Goetheanismus und Stabreim: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:goethe003.jpg|thumb|right|300px|Johann Wolfgang von Goethe]]
'''Stabreim''' ist der deutsche Begriff für die [[Alliteration]] in germanischen [[Versmaß]]en. Die am stärksten betonten Wörter eines [[Vers]]es werden durch gleiche Anfangslaute (Anlaute) hervorgehoben.
'''Goetheanismus''' ist eine [[Wikipedia:Ganzheit|ganzheitliche]], rein [[Phänomen|phänomenologisch]] auf vorzüglich unmittelbare  [[Sinnesqualitäten|qualitative]] [[Erfahrung]]en gegründete allgemeine [[Wikipedia:Wissenschaft|Wissenschafts]][[Wikipedia:Methodik|methodik]], die, anders als herkömmliche wissenschaftliche Verfahren, in ihrer Zielsetzung frei von [[Spekulation|spekulativen]] Elementen, [[Wikipedia:Hypothese|Hypothese]]n und Modellvorstellungen ist.  


Das Wort ''Goetheanismus'' wurde erstmals von dem schwedischen Diplomaten von K. A. von Brinckmann 1803 in einem Brief an [[Goethe]] gebraucht, um damit dessen Weltanschauung insgesamt zu charakterisieren. Durch [[Rudolf Steiner]], den ersten Herausgeber der Naturwissenschaftlichen Schriften Goethes unter Einbeziehung des Nachlasses {{Lit|Goethe 1891-1896}}, wurde die Bezeichnung ab 1915 zunehmend für die den Naturstudien Goethes zugrunde liegende Methode verwendet, ohne sie allein darauf zu beschränken. Tatsächlich lässt sich die goetheanistische Methode in praktisch allen Lebensbereichen fruchtbar anwenden.
Die Bezeichnung Stabreim geht zurück auf [[Snorri Sturluson]] (1178–1241), den Verfasser der [[Snorra-Edda]] (Prosa-Edda oder auch Jüngere Edda); dort tritt [[Altnordisch|altnord.]] ''stafr'' (Stab, Pfeiler, Buchstabe, Laut) in der Bedeutung „Reimstab“ auf. Der deutsche Ausdruck Stabreim ist eine [[Lehnübersetzung]] aus dem [[Dänische Sprache|dänischen]] ''stavrim''.<ref>Hans-Peter Naumann: ''Skandinavisch/Deutsch''. In: Werner Besch u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Sprachgeschichte. Ein Handbuch'', 4. Teilband, Berlin u.&nbsp;a. 2004, S. 3282–3290, S. 3288.</ref>


== Erkenntnistheoretische Grundlagen ==
Die gesamte altgermanische Versdichtung verwendete den Stabreim, bis er durch den [[Endreim]] abgelöst wurde. Der Stabreim bildete die metrische Grundlage für die Versmaße ''[[Fornyrðislag]]'' und ''[[Dróttkvætt]]'' sowie deren Urform, die germanische [[Langzeile]]. Bedeutende Werke in [[altenglisch]]er (''[[Beowulf]]''), [[altsächsisch]]er (''[[Heliand]]''), [[althochdeutsch]]er (''[[Hildebrandslied]]'') und [[altnordisch]]er Sprache (''Lieder-[[Edda]]'') sind in stabreimenden Langzeilen verfasst.


Goethe selbst hat keine zusammenhängende [[Wikipedia:Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] Begründung seiner Forschungsmethode gegeben. Diese wurde erstmals von [[Rudolf Steiner]] in seinen [[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (1884 - 1897)]] und in seinem grundlegenden Werk [[GA 2|Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung]] ausführlich und systematisch formuliert. Fruchtbare Gedanken zum Verständnis der goetheanistischen Methode finden sich, trotz der vorwiegend [[Wikipedia:Philosophie|philosophischen]] und weniger [[Wikipedia:Naturwissenschaft|naturwissenschaftlichen]] Orientierung, auch in der [[Wikipedia:Phänomenologie|Phänomenologie]] [[Wikipedia:Edmund Husserl|Edmund Husserl]]s.
Auch in der modernen Alltags[[rhetorik]] kommen stabreimartige Alliterationen häufig bei der Bildung von [[Phraseologie|phraseologischen]] [[Zwillingsformel]]n vor (z.&nbsp;B. ''frank und frei, klipp und klar, Leib und Leben'').


== Goethes Forschungsmethode ==
== Grundaufbau ==
Die Stabreimdichtung hat ihren Ursprung in mündlicher Rede. Der Übergang zwischen [[Prosa]] und Vers ist für sie deshalb, im Gegensatz zur heutigen deutlichen Trennung von Gedicht und normaler Rede, sehr einfach zu bewältigen. Der Stabreim setzt an den betonten Silben eines Satzes an und lässt sie alliterieren bzw. „staben“. Zeile 3 des ''[[Hildebrandslied]]es'' soll dies verdeutlichen:


=== Die Betonung des qualitativen Elements ===
"              "                "      '
<span style="color:#CC0000">h</span>iltibrant enti <span style="color:#CC0000">h</span>aðubrant, untar <span style="color:#CC0000">h</span>eriun tuem      Hildebrand und Hadubrand, zwischen Heeren zweien


[[Bild:Galileo Galilei.jpg|thumb|left|[[Wikipedia:Galileo Galilei|Galileo Galilei]], Porträt von Justus Sustermans, 1636.]]
In diesem Satz gibt es vier Wörter, deren Anfang ein zeitgenössischer Redner besonders betont hätte (markiert durch " und '). Drei der vier betonten Silben, auch Hebungen genannt, staben (markiert durch "). Der [[Konsonant]] ''h'' trägt den Stab. Der Redner verteilt die Stäbe nach festen Regeln auf den Anfang und das Ende einer Zeile, die sich aus Anvers, [[Zäsur]] und Abvers zusammensetzt. Es ergibt sich folgende Struktur:
Die quantitative Erfassung der Naturerscheinung steht bei der herkömmlichen Naturwissenschaft im Vordergrund. "Messen, was messbar ist, und messbar machen, was nicht messbar ist", war hier seit [[Wikipedia:Galileo Galilei|Galilei]] der oberste Grundsatz. Messinstrumente, die die Naturerscheinungen quantitativ fassbar machen, sollen so weit als möglich die unmittelbare sinnliche Beobachtung ersetzen. Daran schließt sich eine mathematische Beschreibung der experimentell gefundenen Regelmäßigkeiten. Mathematisch formulierte Hypothesen werden dann aufgestellt, die diese Regelmäßigkeiten erklären sollen. Der Mensch als Beobachter wird aus der Theorienbildung vollkommen ausgeschlossen. Man strebt nach einer rein objektiven Naturbeschreibung, in der das betrachtende Subjekt keinen Platz hat. Die Natur ist fertig auch ohne den Menschen und die Naturgesetze wären dieselben, auch wenn es keine Menschen gäbe. Diese Methode hat sich ganz besonders an den mechanischen Erscheinungen bewährt und die hier gewonnen Erkenntnisse wurden dann sinngemäß auch auf alle anderen Naturerscheinungen übertragen. So entstand zunächst eine rein mechanistische, kausale Formulierung der Naturgesetze. Das Kausalitätsprinzip wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die von Max Planck begründete Quantentheorie erschüttert.


Goethe strebte demgegenüber nach einer systematischen reinen [[Phänomenologie]] der [[sinnlich]] erfahrbaren Erscheinungen. Er fragt ''nicht'' nach ''Ursachen'', sondern nach den ''Bedingungen'', unter denen die Phänomene erscheinen. Goethe sucht kein verborgenes [[Wesen]] ''hinter'' den Erscheinungen, sondern dieses gibt sich, wie er meint, ''durch'' die Phänomene selber kund:
<span style="color:#CC0000">h</span>iltibrant enti <span style="color:#CC0000">h</span>aðubrant,   untar <span style="color:#CC0000">h</span>eriun tuem
<code><---- Anvers ----------->Zäsur<---- Abvers ---></code>


<div style="margin-left:20px">
Während im Anvers ein bis zwei Stäbe vorkommen können, darf der Abvers nur einen Stab haben, der immer auf das erste der beiden betonten Wörter dieses Teilverses fallen muss. Das zweite betonte Wort bleibt immer stabfrei (im obigen Beispiel „tuem“). Da die Position des Stabes im Abvers immer gleich ist, nannte Snorri Sturluson ihn in seiner Snorra-Edda Hauptstab (hǫfuðstafr). Die Stäbe im Anvers nannte er Stützen (stuðlar), da es drei verschiedene Möglichkeiten gibt, sie zu stellen.
"Ob man nicht, indem von den Farben gesprochen werden soll, vor allen Dingen des Lichtes zu erwähnen habe, ist eine ganz natürliche Frage, auf die wir jedoch nur kurz und aufrichtig erwidern: es scheine bedenklich, da bisher schon so viel und mancherlei von dem Lichte gesagt worden, das Gesagte zu wiederholen oder das oft Wiederholte zu vermehren.  


Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszudrücken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine vollständige Geschichte dieser Wirkungen umfaßte wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges. Vergebens bemühen wir uns, den Charakter eines Menschen zu schildern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Taten zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten.
== Geschichte ==


Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden. In diesem Sinne können wir von denselben Aufschlüsse über das Licht erwarten. Farben und Licht stehen zwar untereinander in dem genausten Verhältnis, aber wir müssen uns beide als der ganzen Natur angehörig denken: denn sie ist es ganz, die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will.  
=== Ursprung des Stabreims ===
[[Datei:Guldhorn paulli.jpg|mini|350px|Das [[Goldhorn von Gallehus|Horn von Gallehus]] mit dem ältesten überlieferten Stabreimvers.]]


Ebenso entdeckt sich die ganze Natur einem anderen Sinne. Man schließe das Auge, man öffne, man schärfe das Ohr, und vom leisesten Hauch bis zum wildesten Geräusch, vom einfachsten Klang bis zur höchsten Zusammenstimmung, von dem heftigsten leidenschaftlichen Schrei bis zum sanftesten Worte der Vernunft ist es nur die Natur, die spricht, ihr Dasein, ihre Kraft, ihr Leben und ihre Verhältnisse offenbart, so daß ein Blinder, dem das unendlich Sichtbare versagt ist, im Hörbaren ein unendlich Lebendiges fassen kann.  
Das Stilmittel der [[Alliteration]] kommt u.&nbsp;a. auch in der [[keltisch]]en und (seltener) in der [[Latein|lateinischen Sprache]] vor, weswegen der Ursprung nicht ausschließlich im Altgermanischen zu suchen ist. Eine Erklärung für die Ausbreitung des Stabreims in voneinander weitgehend unabhängigen Sprachgebieten könnte in der jeweils typischen sprachlichen Akzentuierung liegen. Einer Sprache, die durch einen dynamischen Akzent oder Stammsilbenakzent gekennzeichnet ist, fällt der Anlautreim ganz natürlich zu. So entstehen auch heute in der [[Werbesprache]] noch hin und wieder Stabreime (z.&nbsp;B. „Geiz ist geil“), deren Ursprünge ebenfalls nicht in der altgermanischen Versbautradition liegen.


So spricht die Natur hinabwärts zu andern Sinnen, zu bekannten, verkannten, unbekannten Sinnen; so spricht sie mit sich selbst und zu uns durch tausend Erscheinungen. Dem Aufmerksamen ist sie nirgends tot noch stumm ..." ([[Bild:Word small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Zur_Farbenlehre.doc Goethe: ''Zur Farbenlehre'', Vorwort])
Bei den [[Germanen]] muss der Stabreim bereits vor 2000 Jahren tief verwurzelt gewesen sein. Aus dieser Zeit stammen jedenfalls die ersten antiken Quellen, die die germanische Sitte bezeugen, Verwandtennamen miteinander staben zu lassen. Beispiele dafür sind die drei [[Cherusker]] [[Segestes]], [[Segimundus]] und [[Segimer (Bruder des Segestes)|Segimerus]], von denen u. a. [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]]<ref>Tacitus: ''Annales'' 1, 55–59 und 71.</ref> berichtet. Aus dem ''[[Hildebrandslied]]'' sind Heribrand, [[Hildebrand]] und [[Hadubrand]] bekannt und aus dem ''[[Nibelungenlied]]'' die Brüder Gunther, Gernot und [[Giselher]].
</div>
[[Bild:Steiner 1919.jpg|thumb|[[Rudolf Steiner]] (1919)]]
[[Rudolf Steiner]] charakterisiert den Ausgangspunkt von [[Goethe]]s Forschungsmethode so:


<div style="margin-left:20px">
=== Stabreime in Runeninschriften ===
"Goethe hat - ich habe das durch viele Jahre hindurch in der verschiedensten Weise dargestellt - eigentlich eine ganz andere Richtung der Naturforschung gefordert, als diejenige ist, die dann im 19. Jahrhundert und für unsere Zeit noch entstanden ist. Goethe wollte nämlich aus der Naturforschung etwas ausgemerzt haben, was ja für das gewöhnliche Leben eine Berechtigung hat, aber aus der Forschung wollte er es ausgemerzt haben. Immer wieder und wiederum kommt er darauf zurück, dieses Bestimmte aus der Forschung auszumerzen. Das, was er ausmerzen wollte, das war nämlich das Kombinieren, das Interpretieren der Tatsachen, die sinnlich wahrgenommen werden. Er wollte, daß nur die Tatsachen, die sinnlich wahrgenommen werden, ihrer eigenen Natur nach als Phänomene beschrieben werden; er wollte die sinnlichen Phänomene auf ihre Urphänomene zurückführen, aber nicht kombinieren mit dem Verstande: Was liegt da oder dort zugrunde? - Einen wunderschönen Ausspruch, der über die ganze Goethesche Weltanschauung hinleuchtet, hat Goethe getan, indem er sagte: Die Bläue des Himmels ist selber schon Theorie, man suche nur nichts hinter ihr.
[[Runen]]inschriften mit Stabreimen (''[[Runendichtung]]en'') treten zahlenmäßig weit hinter die schriftlichen Quellen in lateinischer Schrift zurück. Es sind kaum mehr als 500<ref>H.-P. Naumann: ''Runendichtung''. In: RGA Bd. 25 S. 512</ref> Zeilen überliefert. Sie sind für die Forschung von besonderem Wert, da man nur durch sie etwas über die frühe Stabreimdichtung erfahren kann. Allgemein gilt die Runeninschrift auf dem [[Goldhorn von Gallehus]] (Dänemark um 400 n. Chr.) als ältester Beleg eines germanischen Stabreims. Die Inschrift gibt eine Langzeile mit vier Hebungen und drei Stäben wieder.


