Grals-Imagination und Goetheanum: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Grals-Imagination''' bildet die geistige Quelle der Erzählungen vom [[Heiliger Gral|Heiligen Gral]]. Sie enthüllt sich durch den geistigen Rückblick auf den [[Ätherleib]]. Wenn der [[Mensch]] schläft, heben sich [[Ich]] und [[Astralleib]] teilweise aus der menschlichen Organisation heraus und lassen Ätherleib und [[Physischer Leib|physischen Leib]] zurück (siehe auch → [[Wesensglieder]]). Das menschliche Bewusstsein dämpft sich dabei zu dem des [[Schlaf-Bewusstsein|traumlosen Schlafes]] ab. Kann das [[Bewusstsein]] aber durch entsprechende geistige Schulung aufrechterhalten werden, verwandelt sich vor dem geistigen Blick der zurückgelassene physische Leib zur [[Paradieses-Imagination]]. In weiterer Folge verdichtet sich die geistige Anschauung des Ätherleibes zur Grals-Imagination.
[[Bild:Goetheanumfront.jpg|thumb|300px|Westansicht des heutigen (zweiten) Goetheanums]]
[[Datei:Goetheanum von Süden.jpg|thumb|300px|Südfassade]]
Das '''Goetheanum''' ist ein von [[Rudolf Steiner]] entworfener Monumentalbau in [[Wikipedia:Dornach SO|Dornach]] bei [[Wikipedia:Basel|Basel]] in der [[Wikipedia:Schweiz|Schweiz]] und heute der Sitz der [[Anthroposophische Gesellschaft|Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft]] sowie der [[Freie Hochschule für Geisteswissenschaft|freien Hochschule für Geisteswissenschaft]] mit ihren Sektionen.


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Nachdem das [[Wikipedia:1913|1913]] begonnene [[#Das erste Goetheanum (1913-1922)|erste Goetheanum]] am [[Wikipedia:31. Dezember|31. Dezember]] [[Wikipedia:1922|1922]] durch Brandstiftung zerstört worden war, legte man [[Wikipedia:1922|1924]] den Grundstein für ein [[#Das zweite Goetheanum (1924-1928)|zweites Goetheanum]], das [[Wikipedia:1922|1928]] in Betrieb genommen wurde.
"Wir haben so vor unserem geistigen Blick auftreten sehen den ins Riesenhafte vergrößerten physischen Menschenleib, der in seinem heutigen Zustand also das Schrumpfprodukt des einstigen Paradieses darstellt. Wenn wir dieses betrachten, dann können wir ein wenig wiederum eine Vorstellung davon bekommen, wie eigentlich hellseherische Betrachtung vorrückt. Wir haben gesehen, wie der Mensch zunächst immer sensitiver und sensitiver wird gegenüber seinem physischen und Ätherleibe. Jetzt haben wir mit einem gewissen Sprung über einen Abgrund gleichsam nachgesehen, was sich für Eindrücke ergeben, wenn der Mensch von ganz außerhalb zurückblickt auf seinen in den Ätherleib eingebetteten physischen Leib. Ich habe gesagt, daß der Ätherleib ein in sich Bewegliches ist; nichts in diesem Ätherleib, wenn man von außen in ihn zurücksieht, ist eigentlich stillstehend, nichts ist in Ruhe, alles in ständiger Bewegung. Es geschieht fortwährend etwas; aber je mehr man lernt, durch Geistesschulung hinzublicken auf das, was da geschieht, desto mehr vergrößert sich gleichsam auch das Tableau dieses Geschehens, und alles wird sinnvoll. Wie gewissermaßen der physische Leib zu dem sinnvollen Garten des Paradieses wird, so wird auch das, was im Ätherleib vorgeht, zu sinnvollen Vorgängen. Man könnte ja nun einmal den Versuch anstellen, typisch zu erzählen, was man da für Tatsachen und Vorgänge sieht, wenn man auf den Ätherleib hinsieht und von dem physischen Leib dabei absieht. Nun, den physischen Leib, so wie ich ihn Ihnen beschrieben habe, könnte man wirklich hellseherisch nur sehen, wenn man im allertiefsten Schlafe plötzlich hellseherisch aufgeweckt würde; dann würde sich der physische Leib also erweitern zu diesem Gebilde, wie es gezeigt worden ist. Aber der Ätherleib ist gewissermaßen schon leichter zu sehen; er ist schon dadurch zu sehen, daß man versucht, in einer gewissen Beziehung den Moment des Einschlafens zu erhaschen, so zu erhaschen, daß man nicht ins Unbewußte gleich hinüberschläft, sondern daß man bewußt eine Zeit bleibt, nachdem man mit seinem astralischen Leib und dem Ich den physischen und Ätherleib verlassen hat. Da sieht man hauptsächlich dann auf diesen Ätherleib hin, sieht förmlich wie ganz lebendige Träume diese beweglichen Tatsachen des ätherischen Leibes. Dann sieht man sich wie durch einen tiefen Abgrund getrennt von dem, was da im ätherischen Leibe vorgeht; aber man sieht jetzt alles in nicht räumlichem, sondern in zeitlichem Geschehen. Man muß also, wenn man schon heraus ist aus seinem Ätherleib, empfinden diese Erlebnisse, diese bewegten Erlebnisse im Ätherleib, wie wenn man mit dem Bewußtsein noch einmal hineinschlüpfte.


Also diese Empfindung muß man haben, wie wenn man durch einen Abgrund, der gleichsam durch Äther ausgefüllt ist, durch den allgemeinen Weltenäther, wie wenn man durch einen solchen Abgrund getrennt wäre von seinem ätherischen Leib; wie wenn man jenseits des Ufers des ätherischen Leibes wäre und da mannigfaltige Vorgänge sich abspielten. Man fühlt sich also, weil man es hier mit Vorgängen zu tun hat, die alle in der Zeit sich abspielen, gleichsam wie ein Wanderer, der zu seinem eigenen Ätherleib hingeht. In Wirklichkeit verläßt man ihn immer mehr und mehr, aber man geht in hellseherischem Bewußtsein zu diesem Ätherleibe hin. Man fühlt, wie wenn man im Annähern an diesen eigenen Ätherleib etwas entgegenkommend hätte, was einen zurückstößt. Wie an einem geistigen Fels kommt man an. Dann ist es, wie wenn man in etwas hineingelassen würde. Man war erst draußen, dann ist es, wie wenn man in etwas hineingelassen würde, wie wenn man erst draußen gewesen wäre und jetzt drinnen wäre, aber nicht so, wie wenn man bei Tage drinnen wäre. Alles hängt davon ab, daß man mit seinem astralischen Leib und Ich draußen ist und nur hineinschaut, das heißt, nur mit seinem Bewußtsein drinnen ist. Und jetzt merkt man, was da drinnen vorgeht.
== Der geplante [[Johannesbau]] in München ==
[[Datei:Johannesbau München.jpg|thumb|300px|Risszeichnung des Johannesbau, Ansicht gegen Fuchsstraße.]]
In einem gemieteten Theatersaal in [[Wikipedia:München|München]] wurde zwischen 1910 und 1913 jährlich ein [[Mysteriendrama]] von [[Rudolf Steiner]] aufgeführt. Aus dem Umkreis Rudolf Steiners kam der Wunsch, dazu wie auch zu [[Eurythmie|Eurythmieaufführungen]] einen eigenen geeigneten Saal zu bauen. Zu diesem Zweck sollte der [[Johannesbau]] in München an der Ungererstraße in Schwabing errichtet werden. Der Name des Baus leitet sich von [[Johannes Thomasius]], dem Protagonisten der Mysteriendramen Steiners, ab. Der Johannesbau sollte bereits, wie später das Goetheanum, als Doppelkuppelbau ausgeführt werden, nach einer Idee, die Steiner erstmals schon 1908 gefasst hatte. Mit der Planung wurde der Architekt [[Carl Schmid-Curtius]] (1884–1931) betraut, der dann auch bis [[Wikipedia:1914|1914]] der erste Architekt des Goetheanums in [[Wikipedia:Dornach (SO)|Dornach]] war. Auf Forderung der Münchner Behörden und wegen des Widerstands der Kiche, der umliegenden Anwohner und auch der Münchner Künstlerschaft mussten die Entwürfe immer wieder umgearbeitet werden. Am [[Wikipedia:12. Januar|12. Januar]] [[Wikipedia:1913|1913]] wurde das Bauvorhaben schließlich durch den Staatsminister des Inneren [[Wikipedia:Maximilian von Soden-Fraunhofen|Maximilian von Soden-Fraunhofen]] aufgrund „schönheitlicher Standpunkte“ abgelehnt. Nachdem auch der Einspruch gegen diesen Entscheid am [[Wikipedia:6. Oktober|6. Oktober]] 1913 abgelehnt worden war, wurde das Bauvorhaben in München endgültig aufgegeben.  


