Zweifel

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Der Zweifel (mhd. zwîvel; ahd. zwîval aus germ. twîfla, „doppelt, gespalten, zweifach, zwiefältig“; griech. σκέψις sképsis; lat. dubitatio) ist ein unentschiedenes Schwanken zwischen mehreren Denk- oder Handlungsalternativen, das ein sicheres und eindeutiges Urteil verhindert. Von Descartes wurde der vom selbstbewussten Ich ausgehende methodische Zweifel zur philosophischen Denkmethode erhoben. Die Möglichkeit zu zweifeln schien ihm dabei, in Anlehnung an Augustinus, gerade die Gewißheit des eigenen Seins, des individuellen Ich, zu garantieren. So schrieb er in seinen Meditationes de prima philosophia (1641):

„Da es ja immer noch ich bin, der zweifelt, kann ich an diesem Ich, selbst wenn es träumt oder phantasiert, selber nicht mehr zweifeln.“

Descartes: Meditationes de prima philosophia

Mit vollem Bewusstsein grundsätzlich alles bezweifeln zu können, ist eine Fähigkeit, die sich der Mensch im gegenwärtigen Bewusstseinsseelenzeitalter im Durchgang durch das «Tal des irdischen Lebens» notwendig erringen muss, um sich gerade dadurch fest auf die eigene Individualität zu stellen. Durch die selbstbewusste Überwindung des Zweifels ist dann der Aufstieg zu einer höheren Erkenntnisstufe möglich, wie das schon im Entwicklungsgang des Parzival angedeutet wird, dessen geistiger Schulungsweg von der dumbheit über den zwîvel zur saelde führt.

"Man unterschied bei der Einführung in die Mysterien drei Stufen, durch die der Mensch hindurchgehen mußte. Die erste Stufe war die Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwifel», die dritte Stufe war die «Saelde». Die erste Stufe war die, auf welcher der Mensch von allem Vorurteil der Welt hinweggeführt wurde, hingewiesen wurde auf die Kraft seiner eigenen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das innere Licht leuchten sehen konnte. Die zweite Stufe war der Zwifel, Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweiten Stufe der Einweihung, und er wird auf einer höheren Stufe hinaufgehoben in die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte Zusammenführen mit den Göttern.

Perceval - dringe durch das Tal! -, so wurden im Mittelalter solche Einzuweihende genannt." (Lit.: GA 097, S. 266)

"Eigentlich kann es eine tiefere moderne Seele gar nicht geben, die nicht durch den nagenden Zweifel durchgeht. Kennengelernt sollte die moderne Seele diesen nagenden Zweifel haben! Dann wird sie erst mit starken Kräften einmünden in jenes spirituelle Wissen, das für die Bewußtseinsseele das eigentlich ist, und das sich erst aus der Bewußtseinsseele ergießen muß in die Verstandes- oder Gemütsseele, um dort Herr zu werden. Daher müssen wir in vernünftiger Weise zu durchdringen suchen, was unserer Bewußtseinsseele dargereicht wird aus dem okkulten Wissen. Dadurch werden wir in unserem Innern ein solches Selbst heranziehen, das innerhalb des Innern ein wirklicher Herr und Herrscher ist. Dann stehen wir, wenn wir das moderne Mysterienwesen kennenlernen, uns selbst gegenüber." (Lit.: GA 144, S. 80)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97 (1998), ISBN 3-7274-0970-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums, GA 144, Dornach 1985