Das reine Anschauen, das ist dasjenige, was Goethe gesucht haben will. Und den Verstand wollte er nur dazu benützt haben, um die Phänomene so zusammenzustellen, daß sie selbst ihre Geheimnisse aussprechen. Goethe wollte eine hypothesenfreie, eine von Verstandeskombination freie Naturforschung haben. Das liegt auch seiner Farbenlehre zugrunde. Man hat gar nicht verstanden, um was es sich bei diesen Dingen handelt." {{Lit|GA 180, S 69}}
<poem style="margin-left:3em">
</div>
ek '''Hl'''éwagastiR '''H'''óltijaR : '''h'''órna táwido. (Ich HlewagastiR, Holts Sohn, fertigte das Horn.)
</poem>


Das qualitative Element steht bei Goethe im Vordergrund. Die [[Sinnesqualitäten]] selbst, die bei der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Methode als vorgeblich rein subjektive Erscheinungen aus der wissenschaftlichen Theorienbildung völlig ausgeklammert werden, rücken bei Goethe gerade in den Mittelpunkt der naturwissenschaftlichen Betrachtung. Einer von den beobachteten Phänomenen abgezogenen, rein gedanklich formulierten spekulativen Theorie bedarf es dazu nicht.
Der früheste (und einzige) runische Beleg für einen Stabreim im südgermanischen Raum findet sich auf der [[Gürtelschnalle von Pforzen]] (6. Jh.). Allerdings muss man im Abvers die Runen „l“ und „t“ im vierten Wort als Binderune „el“ lesen, um eine vollständige Langzeile mit drei Stäben zu erhalten:


=== Über die Wirklichkeit der Sinnesqualitäten ===
<poem style="margin-left:3em">
'''Ái'''gil andi '''Áï'''lr''ûn'' : '''é'''lah''u'' gasók''un''
</poem>


Seit [[Wikipedia:John Locke|John Locke]] hat man unglücklicherweise zwischen primären und sekundären [[Sinnesqualitäten]] unterschieden. Farben etwa seien nur sekundäre subjektive Phänomene, die durch die primären objektiven Bewegungsvorgänge in der Natur ausgelöst würden. Immer wieder hat man argumentiert, dass man niemals wissen könne, ob ein anderer Mensch die Farben genauso erlebt wie wir, während wir bezüglich der Größe und Form der materiellen Gegenstände sehr leicht zu einer allgemeinen Übereinstimmung kommen könnten. Diese Argumentation ist aber grundfalsch. Sie beruht auf einer Verwechslung des sinnlich gegebenen Wahrnehmungsfaktors mit der gedanklich erkannten Gesetzmäßigkeit. Bezüglich Form und Größe der Gegenstände springen uns so schnell die zugrunde liegenden geometrischen Gesetzmäßigkeiten entgegen, dass wir gar nicht bemerken, dass wir es hier bereits mit einer gedanklichen Durchdringung der Wahrnehmung zu tun. Hinsichtlich dieser gedanklich erfassten geometrischen Gegebenheiten kommen wir tatsächlich sehr schnell zu einer allgemeinen Übereinstimmung. Bei den Farbphänomenen kommen uns die damit verbundenen Gesetzmäßigkeiten nicht so unmittelbar zu [[Bewusstsein]]. Goethe wollte durch seine Farbenlehre gerade diese Gesetze, die nicht weniger objektiv sind als die geometrischen, bewusst machen. Hell und Dunkel, Rot und Grün, Violett und Blau usw. können genau so sicher unterschieden werden wie Dreiecke, Vierecke und Kreise. Und so wie es ganz oder teilweise farbenblinde Menschen gibt, gibt es auch Menschen die aufgrund neurologischer Defekte für bestimmte Formprinzipen blind sind.
Die Bedeutung der Inschrift ist in der Forschung umstritten.<ref>Wilhelm Heizmann und Astrid van Mahl (Hrsg.): ''Runica - Germanica - Mediaevalia''. Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 37. Berlin/New York, Walter de Gruyter, 2003. S. 174ff.</ref> Einige Runologen<ref>Tineke Looijenga: ''[http://irs.ub.rug.nl/ppn/163895791 Runes around the North Sea and on the Continent AD 150-700]''</ref> sehen in den Namen das mythische Liebespaar [[Egil (Bogenschütze)|Egil]] und Ölrún, von denen man im [[Völundarkviða|Wielandlied]] der ''Lieder-[[Edda]]'' und in der ''[[Thidrekssaga]]'' liest. Solche frühen Zeugnisse der [[Runendichtung]] sind jedoch selten. Zur Blüte gelangte sie erst zwischen dem 9. und 11. Jh. in Form der Nachrufgedichte auf [[Runenstein]]en. Oft werden in diesen die Regeln zum Versbau nicht so genau genommen, was aber als Anzeichen dafür gesehen wird, wie leicht der Stabreim aus der natürlichen Rede hervorgeht. In einigen der Inschriften kann man schon mehr oder weniger korrekt ausgeführte Versmaße erkennen: [[Runenstein von Rök|Stein von Rök]] (''Fornyrðislag''), [[Stein von Tune|Tunestein]] (''Ljóðaháttr''), [[Karlevistein|Stein von Karlevi]] (''Dróttkvætt'').


<div style="margin-left:20px">
=== Schriftliche Quellen ===
"Aus der Idee des Gegensatzes der Erscheinung, aus der Kenntnis, die wir von den besondern Bestimmungen desselben erlangt haben, können wir schließen, dass die einzelnen Farbeindrücke nicht verwechselt werden können, dass sie spezifisch wirken und entschieden spezifische Zustände in dem lebendigen Organ hervorbringen müssen."
Da es im 8. Jh. n. Chr. vor allem Geistliche sind, die die Zeit und Befähigung haben in lateinischer Schrift zu schreiben, ist ein großer Teil der ersten überlieferten Stabreimverse christlich orientiert. Man verwendete den Stabreim teilweise, um den Heiden das Christentum nahezubringen. So ist zum Beispiel der altsächsische ''[[Heliand]]'' eine als [[Heldenlied]] gestaltete Erzählung von Jesus Christus. Heidnischen Werken wurde wenig Priorität zugemessen, oft ist ihre Überlieferung nur glücklichen Umständen zu verdanken. Das für die [[althochdeutsche Literatur]] bedeutende ''[[Hildebrandslied]]'' wurde beispielsweise auf die erste und letzte Seite eines geistlichen [[Codex]] geschrieben. Da der Platz nicht ausreichte, blieb das Lied unvollständig. Die ca. 63.000<ref>K. von See: ''Germ. Verskunst'' S. 1</ref> Zeilen umfassende stabreimende Dichtung verteilt sich deshalb sehr unterschiedlich auf die germanischen Sprachen. Aus England und Skandinavien, wo sich die Geistlichkeit mehr als in Deutschland auf den Stabreim einließ, ist auch mehr überliefert.
([[Bild:Word small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Zur_Farbenlehre.doc Goethe: ''Zur Farbenlehre'', § 761])
</div>


Für die bloße Subjektivität der Farbeindrücke wurde oft das 1826 von [[Wikipedia:Johannes Peter Müller|Johannes Peter Müller]] formulierte [[Wikipedia:Gesetz der spezifischen Sinnesenergien|Gesetz der spezifischen Sinnesenergien]] ins Treffen geführt. Das Auge bringt immer nur Licht- und Farberscheinungen hervor, egal ob es durch Stoß, Druck, elektrische Reizung oder eben auch durch äußeres Licht erregt wird. Die Farbqualitäten hätten daher unmittelbar gar nichts mit dem äußeren Reiz zu tun, sondern sie sind nur Erscheinungen innerhalb des Auges. In Wahrheit bestätigt das Gesetz der spezifischen Sinnesenergien aber nur das hier schon Gesagte. Jedes Sinnesorgan vermag eben grundsätzlich nur die seiner Natur entsprechenden Wahrnehmungsqualitäten zu zeigen, die es auch selbst hervorzubringen vermag. Es übersetzt alle Reize in die ihm gemäße Sprache. Wird das Auge durch Druck, Stoß oder elektrische Impulse erregt, entstehen dabei aber nur sehr unspezifische Farbeindrücke, die wenig über die Außenwelt aussagen – eben nur, dass da ein Stoß, Druck oder elektrischer Impuls als allgemeiner äußerer Reiz vorhanden war. Erst dem Licht gegenüber, durch das und für das es geschaffen wurde, entfaltet es seine volle Leistungsfähigkeit. Dieses Prinzip gilt aber für den Eigenbewegungssinn, durch den wir Formen wahrnehmen, nicht minder.
{| class="wikitable"
|-
!Sprache || Zeilenanzahl || Hauptversmaß || Werke
|-
| align="left" |Althochdeutsch || 200 || Langzeile || ''[[Hildebrandslied]]'', ''[[Muspilli]]'', ''[[Merseburger Zaubersprüche]]''
|-
| align="left" |Altsächsisch || 6000 || Langzeile || ''[[Heliand]]'', ''[[Altsächsische Genesis]]''
|-
| align="left" |Altenglisch || 30.000 || Langzeile || ''[[Beowulf]]'', ''[[The Battle of Maldon]]''
|-
| align="left" |Altnordisch || 7000 || Fornyrðislag || ''Lieder-[[Edda]]'' (z. B. ''[[Völuspá]]'', ''Sigrdrífumál'')
|-
| align="left" |Altnordisch || 20.000 || Dróttkvætt || Skaldendichtung (z. B. ''[[Ynglingatal]]'', ''[[Ragnarsdrápa]]'')
|-
|}


=== Die wissenschaftliche Strenge der Methode ===
Der Stabreim wurde für viele unterschiedliche Textarten verwendet. Es finden sich religiöse Texte heidnischen Glaubens (Götterlieder, Zaubersprüche) neben denen des christlichen (Gebete, Übertragungen der Genesis oder der Bergpredigt, Buchepik) und auch den weltlichen Bereich deckte man breitflächig ab (Heldenlieder und Epen, Gedichte, Grabinschriften). Der Stabreimvers lässt sich daher nicht auf einen speziellen Anwendungsbereich einschränken. Er ist stilisierte, nachdrücklich gesteigerte Prosarede, die man verwendete, wo man seinen Worten besonderes Gewicht verleihen wollte.


Die quantitative Erfassung der Natur erschien Goethe zwar zweitrangig, doch forderte er sehr nachdrücklich eine voll besonnene, geradezu mathematische Strenge und Folgerichtigkeit für seine Forschungsmethode. Goethe geht etwa in seiner [[Farbenlehre]] Schritt für Schritt so bedächtig voran, dass sich die Gesetze der Farbenwelt so enthüllen, dass er darüber, wie er selbst sagt, dem strengsten Geometer vollständig Rechnung legen könnte:
=== Verfall ===
Die altdeutsche Stabreimdichtung löste sich im Laufe des 9. Jh. als erstes auf. Von den vier [[althochdeutsch]]en und zwei [[altsächsisch]]en Werken, die überhaupt im Stabreim überliefert wurden, stützen sich nur zwei (das ''Hildebrandslied'' und die ''Merseburger Zaubersprüche'') auf eine mündliche Tradition. Die restlichen sind neu und deshalb anfällig für neue Einflüsse. Deshalb mag es nicht verwundern, wenn sich der Endreim mit dem ''Evangelienbuch'' des [[Otfrid von Weißenburg]] in Deutschland durchsetzte und bis heute blieb.


<div style="margin-left:20px">
Es war aber nicht nur ein Umschwung von heidnischer zu christlicher Tradition, die den Stabreim gefährdete. Auch sprachliche Gründe haben eine Rolle gespielt. So behielt das [[Althochdeutsch]]e viele kurze betonte Silben, die in anderen germanischen Dialekten zu unbetonten Silben geschwächt wurden (vgl. altnord. ''haukr'' und ahdt. ''habuh''). Das Althochdeutsche bewahrte die Länge, wo andere Dialekte kürzten und geriet damit in Konflikt mit den metrischen Erfordernissen des Stabreims.
„Diese Bedächtlichkeit, nur das Nächste ans Nächste zu reihen, oder vielmehr das Nächste aus dem Nächsten zu folgern, haben wir von den Mathematikern zu lernen, und selbst da, wo wir uns keiner Rechnung bedienen, müssen wir immer so zu Werke gehen, als wenn wir dem strengsten Geometer Rechenschaft zu geben schuldig wären." ([[Bild:Adobepdf small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Der_Versuch_als_Vermittler_von_Objekt_und_Subjekt.pdf Goethe: ''Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt''])
</div>


<div style="margin-left:20px">
In Skandinavien und England hielt sich die Stabreimdichtung bedeutend länger. In England wurde er von der Geistlichkeit bis ins 11. Jh. verwendet, um biblische Geschichten nachzuerzählen (altenglische Buchepik). Diese Tradition brach schließlich ziemlich genau mit dem Ende der skandinavischen Herrschaft in England (1066, [[Schlacht bei Hastings]]) ab. Die letzten regeltreuen Verse stammen aus einer Chronik des Jahres 1065. Es gab jedoch noch im 14. Jh. Werke wie ''[[Piers Plowman]]'' die stabreimend waren, wenn auch nicht mehr regeltreu.
"Man hat Goethe den Vorwurf gemacht, er habe die mechanische Betrachtung der Natur verworfen und sich nur auf die Beobachtung und Aneinanderreihung des Sinnlich-Anschaulichen beschränkt. Vgl. z.B. Harnack in seinem Buche «Goethe in der Epoche seiner Vollendung», S. 12) Du Bois-Reymond findet («Goethe und kein Ende», Leipzig 1883, S.29): «Goethes Theoretisieren beschränkt sich darauf, aus einem Urphänomen, wie er es nennt, andere Phänomene hervorgehen zu lassen, etwa wie ein Nebelbild dem andern folgt, ohne einleuchtenden ursächlichen Zusammenhang. Der Begriff der mechanischen Kausalität war es, der Goethe gänzlich abging.» Was tut aber die Mechanik anderes, als verwickelte Vorgänge aus einfachen Urphänomenen hervorgehen lassen? Goethe hat auf dem Gebiete der Farbenwelt genau dasselbe gemacht, was der Mechaniker im Gebiete der Bewegungsvorgänge leistet. Weil Goethe nicht der Ansicht ist, alle Vorgänge in der unorganischen Natur seien rein mechanische, deshalb hat man ihm den Begriff der mechanischen Kausalität aberkannt. Wer das tut, der zeigt nur, daß er selbst im Irrtum darüber ist, was mechanische Kausalität innerhalb der Körperwelt bedeutet. Goethe bleibt innerhalb des Qualitativen der Licht- und Farbenwelt stehen; das Quantitative, Mechanische, das mathematisch auszudrücken ist, überläßt er andern. Er «hat die Farbenlehre durchaus von der Mathematik entfernt zu halten gesucht, ob sich gleich gewisse Punkte deutlich genug ergeben, wo die Beihilfe der Meßkunst wünschenswert sein würde ... Aber so mag auch dieser Mangel zum Vorteil gereichen, indem es nunmehr des geistreichen Mathematikers Geschäft werden kann, selbst aufzusuchen, wo denn die Farbenlehre seiner Hilfe bedarf, und wie er zur Vollendung dieses Teils der Naturlehre das Seinige betragen kann.» (§ 727 des didaktischen Teiles der Farbenlehre.) Die qualitativen Elemente des Gesichtssinnes: Licht, Finsternis, Farben müssen erst aus ihren eigenen Zusammenhängen begriffen, auf Urphänomene zurückgeführt werden; dann kann auf einer höheren Stufe des Denkens untersucht werden, welcher Bezug besteht zwischen diesen Zusammenhängen und dem Quantitativen, dem Mechanisch-Mathematischen in der Licht- und Farbenwelt. Die Zusammenhänge innerhalb des Qualitativen der Farbenwelt will Goethe in ebenso strengem Sinne auf die einfachsten Elemente zurückführen, wie das der Mathematiker oder Mechaniker auf seinem Gebiete tut." ([http://www.anthroposophie.net/steiner/ga/bib_steiner_ga_006_09.htm Rudolf Steiner: ''Goethes Weltanschauung'', GA 6, im Kapitel: Die Betrachtung der Farbenwelt])


=== Goetheanismus als Grundlage einer ''hypothesenfreien'' Naturwissenschaft ===
Im 13. Jh. öffnete sich auch Skandinavien endgültig dem Endreim. Es dauerte nicht lange, bis der Stabreim nur noch in festen Formeln oder in bewusst altertümelnder Absicht verwendet wurde.