Es ist auch in einer gewissen Weise alles verwandelt, wie sich der physische Leib ins Paradies verwandelt hat; aber das, was da geschieht, hängt doch noch viel inniger zusammen mit den gegenwärtigen Vorgängen am Menschen. Bedenken wir nur, was der Schlaf eigentlich bedeutet, was dieses «außerhalb des physischen und Ätherleibes sein» bedeutet. Denn wir haben angenommen, daß das hellseherische Vermögen in diesem Augenblicke hervorgerufen wurde dadurch, daß der Mensch plötzlich im Schlafe hellseherisch würde oder im Einschlafen hellseherisch bewußt bliebe. Bedenken wir, was der Schlaf ist: Dasjenige, was mit Bewußtsein den physischen und ätherischen Leib durchdringt, ist draußen; da drinnen gehen jetzt nur sozusagen vegetative Vorgänge vor sich, spielt sich alles ab, was die während des Tages verbrauchten Kräfte wiederum ersetzt. Ja, das nehmen wir wahr, nehmen wahr, wie da aus dem Physischen heraus die Kräfte, die namentlich im Gehirn verbraucht worden sind, ersetzt werden. Aber nicht so, daß wir das Gehirn sehen würden wie der Anatom, sondern wir sehen, wie der Mensch der physischen Welt, dessen wir uns während des Tagwachens für unser Bewußtsein bedienen, wie dieser Mensch — von uns verlassen zwar, aber deutlich zeigend, daß er unser Werkzeug ist — gleichsam verzaubert in einer Burg liegt.
==Das erste Goetheanum (1913-1922)==
[[Bild:Goetheanum1_color.jpg|thumb|300px|Das erste Goetheanum, das in der Silvesternacht 1922/23 durch Brandstiftung zerstört wurde.]]
[[Bild:Goetheanum_1921.jpg|thumb|300px|Blick auf den Westeingang des ersten Goetheanums mit dem [[Haus Duldeck]] rechts im Vordergrund (1921).]]


Wie unser Gehirn innerhalb der Schädeldecke wie ein Sinnbild liegt, so erscheint uns unser Menschenwesen auf Erden wie eine verzauberte Wesenheit, in einer Burg lebend. Wir treten unserer Menschenwesenheit entgegen wie einer Wesenheit, die wie gefangen, umschlossen von Felsenmauern ist. Das Sinnbild, das gleichsam wiederum zusammengezogene Sinnbild davon ist unsere Schädeldecke. Von außen erscheint uns das als die kleine Schädeldecke. Wenn wir aber auf die ätherischen Kräfte blicken, die zugrunde liegen, so erscheint uns in der Tat das, was Erdenmensch ist, wie da drinnen in der Schädeldecke sich befindend und eingefangen in dieser Burg. Und dann strömen herauf aus dem anderen Organismus die Kräfte, die diesen Menschen unterhalten, der eigentlich in der Schädeldecke drinnen ist wie in einem mächtigen Schlosse. Da strömen die Kräfte herauf. Zunächst strömt diejenige Kraft herauf, die da kommt aus dem im Organismus verbreiteten Werkzeug des astralischen Menschenleibes; es strömt herauf alles das, was erglüht und mächtig den Menschen macht durch die Nervenstränge; das alles strömt zusammen in den irdischen Gehirnmenschen: das erscheint einem als das «mächtige Schwert», das der Mensch sich auf der Erde geschmiedet hat. — Dann dringen herauf die Kräfte des Blutes; diese Kräfte des Blutes — man fühlt allmählich, man lernt erkennen — erscheinen einem als das, was eigentlich den bloß in dem Zauberschloß der Schädeldecke liegenden Gehirnmenschen verwundet: wie die «blutige Lanze» sind die Kräfte, die im Ätherleibe nach dem irdischen Menschen heraufströmen, der in dem Zauberschloß des Gehirns liegt. — Und dann gewinnt man eine Erkenntnis. Diese eine Erkenntnis ist, daß man beobachten kann, was da alles heraufströmen darf nach den edelsten Teilen des Gehirns. Davon hat man ja vorher gar keine Ahnung.
Nachdem der projektierte Johannesbau in München nicht errichtet werden konnte, wurde der Bau auf geschenktes Land in [[Wikipedia:Dornach SO|Dornach]] umgeplant. Nach der Grundsteinlegung [[Wikipedia:1913|1913]] begannen [[Wikipedia:1914|1914]] die eigentlichen Bauarbeiten, die sich allerdings während des [[Wikipedia:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] wesentlich verzögerten. Noch unfertig, wurde der Bau in der Silvesternacht von 1922/23 durch Brandstiftung zerstört.


Ja, sehen Sie, da komme ich von einem anderen Gesichtspunkt aus auf das zurück, was ich schon in diesen Tagen berührt habe [siehe → [[Ernährung#Ernährung und okkulte Entwicklung|Ernährung und okkulte Entwicklung]]]. Der Mensch kann nämlich noch so viel aus dem Tierreich essen: für einen gewissen Teil seines Gehirns ist das alles nicht brauchbar, ist das alles nur Ballast. Andere Organe mögen dadurch ernährt werden, aber im Gehirn gibt es etwas, wovon der ätherische Leib sogleich alles zurückstößt, was vom tierischen Reiche kommt. Ja, sogar alles das stößt der ätherische Leib zurück von einem Teil des Gehirnes, von einem kleinen edlen Teil des Gehirnes, was vom pflanzlichen Reiche kommt, und nur den mineralischen Extrakt läßt er gelten in einem kleinen edlen Teil des Gehirns; und da bringt er zusammen diesen mineralischen Extrakt mit den edelsten Einstrahlungen durch die Sinnesorgane. Das Edelste des Lichtes, das Edelste des Tones, das Edelste der Wärme berührt sich hier mit den edelsten Produkten des mineralischen Reiches; denn von der Verbindung der edelsten Sinneseindrücke mit den edelsten mineralischen Produkten nährt sich der edelste Teil des menschlichen Gehirns. Von diesem edelsten Teile des menschlichen Gehirns sondert der Ätherleib alles aus, was aus dem Pflanzen- oder Tierreich kommt. Dann dringen ja auch alle die Dinge, die der Mensch als seine Nahrung bekommen hat, herauf. Das Gehirn hat auch unedlere Teile, die halten Mahlzeit von alledem, was da heraufströmt und wovon sich eben der Organismus ernährt. Nur der edelste Teil des Gehirns muß von dem schönsten Zusammenfluß von Sinnesempfindungen und dem edelsten, gereinigten mineralischen Extrakt genährt werden. Da lernt man erkennen einen wunderbaren kosmischen Zusammenhang des Menschen mit dem ganzen übrigen Kosmos. Da blickt man sozusagen an eine Stelle des Menschen, wo sich vor einem abspielt, wie das Denken des Menschen durch das Instrument des dem Astralleibe dienenden Nervensystems das Schwert bereitet für die menschliche Stärke auf Erden; da macht man Bekanntschaft mit dem, was alles dem Blut beigemischt ist und was gewissermaßen zur Tötung gerade des Edelsten im Gehirn beiträgt. Und immerdar hält aufrecht dieses Edelste im Gehirn der Zusammenfluß der feinsten Sinnesempfindungen mit den edelsten Produkten des mineralischen Reiches. Und dann strömen nach dem Gehirne zur schlafenden Zeit, wo sich das Denken nicht mit dem Gehirne beschäftigt, die Produkte, die sich weiter abwärts im Innern gebildet haben aus dem Pflanzen- und dem Tierreich.
===Architektur===


