Anomaler Monismus

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Der anomale Monismus wurde von dem US-amerikanischen Philosophen Donald Davidson (1917-2003) als Antwort auf das in der Philosophie des Geistes bislang ungelöste Leib-Seele-Problem vorgeschlagen.

„Der anomale Monismus ähnelt dem Materialismus in seiner Behauptung, dass alle Ereignisse physisch sind, lehnt aber die These ab, die normalerweise als wesentlich für den Materialismus angesehen wird, dass geistige Phänomene rein rein physikalisch erklärt werden können. physikalische Erklärungen. Der anomaler Monismus zeigt ein ontologisches Vorurteil nur dadurch, dass es die Möglichkeit gibt, dass nicht alle Ereignisse mental sind, hingegen darauf besteht, dass alle Ereignisse physisch sind. So ein langweiliger Monismus, nicht gestützt durch korrelierende Gesetze oder konzeptuelle Ökonomien, scheint die Bezeichnung ‚Reduktionismus‘ nicht zu verdienen; in jedem Fall ist er nicht geeignet, den Nichts-als-Reflex zu inspirieren...“

Donald Davidson: Mental Events[1]

Davidson stützt sich in seiner Argumentation auf die von Charles Sanders Peirce eingeführte begriffliche Unterscheidung von Token und Type. Ein Token ist ein konkretes Exemplar einer bestimmten Type, die eine im Prinzip unbegrenzte Menge von Exemplaren (Token) umfasst, die bestimmte Eigenschaften besitzen.

Nach der in der Philosophie des Geistes heute zumeist vertretenen monistischen Auffassung sind mentale Erlebnisse identisch mit neuronalen Ereignissen. Klassische materialistischen Identitätstheorien identifizieren bestimmte Typen mentaler Zustände mit bestimmten Typen neuronaler Zustände. Davidson vertritt nun zwar keinen Dualismus, ist aber anderseits überzeugt, dass sich mentale Erlebnisse nicht auf neuronale Ereignisse reduzieren lassen. Demgegenüber behauptet er nur die Identität der entsprechenden Token. Mentale Ereignisse eines Typs können daher durchaus mit verschiedenen Typen neuronaler Ereignisse identisch sein. So mag etwa ein einzelnes Schmerzereignis mit einem bestimmten physischen Ereignis identisch sein; dem allgemeinen mentalen Typ „Schmerz“ entspricht hingegen keineswegs ein einziger allgemeiner Typ bestimmter physischer Zustände.

In seinem 1970 verfassten klassischen Aufsatz „Mental Events[2] stützt Davidson seinen anomalen Monismus auf drei unvereinbar scheinende Annahmen:

  1. Das erste Prinzip besagt, dass zumindest einige mentale Ereignisse ursächlich mit physikalischen Ereignissen interagieren (Kausalitätsprinzip).
  2. Das zweite Prinzip besagt, dass es dort, wo es Kausalität gibt, auch ein Gesetz geben muss: Ereignisse, die sich auf Ursache und Wirkung beziehen, fallen unter strikt deterministische Gesetze (Prinzip des nomologischen Charakters der Kausalität).
  3. Das dritte Prinzip besagt, dass es keine streng deterministischen Gesetze gibt, auf deren Grundlage mentale Ereignisse vorhergesagt und erklärt werden können (Anomalismus des Mentalen).

Die Aussagen 1 und 3 scheinen einander zu widersprechen. Davidson präzisiert Behauptung 3 daher weiter: Es gibt keine strikten Naturgesetze über mentale Ereignistypen. Damit will er sagen, dass zwar jedes einzelne mentale Ereignis als zugleich physisches (neuronales) Ereigniss, zwar dem Naturgesetz unterliege, dass es aber kein generelles psychophysisches Gesetz gebe. So kann man zwar sagen, dass ein mentales Ereignis mit einem physischen Ereignis identisch ist, aber man kann nicht vorhersagen mit welchem, selbst wenn einem die gesamte physische Geschichte des Kosmos bekannt wäre. Es gibt laut Davidson keine strengen deterministischen Gesetze, auf deren Grundlage mentale Ereignisse vorhergesagt und erklärt werden könnten. Deterministische, nicht-normativen Gesetze, die entweder mentale Zustände mit physischen Zuständen oder mentale Zustände mit anderen mentalen Zuständen verbinden lehnt er strikt ab.

„Zwei Merkmale von mentalen Ereignissen in ihrer Beziehung zur physisch-kausalen Abhängigkeit und nomologischen Unabhängigkeit - kombiniere sie, um das, was oft als Paradoxon erschien, aufzulösen: die Wirksamkeit des Denkens und der Absichten in der materiellen Welt und ihre Freiheit vom Gesetz.“

Donald Davidson: Mental Events[3]

Weiters setzt sich Davidson auch mit den Gründen unseres Handelns auseinander und behauptete, dass die Erklärung durch Berufung auf Gründe eine Form der kausalen Erklärung ist, indem er den nomologischen, gesetzgebenden Charakter der Kausalität betont. Nur so könne man die Tatsache zu erklären, dass wir zwar viele Gründe haben, so zu handeln, wie wir es taten, aber nur einer von ihnen der Grund ist, warum wir tatsächliche so gehandelt haben. Wir treffen also eine Wahl aus einer Vielzahl von Möglichkeiten.

Literatur

  • Donald Davidson: Essays on Actions and Events Oxford, Oxford University Press, 1980, ISBN 978-0199246274, Enthält die klassischen Aufsätze Davidsons zum Thema
  • Donald Davidson: Laws and Cause, in: Dialectica, 1995, S. 263–279 Davidsons Verteidigung der These, dass Kausalität strikte Gesetze voraussetzt.
  • Donald Davidson: Subjective, Intersubjective, Objective, Oxford, Oxford University Press, 2002, ISBN 978-0198237525, Neuere Aufsätze u. a. zum anomalen Monismus
  • Wolfgang R. Köhler (Hg.): Davidsons Philosophie des Mentalen, Paderborn, Schöningh, 1997, ISBN 3506747614
  • Jaegwon Kim: Philosophy of Mind, Westview Press, ISBN 0813307759 Einführende Darstellung u. a. in den anomalen Monismus und einflussreiche Kritik an ihm
  • Peter Lanz: "Menschliches Handeln zwischen Kausalität und Rationalität." Frankfurt am Main, Athenäum 1987.

Einzelnachweise

  1. in: Davidson (1980), S. 214
  2. Donald Davidson: Mental Events. In L. Foster & J. W. Swanson (eds.), Essays on Actions and Events. Clarendon Press (1970). pp. 207-224 pdf
  3. in: Davidson (1980), S. 224f.