Goethe hat nicht weniger geleistet, als die Grundlage für eine in letzter Gestalt völlig hypothesenfreie Naturwissenschaft zu geben. Sicher, auf dem Weg dorthin sind Arbeitshypothesen, die unsere Aufmerksamkeit auf weitere Phänomene lenken können, notwendig und hilfreich, aber letztendlich geben die Phänomene selbst in ihrem lückenlosen Zusammenhang die ganze Lehre. Wir haben nicht mehr bloß ein hypothetisches Wissen, dass der Revision durch künftige theoretische Ansätze harrt, sondern wir stehen, indem wir uns niemals von der Wahrnehmung entfernen, unmittelbar erlebend in der Wahrheit drinnen.
<poem style="margin-left:3em">
Og vil du ikke danse hos mig,
'''S'''ót og '''S'''ýgdom skal følge dig!
</poem>


<div style="margin-left:20px">
Nur in Island gelang dem Stabreim der Sprung in die Neuzeit. Man verband ihn, zusammen mit anderen [[skaldisch]]en Elementen wie den ''[[Kenning]]en'' oder der Silbenzählung, mit dem Endreim und dem alternierenden Rhythmus. Das Produkt waren die [[Ríma|Rímur]] (Reime), welche in der volkstümlichen Dichtung bis ins 20 Jh. lebten und heute am Verschwinden begriffen sind.
"Die Phänomene, die wir andern auch wohl Fakta nennen, sind gewiss und bestimmt ihrer Natur nach, hingegen oft unbestimmt und schwankend, insofern sie erscheinen. Der Naturforscher sucht das Bestimmte der Erscheinungen zu fassen und festzuhalten, er ist in einzelnen Fällen aufmerksam, nicht allein wie die Phänomene erscheinen, sondern auch, wie sie erscheinen sollten. Es gibt, wie ich besonders indem Fache, das ich bearbeite, oft bemerken kann, viele empirische Brüche, die man wegwerfen muss, um ein reines konstantes Phänomen zu erhalten; allein sobald ich mir das erlaube, so stelle ich schon eine Art von Ideal auf.


Es ist aber dennoch ein großer Unterschied, ob man, wie Theoristen tun, einer Hypothese zulieb ganze Zahlen in die Brüche schlägt oder ob man einen empirischen Bruch der Idee des reinen Phänomens aufopfert.
<poem style="margin-left:3em">
'''V'''orið eg að '''v'''ini kýs,
'''v'''erður nótt að degi,
þegar '''g'''lóærð '''g'''eisladís
'''g'''engur norðurvegi.


Denn da der Beobachter nie das reine Phänomen mit Augen sieht, sondern vieles von seiner Geistesstimmung, von der Stimmung des Organs im Augenblick, von Licht, Luft, Witterung, Körpern, Behandlung und tausend andern Umständen abhängt, so ist ein Meer auszutrinken, wenn man sich an die Individualität des Phänomens halten und diese beobachten, messen, wägen und beschreiben will.
(''Wörtlich übersetzt:'')
Frühling ich zum Freunde wähl,
es wird Nacht zum Tage,
wenn die gluthaarige Sonnengöttin
geht Nordwege. (''Gemeint: Die Sonne'')


Bei meiner Naturbeobachtung und Betrachtung bin ich folgender Methode, soviel als möglich war, besonders in den letzten Zeiten treu geblieben.
(''Unter Nachbildung des Stab- und Endreims sinngemäß nachgedichtet:'')
'''Fr'''ühling wähl zum '''Fr'''eund ich nur,
'''fr'''isch wird Nacht zum Tage,
wenn der '''G'''öttin '''G'''lutfrisur
'''g'''eht nach Nord in Lage.
</poem>


Wenn ich die Konstanz und Konsequenz der Phänomene, bis auf einen gewissen Grad, erfahren habe, so ziehe ich daraus ein empirisches Gesetz und schreibe es den künftigen Erscheinungen vor.
=== Nachleben und Wiederbelebung ===
Reste des Stabreims überlebten besonders dort, wo sich die Sprache nicht oft änderte – also in Sprichwörtern, Formeln, [[Hausinschrift#Inschriften in germanischem Stabreim|Hausinschriften]] oder der Sprache im Rechtsgebrauch. Allerdings war es vielmehr als der Stabreim selbst der Hang zur altertümelnden [[Alliteration]], der überlebte, weil man ohne die Einbindung in einen Vers nicht von einem Stabreim sprechen kann. Die Alliteration jedoch, die einen Stabreimvers bestimmt, lässt sich noch in vielen [[Zwillingsformel]]n nachvollziehen. Sie lassen sich in jeder germanischen Sprache finden:


Passen Gesetz und Erscheinungen in der Folge völlig, so habe ich gewonnen, passen sie nicht ganz, so werde ich auf die Umstände der einzelnen Fälle aufmerksam gemacht und genötigt, neue Bedingungen zu suchen, unter denen ich die widersprechenden Versuche reiner darstellen kann; zeigt sich aber manchmal, unter gleichen Umständen, ein Fall, der meinem Gesetz widerspricht, so sehe ich, dass ich mit der ganzen Arbeit vorrücken und mir einen höhern Standpunkt suchen muss.
{| class="wikitable"
|-
!Sprache || Formel || Übersetzung
|-
| Englisch || friend or foe || Freund oder Feind
|-
| Norwegisch || hus og hem || Haus und Heim (vgl. Haus und Hof)
|-
| Isländisch || hús og heim || Haus und Heim
|-
| Schwedisch || liv och lem || Leben und Glied (vgl. Leib und Leben)
|-
| Niederländisch || huis en haard || Haus und Herd (vgl. Haus und Hof)
|-
| Dänisch || folk og fæ || Volk und Vieh (vgl. Mann und Maus)
|-
|}


Dieses wäre also, nach meiner Erfahrung, derjenige Punkt, wo der menschliche Geist sich den Gegenständen in ihrer Allgemeinheit am meisten nähern, sie zu sich heranbringen, sich mit ihnen (wie wir es sonst in der gemeinen Empirie tun) auf eine rationelle Weise gleichsam amalgamieren kann.
Im 19. Jahrhundert entdeckten Dichter und Gelehrte den Stabreim wieder. Der Komponist [[Richard Wagner]] verwendet ihn in seinen Werken, doch aus Unwissenheit oder künstlerischer Freiheit lässt er der Alliteration so freien Lauf, dass er doppelte und sogar dreifache Stäbe nicht nur im Anvers, sondern auch im Abvers zulässt, was dem ursprünglichen Versbau stark widerspricht.


Was wir also von unserer Arbeit vorzuweisen hätten, wäre:  
<poem style="margin-left:3em">
Wer so die Wehrlose weckt, dem ward, erwacht, sie zum Weib!
:::::::::::::::(''[[Die Walküre|Walküre]]'')
</poem>
Auch [[J. R. R. Tolkien]] belebte in seinen Werken den Stabreim wieder. In dem Roman ''[[Der Herr der Ringe]]'' ist es das Volk der Rohirrim, dem er stabreimende Verse in den Mund legt.


1. Das empirische Phänomen,
<poem style="margin-left:3em">
Arise now, arise, Riders of Théoden!
Dire deeds awake, dark is it eastward.
Let horse be bridled, horn be sounded!
Forth Eorlingas!
:::::::::(''The Two Towers'')
</poem>


das jeder Mensch in der Natur gewahr wird und das nachher
== Lautliche Beschaffenheit ==
Der Stabreim erfasst die am stärksten betonten Wörter eines Satzes und lässt den ersten Laut ihrer Wurzelsilben miteinander staben. Es trifft in der Regel [[Konsonant]]en (''konsonantischer Stabreim''), wobei die Konsonantenpaare sc/sk, sp und st jeweils als eine Einheit betrachtet werden. Sie staben also nur mit sich selbst und nicht mit einem einzelnen „s“ oder anderen Zusammensetzungen. Eine weitere Besonderheit ist, dass alle [[Vokale]] untereinander staben (''vokalischer Stabreim''), wie Zeile 33 aus dem ''[[Beowulf]]'' zeigt:


2. zum wissenschaftlichen Phänomen
<poem style="margin-left:3em">
'''i'''sig ond '''u'''tfus, '''æ'''þelinges fær (eisig und auslaufbereit, das Gefährt des Edlen)
</poem>


durch Versuche erhoben wird, indem man es unter andern Umständen und Bedingungen, als es zuerst bekannt gewesen, und in einer mehr oder weniger glücklichen Folge darstellt.
Der vokalische Stabreim, der mit normaler [[Alliteration]] nicht mehr viel zu tun hat, wird oft mit einem Knacklaut (''[[Stimmloser glottaler Plosiv|Glottisschlag]]'') erklärt, der dem gesprochenen Vokal vorangeht. Demnach wäre auch der vokalische Stabreim ein konsonantischer Stabreim, bei dem der Knacklaut stabt. Den Knacklaut gibt es heute noch im Deutschen und Dänischen. Seine frühere Existenz im Germanischen ist zweifelhaft. Der vokalische Stabreim wurde in der Dichtung oft verwendet. Man bevorzugte sogar die Kombination ungleicher Vokale gegenüber gleichen Vokalen. Für den konsonantischen Stabreim lässt sich dieselbe Vorliebe zur Variation nachweisen. Man bevorzugte hinter dem stabenden Konsonant ungleiche gegenüber gleichen Vokalen.


3. Das reine Phänomen
== Stabreimende Versmaße ==


steht nun zuletzt als Resultat aller Erfahrungen und Versuche da. Es kann niemals isoliert sein, sondern es zeigt sich in einer stetigen Folge der Erscheinungen. Um es darzustellen, bestimmt der menschliche Geist das empirisch Wankende, schließt das Zufällige aus, sondert das Unreine, entwickelt das Verworrene, ja entdeckt das Unbekannte.
=== Die germanische Langzeile ===
{{Hauptartikel|Langzeile}}


Hier wäre, wenn der Mensch sich zu bescheiden wüsste, vielleicht das letzte Ziel unserer Kräfte. Denn hier wird nicht nach Ursachen gefragt, sondern nach Bedingungen, unter welchen die Phänomene erscheinen; es wird ihre konsequente Folge, ihr ewiges Wiederkehren unter tausenderlei Umständen, ihre Einerleiheit und Veränderlichkeit angeschaut und angenommen, ihre Bestimmtheit anerkannt und durch den menschlichen Geist wieder bestimmt.
Die Langzeile ist der ursprünglichste der germanischen Stabreimverse und Vorlage für alle späteren [[eddisch]]en und [[skaldisch]]en Versmaße. Ob sie selbst eine Vorlage gehabt hat, ist unbekannt – aufgrund ihrer Nähe zur Prosarede bedarf es einer solchen jedoch nicht unbedingt. Die Langzeile zeichnet sich durch folgende, im Grundaufbau bereits beschriebene, Regeln aus:


Eigentlich möchte diese Arbeit nicht spekulativ genannt werden, denn es sind am Ende doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes, der sich in einer höhern Sphäre zu üben wagt." ([[Bild:Adobepdf small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Erfahrung_und_Wissenschaft.pdf Goethe: ''Erfahrung und Wissenschaft''])
*eine Langzeile besteht aus zwei Halbzeilen (An- und Abvers), getrennt durch die Zäsur
</div>
*pro Halbzeile zwei betonte Wörter (Hebungen)
*im Anvers stabt das erste oder das zweite betonte Wort oder beide zusammen
*im Abvers stabt immer das erste betonte Wort, das zweite nie
*die Anzahl der unbetonten Wörter im Ab- und Anvers ist beliebig


=== Der ganzheitliche Charakter von Goethes Forschungsmethode ===
Hinzu kommt eine unterschiedliche Gewichtung der [[Wortart|Wortklassen]] bei der Verteilung der Stäbe. Da das Germanische eine ausgeprägte Nominalsprache ist, werden [[Nomina]] (Substantive, Adjektive etc.) auch öfter betont und gegenüber den [[Verb]]en bevorzugt mit Stäben versehen. Die meist unbetonten Formwörter (Pronomen, Hilfsverben, Konjunktionen etc.) tragen nur in seltenen Ausnahmefällen den Stab. Die Reihenfolge Nomina→Verba→Formwörter ergibt sich also aus den natürlichen Tonverhältnissen der germanischen Sprachen. Die Langzeile passte sich immer den gerade gültigen Sprachverhältnissen an.