So ist es, wenn man in seinen eigenen Ätherleib hineindringt, wie wenn man an einem Abgrunde ankommen würde und über diesen Abgrund hinweg in seinem Ätherleibe sehen würde, was der da macht; und das erscheint alles in mächtigen Bildern, die Vorgänge des geistigen Menschen während des Schlafes darstellen. Dieses Ich und der astralische Leib, dieser geistige Mensch, der untertaucht in die Burg, die gebildet wird aus dem, was eben sich nur symbolisch in der Schädeldecke darstellt, wo schlafend, verwundet vom Blut, der Mensch liegt, dem man es ansieht, wie Gedanken seine Stärke sind — das, was sich da ernähren lassen muß von alledem, was aus den Reichen der Natur heraufdringt, was in seinem edelsten Teile von jenem Feinsten bedient werden muß, das da gekennzeichnet worden ist —, dieses alles in Bilder gebracht, gab die Gralssage. Und die Sage von dem Heiligen Gral kündet uns von jener Wunderspeise, die zubereitet ist aus den feinsten Wirkungen der Sinneseindrücke und aus den feinsten Wirkungen der mineralischen Extrakte, die dazu berufen sind, den edelsten Teil des Menschen zu ernähren sein Leben hindurch, wie er es physisch zubringt auf der Erde; denn durch alles andere würde er getötet. Diese Himmelsspeise ist das, was in dem Heiligen Gral drinnen ist.
Das erste Goetheanum wurde als Holzbau aufgerichtet, der auf einem Betonsockel ruhte. Wie schon im Münchner Projekt bestand die Grundrissgestalt aus zwei ungleich grossen Kuppelräumen, die auf zwei ebenfalls unterschiedlich grossen [[Wikipedia:Rotunde|Rotunden]] ruhten, die sich gegenseitig durchdrangen. Das Verhältnis zwischen kleiner und grosser Kuppel war 3:4. Der Radius des kleinen Kreises war 12.40 Meter, der des grossen 17 Meter. Der Radius des Säulenkreises im Bühnenbereich mass 9.40 Meter, im Zuschauerbereich 13 Meter. Beide Kuppeln waren von aussen mit blaugrünsilbriger norwegischem Schiefer aus [[Wikipedia:Voss (Norwegen)|Voss]] gedeckt.<ref name="Hasler, S. 84" >Hans Hasler: ''Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte'', S. 84</ref> Der Bühnenteil im Erdgeschoss war von einem halbrunden Raumteil für die Kulisse umgeben sowie von den angrenzenden Garderoben, welche in der Art eines Querschiffs angeordnet waren. Der Sockelbau wurde auf Wunsch Steiners in Beton gegossen, da damit eine besondere Formgestaltung möglich ist und sich der Bau damit an die umgebende Gebirgsformation des Juras anpassen könne.<ref>Ohlenschläger: ''Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk'', S. 94</ref> Das Betonuntergeschoss war im Februar 1914 fertiggestellt, so dass mit dem Holzgerüst für den Oberbau begonnen werden konnte.  


Und das, was sonst geschieht, was aus den übrigen Reichen hinaufdringt, finden wir genugsam dargestellt, wenn wir zurückgehen auf die ursprünglich beschriebene Gralssage, da wo wir vor eine Mahlzeit geführt werden, bei der zuerst eine Hirschkuh aufgetischt wird. Das Hinaufdringen in das Gehirn, wo immerdar schwebt der Gral — das heißt das Gefäß für die edelste Nahrung des durch alles übrige getöteten menschlichen Heros, der in der Burg des Gehirns liegt -, das alles wird uns dargestellt. Und am besten ist es nicht eigentlich bei Wolfram, sondern am besten ist es äußerlich — exoterisch noch dargestellt —, weil fast jeder erkennen kann, wenn er darauf aufmerksam gemacht worden ist, wie diese Gralssage ein okkultes Erlebnis ist, das jeder Mensch an jedem Abend neu erleben kann —, am besten ist es dargestellt trotz der Profanation, die auch da schon eingetreten ist, bei Christian von Troyes. Und er hat hinlänglich durch mancherlei Andeutungen darauf hingewiesen, daß er das, was er meint, exoterisch gegeben hat; denn er beruft sich ja auf seinen Lehrer und Freund, der im Elsaß gelebt hat und der ihm das eigentlich Esoterische gegeben hat, welches er in exoterische Formen brachte. Dies geschah in der Zeit, in der es notwendig war wegen jenes Überganges, auf den hingedeutet ist in meiner Schrift «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit». Kurz vorher ist die Gralssage exoterisch gemacht worden, 1180.
Durch die Art der Proportionen kann der Eindruck eines einzigen grossen gegliederten Raumes wie auch der von zwei Räumen entstehen. Mit den Säulen im Innern des Baues schliesst Rudolf Steiner an frühere [[Wikipedia:Architekturepochen|Architekturepochen]] an. Die Kuppeln im Zuschauer- und Bühnenraum wurde von Holzsäulen mit fünfeckigem Querschnitt getragen, die aus unterschiedlichen Holzarten bestanden. Gleichzeitig gestaltet er eine jede einzelne so, dass sich die Sockel- und Kapitellformen aus der Gestaltung der jeweils Vorangehenden ableiten und weiter entwickeln. Damit versucht er, der Gestaltung Entwicklungsgesetze des Lebendigen zugrunde zu legen ([[Goethe]]s [[Metamorphose]]) und in neuen [[Kunst|künstlerischen Formen]] auszudrücken. Die lebendigen Formen sind dabei ganz aus dem unmittelbaren [[Kunst|künstlerischen Erleben]] und nicht aus einer abstrakten gedanklichen Planung hervorgegangen:


Derlei Dinge erscheinen der äußeren Welt heute noch wie eine Phantasterei, weil ihr so vielfach als das Wirkliche nur das erscheint, was außerhalb des Menschen liegt. Daß der Mensch sich in einem noch viel höheren Sinne als Krone der Schöpfung erweist, erkennt er gerade dann, wenn er seinen physischen Leib in der ursprünglichen herrlichen Größe sieht, und seinen Ätherleib so sieht, wie er innerlich arbeitet: an dem physischen Leib, um das wieder zum Leben zu erwecken, was durch jenen Stich, von dem ich als vom Blute kommend gesprochen habe, getötet und gelähmt worden ist. Daran arbeitet der ätherische Leib, um es sofort, so gut es geht, wiederum zum Leben zu erwecken; er erhält es durch seine menschliche Lebenszeit hindurch, trotzdem es, wenn es geboren wird, schon zum Tode verurteilt ist. Er erhält es dadurch, dieser ätherische Leib, daß er von einem kleinen Teile der menschlichen Organisation alles das hinauswirft, was aus dem Tier- und Pflanzenreich kommt, nur den edelsten mineralischen Extrakt nimmt und ihn zusammenbringt mit den edelsten Eindrücken der äußeren Sinneswelt. Dieses wirklich tief genug empfindend, läßt einem tatsächlich diesen edelsten Teil im menschlichen Organismus erscheinen wie den vervielfältigten Heiligen Gral. Und ich wollte durch diese beiden Hindeutungen heute zeigen, wie typisch Imaginationen auftreten, wie allmählich übergeht für das wirkliche Hellsehen das Anschauen des physischen Leibes in Imaginationen. Und zu den größten Imaginationen, die man erleben kann, gehört, wenigstens für die Erdenzeit, die Paradieses- und die Grals-Imagination." {{lit|{{G|145|109ff}}}}
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"Das Goetheanum als Architektur ist ganz ideenlos entstanden, bloß indem die Formen gefühlt worden sind, aber aus dem Geiste heraus gefühlt worden sind." {{Lit|GA 276, S 116}}
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In einem überlieferten Gespräch mit [[Johanna Gräfin Keyserlingk]] zeigt Steiner auch die Verbindung der [[Gralsburg]] zu dem in der [[Apokalypse des Johannes]] als Zukunftsvision geschilderten [[Neues Jerusalem|Neuen Jerusalem]] auf: Die Gralsburg existiere wirklich in der ätherischen Welt. Das neue Jerusalem sei das Urbild, wie es in Zukunft sein werde.<ref>''Koberwitz 1924'', herausgegeben v. Adalbert Graf Keyserlingk Stuttgart 1974, S 82</ref>
Die [[Architektur]] verlässt damit das Statisch-„Tote“ und beginnt, einen Entwicklungsweg zu beschreiben. Die Künste [[Architektur]], [[Plastik]], [[Malerei]] und [[Glaskunst]] (Glasfenster) werden vereinigt, um Raum zu schaffen für weitere: die [[Musik]], das [[Schauspiel]] und die [[Eurythmie]]. Am Goetheanum haben mit die frühesten Eurythmieaufführungen mit den Eurythmisten der ersten Zeit ([[Lory Maier-Smits]], [[Tatjana Kisseleff]]) stattgefunden.


