik wurde klar, dass es keine Elektronen als dauerhafte Bestandteile des Kerns geben kann.

„Neutron“ war ursprünglich Wolfgang Paulis Bezeichnung für das 1930 von ihm postulierte Auftreten eines (Anti-)Neutrinos beim Betazerfall gewesen. Die Bezeichnung Neutrino, vorgeschlagen von Enrico Fermi, etablierte sich erst später.

Siehe auch

Literatur

  •  Dirk Dubbers, Reinhard Scherm: Neutronen-Forschung am Institut Laue-Langevin: Neutronen-Quelle und Experimente. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 108–111, doi:10.1002/piuz.200390052.
  •  Arno Hiess, Helmut Schober: Mit Neutronen auf der Spur der Elektronen: Neutronen-Spektroskopie an Festkörpern. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 112–118, doi:10.1002/piuz.200390053.
  •  Torsten Soldner: Das Neutron, der Kosmos und die Kräfte: Neutronen in der Teilchenphysik. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 127–132, doi:10.1002/piuz.200390056.
  •  Matthias Honal, Wolfgang Scherer, Götz Eckold: Wozu brauchen Chemiker Neutronen?. In: Nachrichten aus der Chemie. 51, Nr. 11, 2003, S. 1133–1138 (online; PDF).

Weblinks

 Wiktionary: Neutron – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens PDG2017 wurde kein Text angegeben.
  2. K. Wirtz, K. H. Beckurts: Elementare Neutronenphysik. Springer, 1958, Seite 2
  3. R. W. Pattie Jr. u. a.: Measurement of the neutron lifetime using a magneto-gravitational trap and in situ detection. In: Science Bd. 360, 2018, S. 627, DOI:10.1126/science.aan8895
  4. Natalie Wolchover: Zwiespältige Stabilität des Neutrons, in Spektrum der Wissenschaft, Ausgabe 5/2018, Spektrum der Wissenschaften Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, S. 26–28.
  5. Geoffrey L. Greene, Peter Geltenbort: Das Neutronenrätsel. Spektrum der Wissenschaft, 23. Juni 2016, abgerufen am 15. Juli 2018.
  6. E. B. Paul: Nuclear and Particle Physics. North Holland, 1969, Seite 151–152
  7. Cold Neutron and Ultracold Neutron Sources
  8. 8,0 8,1 Arthur I. Miller (Hrsg.): Early Quantum Electrodynamics. A Sourcebook. Cambridge University Press 1995. ISBN 9780521568913. Fußnote 48
  9. Nils Wiberg (Hrsg.): Lehrbuch der Anorganischen ChemieLehrbuch der Anorganischen Chemie. Walter de Gruyter 2007 (102. Auflage). ISBN 9783110206845. doi:10.1515/9783110177701 S. 83
  10.  James Chadwick: Possible existence of a neutron. In: Nature. 1932, S. 312 (online, abgerufen am 16. Juli 2016).


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