Sehr energisch trat Goethe allen Bestrebungen des [[Wikipedia:Reduktionismus|Reduktionismus]] entgegen, der allerdings in der Zeit nach ihm zur vorherrschenden naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode wurde. Goethe war dem gegenüber der Ansicht, dass man das Wesen der Natur umfassend kennen lernen kann, indem man auch nur die Phänomene einer bestimmten einzelnen Sinnessphäre gründlich studiert. Ein Rückgriff aus Phänomene aus einem anderen Sinnesbereich ist dazu nicht nötig und auch nicht hilfreich. Goethe war überzeugt, dass sich durch ''jeden'' unserer [[Sinne]] jeweils die ganze Natur, allerdings auf besondere Weise, offenbart – nicht in allen ihren Einzelheiten, das ist nicht gemeint, sondern ihrem [[Wesen]] nach. Über die Farbe sagt Goethe:
=== Fornyrðislag ===
{{Hauptartikel|Fornyrðislag}}


<div style="margin-left:20px">
Das ''Fornyrðislag'' steht von allen nordischen Versmaßen der Langzeile am nächsten. Der Name selbst, am ehesten übersetzt als „Altredeton“, weist schon auf ein hohes Alter dieses Vermaßes hin. Es kommt fast nur in den Helden- und Götterliedern der ''[[Edda]]'' vor und unterscheidet sich von der Langzeile vor allem durch seine strophische Form.
"Auch zu schmecken ist sie. Blau wird alkalisch, gelbrot sauer schmecken. Alle Manifestationen der Wesen sind verwandt." (Goethe: ''Sprüche in Prosa'', 4. Abt. – Naturwissenschaft)
</div>


So gehören beispielsweise Schwingungen oder Bewegungen kleinster Lichtteilchen nicht in den Bereich des [[Sehsinn]]s und haben keine Bedeutung für die Erklärung der Farbphänomene. Schwingungen und Bewegungen gehören in den Bereich des [[Eigenbewegungssinn]]s, vielleicht auch in die Region des [[Tastsinn]]s oder des [[Gleichgewichtssinn]]s, haben aber ganz und gar nichts mit unserem Lichtsinn zu tun. Von der Bewegung führt kein Weg zur von uns erlebten Farbqualität. Man hat es hier mit völlig unterschiedlichen Erlebnisqualitäten zu tun, die grundsätzlich nicht aufeinander rückführbar sind. Das schließt ja keineswegs aus, dass sich dort, wo wir Farben erleben, auch Bewegungsvorgänge konstatieren lassen. Zu einem Verständnis der erlebten Farbphänomene tragen sie aber nichts bei.  
<poem style="margin-left:3em">
'''Á'''r var '''a'''lda, þar er '''Ý'''mir bygði,
vara '''s'''andr né '''s'''ær, né '''s'''valar unnir,
'''j'''örð fannsk '''æ'''va, né '''u'''pphiminn,
'''g'''ap var '''g'''innunga, en '''g'''ras hvergi.


Die in verschiedenen Sinnessphären gewonnen Erkenntnisse, können zwar nicht auseinander abgeleitet, also Farben nicht etwa durch Bewegungsvorgänge erklärt, wohl aber aufeinander bezogen und miteinander verglichen werden. Das kann einer umfassenden wissenschaftlichen Betrachtung der Natur nur förderlich sein - allerdings nur dann, wenn zuvor jedes Gebiet ''für sich'' umfassend und gründlich erforscht wurde, denn sonst wäre die Versuchung zu groß, fehlende Elemente in dem einen Bereich durch solche aus dem anderen zu ersetzen, was aber gerade dem goetheanistischen Forschungsansatz grundlegend widerspricht! Gelingt es aber, die verschiedenen Sinnessphären in fruchtbarer Weise aufeinander zu beziehen, so wird man um so deutlicher sehen, wie sich das Wesen der Natur in jedem Bereich voll und ungebrochen auf spezielle Art und Weise ausspricht und dieses Wesen der Natur wird dann insgesamt noch viel deutlicher hervortreten. Was Goethe mit seiner Farbenlehre exemplarisch geleistet hat, wird damit zur umfassenden ''Goetheanistischen Naturwissenschaft'' erweitert. Gerade dadurch können wir uns mit der wissenschaftlichen Erforschung auch an Naturbereiche heranwagen, für die wir ein unmittelbares Sinnesorgan nicht haben. Für chemische [[Phänomen]]e etwa haben wir kein solches unmittelbares Sinnesorgan. Rudolf Steiner hat später aus seiner übersinnlichen geistigen Forschung von dem sog. [[Chemischer Äther|chemischen Äther]] gesprochen, der mit den chemischen Phänomenen ähnlich zusammenhängt wie der Lichtäther mit den Farberscheinungen. Man bedarf aber nicht der [[Hellsehen|hellsichtigen]] Forschung, um sich in diese Seite des Naturwesens zu vertiefen. Die chemischen Phänomene offenbaren sich auch durch all die Sinne, die wir haben. Sie zeigen sich in charakteristischen Färbungen, in [[Kristall]]formen, Gerüchen, Geschmacksvarianten usw. In dem wir all diese Erscheinungen in ihrem gesetzmäßigen Zusammenhang zusammenschauen, ergibt sich letztlich auch ein klares Bild dieses sinnlich zunächst nicht direkt zugänglichen Weltbereichs. Manches dazu hat schon Goethe geleistet in seinen Arbeiten über die chemischen Farben.
Früh war’s der Zeiten, da Ymir lebte,
war nicht Sand noch See, noch kühle Wogen,
Erde gab es nicht, noch Obenhimmel,
der Schlund des Weltraums war, und Gras nirgends.


=== Polarität und Steigerung ===
:::::::::(Völuspá, 3)
[[Bild:Goethes Farbenkreis.jpg|thumb|right|225px|Farbenkreis, Zeichnung von Goethe]]
</poem>
Wenn wir einen ''breiten'' leuchtenden Spalt durch ein Glasprisma betrachten, treten uns die selben gegensätzlichen Farbphänomene entgegen. An der einen Kante des Spalts erscheinen rot-gelbe Farbsäume, an der anderen blau-violette. Die Farberscheinungen treten also überhaupt nur an den Kanten auf, die weiße Fläche selbst bleibt weiß wie zuvor.


Hier offenbart sich eine in der Natur begründete Polarität der Farberscheinungen. Die blau-violetten Farbtöne, die wir als eher kühl und passiv empfinden, stehen den aktiven, warmen rot-gelben Farben gegenüber. Der Begriff der '''[[Polarität]]''' ist ganz wesentlich für Goethes Methode. Licht und Finsternis, oder besser Hell und Dunkel, sind die Urpolarität, mit der wir es hier zu tun haben. Durch Abdunklung des Hellen bzw. durch Aufhellung des Dunklen springen die ersten Farberscheinungen hervor, die einander ebenfalls wieder polar gegenüberstehen.  
Das Beispiel zeigt den Unterschied zwischen Satzgliederung und Langzeilengliederung im ''Fornyrðislag''. In den frühsten germanischen Langzeilen war eine Zeile meist auch ein vollständiger Satz (vgl. ''Zweiter Merseburger Zauberspruch'', Gallehus-Inschrift). In der epischen Langzeilendichtung (z.&nbsp;B. ''[[Beowulf]]'') geht der Satz meist über zwei Zeilen. Im ''Fornyrðislag'' sind Sätze über vier Zeilen keine Seltenheit. Oft geht man sogar noch darüber hinaus.


Durch die Wechselwirkung dieser beschriebenen polaren Farberscheinungen können wir zu neuen, komplexeren Phänomenen fortschreiten. So entsteht das Grün erst, wieder auf unmittelbar nachvollziehbare Weise, durch die ''Mischung'' von Gelb und Blau. Damit sind wir aber bereits beim vollständigen Sonnenspektrum angekommen, das von Rot, über Orange, Gelb und Grün bis hin zu Blau, Indigo und Violett reicht. Das volle Spektrum zeigt sich etwa, wenn man einen sehr engen leuchtenden Spalt durch ein Glasprisma betrachtet. Dann mischt sich das Gelb des einen Kantenspektrums mit dem Blau des anderen und lässt in der Mitte das Grün erscheinen. Betrachtet man hingegen einen schmalen dunklen Streifen durch das Prisma, so entsteht das umgekehrte Sonnenspektrum, wobei in der Mitte als neue Farbe das Pfirsichblüt (reines Purpur) auftritt, das im normalen Sonnenspektrum gar nicht vorkommt.
=== Ljóðaháttr ===
{{Hauptartikel|Ljóðaháttr}}


Die Purpurfarbe kann durch '''[[Steigerung]]''' erreicht werden, indem das Rote und das Violette in Wechselwirkung treten. Die Steigerung ist ein weiterer für Goethes Forschungsweise grundlegender Begriff. Steigerung ist mehr als bloße Mischung. Wir steigen dadurch zu einem höheren, geistigeren Phänomenbereich auf. Natur und Geist sind für Goethe niemals unüberbrückbare Gegensätze. Was ihn bei seiner Naturforschung zutiefst beseelte "... ist die Anschauung der zwei großen Triebräder aller Natur: der Begriff von Polarität und von Steigerung, jene der Materie, insofern wir sie materiell, diese ihr dagegen, insofern wir sie geistig denken, angehörig; jene ist in immerwährendem Anziehen und Abstoßen, diese in immerstrebendem Aufsteigen. Weil aber die Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann, so vermag auch die Materie sich zu steigern, so wie sichs der Geist nicht nehmen lässt, anzuziehen und abzustoßen; wie derjenige nur allein zu denken vermag, der genugsam getrennt hat, um zu verbinden, genugsam verbunden hat, um wieder trennen zu mögen." ([[Bild:Adobepdf_small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Erlaueterungen_zu_dem_aphoristischen_Aufsatz_Die_Natur.pdf Goethe: ''Erläuterung zu dem aphoristischen Aufsatz "Die Natur" an den Kanzler von. Müller vom 24. Mai 1828''])
Überall wo in der ''[[Edda]]'' Spruch- und Merkdichtung vorkommt, z.&nbsp;B. im ''Hávamál'', finden wir das ''Ljóðaháttr''-Versmaß. Übersetzt bedeutet ''Ljóðaháttr'' in etwa „Strophenvers“. Der wesentliche Unterschied zur Langzeile besteht in der strophischen Form, die jeweils eine Langzeile und eine Vollzeile, d.&nbsp;h. eine zäsurlose Zeile, die in sich stabt, kombiniert. Zwei oder mehr dieser Paare (Langzeile+Vollzeile) ergeben eine Strophe.


=== Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt ===
<poem style="margin-left:3em">
'''Hj'''arðir þat vitu, nær þær '''h'''eim skulu
ok '''g'''anga þá af '''g'''rasi;
en '''ó'''sviðr maðr, kann '''æ'''vagi
síns of '''m'''ál '''m'''aga.


Die Farben sind genau so wenig bloß subjektiv, wie die Bewegungsvorgänge rein objektiv sind. Beide existieren nur im Bezug auf eine bestimmte Wahrnehmungssphäre. Die [[Wirklichkeit]] offenbart sich immer nur in der Beziehung des [[Subjekt]]s zum [[Objekt]]. Der vom Subjekt völlig losgelöste und als eigenständig für sich bestehend gedachte Objektbegriff ist etwas ganz Sinnloses. Das Objekt, ob man es als räumlichen geformten Gegenstand, als besonderen Duft, als weithin klingenden Ton oder als differenziertes Farbphänomen auffasst, ist eine Erscheinung, die nur für ein Wesen mit ganz spezifisch gearteten Sinnesorgane hervortritt. Es hat schlichtweg keine Existenz für sich allein. Das gilt gleichermaßen für alle Sinnesbereiche, von denen keiner vor den anderen grundsätzlich ausgezeichnet ist. Bewegungsvorgänge mögen leichter quantitativ erfassbar und besser in mathematische Formeln zu pressen sein; das mag für die folgerichtige wissenschaftliche Beschreibung der Phänomene hilfreich gewesen sein – sie sind deswegen aber um nichts wirklicher als die Farbphänomene. Dass man in einem weitgehend materialistisch gesinnten Zeitalter die Dinge, die man mit den Händen greifen kann, für wirklicher als alles andere hält, kann wenig verwundern. Aber man bleibt dadurch nur in dem verbreitetsten Vorurteil unserer Tage befangen. In Wahrheit ist jedes Wahrnehmungsbild, auch das gegenständliche, durch die Natur des wahrnehmenden Wesens mitbestimmt. Es ist eben überhaupt ganz sinnlos, zu sagen: So sieht die Natur an sich aus! Jeder Anblick der Natur – Anblick jetzt als Synonym für alle möglichen Sinneserfahrungen genommen – ist nur in Relation zu einem ganz bestimmt gearteten Beobachter mit ganz bestimmt gearteten Sinnesorganen gegeben. Das heißt beileibe nicht, dass die Sinnesorgane die Wirklichkeit verfälschen; das heißt auch keineswegs, dass uns, wie [[Wikipedia:Immanuel Kant|Immanuel Kant]] meinte, das "Ding an sich" notwendig verschlossen bleiben muss. Es gibt schlicht und einfach gar kein Ding an sich. Die räumlich erlebten Dinge sind nicht wirklicher oder weniger wirklich als die Farben, und durch beide offenbart sich zugleich die ganze Wirklichkeit, aber auf jeweils besondere Weise. Die Wirklichkeit, die nach dem eben Gesagten nun keinesfalls gegenständlich materiell gedacht werden kann, steht jenseits des Gegensatzes von Subjekt und Objekt. Wir müssen streng unterscheiden zwischen Wirklichkeit und Erscheinung. Alle Wahrnehmung ist notwendig nur Erscheinung, nicht die Wirklichkeit selbst, aber ebenso notwendig zugleich Erscheinung, durch die sich die Wirklichkeit auf spezifische Weise rückhaltlos in ihrem Wesen kundgibt.
Herden wissen’s, wann sie heim müssen,
und gehen dann vom Gras;
aber der unkluge Mann, kennt niemals
seines Magens Maß.
:::::::::(''Hávamál'', 21)<ref name="Krause">Übersetzung: Arnulf Krause: ''Die Götterlieder der Älteren Edda'', Reclam  Stuttgart 2006''</ref>
</poem>


<table align="center"><tr><td>
Wie auch das ''Fornyrðislag'' zeigt der ''Ljóðaháttr'' die typisch nordische Reduzierung der Gesamtsilbenanzahl, die die An- und Abverse teilweise bis zur Zweisilbigkeit zusammenschrumpfen lässt.
"Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur<br>
Außenwelt, so heiß ich’s Wahrheit. Und so kann<br>
Jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist<br>
Doch immer dieselbige."  (Goethe: ''Maximen und Reflexionen'')
</td></tr></table>


Andere Wesen mögen mehr oder weniger und ganz anders geartete Sinnesorgane als wir besitzen. Sie werden dementsprechend die Welt reicher oder ärmer, aber jedenfalls ganz anders als wir erleben. Aber egal wie ihre Wahrnehmungsorgane auch geartet sein mögen, immer offenbart sich durch sie die Natur als ganzes und immer ist dabei zugleich das Wahrnehmungsbild abhängig von ihrer eigenen Natur, von der Natur des beobachtenden Wesens. Wahrnehmungsbilder sind immer subjektiv und objektiv zugleich und keines ist bezüglich seines Wirklichkeitsgehalts dem anderen gegenüber bevorzugt. Durch jedes von ihnen können wir das Wesen der Natur ganz erkennen, von prinzipiellen Grenzen der Erkenntnis kann daher diesbezüglich nicht gesprochen werden. Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir damit auch alle Einzelheiten des Naturgeschehens erfahren, die sich vielleicht nur ganz anders gearteten Sinnen offenbaren.  
<poem style="margin-left:3em">
Deyr '''f'''é, deyja '''f'''rændr,
deyr '''sj'''alfr it '''s'''ama,
en '''o'''rðstírr, deyr '''a'''ldregi
hveim er sér '''g'''óðan '''g'''etr.