==Literatur==
==== Der grundlegende Baugedanke ====
* [[Rudolf Steiner]]: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen und sein Selbst?'', [[GA 145]] (1986), Sechster Vortrag, Den Haag, 25. März 1913 {{Vorträge|145}}


{{GA}}
Die architektonische Gestaltung des ersten Goetheanums mit seinen beiden Kuppel spiegelt in den künstlerischen Formen und Formverwandlungen den [[Einweihung]]sweg wider, durch den der [[Mensch]] von seinem gewöhnlichen, alltäglichen [[Selbst]] zu seinem [[Höheres Selbst|höheren Selbst]] geführt wird:
 
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"So wahr wir in uns tragen niederes, gewöhnliches Selbst
und höheres Selbst, und sie doch wieder eins sind, so wahr muß unser Bau ein Doppelbau
werden. Dadurch drückt er aus in seiner Form – nicht in symbolischer Weise,
sondern in der Form selbst – die zwei Naturen des Menschen. Und indem man sich
bei geöffnetem Vorhang im Bau fühlen wird, wird man ein Abbild des Menschen,
nicht nur wie er im alltäglichen Leben ist, sondern des ganzen Menschen erfühlen.
Und indem das der Fall ist, was gesagt worden ist, daß die Formen etwas wie eine Bewegung
ausdrücken von Westen nach Osten, ist der Gang des gewöhnlichen Selbst
zum höheren Selbst unmittelbar in der Form ausgedrückt." {{Lit|GA 286, S83}}
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==== Die Gestaltung der Wände ====
[[Bild:Goetheanum1-Dome.jpg|thumb|left|250px|Blick in den kleinen Kuppelsaal mit der Statue des [[Menschheitsrepräsentant]]en.]]
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"Das erste, was demjenigen auffallen wird, der diesen Bau einmal vorurteilslos betrachten wird, wird sein, daß die abschließenden Wandungen des Baues überhaupt in ganz anderem Sinne gedacht sind, als sonst bei Bauten. Die Wand, die einen Bau abschließt, ist im Grunde genommen bei allem, was bisher gebaut worden ist, künstlerisch, also für die künstlerische Anschauung, als eine Abschließung des Raumes gedacht. Wände, Grenzwände sind immer als Abschluß des Raumes gedacht, und alle architektonische, bildnerische Arbeit an den Wänden ist im Zusammenhang mit diesem Gedanken, daß die Wand, die Außenwand, abschließt. Mit diesem Gedanken, daß die Außenwand abschließt, ist, selbstverständlich nicht physisch, aber künstlerisch, bei dem Dornacher Bau gebrochen. Was bei ihm als Außenwand auftritt, ist nicht so gedacht, daß sie den Raum abschließt, sondern so, daß sie den Raum gegenüber dem ganzen Weltenall, dem Makrokosmos, öffnet. Wer also in diesem Räume drinnen ist, soll durch das, was mit den Wänden gebildet ist, das Gefühl haben, daß der Raum mit dem, was er ist, sich durch die Wände hindurch in den Makrokosmos, in das Weltenall erweitert. Alles soll Verbindungen mit dem Weltenall darstellen. So ist die reine Wand in ihrer Formengebung gedacht; so sind die Säulen gedacht, die in einigen Abständen die Wände begleiten; so ist die ganze Bildhauerarbeit, die Säulen mit Sockel, Architraven, Kapitalen und so weiter gedacht. Also eine seelisch durchsichtige Wand - im Gegensatz zu der seelisch den Raum abschließenden Wand - ist gedacht. Man soll sich frei fühlen im Unendlichen des Weltenalls. Man muß natürlich, wenn man irgend etwas tut, wie es in diesem Räume geschehen soll, sich physisch abschließen; aber man kann dann die Formen des physischen Abschlusses so halten, daß sie sich selber aufhebend durch die künstlerische Bearbeitung vernichten." {{Lit|GA 181/III, S 36f}}
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==== Der von Säulen getragener Doppelkuppelbau ====
 
Das Herzstück des ersten Goetheanums bildeten die beiden unterschiedlich grossen Kuppelräume. Der kleine, im Osten gelegene Kuppelraum war die Bühne, an den der westlich gelegene, zur Bühne hin abfallende Zuschauerraum anschloß:
 
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"Im Zusammenhange damit steht eigentlich alles übrige. Die Symmetrieverhältnisse, die wir sonst bei Bauten finden, mußten unter dem Einfluß dieses Baugedankens eigentlich aufgelöst werden. Der Dornacher Bau hat eigentlich nur eine einzige Symmetrieachse, und die geht genau von Westen nach Osten. Und alles ist auf diese einzige Symmetrieachse hingeordnet. Die Säulen, welche in einem gewissen Abstande die Wand begleiten, sind daher nicht mit einander gleichen Kapitälen versehen, sondern es sind immer nur die Kapitale und sonstigen Formgebungen von zwei Säulen links und rechts miteinander gleich. Geht man also durch das Haupttor in den Bau hinein, so kommt man zunächst zu den zwei ersten gleichen Säulen. Da ist Kapitäl, Sockel und Architravbildung gleich. Schreitet man zu dem zweiten Säulenpaar, so ist Säulenpaar, Kapitäl, Architravgedanke anders. Und so entlang des ganzen Baues. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, in die Motive der Kapitale, der Sockel Evolution hineinzubringen. Das Kapitäl der nächsten Säule entwickelt sich immer aus dem Kapital der vorhergehenden, ganz wie sich eine organisch vollkommenere Form aus einer organisch unvollkommeneren entwickelt. Was sonst in Symmetriegleichheit vorhanden ist, ist aufgelöst zu einer fortgehenden Entwickelung.
 
Der ganze Bau besteht aus zwei Hauptstücken - das andere sind Nebenbauten -, zwei Hauptstücken, die im wesentlichen Kreisgrundriß haben und oben durch Kuppeln abgeschlossen sind. Aber die Kuppeln sind so, daß sie ineinandergreifen, also in einem Kreis-abschnitt ineinandergreifen, so daß nicht vollständige Kreise die Grundflächen bilden, sondern unvollständige. Ein Stück Kreis bleibt von einem kleineren Raum nach vorn weg, und an dieses, was da wegbleibt, schließt der andere Kreis des großen Raumes, der größere Kreis an.
 
Das Ganze ist so aufgerichtet, daß man zwei Zylinder hat, der eine von größerem, der andere von kleinerem Durchschnitt. Im größeren Zylinder ist der Zuschauerraum; der andere, kleinere Zylinder ist für die Darstellung der Mysterien und des Sonstigen gedacht. Wo die beiden Kreise zusammenfließen, wird die Rednertribüne und auch der Vorhang sein. Dadurch aber sind die beiden Kuppeln ineinander-gehend. Das ist vorher noch nicht dagewesen. Es war auch technisch eine interessante Leistung: zwei Kuppeln ineinandergehen zu lassen, sich schneiden zu lassen. Das Ganze ruht als ein Holzbau auf einem Betonunterbau. Der Betonunterbau faßt eigentlich nur die Garderobenräume, und man geht dann über Betontreppen etwas in die Höhe. Auf dem Betonunterbau erhebt sich nun der eigentliche Holzbau.
 
[[Bild:Goetheanum1.gif|center|thumb|800px|Querschnitt des ersten Goetheanums in Ost-West-Richtung mit Blick nach Norden.]]
 
Längs der Wand des großen Zylinders, der sich unter der größeren Kuppel befindet, gehen auf jeder Seite sieben Säulen, in dem kleineren Raum auf jeder Seite sechs Säulen; so daß in dem kleineren Raum, der also eine Art Bühnenraum ist, zwölf Säulen im Kreise sind, und in dem großen Raum vierzehn Säulen im Kreise. Und im Kreise fortschreitend entwickeln sich die bildhauerischen Motive dieser Säulen. In ihrer Motiventwickelung sind diese Säulen so, daß sie mich selbst überrascht haben, als ich daran arbeitete. Als ich das Modell der Sache machte, als ich die Säulen mit den Kapitälen formte, war ich über eines sehr überrascht. Die Sache ist nicht im allergeringsten durchsetzt von etwas Symbolischem. Die Leute, die den Bau beschrieben und gesagt haben, da seien allerlei Symbole angebracht und die Anthroposophen arbeiteten mit Symbolen, haben Unrecht. Ein Symbol, wie die Leute es meinen, gibt es im ganzen Bau nicht. Sondern das Ganze ist aus der Gesamtform heraus gedacht, rein künstlerisch gedacht. Also es bedeutet - wenn ich den Ausdruck «bedeuten» im schlimmen Sinne gebrauchen will - nichts etwas, was es nicht ist, künstlerisch; so daß also diese fortlaufende Entwickelung der Kapitälmotive, der Architravmotive, rein aus der Anschauung heraus geschaffen ist, eine Form aus der andern. Und da ergab sich, indem ich so eine Form aus der andern entwickelte, wie selbstverständlich ein Abbild der Evolution, der wahren Evolution - nicht der darwinistisch gedachten - auch in der Natur. Das ist nicht gesucht. Aber es ergab sich auf selbstverständliche Art so, daß ich darin erkennen konnte -ich war selbst davon überrascht, daß es so wurde -, wie gewisse Organe zum Beispiel beim Menschen einfacher sind als bei einer gewissen Ordnung der niederen Tierreihe. Ich habe öfter auf die Tatsache hingewiesen, daß die Entwickelung nicht darin besteht, daß die Dinge komplizierter werden; das menschliche Auge zum Beispiel ist dadurch vollkommener, daß es einfacher ist als das Auge bei den Tieren, daß es wiederum zur Einfachheit hinarbeitet. Auch bei diesen Motiven passierte es mir, daß von dem vierten Motiv an eine Vereinfachung notwendig war. Das Vollkommenere stellt sich gerade als Einfacheres heraus.
 
Aber das war noch nicht das einzige, was mich überraschte. Sondern etwas, was mich überraschte, war, daß, wenn ich die erste Säule mit der siebenten, die zweite mit der sechsten und die dritte mit der fünften verglich, sich merkwürdige Kongruenzen herausstellten. Wenn man bildhauerisch arbeitet, hat man natürlich erhabene und hohle Flächen. Die wurden rein aus der Empfindung, aus der Anschauung heraus gearbeitet. Nahm ich aber das Kapitäl und den Sockel der siebenten Säule, so konnte ich, indem ich das Ganze in Gedanken auseinanderlegte, die Erhabenheiten der siebenten Säule mit den Vertiefungen der ersten, und die Vertiefungen der siebenten mit den Erhabenheiten der ersten zur Deckung bringen. Die Erhabenheiten der ersten Säule passen genau in die Vertiefungen der siebenten Säule hinein. Ich spreche natürlich konvex und konkav gedacht. Eine innere Symmetrie, die keine äußere ist, ergab sich als etwas ganz Selbstverständliches. Dadurch ist eigentlich in der Umwandlung und in der bildhauerischen Durcharbeitung der Umwandung etwas entstanden wie eine Art In-Bewegung-Bringen der Architektur und ein Zur-Ruhe-Bringen der Skulptur. Es ist alles zugleich Holzskulptur und zugleich Architektur.
 
[[Bild:Goetheanum1-Querschnitt.jpg|center|thumb|800px|Querschnitt durch die beiden Kuppelsäle des ersten Goetheanums.]]
 
Das Ganze ruht auf einem Betonunterbau, der nun im Inneren Motive hat, die auch die Menschen, die da hineinkommen werden, zunächst überraschen werden. Man kommt ja - das ist ganz selbstverständlich - mit vorgefaßten Motiven hinein und beurteilt es nach dem, was man schon gesehen hat. Da fällt manches auf. Manche, die gar nicht gewußt haben, was sie daraus machen sollen, haben gesagt: In Dornach hat man einen futuristischen Bau aufgeführt. Die Formen des Betonbaues sind sowohl dem neuen Material, Beton, wie auch dem, was für dieses neue Material sich ergibt in bezug auf die künstlerische Form, gedacht. Aber innerhalb der Betonumrahmung ist dann auch versucht, säulenartige Stützen zu schaffen. Da ergab sich von selbst, daß sie so aussehen wie Elementarwesen, die gnomenhaft rissig aus der Erde herauswachsen und zugleich in der Gestaltung tragen; so daß man sieht: Es trägt; es trägt aber einen Teil, der schwerer ist und schiebt ihn und rückt ihn zurück - anders, als einen Teil, der leichter ist. - Das ist der Holzunterbau." {{Lit|GA 181/III, S 37ff}}
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==== Die farbigen Glasfenster des grossen Kuppelsaals ====
[[Bild:Goetheanum1_Rotes_Westfenster.gif|thumb|300px|Das rote Westfenster, das den Weg zur [[Imagination|imaginativen Erkenntnis]] schildert.]]
 
Für [[die Glasfenster des ersten Goetheanums]] wurde nach den Angaben Rudolf Steiners eine spezielle Form der [[Glaskunst]] entwickelt, nämlich eine Form der Glasradierung, bei der einfarbigen Glasscheiben gestalte Motive einradiert wurden. Durch die so entstandene unterschiedliche Glasdicke kamen die Motive im einfallenden Sonnenlicht besonders deutlich zur Geltung. Die farbigen Glasfenster des Goetheanums wurden im sogenannten [[Glashaus (Goetheanum)|Glashaus]] hergestellt.
 