Zur Wirklichkeit können wir also nur vordringen, wenn wir ganz bewusst und besonnen die Verbindung von Subjekt und Objekt suchen. Goethe hat die diesbezüglichen Grundprinzipen seiner Forschungsmethode sehr ausführlich in dem etwa 1794 entstandenen Aufsatz [[Bild:Adobepdf small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Der_Versuch_als_Vermittler_von_Objekt_und_Subjekt.pdf Der Versuch als Vermittler von Subjekt und Objekt] besprochen.
Vieh stirbt, Verwandte sterben,
man selbst stirbt ebenso;
aber der Ruf stirbt niemals dem,
der sich guten erwirbt.
:::::::::(''Hávamál'', 76)<ref name="Krause"/>
</poem>


=== Anschauende Urteilskraft - die richtige Verbindung von Denken und Wahrnehmung ===
=== Dróttkvætt ===
{{Hauptartikel|Dróttkvætt}}


Bei Goethe trennt sich das Denken niemals von den beobachteten Erscheinungen, sondern geht mit ihnen Hand in Hand – eine Methode, die zurecht als "[[Anschauende Urteilskraft]]" bezeichnet werden darf:
Das Hauptversmaß der skaldischen Dichtung (mit einem Anteil von über 80 % an allen 20.000 Zeilen) ist das ''Dróttkvætt'' (der „Hofton“). Der Aufbau dieses Versmaßes ist verhältnismäßig kompliziert. Im Grunde besteht es aus zwei stabreimenden Langzeilen, die zusammen eine Strophe bilden. Das ''Dróttkvætt'' fügt jedoch einige strenge Regeln hinzu oder verschärft die schon bestehenden.
* jeder [[Halbvers]] muss neben dem Stabreim einen Binnenreim enthalten, der Versanfang und Versende verbindet
* jeder Halbvers muss aus genau sechs Silben bestehen
* im Anvers sind einzelne Stäbe verboten, es müssen immer beide betonten Wörter staben
* das erste Wort des Abverses muss immer staben (in der Langzeile konnten unbetonte Wörter vor dem ersten Stab stehen)
* jeder Halbvers muss einen ''[[Trochäus|trochäischen]]'' [[Versschluss]] haben, d.&nbsp;h. der Vers endet mit einem zweisilbigen Wort dessen Versfuß fallend ist ({{Vers|/-}}).


<div style="margin-left:20px">
Im folgenden Beispiel aus der zweiten Strophe der ''Lausavísur'' des [[Skalde]]n [[Sigvat Tordsson|Sigvatr Þórðarson]] sind die Stabreime fett und die Binnenreime rot markiert.
"Herr Dr. Heinroth in seiner Anthropologie ... spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: dass nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will: dass mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere; dass die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden; dass mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei; welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will." ([[Bild:Adobepdf small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Bedeutende_Foerdernis_durch_ein_einziges_geistreiches_Wort.pdf Goethe: ''Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort''])
</div>


Die herkömmliche naturwissenschaftliche Methode beruht darauf, aus der Fülle der sich dem Auge darbietenden sinnlichen Erscheinungen einige wenige, möglichst quantitativ erfaßbare Daten auszusondern und zu sehen, ob sie sich in einen gedanklich abstrakt beschreibbaren Zusammenhang stellen lassen. Von den nicht quantifizierbaren Sinnesqualitäten selbst wird dabei weitgehend abgesehen, das Denken selbst ist bildlos. Wo immer möglich, wird nach einer exakten mathematischen Formulierung der Naturgesetze gesucht. Die Natur wird derart zuerst zu einem abstrakten Gebilde reduziert, über das man dann abgesondert nachdenkt, ohne wieder den Anschluß an das volle Naturwesen zu suchen. Das ist auch nicht anders möglich, wenn man die Natur quantitativ erfassen will, man würde sonst in einer unendlichen Datenflut ertrinken. Dementsprechend konzentriert man sich bei seinen Untersuchungen auch stets auf einen eng umgrenzten Bereich, von dem man annimmt, daß er näherungsweise vom Rest der Welt unabhängig ist und aus sich heraus allein verstanden werden kann.
<poem style="margin-left:3em">
Hl<span style="color:#CC0000">ýð</span> '''m'''ínum brag, / '''m'''<span style="color:#CC0000">eið</span>ir
'''m'''<span style="color:#CC0000">yrk</span>blás, / þvít kank <span style="color:#CC0000">yrk</span>ja,
'''a'''llt<span style="color:#CC0000">íg</span>inn / – mátt <span style="color:#CC0000">'''ei'''g</span>a
'''ei'''tt sk<span style="color:#CC0000">ald</span> – / drasils tj<span style="color:#CC0000">ald</span>a.


Im Gegensatz zum abstrakten Denken, das die gegenwärtige Naturwissenschaft kennzeichnet, darf man bei Goethe von einem sinnlich-konkreten Denken sprechen. Die »anschauende Urteilskraft« sucht das »Urbildliche, Typische« zu erfassen, die Idee der Sache, die sich aber der sinnlichen Erfahrung nicht unmittelbar enthüllt, sondern erst dem anschauenden Denken. Nur dadurch läßt sich die Natur ihrer Wirklichkeit nach erfahren. Wahrnehmung und Denken liefern jeweils für sich genommen nur eine Hälfte der Wirklichkeit, vollständig erfaßt wird sie erst, wenn sich Denken und Wahrnehmung durchdringen. Es ist der Grundirrtum der modernen Wissenschaft, daß sie in dem äußerlich Wahrnehmbaren, sei es direkt mittels der Sinne oder indirekt durch die verschiedensten Meßinstrumente, schon eine Wirklichkeit für sich sieht, von der sie sich ein gedankliches Abbild zu schaffen sucht. Die äußere Welt erscheint ihr objektiv und für sich selbst bestehend, die Gedanken, die sich der Mensch darüber bildet, werden als subjektiv betrachtet. Tatsächlich sind aber Subjekt und Objekt bloße Erscheinungen, die beide von der eigentlichen Wirklichkeit umgriffen werden. "Dem Denken ist jene Seite der Wirklichkeit zugänglich", sagt Rudolf Steiner, "von der ein bloßes Sinnenwesen nie etwas erfahren würde. Nicht die Sinnlichkeit wiederzukäuen ist es da, sondern das zu durchdringen, was dieser verborgen ist. Die Wahrnehmung der Sinne liefert nur eine Seite der Wirklichkeit. Die andere Seite ist die denkende Erfassung der Welt." {{Lit|GA 2, S 63}} Das menschliche Erkenntnisvermögen ist eben so gestaltet, daß sich ihm die Wirklichkeit zunächst getrennt von zwei verschieden Seiten her erschließt, mithin solange bloße Erscheinung bleibt, bis er sie durch seine aktive geistige Tätigkeit vereinigt und so zur Wirklichkeit selbst durchbricht, die wie wir bereits gesehen haben, mehr umfaßt als die bloße dingliche Realität. Wie tief der Mensch in die Wirklichkeit der natürlichen Welt einzudringen vermag, wird davon abhängen, wie aufmerksam er ihre sinnliche Seite wahrzunehmen vermag, und wie viel er dem so sinnlich Wahrgenommenen durch sein mehr oder weniger reich entwickeltes Innenleben gedanklich entgegenzutragen vermag. Immer weitere Aspekte der Wirklichkeit können sich so dem Menschen eröffnen, je mehr er seine Beobachtungsgabe schult und je mehr er sein Innenleben bereichert. Durch ''passives'' Wahrnehmen allein kann die Natur nicht ihrer Wirklichkeit nach erfahren werden, sie will aktiv durch innere Tätigkeit ergriffen sein. Und dazu muß der Mensch innerlich seelisch die selben Schaffenskräfte rege machen, die in der Natur physisch gestaltend wirken. Das [[diskursiv]]e Denken reicht dazu nicht hin, sondern dazu ist ein intuitives Denken nötig, das das Urbildliche in den Phänomenen zu erfassen vermag. Ein derartiges intuitives Erkenntnisvermögen bezeichnete [[Wikipedia:Immanuel Kant|Kant]] als "intellectus archetypus", d.h. als urbildlichen Verstand. Goethe war sich bewußt, daß er gerade über ein solches sinnlich-übersinnliches urbildliches Anschauungsvermögen verfügte, das Kant zwar grundsätzlich für denkmöglich hielt, dem Menschen aber absprechen zu müssen glaubte. Goethe war hier entschieden anderer Meinung:
(Lausche meinem Gedicht, vornehmer Vernichter des dunkelschwarzen Zeltpferdes, d. h. des Schiffes, denn ich kann dichten, – du musst einen Skalden besitzen.)
</poem>


<div style="margin-left:20px">
Der Schrägstrich „/“ innerhalb der Halbverse markiert eine kleine Pause (nicht zu verwechseln mit der ''Zäsur'' die An- und Abverse trennt), die die Skalden einfügen, damit der Hörer die teilweise ineinander verschlungenen Inhalte heraushören kann. Wörtlich übersetzt klänge die Strophe nämlich so:
"Als ich die Kantische Lehre, wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, in dem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete. Er mochte freilich bemerkt haben, wie anmaßend und naseweis der Mensch verfährt, wenn er behaglich, mit wenigen Erfahrungen ausgerüstet, sogleich unbesonnen abspricht und voreilig etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegenständen aufzuheben trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine bestimmende ganz und gar. Sodann aber, nachdem er uns genugsam in die Enge getrieben, ja zur Verzweiflung gebracht, entschließt er sich zu den liberalsten Äußerungen und überläßt uns, welchen Gebrauch wir von der Freiheit machen wollen, die er einigermaßen zugesteht. In diesem Sinne war mir folgende Stelle höchst bedeutend:


<div style="margin-left:40px">
<poem style="margin-left:3em">
«Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemeinen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besondern geht, das ist, von dem Ganzen zu den Teilen: Hierbei ist gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee eines intellectus archetypus geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.» [Kant, Kritik der Urteilskraft, § 77]
Lausche meinem Gedicht, / vornehmer
</div>
des dunkelschwarzen, / denn ich kann dichten,
Vernichter / – (du) musst besitzen
einen Skalden – / Zeltpferdes
</poem>


Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen." ([[Bild:Adobepdf_small.gif]] [http://www.anthrowiki.info/jump.php?url=http://www.anthrowiki.info/ftp/odyssee/Goethe/Goethe_Anschauende_Urteilskraft.pdf Goethe: ''Anschauende Urteilskraft''])
=== Übrige Versmaße ===
</div>
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Versmaße im [[skaldisch]]en Gebrauch. [[Snorri Sturluson|Snorri]] zählt im ''Háttatal'' seiner ''[[Snorra-Edda|Prosa-Edda]]'' verschiedene Typen auf und nennt Beispielstrophen. Erwähnenswert sind hier vor allem die Versmaße: ''[[Kviðuháttr]]'', ''[[Tøglag]]'', ''[[Haðarlag]]'', ''[[Runhent]]'', ''[[Hrynhent]]'' (alle skaldisch) sowie zwei weitere [[eddisch]]e Versmaße – ''[[Málaháttr]]'' und ''[[Galdralag]]''.
Einige dieser Versmaße erfüllen einen bestimmten Zweck. So ist das ''[[Kviðuháttr]]'' wohl für die [[Genealogie|genealogische]] Merkdichtung entwickelt worden (z.&nbsp;B. für die Auflistung von Königen eines bestimmten Geschlechts), während man das ''[[Galdralag]]'', mit seinen Wiederholungen, für Zaubersprüche verwendete (vgl. ''[[Háttatal]]'' 101 u. ''[[Merseburger Zaubersprüche|Zweiter Merseburger Zauberspruch]]''). Die anderen Versmaße sind entweder komplizierte Varianten von ''[[Dróttkvætt]]'' (''[[Tøglag]]'', ''[[Haðarlag]]'') oder ''[[Fornyrðislag]]'' (''[[Málaháttr]]'') oder nähern sich dem christlichen Gebrauch an, durch  Einbindung des Endreims (''[[Runhent]]'') oder speziellen Rhythmus (''[[Hrynhent]]'').


=== Exakte sinnliche Phantasie ===
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Stabreim}}
Es liegt im Wesen des Lebendigen, dass es nicht als fertige abgeschlossene Gestalt rein sinnlich erfasst werden kann. Was sich dem sinnlichen Blick zeigt, ist nur ein winziger Ausschnitt einer sich entfaltenden Zeitgestalt. Um sich etwa die ganze sich durch verschiedene Formen lebendig wandelnde Pflanze zu vergegenwärtigen, muss man sich der Erinnerungsfähigkeit bedienen. Nur in dem man innerlich seelisch den vollständigen Werdegang der Pflanze in sich nachbildet, kann sich ihre vollständige Zeitgestalt offenbaren. Diese Erinnerungskraft, die mehr ist als das bloße momentane sinnliche Anschauen, hat Goethe ganz besonders gepflegt. Und das ist auch nötig, denn wie blass und abstrakt, wie wenig detailgetreu ist doch zumeist unser alltägliches [[Gedächtnis]]. Was wir uns seelisch innerlich von den vergangenen Geschehnissen wieder bewusst machen können, ist in der Regel nur ein schwacher Abklatsch des ursprünglichen unmittelbaren sinnlichen Erlebens, und obendrein meist noch ziemlich verfälscht; unser Gedächtnis wird nämlich nur allzu schnell von den Phantasiekräften ergriffen, die das einstmals Erlebte vielfach umgestalten, und zwar um so eher, je bruchstückhafter die Erinnerung ist. Unbewusst neigen wir dazu, die Lücken in unserem Gedächtnis höchst phantasievoll zu überbrücken, wodurch wir uns aber den Blick auf das, was wirklich war, verstellen. Wenn man das Lebendige auf wirklich exakte Weise erfassen will, dann muss das Gedächtnis erzogen und verstärkt werden. Vor allem muss das abstrakte bildlose, bloß begrifflich orientierte Gedächtnis zu einer wirklich vollgesättigten detailgetreuen inneren bildhaften Wahrnehmung werden, die an Intensität und Treue der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung so wenig als möglich nachsteht. Voraussetzung dafür, dass das überhaupt gelingen kann, ist, dass wir in unserem sinnlichen Anschauen viel aufmerksamer, viel wacher werden, als wir es im alltäglichen Leben sind. Gerade der Blick des modernen Menschen ist oft so flüchtig, dass er nur wenig von dem, was vor seinen Augen ausgebreitet ist, auch wirklich bewusst sieht. Vielmehr als wir ahnen, laufen wir als Halbblinde durch die Welt. Um etwas wirklich zu schauen, bedarf es eben nicht nur gesunder Sinne, sondern auch der aktiven seelischen Kraft, das den Sinnen Dargebotene zu ergreifen. Sehen lernen (und das Sehen gilt hier als Beispiel für alle anderen Sinneswahrnehmungen auch, von denen der Sehsinn nur der für uns hervorspringenste ist) muss also die erste Tugend sein, die es zu erwerben gilt. Schon das steht in ziemlichem Gegensatz zur gängigen naturwissenschaftlichen Methode, bei der die aufmerksame Wahrnehmung so weit wie möglich durch einen abstrahierenden Messprozess ersetzt wird. Gerade jene Teildisziplinen der Biologie, in denen dieses sinnige Schauen noch gepflegt wurde, wie etwa die Morphologie, werden zunehmend unbedeutend gegenüber dem molekularbiologischen Ansatz! So steht der moderne "Naturforscher" oft schon von Anfang an gar nicht vor der reichen Fülle der natürlichen Welt, sondern nur vor einem höchst abstrakten Ausschnitt der selben.
* {{WikipediaDE|Germanische Dichtung}}
 