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"Nun ergab sich, was sich in München nicht ergeben hätte, wenn die Sache nur Innenarchitektur gewesen wäre, für den Dornacher Bau die Notwendigkeit, Fenster einzusetzen. Wenn Sie die Fenster verstehen wollen, bitte ich, zuerst den Versuch zu machen, den ganzen Gedanken des Holzbaues ins Auge zu fassen. Wie er dasteht, ist es eigentlich noch keine Kunst oder wenigstens noch kein Kunstwerk. Kunstwerk ist es in bezug auf Säulen, Wände und bildhauerische Gestaltung. Das Ganze, das gar keinen dekorativen Charakter haben soll, also auch nicht im dekorativen Sinne beschaffen sein sollte, dieses Ganze ist eigentlich so, daß der Mensch, der es ansieht, gewisse Empfindungen und Gedanken mit jeder Linienführung, mit jeder Flächengestaltung haben muß. Man muß ja die Linienführung und Flächengestaltung mit den Augen verfolgen. Mit dem empfindenden Auge verfolgt man es. Was man da in der Seele erlebt, den Blick an den Kunstwerken entlang laufen lassend, das ergibt eigentlich erst das Kunstwerk in bezug auf die Holzskulptur. Es entsteht eigentlich erst im menschlichen Gemüt. Der Betonunterbau und der Holzteil sind die Vorbereitung des Kunstwerkes. Das Kunstwerk muß der Mensch eigentlich selbst erst im Genüsse der Formen aufbauen. Das ist daher sozusagen der geistigste Teil des Baues. Was ins Holz hineingearbeitet ist, das ist der geistigste Teil des Baues. Was als Kunstwerk entsteht, ist eigentlich erst dann da, wenn die empfangende Seele des Zuhörenden oder des Sprechenden im Inneren ist. - Es ergab sich also die Notwendigkeit, Fenster einzusetzen, immer ein Fenster in einen Teil, der zwischen zwei Säulen ist. Für diese Fenster ergab sich durch die Fortführung des betreffenden Baugedankens dann die Notwendigkeit, eine eigene Glastechnik zu suchen. Es wurden einfarbige Glasscheiben genommen und in diese die entsprechenden Motive hineinradiert, so daß wir hier Glasfenster in Glasradierung haben. Mit demselben Instrument, das im kleinen der Zahnarzt gebraucht, wenn er einen Zahn ausbohrt, mit demselben Material ist in der dicken Glastafel ausradiert, was auszuradieren war, um eine verschiedene Dicke des Glases zu bewirken. Die verschiedene Dicke des Glases gab die Motive. Die einzelne Glastafel ist einfarbig; die Farben sind so, daß sie in ihrer Aufeinanderfolge eine Harmonie ergeben. Der Bau wird in der Symmetrieachse immer je ein gleichfarbiges Fenster haben, vom Eingange vorrückend, so daß man eine Farbenharmonie haben wird in Evolution. Aber hier ist das Kunstwerk - das Fenster als Kunstwerk - auch noch nicht fertig. Es ist erst fertig, wenn die Sonne durchscheint; so daß also hier in dem System der Glasfenster etwas geschaffen ist, wo die lebendige Natur, die draußen ist, zusammenwirken muß mit der Glasradierung, damit das Kunstwerk da ist. Auf Glastafeln werden Sie radiert finden vieles von dem Inhalt unserer Geisteswissenschaft, immer imaginativ geschaut: der träumende Mensch, der wachende Mensch in seiner Wesenheit, verschiedene Geheimnisse der Schöpfung und so weiter. Das alles nicht in Symbolen, sondern in Anschauung; alles künstlerisch gemeint, aber fertig erst, wenn die Sonne durchscheint. Also auch hier, wo durch ein anderes Mittel versucht werden mußte, den Raum durch seine eigene Abschließung zu überwinden, ist dasselbe versucht. Beim Holz und in seiner Architektur und Skulptur ist es versucht, in den Formen, die rein seelisch, in der Anschauung, den Raum überwinden und über den Raum hinausführen. Sinnlich konkreter beginnt es schon bei den Fenstern. Da ist die Verbindung mit dem durchscheinenden Sonnenlicht, das aus dem Weltenall hereinstrahlt und unsere sichtbare Welt durchstrahlt, etwas, was dazugehört. Diese zwei Teile würden also vorzugsweise einem seelischen Element entsprechen. Da ist von außen bewirkt durch das Zusammenkommen von Licht und Glasradierung was eigentlich als Kunstwerk entsteht, als seelisches Element; während es bei der Holzskulptur Geistiges ist, was in der menschlichen Seele selbst erlebt wird als Kunstwerk." {{Lit|GA 181/III, S 40ff}}
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<gallery perrow="9" widths="70" caption="Die Glasfenster des ersten Goetheanums">
Datei:Goetheanum1_Rotes_Westfenster.jpg|Rotes Westfenster (Imagination)
Datei:Goetheanum1_Gruenes_Suedfenster.jpg|Grünes Südfenster (Inspiration)
Datei:Goetheanum1_Gruenes_Nordfenster.jpg|Grünes Nordfenster (Intuition)
Datei:Goetheanum1_Blaues_Nordfenster.jpg|Blaues Nordfenster (Devachan)
Datei:Goetheanum1_Blaues_Suedfenster.jpg|Grünes Nordfenster (Astralwelt)
Datei:Goetheanum1_Violettes_Suedfenster.jpg|Violettes Südfenster (Ätherwelt)
Datei:Goetheanum1_Violettes_Nordfenster.jpg|Violettes Nordfenster (Physische Welt))
Datei:Goetheanum1_Rosa_Nordfenster.jpg|Rosa Nordfenster (Äthersehen)
Datei:Goetheanum1_Rosa_Suedfenster.jpg|Rosa Südfenster (kosmische Welt)
</gallery>
</center>
 
==== Die Kuppelmalerei ====
[[Bild:Goetheanum1_grosse_Kuppel.gif|thumb|300px|Rekonstruktion der [[Die Deckenmalerei der grossen Kuppel des ersten Goetheanums|Deckenmalerei der grossen Kuppel]] des [[Erstes Goetheanum|ersten Goetheanums]].]]
Beide Kuppelräume waren mit einer [[Deckenmalerei]] versehen:
 
<div style="margin-left:20px">
"Der dritte Teil sind die Malereien, mit denen die Kuppel ausgemalt ist. Auch diese Malereien sind in ihren Motiven unserer geisteswissenschaftlichen Weltanschauung entnommen. Man wird dort malerisch zum Ausdruck gebracht finden, was Inhalt unserer Weltanschauung ist, wenigstens über einen gewissen großen makrokosmischen Zeitraum hin. Hier haben Sie, wenn ich so sagen mag, den physischen Teil der Sache; denn in der Malerei kann man aus gewissen inneren Gründen - das auszuführen würde heute zu weit gehen - nur unmittelbar darstellen, was man eben darstellen will. Die Farbe muß selbst ausdrücken, was sie ausdrücken soll; ebenso die Linienführung. Da ist also durch den Inhalt ganz allein der Versuch gemacht, ins Makrokosmische hinauszukommen, die Kuppelwandgrenzen zu überwinden. Also durch den Inhalt gelangt man da hinaus. Es ist alles hineingemalt, was eigentlich dem Makrokosmos angehört. Dadurch ist physisch unmittelbar vor dem Auge, was gemeint ist. Wir haben versucht, die Leuchtkraft, die zum Malen dieser Motive notwendig war, dadurch hervorzubringen, daß wir Farben aus reinen Pflanzenstoffen herzustellen versuchten, die ihre bestimmte Leuchtkraft haben. Es ist dabei natürlich nicht alles so gelungen, wie es hätte gelingen können, wenn nicht der Krieg dazwischengekommen wäre. Es ist aber auch das nur ein Anfang. Natürlich mußte die ganze Art der Malerei entsprechend unserer Auffassung sein. Wir haben es ja, indem wir den geistigen Inhalt der Welt gemalt haben, nicht mit Gestalten zu tun, die man sich von einer Lichtquelle aus beleuchtet denkt, sondern mit selbstleuchtenden Gestalten. Also es ist eine ganz andere Art in der malerischen Auffassung, die da hineingebracht werden mußte. Wenn man zum Beispiel die Aura eines Menschen malt, so malt man sie ja nicht so, wie man eine physische Gestalt malt. Eine physische Gestalt malt man so, daß man Licht und Schatten so verteilt, wie die Lichtquelle das Objekt beleuchtet. Bei der Aura dagegen hat man es mit einem selbstleuchtenden Objekt zu tun. Dadurch ist der Charakter der Malerei ein ganz anderer." {{Lit|GA 181/III, S 42f}}
</div>
 
[[Bild:Representative-Of-Humanity.jpg|thumb|left|Die Statue des [[Menschheitsrepräsentant]]en.]]
[[Die Deckenmalerei der kleinen Kuppel des ersten Goetheanums]] zeigte im Osten ein Bild des [[Christus]] als [[Menschheitsrepräsentant]]en, zu seinen Füßen [[Ahriman]] und überschwebt von [[Luzifer]]. Von hier ausgehend waren die nördliche und die südliche Kuppelhälfte spiegelbildlich mit den selben Motiven versehen, welche die Repräsentanten verschiedener [[Kulturepochen]] und deren Inspiratoren zeigten. [[Die Deckenmalerei der grossen Kuppel des ersten Goetheanums|Die Deckenmalerei der grossen Kuppel]] brachte eine Vielzahl von Motiven aus der Geistesgeschichte der [[Menschheit]] zur Anschauung.
 
==== Akustik ====
 
Um für den Innenraum eine gute Akustik zu erzielen, wurden die Kuppeln doppelt ausgeführt, mit einem Hohlraum dazwischen, der als Resonanzraum wirkt:
 
<div style="margin-left:20px">
"So versuchten wir ja das Problem der Akustik in diesem Bau zu lösen.
Gewiß werden solche Probleme nicht gleich auf den ersten Anhieb gelöst werden,
aber Richtung wird wenigstens gegeben werden, indem gezeigt werden wird, wie
man durch geometrische Berechnungen oder durch die gewöhnlichen architektonischen
äußeren künstlerischen Regeln das Problem der Akustik nicht lösen kann,
sondern nur auf dem Wege des geisteswissenschaftlichen Denkens. Der kuppelförmige
Überbau wird ein doppelter sein, und
er wird nach dem Prinzip des Violinresonanzbodens wirken und damit einen Teil des
akustischen Gedankens des Raumes zum Ausdruck bringen. Es wird versucht werden,
daß ein Ton klar auseinandergelegt zur Geltung kommen kann von allen Punkten
des Raumes." {{Lit|GA 157, S 250}}
</div>
 
Die aus symmetrischen massiven Hölzern massiv verleimten Säulen, die aus sieben verschiedenen Holzsorten gefertigt wurden, hatten auch eine akustische Funktion und dienten dazu, den Ton in rechter Weise in den Raum zurückzuwerfen:
 
<div style="margin-left:20px">
"Es ist für die Akustik das Zusammenschauen und Zusammenempfinden
eines viel weiteren Kreises von Faktoren notwendig, um solche Dinge
hervorzurufen, wodurch in einem Raum, der zu gleicher Zeit schön sein soll, dennoch
der Ton in einer entsprechenden Weise gehört wird, weil er immer von der
Wand, auf die er auffällt, nicht nur zurückgeworfen, sondern auch aufgesogen wird.
Er dringt immer eine gewisse Strecke hinein und wird dann erst zurückgeworfen. Es
ist das Materialgefühl da, wenn man den Ton in einem gewissen Raume, der eben
seine Wände in einem bestimmten Material hat, hört. Und so muß man, um die
Möglichkeiten der Reflexion hervorzurufen, Verschiedenes zusammenschauen. Und
unter diesem Zusammenschauen sind auch die verschiedenen sieben Holzsorten
der Säulen gewählt. Die
sind geradezu dazu da, um der Akustik zu dienen, also der Akustik, die durch Reflexion
hervorgebracht wird." {{Lit|GA 283, S 93}}
</div>
 
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<gallery perrow="6" widths="120" caption="Das erste Goetheanum in alten Ansichten"> 
  Bild:Goetheanum1 Grundriss.gif|Grundriss
  Bild:Goetheanum1 Querschnitt.gif|Querschnitt
  Bild:Goetheanummodell_Steiner.jpg|Modell
  Bild:Goetheanum1 Rohbau.jpg|Rohbau
  Bild:Goetheanum1 Eingang.jpg|Eingang
  Bild:Goetheanum-Ruine.jpg|Brandruine
</gallery>
</center>
 
=== Zerstörung durch Brandstiftung ===
 
In der Nacht auf den 1. Januar 1923 wurde das mit 3'183'000 [[Wikipedia:Schweizer Franken|Schweizer Franken]] versicherte<ref>[[Wikipedia:Helmut Zander|Helmut Zander]]: ''Anthroposophie in Deutschland: theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945'', Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1160</ref> Gebäude durch Brandstiftung vollständig zerstört; übrig blieb lediglich der Betonsockel.
 
Ermittlungen zufolge muss der Brand als [[Wikipedia:Schwelbrand|Schwelbrand]] zwischen den Wänden gelegt worden sein, damit er sich unbemerkt und langsam ausbreiten konnte. Der oder die Brandstifter wurden nie ermittelt. Da die Mitglieder der anthroposophischen Strömung immer wieder angefeindet und angepöbelt wurden spricht eine Theorie dafür, dass der Brand von dem Personenkreis gelegt wurde, der den Anthroposophen gegenüber feindlich eingestellt war.<ref>Hasler: ''Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte'', S. 85</ref> Steiner äusserte sich dazu wie folgt:
{{Zitat|Gerade gelegentlich des schrecklichen Brandunglücks kam es wiederum zutage, welche abenteuerlichen Vorstellungen sich in der Welt knüpfen an alles das, was mit diesem Goetheanum in Dornach gemeint war, und was in ihm getrieben werden sollte. Es wird gesprochen von dem schrecklichsten Aberglauben, der dort verbreitet werden soll.|Rudolf Steiner in einem Vortrag in Basel am 9. April 1923<ref>[http://www.menschenkunde.com/pdf/RSteiner/rst1923_04_09_was_wollte_das_goetheanum.pdf Vortrag am 9. April 1923 in Basel], Abgerufen am 7. Juli 2011</ref>}}
Eine andere Vermutung richtete sich gegen den Arlesheimer Uhrmacher und Anthroposophen Jakob Ott, der in Gegensatz zu Steiners Ansichten gestanden haben soll. Dass er auf Grund dieser „inneren Opposition“ den Brand legte, konnte nie bewiesen werden. Ott wurde den Ermittlungsakten zufolge am Tag der Brandstiftung am Goetheanum gesehen und kam dort infolge der „Ereignisse“ um. Eine dort gefundene Leiche konnte mit gewisser Wahrscheinlichkeit seiner Person zugeordnet werden.<ref>Zander: ''Anthroposophie in Deutschland: theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945''. S. 1152.</ref>
 
==Das zweite Goetheanum (1924-1928)==
[[Bild:goetheanum2.jpg|thumb|250px|Das zweite Goetheanum]]
[[Datei:Dornach goetheanum grossersaal.jpg|thumb|left|250px|Der große Saal des zweiten Goetheanums]]
Das zweite Goetheanum wurde gebaut als Zentrum zur Ausübung der weltweiten [[Anthroposophie|anthroposophischen]] Tätigkeiten. Es ist Sitz der Allgemeinen [[Anthroposophische Gesellschaft|Anthroposophischen Gesellschaft]] sowie der freien Hochschule für [[Geisteswissenschaft]] mit ihren Sektionen. Das Gebäude wurde 1925-1928 als Nachfolgebau des ersten Goetheanum brandsicher in [[Wikipedia:Beton|Beton]] errichtet. Die räumliche Konzeption war im Prinzip die gleiche wie diejenige des ersten Baues: ein grosser Saal mit ca. 1000 (900) Sitzplätzen und eine Bühne für Schauspiel (Faust von [[Goethe]], für Mysteriendramen von R. Steiner und andere Inszenierungen) wie auch für [[Eurythmie]] und Vorträge. Rudolf Steiner fertigte für das zweite Goetheanum ein Aussenmodell an, das Grundlage für die Baueingabepläne war. An der Ausführung des Baues konnte er nicht mehr mitwirken, da er im Frühjahr 1925 verstarb.
 
===Architektur===
 
Das erste Goetheanum war in seiner Gestalt stark durch [[Wikipedia:Geometrie|geometrische]] Verhältnisse geprägt. Die einzelnen Formen jedoch waren in lebendige Bewegung übergeführt. Beim zweiten Goetheanum finden wir nun die Gestalt des ganzen Baues von dieser Bewegung ergriffen. Im Osten gleicht er einem verschlossenen [[Wikipedia:Kubus|Kubus]], der aber, je weiter er sich nach Westen erstreckt, immer bewegter und dynamischer wird. Es schiene im Osten des Baues im Inneren verborgen etwas zu entstehen, was im Westen seine Offenbarung und Verwirklichung hinaus in die Welt fände. So bringen sich in diesem Bau zwei polare Weltenkräfte zum Ausdruck. Die eine sei in sich verschlossen, verberge etwas in sich, tendiere in die Schwere (Osten), die andere wende sich nach aussen, teile sich mit und tendiere in die Leichte (Westen). Doch zeige sich in diesem Bau noch eine dritte Kraft, welche die ersten beiden ergreift und verbindet. Sie führt diese in eine gesteigerte Bewegung.
 
=== Glasfenster ===
 
Da die Glasfenster beim Brand des ersten Goetheanums in der Silvesternacht [[Wikipedia:1922|1922]]/[[Wikipedia:1923|23]] zerstört worden waren, gravierte sie [[Assia Turgenieff]] für das zweite Goetheanum neu. Wegen der geänderten Architektur konnte allerdings nur für das [[Das rote Westfenster des ersten Goetheanums|rote Westfenster]] die ursprüngliche Anordnung mit zwei schmalen Seitenfenstern und einem großen Mittelfenster beibehalten werden. Bei den anderen acht Fenstern wurden die schmalen Seitenmotive unterhalb des breiten Hauptmotivs angeordnet.
 