Je mehr und je intensiver uns das innere seelische Bild einer sinnlich erscheinenden Pflanze gegenwärtig wird, und je mehr uns das für die verschiedensten Entwicklungsstadien gelingt, desto mehr nähern wir uns ihrem eigentlichen Wesen. Dieses wird sich uns offenbaren, wenn es uns nun in innerem seelischen Tun gelingt, die einzelnen Werdestufen dieser Pflanze, gesetzmäßig ineinander zu verwandeln. Wir lassen dann gleichsam die Pflanze als inneres Bild noch einmal in uns heranwachsen. Nur schauen wir sie jetzt nicht von außen, sondern sind selbst tätig an ihrem Werden beteiligt. Wir eignen uns so die in ihr waltenden gestaltbildenden Kräfte, die draußen die physisch erscheinende Pflanze formen, innerlich seelisch an, wir verbinden uns mit ihnen. Und wenn wir endlich wie in einem einzigen Augenblick den ganzen Werdegang dieser Pflanze, etwa einer Rose oder Lilie, innerlich schauen, dann ist uns ihr eigentliches Leben, das übersinnlicher Natur ist, seelisch gegenwärtig. Was wir so als Typus der Rose etwa schauen, das wirkt als Bildekraft auch in allen anderen Rosen, denen wir in der sinnlichen Welt begegnen. Der "intellectus archetypus", von dem Kant sprach, aber dem Menschen verweigerte, lebt in uns auf. Was so als Typus der Rose oder Lilie usw. innerlich erfaßt wird, kann unmöglich als starre, unbewegliche Gestalt gedacht werden. Es ist ein durch und durch lebendig bewegliches Prinzip, das als ein einheitliches in allen Teilen der sinnlich erscheinenden Pflanze wirksam ist. Nur weil Goethe in sich diesen urbildlichen Verstand rege gemacht hat, konnte er das Pflanzenleben so begreifen, wie er es in seiner Metamorphosenlehre festgehalten hat.
 
=== Sinnlich-Sittliche Wirkungen ===
 
Wirklich fruchtbar werden die Ergebnisse der Naturforschung nur, wenn sie den unmittelbaren Bezug zum Menschen suchen. Die durch unser Bewusstsein aufgerissene Kluft zwischen Subjekt und Objekt wird dadurch überwunden. Goethe suchte etwa in seiner Farbenlehre ganz entschieden diesen Bezug zum lebendig empfindenden Menschen.
 
Es ist charakteristisch für Goethes ganzheitlich orientierten Forschungsstil, dass er sich bei seinen Untersuchungen nicht auf die bloßen physikalischen Farberscheinungen beschränkt, sondern auch seelische Faktoren mit einbezieht und ihr wechselseitiges Zusammenspiel studiert. Einen ganz besonderen Raum in Goethes Farbenlehre nimmt dementsprechend das Kapitel über die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben ein, in dem Goethe sehr ausführlich beschreibt, wie die einzelnen Farben auf das menschliche Gemüt wirken. Dabei zeigt sich die selbe Polarität wie schon bei den rein physikalischen Erscheinungen.
 
Das Licht, die Helle erfreut unsere Seele, die Dunkelheit verdüstert nur all zu leicht unsere Stimmung und verängstigt uns nicht selten. Weiß ist die Farbe der Freude und Unschuld, Schwarz die Farbe des Todes, der Trauer und Schuld. Gelb ist die nächste Farbe am Licht. Die rotgelben Farbtöne wirken auf das Gemüt erheiternd (man denke nur an die sprichwörtliche ''rosarote Brille'') und regen den Willen zur Aktivität an.
 
== Zur Systematik von Goethes Forschungsmethode ==
[[Bild:Urpflanze.jpg|thumb|[[Rudolf Steiner]], [[Urpflanze]], Aquarell 1924]]
Im '''Anorganischen''' wird das [[Denken]] dazu verwendet, die den Sinnen durch Beobachtung und Experimente gegebenen Qualitäten so zu ordnen, dass das eine Phänomen in seinen Zuständen und Vorgängen als Folge anderer Phänomene verständlich wird. Dabei werden wesentliche (für das Erscheinen des Phänomens notwendige) und unwesentliche (nur modifizierende) Bedingungen unterschieden. Ein solches Phänomen, bei dem sich ein unmittelbar einsichtiger, gesetzmäßiger Zusammenhang mit den wesentlichen Bedingungen zeigt, ist ein ''Urphänomen''. Aus solchen können alle Beziehungen zwischen weiteren Phänomenen abgeleitet und letztere damit verstanden werden (''beweisende Methode''). So hat Goethe aus dem Urphänomen der [[Farbenlehre]] (Entstehung der Farbe an Licht, Finsternis und Trübe) die Grundlage einer Optik entwickelt (Goethe 1891-1896).
 
Im '''Lebendigen''' bedingen sich die Glieder der Erscheinungen nicht mehr nur gegenseitig, sondern jedes Einzelne wird vom Ganzen her dessen Eigenart gemäß bestimmt. Beim Studium der Vorgänge wird bemerkt, dass sich die Verwandlung ([[Metamorphose]]) der Blattorgane einer Pflanze von den Keimblättern über die Laubblätter, die Kelch-, Kron-, Staub- und Fruchtblätter aus einer Grundform (dem ''Typus'') heraus vollziehen (Bockemühl 1977; Adams, Whicher 1960); die äußeren Bedingungen wirken lediglich modifizierend. Im gleichen Sinne werden die verschiedenen Arten als spezielle Erscheinungsformen der Gattung verständlich. Dies weist auf einen ''sinnlich-übersinnlichen'' Vorgang, der der Idee nach bei allen Pflanzen derselbe ist, der Erscheinung nach sowohl bei der einzelnen Pflanze als auch im ganzen Pflanzenreich verschiedene Formen hervorbringt und den Goethe die ''[[Urpflanze]]'' (den allgemeinen Pflanzentypus) nannte. Aus dieser lassen sich nach Goethe ''Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen'' und ''eine innere Wahrheit und Notwendigkeit haben'' (''entwickelnde Methode'').
 
Im '''Beseelten''' tritt die innere Organbildung als gestaltendes Phänomen in den Vordergrund. Tiere und Pflanzen sind gleichermaßen Lebewesen, und doch unterscheiden sie sich in ihrer Lebenstätigkeit wesentlich voneinander. Die Pflanze ist fest in der Erde verwurzelt, an sie gefesselt; das Tier vermag sich frei im Raum zu bewegen, und mehr noch, es ist erfüllt von innerer Seelenbewegung, die der Pflanze völlig mangelt. Das seelische Innenleben des Tieres gibt sich nach außen in der instinkt- und triebgebundenen Eigenbeweglichkeit kund; der Mensch hat darüber hinaus in seinem Inneren bewusst teil am Geistigen. Im Zusammenhang damit enthält der Wandel der tierischen und menschlichen Formen im Gegensatz zur Metamorphose der pflanzlichen Formen wesentliche Sprünge, die u. a. durch Einstülpung (z. B. bei der Bildung der inneren Organe) bzw. ''[[Umstülpung]]'', z. B. von Röhrenknochen in den Schädelknochen (Steiner 1926), verstanden werden können. Die ''entwickelnde Methode'' wird so zur ''Umstülpungsmethode'' erweitert, mit deren Hilfe u. a. die dreigliedrige tierische und menschliche Gestaltung erforscht wird (Poppelbaum 1938; Schad 1971).
 
Der '''[[Geist]]''' des Menschen prägt die Gestalt und Funktion des Körpers in besonderer Weise. Im Unterschied zum Tier werden in der Leiblichkeit des ''Menschen'' die Wirkungen des von Absterbeprozessen durchzogenen Nerven-Sinnessystems und des in Aufbauprozessen lebenden Stoffwechsel-Gliedmaßensystems durch ein eigenständiges, das momentan abgelähmte Leben momentan wieder anfachendes rhythmisches System so vermittelt, dass sie die physiologische Grundlage des Denkens, Wollens und Fühlens werden; durch diese Seelentätigkeiten kann die menschliche [[Individualität]] ihre Entwicklung selber fortsetzen (Steiner 1917). Das menschliche [[Ich]] wird zum bestimmenden Zentrum des dreigliedrigen Organismus in dessen Inneren sich das dreigliedrige Seelenleben entfaltet. Das [[Bewusstsein]], über das auch die Tiere in unterschiedlichen Graden verfügen, wird so bis zum [[Selbstbewusstsein]] gesteigert. Ausgehend davon versucht der Goetheanismus in weiterer Folge auch den sozialen Organismus in seiner [[Soziale Dreigliederung|Dreigliederung]] in Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben zu verstehen und zu gestalten (Steiner 1919).
 
== Goethe-Zitate ==
* "Ein Phänomen, ein Versuch kann nichts beweisen, es ist das Glied einer großen Kette, das erst im Zusammenhange gilt. Wer eine Perlenschnur verdecken und nur die schönste einzeln vorzeigen wollte, verlangend, wir sollten ihm glauben, die übrigen seien alle so, schwerlich würde sich jemand auf den Handel einlassen." Sprüche in Prosa 160, Maximen und Reflexionen 501
 
* "Kein Phänomen erklärt sich an und aus sich selbst; nur viele zusammen überschaut, methodisch geordnet, geben zuletzt etwas, was für Theorie gelten könnte." Sprüche in Prosa 161, Maximen und Reflexionen 500
 
* "Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles Faktische schon Theorie ist. Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik. Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre." Sprüche in Prosa 165, Maximen und Reflexionen 488
 
* "Es gibt eine zarte Empirie, die sich mit dem Gegenstand innigst identisch macht, und dadurch zur eigentlichen Theorie wird. Diese Steigerung des geistigen Vermögens aber gehört einer hochgebildeten Zeit an." Sprüche in Prosa 167, Maximen und Reflexionen 509


== Literatur ==
== Literatur ==
* G. Adams und O. Whicher (1960): ''Die Pflanze in Raum und Gegenraum''. Stuttgart 1960
* Klaus von See: ''Germanische Verskunst''; Sammlung Metzler M 67; Stuttgart (1967)
* J. Bockemühl (1977): ''Die Bildebewegungen der Pflanzen''. In: ''Erscheinungsformen des Ätherischen'', Stuttgart 1977, ISBN 3-7725-0401-9
* [[Edith Marold]]: ''Stabreim'', ''Fornyrðislag'', ''Ljóðaháttr'', ''Dróttkvætt''. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 6, 9, 18, 29. (2. Aufl.) Berlin, New York 1986–2005.
* J. Bockemühl (1983): ''Goethes Naturwissenschaftliche Methode unter dem Aspekt der Verantwortungsbildung''. Elemente der Naturwissenschaft '''38''' 1983, S. 50-52
* H.-P. Naumann: ''Runendichtung''. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 25. (2. Aufl.) Berlin, New York 2003.
* J. Bockemühl (1994): ''Die Fruchtbarkeit von Goethes Wissenschaftsansatz in der Gegenwart''. Elemente der Naturwissenschaft '''61''' 1994, S. 52-69
* W. Hoffmann: ''Altdeutsche Metrik''. 2., überarb. und ergänzte Aufl. Stuttgart: Metzler 1981. (Sammlung Metzler, M 64).
* H. Bortoft (1995): ''Goethes naturwissenschaftliche Methode''. Stuttgart, ISBN 3-7725-1544-4
* J. W. Goethe (1891-1896): ''Naturwissenschaftliche Schriften''. Sophien-Ausgabe, Weimar
* J. W. Goethe (1883-1897): ''Naturwissenschaftliche Schriften''. Hrsg. Joseph Kürschner, Bd. 114 - 117, 1883-1897, Fotomechanischer Nachdruck Dornach 1982, ISBN 3-7274-5210-2 (Reihe, 5 Bände)
* P. Heusser (Hrsg.): ''Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften. Das Buch zur gleichnamigen Ringvorlesung an der Universität Bern''. Bern Stuttgart Wien 2000, ISBN 3-258-06083-5
* J. Kühl: ''Goethes Farbenlehre und die moderne Physik''. In P. Heusser (Hrsg.): ''Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften''. Bern Stuttgart Wien 2000, ISBN 3-258-06083-5
* H. Poppelbaum (1938): ''Tier-Wesenskunde''. Dornach 1954
* W. Schad (1971): ''Säugetiere und Mensch''. Stuttgart
* W. Schad (1986): ''Die Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung im Entwurf Goethes''. Tycho de Brahe-Jahrbuch für Goetheanismus 1986, S. 9-30, ISBN 3-926347-00-7
* W. Schad (1987): ''Der Goetheanistische Forschungsansatz und seine Anwendung auf die ökologische Problematik des Waldsterbens''. In G. R. Schnell (Hrsg.): ''Waldsterben'', Stuttgart 1987, ISBN 3-7725-0549-X
* W. Schad (1999): ''Alles ist Blatt''. Tycho de Brahe-Jahrbuch für Goetheanismus 1999, S. 9-33, ISBN 3-926347-21-X
* W. Schad (2001): ''Was ist Goetheanismus?'' Tycho de Brahe-Jahrbuch für Goetheanismus 2001, S. 23-66, ISBN 3-926347-23-6
* R. Steiner (1883-1897): ''Goethes Naturwissenschaftliche Schriften''. Stuttgart 1962, GA-Nr. 1
* R. Steiner (1886): ''Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung''. Dornach 1984, [[GA 2]], ISBN 3-7274-6290-6
* R. Steiner: ''Goethes Weltanschauung''. Dornach 1985, [[GA 6]] (1897), ISBN 3-7274-6250-7
* R. Steiner (1917): ''Von Seelenrätseln''. GA-Nr. 21
* R. Steiner (1919): ''Die Kernpunkte der sozialen Frage''. GA-Nr. 23, Dornach 1976, ISBN 3-7274-0230-X
* R. Steiner (1926): ''Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie''. GA-Nr. 323, ISBN 3-7274-3230-6
* R. Steiner: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse'', [[GA 180]] (1966)


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.forschungsinstitut.ch/index.php?id=669 Goetheanistische Naturwissenschaft - eine Bibliographie]
{{Wiktionary}}
* [http://www.forschungsinstitut.ch Forschungsinstitut am Goetheanum (Schweiz)]
* [http://www.carus-institut.de/ Carl Gustav Carus-Institut (Deutschland)]
* [http://www.klaus-frisch.de/html/goetheanismus.html Was ist Goetheanismus?] - eine kritische Betrachtung.
* [http://www.natureinstitute.org The Nature Institute (USA)]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/ Projekt Goetheanismus Online]
 
=== Goethes Schriften zur Naturwissenschaft ===
[http://www.farben-welten.de/farbenlehre/index.htm Farbenlehre]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/farbenlehre.html Schriften zur  Farbenlehre]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/farbenlehre/farb_Regenbogen_1.htm Briefwechsel  &uuml;ber den Regenbogen]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/farbenlehre/farb_Regenbogen.htm Regenbogen]
* [http://www.farben-welten.de/farbenlehre/weitere_texte/ueber_den_regenbogen.htm &Uuml;ber  den Regenbogen]
 
[http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaftslehre.html Schriften zur Wissenschaftslehre]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/analyse.htm Analyse und  Synthese]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/anschauende.htm Anschauende  Urteilskraft]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/bedenken.htm Bedenken und  Ergebung]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/bedeutende.htm Bedeutende F&ouml;rdernis durch ein einziges geistreiches Wort]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/beobachtung.htm Beobachtung  und Denken]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/das_sehen.htm Das  Sehen in subjektiver Hinsicht]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/der_versuch.htm Der  Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt]
* [http://www.farben-welten.de/farbenlehre/weitere_texte/der_versuch_als_vermittler.htm Der  Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/die_natur.htm Die Natur]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/erlaeuterung.htm Erl&auml;uterung zu dem aphoristischen Aufsatz: Die Natur]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/einwirkung.htm Einwirkung  der neuern Philosophie]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/erfahrung.htm Erfahrung  und Wissenschaft]
* [http://www.farben-welten.de/farbenlehre/weitere_texte/erfahrung_und_wissenschaft.htm Erfahrung  und Wissenschaft]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/erfinden.htm Erfinden und  Entdecken]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/ernst.htm Ernst  Stiedenroth: Psychologie zur Erkl&auml;rung der Seelenerscheinungen]
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* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/meteore.htm Meteore des  literarischen Himmels]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/naturwissen.htm Naturwissenschaftlicher  Entwicklungsgang]
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* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/symbolik.htm Symbolik]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/Tonlehre.htm Tonlehre]
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* [http://www.steinerschule.ch/goethe/wissenschaft/zur_philosophie.htm Zur  Philosophie]
 
[http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik.html Botanik]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/bildungstrieb.htm Bildungstrieb]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/problem.htm Problem und  Erwiderung]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/bildung.htm Bildung und  Umbildung organischer Naturen]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/metamorphose1.htm Die  Metamorphose der Pflanzen]
* [http://www.anthroposophie.net/goetheanismus/pflanzenmetamorphose.htm Die  Metamorphose der Pflanzen]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/metamorphose2.htm Metamorphose  der Pflanzen: Zweiter Versuch]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/botanik/spiral.htm &Uuml;ber die  Spiraltendenz der Vegetation]
 
[http://www.steinerschule.ch/goethe/zoologie.html Vergleichende Anatomie - Zoologie]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/insekten.htm Die  Metamorphose der Insekten, besonders der Schmetterlinge, wie auch ihre &uuml;brigen  Eigenschaften und &Ouml;konomie betreffend]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/erster_entwurf.htm Erster  Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, ausgehend  von der Osteologie]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/principes.htm Principes de  philosophie zoologique. Discut&eacute;s en mars 1830 au sein de l'Academie royale des  sciences par Mr. Geoffroy de Saint-Hilaire. Paris 1830]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/zwischenkiefer.htm &Uuml;ber den  Zwischenkiefer des Menschen und der Tiere]
* [http://www.fh-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/18Jh/Goethe/goe_zk00.html &Uuml;ber  den Zwischenkiefer]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/versuch.htm Versuch  einer allgemeinen Vergleichungslehre]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/gestalt.htm Versuch  &uuml;ber die Gestalt der Tiere]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/anatomie/vortraege.htm Vortr&auml;ge  &uuml;ber die drei ersten Kapitel des Entwurfs einer allgemeinen Einleitung in die  vergleichende Anatomie, ausgehend von der Osteologie]
 
[http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomie.html Zur Physiognomik]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomik/physiogn4.htm Eingang  (Mensch und Tier)]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomik/physiogn3.htm Physiognomische  Diagnosen (Rameau, Brutus, weitere)]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomik/physiogn5.htm Tiersch&auml;del]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomik/physiogn2.htm Von  den oft nur scheinbaren Fehlschl&uuml;ssen des Physiognomisten]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/physiognomik/physiogn1.htm Von  der Physiognomik &uuml;berhaupt]


[http://www.steinerschule.ch/goethe/geologie.html Geologie und  Mineralogie]
== Einzelnachweise ==
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/geologie/granit.htm &Uuml;ber den  Granit]
<references />


[http://www.steinerschule.ch/goethe/meteorologie.html Schriften zur  Meteorologie]
{{Normdaten|TYP=s|GND=4077792-3}}
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/meteorologie/witterungslehre.htm Versuch  einer Witterungslehre]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/meteorologie/wolkengestalt.htm Wolkengestalt nach Howard]
 
[http://www.steinerschule.ch/goethe/aphorismen.html Aphorismen und Fragmente]
 
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/aphorismen/allgemeines.htm Allgemeines]
* [http://www.steinerschule.ch/goethe/aphorismen/urphaenomen.htm Urph&auml;nomen]


[[Kategorie:Reim]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Goetheanismus]]

Version vom 10. September 2019, 11:54 Uhr

Stabreim ist der deutsche Begriff für die Alliteration in germanischen Versmaßen. Die am stärksten betonten Wörter eines Verses werden durch gleiche Anfangslaute (Anlaute) hervorgehoben.

Die Bezeichnung Stabreim geht zurück auf Snorri Sturluson (1178–1241), den Verfasser der Snorra-Edda (Prosa-Edda oder auch Jüngere Edda); dort tritt altnord. stafr (Stab, Pfeiler, Buchstabe, Laut) in der Bedeutung „Reimstab“ auf. Der deutsche Ausdruck Stabreim ist eine Lehnübersetzung aus dem dänischen stavrim.[1]

Die gesamte altgermanische Versdichtung verwendete den Stabreim, bis er durch den Endreim abgelöst wurde. Der Stabreim bildete die metrische Grundlage für die Versmaße Fornyrðislag und Dróttkvætt sowie deren Urform, die germanische Langzeile. Bedeutende Werke in altenglischer (Beowulf), altsächsischer (Heliand), althochdeutscher (Hildebrandslied) und altnordischer Sprache (Lieder-Edda) sind in stabreimenden Langzeilen verfasst.

Auch in der modernen Alltagsrhetorik kommen stabreimartige Alliterationen häufig bei der Bildung von phraseologischen Zwillingsformeln vor (z. B. frank und frei, klipp und klar, Leib und Leben).

Grundaufbau

Die Stabreimdichtung hat ihren Ursprung in mündlicher Rede. Der Übergang zwischen Prosa und Vers ist für sie deshalb, im Gegensatz zur heutigen deutlichen Trennung von Gedicht und normaler Rede, sehr einfach zu bewältigen. Der Stabreim setzt an den betonten Silben eines Satzes an und lässt sie alliterieren bzw. „staben“. Zeile 3 des Hildebrandsliedes soll dies verdeutlichen:

"               "                "      '
hiltibrant enti haðubrant, untar heriun tuem      Hildebrand und Hadubrand, zwischen Heeren zweien

In diesem Satz gibt es vier Wörter, deren Anfang ein zeitgenössischer Redner besonders betont hätte (markiert durch " und '). Drei der vier betonten Silben, auch Hebungen genannt, staben (markiert durch "). Der Konsonant h trägt den Stab. Der Redner verteilt die Stäbe nach festen Regeln auf den Anfang und das Ende einer Zeile, die sich aus Anvers, Zäsur und Abvers zusammensetzt. Es ergibt sich folgende Struktur:

hiltibrant enti haðubrant,    untar heriun tuem
<---- Anvers ----------->Zäsur<---- Abvers --->

Während im Anvers ein bis zwei Stäbe vorkommen können, darf der Abvers nur einen Stab haben, der immer auf das erste der beiden betonten Wörter dieses Teilverses fallen muss. Das zweite betonte Wort bleibt immer stabfrei (im obigen Beispiel „tuem“). Da die Position des Stabes im Abvers immer gleich ist, nannte Snorri Sturluson ihn in seiner Snorra-Edda Hauptstab (hǫfuðstafr). Die Stäbe im Anvers nannte er Stützen (stuðlar), da es drei verschiedene Möglichkeiten gibt, sie zu stellen.

Geschichte

Ursprung des Stabreims

Das Horn von Gallehus mit dem ältesten überlieferten Stabreimvers.

Das Stilmittel der Alliteration kommt u. a. auch in der keltischen und (seltener) in der lateinischen Sprache vor, weswegen der Ursprung nicht ausschließlich im Altgermanischen zu suchen ist. Eine Erklärung für die Ausbreitung des Stabreims in voneinander weitgehend unabhängigen Sprachgebieten könnte in der jeweils typischen sprachlichen Akzentuierung liegen. Einer Sprache, die durch einen dynamischen Akzent oder Stammsilbenakzent gekennzeichnet ist, fällt der Anlautreim ganz natürlich zu. So entstehen auch heute in der Werbesprache noch hin und wieder Stabreime (z. B. „Geiz ist geil“), deren Ursprünge ebenfalls nicht in der altgermanischen Versbautradition liegen.

Bei den Germanen muss der Stabreim bereits vor 2000 Jahren tief verwurzelt gewesen sein. Aus dieser Zeit stammen jedenfalls die ersten antiken Quellen, die die germanische Sitte bezeugen, Verwandtennamen miteinander staben zu lassen. Beispiele dafür sind die drei Cherusker Segestes, Segimundus und Segimerus, von denen u. a. Tacitus[2] berichtet. Aus dem Hildebrandslied sind Heribrand, Hildebrand und Hadubrand bekannt und aus dem Nibelungenlied die Brüder Gunther, Gernot und Giselher.

Stabreime in Runeninschriften

Runeninschriften mit Stabreimen (Runendichtungen) treten zahlenmäßig weit hinter die schriftlichen Quellen in lateinischer Schrift zurück. Es sind kaum mehr als 500[3] Zeilen überliefert. Sie sind für die Forschung von besonderem Wert, da man nur durch sie etwas über die frühe Stabreimdichtung erfahren kann. Allgemein gilt die Runeninschrift auf dem Goldhorn von Gallehus (Dänemark um 400 n. Chr.) als ältester Beleg eines germanischen Stabreims. Die Inschrift gibt eine Langzeile mit vier Hebungen und drei Stäben wieder.

ek HléwagastiR HóltijaR : hórna táwido. (Ich HlewagastiR, Holts Sohn, fertigte das Horn.)

Der früheste (und einzige) runische Beleg für einen Stabreim im südgermanischen Raum findet sich auf der Gürtelschnalle von Pforzen (6. Jh.). Allerdings muss man im Abvers die Runen „l“ und „t“ im vierten Wort als Binderune „el“ lesen, um eine vollständige Langzeile mit drei Stäben zu erhalten:

Áigil andi Áïlrûn : élahu gasókun

Die Bedeutung der Inschrift ist in der Forschung umstritten.[4] Einige Runologen[5] sehen in den Namen das mythische Liebespaar Egil und Ölrún, von denen man im Wielandlied der Lieder-Edda und in der Thidrekssaga liest. Solche frühen Zeugnisse der Runendichtung sind jedoch selten. Zur Blüte gelangte sie erst zwischen dem 9. und 11. Jh. in Form der Nachrufgedichte auf Runensteinen. Oft werden in diesen die Regeln zum Versbau nicht so genau genommen, was aber als Anzeichen dafür gesehen wird, wie leicht der Stabreim aus der natürlichen Rede hervorgeht. In einigen der Inschriften kann man schon mehr oder weniger korrekt ausgeführte Versmaße erkennen: Stein von Rök (Fornyrðislag), Tunestein (Ljóðaháttr), Stein von Karlevi (Dróttkvætt).

Schriftliche Quellen

Da es im 8. Jh. n. Chr. vor allem Geistliche sind, die die Zeit und Befähigung haben in lateinischer Schrift zu schreiben, ist ein großer Teil der ersten überlieferten Stabreimverse christlich orientiert. Man verwendete den Stabreim teilweise, um den Heiden das Christentum nahezubringen. So ist zum Beispiel der altsächsische Heliand eine als Heldenlied gestaltete Erzählung von Jesus Christus. Heidnischen Werken wurde wenig Priorität zugemessen, oft ist ihre Überlieferung nur glücklichen Umständen zu verdanken. Das für die althochdeutsche Literatur bedeutende Hildebrandslied wurde beispielsweise auf die erste und letzte Seite eines geistlichen Codex geschrieben. Da der Platz nicht ausreichte, blieb das Lied unvollständig. Die ca. 63.000[6] Zeilen umfassende stabreimende Dichtung verteilt sich deshalb sehr unterschiedlich auf die germanischen Sprachen. Aus England und Skandinavien, wo sich die Geistlichkeit mehr als in Deutschland auf den Stabreim einließ, ist auch mehr überliefert.

Sprache Zeilenanzahl Hauptversmaß Werke
Althochdeutsch 200 Langzeile Hildebrandslied, Muspilli, Merseburger Zaubersprüche
Altsächsisch 6000 Langzeile Heliand, Altsächsische Genesis
Altenglisch 30.000 Langzeile Beowulf, The Battle of Maldon
Altnordisch 7000 Fornyrðislag Lieder-Edda (z. B. Völuspá, Sigrdrífumál)
Altnordisch 20.000 Dróttkvætt Skaldendichtung (z. B. Ynglingatal, Ragnarsdrápa)

Der Stabreim wurde für viele unterschiedliche Textarten verwendet. Es finden sich religiöse Texte heidnischen Glaubens (Götterlieder, Zaubersprüche) neben denen des christlichen (Gebete, Übertragungen der Genesis oder der Bergpredigt, Buchepik) und auch den weltlichen Bereich deckte man breitflächig ab (Heldenlieder und Epen, Gedichte, Grabinschriften). Der Stabreimvers lässt sich daher nicht auf einen speziellen Anwendungsbereich einschränken. Er ist stilisierte, nachdrücklich gesteigerte Prosarede, die man verwendete, wo man seinen Worten besonderes Gewicht verleihen wollte.

Verfall

Die altdeutsche Stabreimdichtung löste sich im Laufe des 9. Jh. als erstes auf. Von den vier althochdeutschen und zwei altsächsischen Werken, die überhaupt im Stabreim überliefert wurden, stützen sich nur zwei (das Hildebrandslied und die Merseburger Zaubersprüche) auf eine mündliche Tradition. Die restlichen sind neu und deshalb anfällig für neue Einflüsse. Deshalb mag es nicht verwundern, wenn sich der Endreim mit dem Evangelienbuch des Otfrid von Weißenburg in Deutschland durchsetzte und bis heute blieb.

Es war aber nicht nur ein Umschwung von heidnischer zu christlicher Tradition, die den Stabreim gefährdete. Auch sprachliche Gründe haben eine Rolle gespielt. So behielt das Althochdeutsche viele kurze betonte Silben, die in anderen germanischen Dialekten zu unbetonten Silben geschwächt wurden (vgl. altnord. haukr und ahdt. habuh). Das Althochdeutsche bewahrte die Länge, wo andere Dialekte kürzten und geriet damit in Konflikt mit den metrischen Erfordernissen des Stabreims.

In Skandinavien und England hielt sich die Stabreimdichtung bedeutend länger. In England wurde er von der Geistlichkeit bis ins 11. Jh. verwendet, um biblische Geschichten nachzuerzählen (altenglische Buchepik). Diese Tradition brach schließlich ziemlich genau mit dem Ende der skandinavischen Herrschaft in England (1066, Schlacht bei Hastings) ab. Die letzten regeltreuen Verse stammen aus einer Chronik des Jahres 1065. Es gab jedoch noch im 14. Jh. Werke wie Piers Plowman die stabreimend waren, wenn auch nicht mehr regeltreu.

Im 13. Jh. öffnete sich auch Skandinavien endgültig dem Endreim. Es dauerte nicht lange, bis der Stabreim nur noch in festen Formeln oder in bewusst altertümelnder Absicht verwendet wurde.

Og vil du ikke danse hos mig,
Sót og Sýgdom skal følge dig!

Nur in Island gelang dem Stabreim der Sprung in die Neuzeit. Man verband ihn, zusammen mit anderen skaldischen Elementen wie den Kenningen oder der Silbenzählung, mit dem Endreim und dem alternierenden Rhythmus. Das Produkt waren die Rímur (Reime), welche in der volkstümlichen Dichtung bis ins 20 Jh. lebten und heute am Verschwinden begriffen sind.

Vorið eg að vini kýs,
verður nótt að degi,
þegar glóærð geisladís
gengur norðurvegi.

(Wörtlich übersetzt:)
Frühling ich zum Freunde wähl,
es wird Nacht zum Tage,
wenn die gluthaarige Sonnengöttin
geht Nordwege. (Gemeint: Die Sonne)

(Unter Nachbildung des Stab- und Endreims sinngemäß nachgedichtet:)
Frühling wähl zum Freund ich nur,
frisch wird Nacht zum Tage,
wenn der Göttin Glutfrisur
geht nach Nord in Lage.

Nachleben und Wiederbelebung

Reste des Stabreims überlebten besonders dort, wo sich die Sprache nicht oft änderte – also in Sprichwörtern, Formeln, Hausinschriften oder der Sprache im Rechtsgebrauch. Allerdings war es vielmehr als der Stabreim selbst der Hang zur altertümelnden Alliteration, der überlebte, weil man ohne die Einbindung in einen Vers nicht von einem Stabreim sprechen kann. Die Alliteration jedoch, die einen Stabreimvers bestimmt, lässt sich noch in vielen Zwillingsformeln nachvollziehen. Sie lassen sich in jeder germanischen Sprache finden:

Sprache Formel Übersetzung
Englisch friend or foe Freund oder Feind
Norwegisch hus og hem Haus und Heim (vgl. Haus und Hof)
Isländisch hús og heim Haus und Heim
Schwedisch liv och lem Leben und Glied (vgl. Leib und Leben)
Niederländisch huis en haard Haus und Herd (vgl. Haus und Hof)
Dänisch folk og fæ Volk und Vieh (vgl. Mann und Maus)

Im 19. Jahrhundert entdeckten Dichter und Gelehrte den Stabreim wieder. Der Komponist Richard Wagner verwendet ihn in seinen Werken, doch aus Unwissenheit oder künstlerischer Freiheit lässt er der Alliteration so freien Lauf, dass er doppelte und sogar dreifache Stäbe nicht nur im Anvers, sondern auch im Abvers zulässt, was dem ursprünglichen Versbau stark widerspricht.

Wer so die Wehrlose weckt, dem ward, erwacht, sie zum Weib!
(Walküre)

Auch J. R. R. Tolkien belebte in seinen Werken den Stabreim wieder. In dem Roman Der Herr der Ringe ist es das Volk der Rohirrim, dem er stabreimende Verse in den Mund legt.

Arise now, arise, Riders of Théoden!
Dire deeds awake, dark is it eastward.
Let horse be bridled, horn be sounded!
Forth Eorlingas!
(The Two Towers)

Lautliche Beschaffenheit

Der Stabreim erfasst die am stärksten betonten Wörter eines Satzes und lässt den ersten Laut ihrer Wurzelsilben miteinander staben. Es trifft in der Regel Konsonanten (konsonantischer Stabreim), wobei die Konsonantenpaare sc/sk, sp und st jeweils als eine Einheit betrachtet werden. Sie staben also nur mit sich selbst und nicht mit einem einzelnen „s“ oder anderen Zusammensetzungen. Eine weitere Besonderheit ist, dass alle Vokale untereinander staben (vokalischer Stabreim), wie Zeile 33 aus dem Beowulf zeigt:

isig ond utfus, æþelinges fær (eisig und auslaufbereit, das Gefährt des Edlen)

Der vokalische Stabreim, der mit normaler Alliteration nicht mehr viel zu tun hat, wird oft mit einem Knacklaut (Glottisschlag) erklärt, der dem gesprochenen Vokal vorangeht. Demnach wäre auch der vokalische Stabreim ein konsonantischer Stabreim, bei dem der Knacklaut stabt. Den Knacklaut gibt es heute noch im Deutschen und Dänischen. Seine frühere Existenz im Germanischen ist zweifelhaft. Der vokalische Stabreim wurde in der Dichtung oft verwendet. Man bevorzugte sogar die Kombination ungleicher Vokale gegenüber gleichen Vokalen. Für den konsonantischen Stabreim lässt sich dieselbe Vorliebe zur Variation nachweisen. Man bevorzugte hinter dem stabenden Konsonant ungleiche gegenüber gleichen Vokalen.

Stabreimende Versmaße

Die germanische Langzeile

Die Langzeile ist der ursprünglichste der germanischen Stabreimverse und Vorlage für alle späteren eddischen und skaldischen Versmaße. Ob sie selbst eine Vorlage gehabt hat, ist unbekannt – aufgrund ihrer Nähe zur Prosarede bedarf es einer solchen jedoch nicht unbedingt. Die Langzeile zeichnet sich durch folgende, im Grundaufbau bereits beschriebene, Regeln aus:

  • eine Langzeile besteht aus zwei Halbzeilen (An- und Abvers), getrennt durch die Zäsur
  • pro Halbzeile zwei betonte Wörter (Hebungen)
  • im Anvers stabt das erste oder das zweite betonte Wort oder beide zusammen
  • im Abvers stabt immer das erste betonte Wort, das zweite nie
  • die Anzahl der unbetonten Wörter im Ab- und Anvers ist beliebig

Hinzu kommt eine unterschiedliche Gewichtung der Wortklassen bei der Verteilung der Stäbe. Da das Germanische eine ausgeprägte Nominalsprache ist, werden Nomina (Substantive, Adjektive etc.) auch öfter betont und gegenüber den Verben bevorzugt mit Stäben versehen. Die meist unbetonten Formwörter (Pronomen, Hilfsverben, Konjunktionen etc.) tragen nur in seltenen Ausnahmefällen den Stab. Die Reihenfolge Nomina→Verba→Formwörter ergibt sich also aus den natürlichen Tonverhältnissen der germanischen Sprachen. Die Langzeile passte sich immer den gerade gültigen Sprachverhältnissen an.

Fornyrðislag

Das Fornyrðislag steht von allen nordischen Versmaßen der Langzeile am nächsten. Der Name selbst, am ehesten übersetzt als „Altredeton“, weist schon auf ein hohes Alter dieses Vermaßes hin. Es kommt fast nur in den Helden- und Götterliedern der Edda vor und unterscheidet sich von der Langzeile vor allem durch seine strophische Form.

Ár var alda, þar er Ýmir bygði,
vara sandr né sær, né svalar unnir,
jörð fannsk æva, né upphiminn,
gap var ginnunga, en gras hvergi.

Früh war’s der Zeiten, da Ymir lebte,
war nicht Sand noch See, noch kühle Wogen,
Erde gab es nicht, noch Obenhimmel,
der Schlund des Weltraums war, und Gras nirgends.

(Völuspá, 3)

Das Beispiel zeigt den Unterschied zwischen Satzgliederung und Langzeilengliederung im Fornyrðislag. In den frühsten germanischen Langzeilen war eine Zeile meist auch ein vollständiger Satz (vgl. Zweiter Merseburger Zauberspruch, Gallehus-Inschrift). In der epischen Langzeilendichtung (z. B. Beowulf) geht der Satz meist über zwei Zeilen. Im Fornyrðislag sind Sätze über vier Zeilen keine Seltenheit. Oft geht man sogar noch darüber hinaus.

Ljóðaháttr

Überall wo in der Edda Spruch- und Merkdichtung vorkommt, z. B. im Hávamál, finden wir das Ljóðaháttr-Versmaß. Übersetzt bedeutet Ljóðaháttr in etwa „Strophenvers“. Der wesentliche Unterschied zur Langzeile besteht in der strophischen Form, die jeweils eine Langzeile und eine Vollzeile, d. h. eine zäsurlose Zeile, die in sich stabt, kombiniert. Zwei oder mehr dieser Paare (Langzeile+Vollzeile) ergeben eine Strophe.

Hjarðir þat vitu, nær þær heim skulu
ok ganga þá af grasi;
en ósviðr maðr, kann ævagi
síns of mál maga.

Herden wissen’s, wann sie heim müssen,
und gehen dann vom Gras;
aber der unkluge Mann, kennt niemals
seines Magens Maß.
(Hávamál, 21)[7]

Wie auch das Fornyrðislag zeigt der Ljóðaháttr die typisch nordische Reduzierung der Gesamtsilbenanzahl, die die An- und Abverse teilweise bis zur Zweisilbigkeit zusammenschrumpfen lässt.

Deyr fé, deyja frændr,
deyr sjalfr it sama,
en orðstírr, deyr aldregi
hveim er sér góðan getr.

Vieh stirbt, Verwandte sterben,
man selbst stirbt ebenso;
aber der Ruf stirbt niemals dem,
der sich guten erwirbt.
(Hávamál, 76)[7]

Dróttkvætt

Das Hauptversmaß der skaldischen Dichtung (mit einem Anteil von über 80 % an allen 20.000 Zeilen) ist das Dróttkvætt (der „Hofton“). Der Aufbau dieses Versmaßes ist verhältnismäßig kompliziert. Im Grunde besteht es aus zwei stabreimenden Langzeilen, die zusammen eine Strophe bilden. Das Dróttkvætt fügt jedoch einige strenge Regeln hinzu oder verschärft die schon bestehenden.

  • jeder Halbvers muss neben dem Stabreim einen Binnenreim enthalten, der Versanfang und Versende verbindet
  • jeder Halbvers muss aus genau sechs Silben bestehen
  • im Anvers sind einzelne Stäbe verboten, es müssen immer beide betonten Wörter staben
  • das erste Wort des Abverses muss immer staben (in der Langzeile konnten unbetonte Wörter vor dem ersten Stab stehen)
  • jeder Halbvers muss einen trochäischen Versschluss haben, d. h. der Vers endet mit einem zweisilbigen Wort dessen Versfuß fallend ist (—◡).

Im folgenden Beispiel aus der zweiten Strophe der Lausavísur des Skalden Sigvatr Þórðarson sind die Stabreime fett und die Binnenreime rot markiert.

Hlýð mínum brag, / meiðir
myrkblás, / þvít kank yrkja,
alltíginn / – mátt eiga
eitt skald – / drasils tjalda.

(Lausche meinem Gedicht, vornehmer Vernichter des dunkelschwarzen Zeltpferdes, d. h. des Schiffes, denn ich kann dichten, – du musst einen Skalden besitzen.)

Der Schrägstrich „/“ innerhalb der Halbverse markiert eine kleine Pause (nicht zu verwechseln mit der Zäsur die An- und Abverse trennt), die die Skalden einfügen, damit der Hörer die teilweise ineinander verschlungenen Inhalte heraushören kann. Wörtlich übersetzt klänge die Strophe nämlich so:

Lausche meinem Gedicht, / vornehmer
des dunkelschwarzen, / denn ich kann dichten,
Vernichter / – (du) musst besitzen
einen Skalden – / Zeltpferdes

Übrige Versmaße

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Versmaße im skaldischen Gebrauch. Snorri zählt im Háttatal seiner Prosa-Edda verschiedene Typen auf und nennt Beispielstrophen. Erwähnenswert sind hier vor allem die Versmaße: Kviðuháttr, Tøglag, Haðarlag, Runhent, Hrynhent (alle skaldisch) sowie zwei weitere eddische Versmaße – Málaháttr und Galdralag. Einige dieser Versmaße erfüllen einen bestimmten Zweck. So ist das Kviðuháttr wohl für die genealogische Merkdichtung entwickelt worden (z. B. für die Auflistung von Königen eines bestimmten Geschlechts), während man das Galdralag, mit seinen Wiederholungen, für Zaubersprüche verwendete (vgl. Háttatal 101 u. Zweiter Merseburger Zauberspruch). Die anderen Versmaße sind entweder komplizierte Varianten von Dróttkvætt (Tøglag, Haðarlag) oder Fornyrðislag (Málaháttr) oder nähern sich dem christlichen Gebrauch an, durch Einbindung des Endreims (Runhent) oder speziellen Rhythmus (Hrynhent).

Siehe auch

Literatur

  • Klaus von See: Germanische Verskunst; Sammlung Metzler M 67; Stuttgart (1967)
  • Edith Marold: Stabreim, Fornyrðislag, Ljóðaháttr, Dróttkvætt. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 6, 9, 18, 29. (2. Aufl.) Berlin, New York 1986–2005.
  • H.-P. Naumann: Runendichtung. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 25. (2. Aufl.) Berlin, New York 2003.
  • W. Hoffmann: Altdeutsche Metrik. 2., überarb. und ergänzte Aufl. Stuttgart: Metzler 1981. (Sammlung Metzler, M 64).

Weblinks

 Wiktionary: Stabreim – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Naumann: Skandinavisch/Deutsch. In: Werner Besch u. a. (Hrsg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch, 4. Teilband, Berlin u. a. 2004, S. 3282–3290, S. 3288.
  2. Tacitus: Annales 1, 55–59 und 71.
  3. H.-P. Naumann: Runendichtung. In: RGA Bd. 25 S. 512
  4. Wilhelm Heizmann und Astrid van Mahl (Hrsg.): Runica - Germanica - Mediaevalia. Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 37. Berlin/New York, Walter de Gruyter, 2003. S. 174ff.
  5. Tineke Looijenga: Runes around the North Sea and on the Continent AD 150-700
  6. K. von See: Germ. Verskunst S. 1
  7. 7,0 7,1 Übersetzung: Arnulf Krause: Die Götterlieder der Älteren Edda, Reclam Stuttgart 2006


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