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<gallery perrow="4" widths="150" caption="Das zweite Goetheanum nach zeitgenössischen Zeitungsansichten (Januar 1929):"> 
  Bild:Goetheanum_Dornach1.jpg|
  Bild:Goetheanum_Dornach2.jpg|
  Bild:Goetheanum_Dornach3.jpg|
  Bild:Goetheanum_Dornach4.jpg|
</gallery>
 
<gallery perrow="7" widths="95" caption="Das zweite Goetheanum in aktuellen Ansichten:"> 
  Bild:Goetheanum2_Westfasade.jpg|
  Bild:Goetheanum2a.jpg|
  Bild:Goetheanum2b.jpg|
  Bild:Goetheanum2c.jpg|
  Bild:Goetheanum2d.jpg|
  Bild:Goetheanum2e.jpg|
  Bild:Goetheanum2f.jpg|
</gallery>
</center>
 
==Die Nebenbauten==
Mit diesem Namen wird häufig eine Reihe von Gebäuden bezeichnet, die Rudolf Steiner in der unmittelbaren Nähe des Goetheanum entwarf. Sie bilden eine Einheit mit dem Hauptgebäude und mit der Geländegestaltung, die auch zum grossen Teil von Rudolf Steiner stammt. Architektonisch besonders bedeutsam sind das 1914 errichtete [[Heizhaus (Goetheanum)|Heizhaus]], das das Goetheanum mit [[Wärme]] versorgt, das ebenfalls 1914 fertiggestellte [[Glashaus (Goetheanum)|Glashaus]], in dem die Glasfenster für das Erste Goetheanum geschliffen wurden, sowie das 1923 errichtete [[Eurythmeum (Goetheanum)|Eurythmeum]] und das 1913 gebaute [[Haus Duldeck]], das seit [[Wikipedia:2002|2002]] Sitz des [[Rudolf Steiner Archiv]]s ist.
 
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<gallery perrow="4" caption="Die Nebenbauten auf dem Goetheanumgelände">
  Bild:Goetheanum-Heizhaus.gif|[[Heizhaus (Goetheanum)|Heizhaus]]
  Bild:Goetheanum-Glashaus1.jpg|[[Glashaus (Goetheanum)|Glashaus]]
  Bild:Goetheanum-Eurythmeum.jpg|[[Eurythmeum (Goetheanum)|Eurythmeum]]
  Bild:Haus Duldeck (Dornach).jpg|[[Haus Duldeck]]
</gallery>
</center>
 
==Veranstaltungen==
===Faust===
Berühmt ist das Goetheanum vorallem wegen der regelmäßigen [[Faust I|Faust-Aufführungen]].
Der Goetheanum-Bühne gebührt das Verdienst, 1938 als erstes beide Teile von [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] Faust ([[Faust I]], [[Faust II]]) inszeniert zu haben. Seitdem werden im Abstand einiger Jahre unter wechselnden [[anthroposophie|anthroposophischen]] Regisseuren zyklische Aufführungen und Tagungen veranstaltet, zuletzt von April bis August 2004.
 
=== Mysteriendramen ===
Auf der Goetheanum-Bühne werden auch immer wieder die [[Mysteriendramen]] [[Rudolf Steiner]]s zur Aufführung gebracht.
 
==Berichte==
''(...)dabei macht es das Gebäude unvorbereiteten Besuchern nicht leicht. Die äußere Würde verwandelt sich jenseits der Pforte in herrische Autorität. Klotzige Betonträger ragen schief in die Räume, asymmetrische Fenster lenken den Blick in den leeren Himmel, der Atem hallt merkwürdig in den düsteren Treppenhäusern. Alles ist riesig und klobig. (...)<br>
''Beim Warten auf den Bus kann man den Betonkoloss noch einmal aus sicherer Distanz auf sich wirken lassen. Es ist eine strenge und gleichberechtigte Verbindung, die Masse und Körperlosigkeit miteinander eingehen. Geschaffen wurde sie zu einer Zeit, in der Beton als Baustoff noch nicht gebräuchlich war. Plötzlich ist die visionäre Kraft spürbar, die von diesem Ort einmal ausgegangen sein muss. In überwältigender Klarheit scheint das Gebäude plötzlich einen Gedanken auszudrücken: Die größte Freiheit und das größte Glück des Menschen liegen darin, denken zu können. So etwas kann ein Gebäude sagen? Einfach mittels gebogener Betonmauern? So etwas verstört den skeptischen Besucher.''<br>
Der ganze Artikel der [http://www.zeit.de/2004/50/Dornach Wochenzeitung ''Die Zeit''].
 
== Anmerkungen ==


== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>


[[Kategorie:Imagination]]
== Literatur ==
#Carl Kemper: ''Der Bau. Studien zur Architektur und Plastik des ersten Goetheanum.'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0534-1
#Rudolf Steiner: ''Menschenschicksale und Völkerschicksale'', [[GA 157]] (1981)
#Rudolf Steiner: ''Erdensterben und Weltenleben. Anthroposophische Lebensgaben. Bewußtseins-Notwendigkeiten für Gegenwart und Zukunft'', [[GA 181]] (1991), Sechzehnter Vortrag, Berlin, 3. Juli 1918
#Rudolf Steiner: ''Das Künstlerische in seiner Weltmission'', [[GA 276]] (2002)
#Rudolf Steiner: ''Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen'', [[GA 283]] (1989)
#Rudolf Steiner: ''Wege zu einem neuen Baustil'', [[GA 286]] (1982)
 
==Weblinks==
* [http://www.goetheanum.org/ Die vom Goetheanum Betriebene Website Goetheanum.org]
* [http://maps.google.de/?ie=UTF8&hl=de&q=Goetheanum+Rüttiweg+45+4143+Dornach,+Schweiz&f=q&ll=47.48603,7.62029&spn=0.002759,0.004973&t=h&z=18 Die Lage des Goetheanums in Google-Maps]
 
=== Videos ===
* [http://www.youtube.com/watch?v=OWX8-L65PRU&NR=1&feature=fvwp Goetheanum and surrounding buildings in Dornach Switzerland lovely architecture]
 
[[Kategorie:Architektur]] [[Kategorie:Goetheanum]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 7. August 2011, 18:11 Uhr

Datei:Goetheanumfront.jpg

Südfassade

Das Goetheanum ist ein von Rudolf Steiner entworfener Monumentalbau in Dornach bei Basel in der Schweiz und heute der Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft sowie der freien Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren Sektionen.

Nachdem das 1913 begonnene erste Goetheanum am 31. Dezember 1922 durch Brandstiftung zerstört worden war, legte man 1924 den Grundstein für ein zweites Goetheanum, das 1928 in Betrieb genommen wurde.

Der geplante Johannesbau in München

Risszeichnung des Johannesbau, Ansicht gegen Fuchsstraße.

In einem gemieteten Theatersaal in München wurde zwischen 1910 und 1913 jährlich ein Mysteriendrama von Rudolf Steiner aufgeführt. Aus dem Umkreis Rudolf Steiners kam der Wunsch, dazu wie auch zu Eurythmieaufführungen einen eigenen geeigneten Saal zu bauen. Zu diesem Zweck sollte der Johannesbau in München an der Ungererstraße in Schwabing errichtet werden. Der Name des Baus leitet sich von Johannes Thomasius, dem Protagonisten der Mysteriendramen Steiners, ab. Der Johannesbau sollte bereits, wie später das Goetheanum, als Doppelkuppelbau ausgeführt werden, nach einer Idee, die Steiner erstmals schon 1908 gefasst hatte. Mit der Planung wurde der Architekt Carl Schmid-Curtius (1884–1931) betraut, der dann auch bis 1914 der erste Architekt des Goetheanums in Dornach war. Auf Forderung der Münchner Behörden und wegen des Widerstands der Kiche, der umliegenden Anwohner und auch der Münchner Künstlerschaft mussten die Entwürfe immer wieder umgearbeitet werden. Am 12. Januar 1913 wurde das Bauvorhaben schließlich durch den Staatsminister des Inneren Maximilian von Soden-Fraunhofen aufgrund „schönheitlicher Standpunkte“ abgelehnt. Nachdem auch der Einspruch gegen diesen Entscheid am 6. Oktober 1913 abgelehnt worden war, wurde das Bauvorhaben in München endgültig aufgegeben.

Das erste Goetheanum (1913-1922)

Das erste Goetheanum, das in der Silvesternacht 1922/23 durch Brandstiftung zerstört wurde.
Blick auf den Westeingang des ersten Goetheanums mit dem Haus Duldeck rechts im Vordergrund (1921).

Nachdem der projektierte Johannesbau in München nicht errichtet werden konnte, wurde der Bau auf geschenktes Land in Dornach umgeplant. Nach der Grundsteinlegung 1913 begannen 1914 die eigentlichen Bauarbeiten, die sich allerdings während des Ersten Weltkrieges wesentlich verzögerten. Noch unfertig, wurde der Bau in der Silvesternacht von 1922/23 durch Brandstiftung zerstört.

Architektur

Das erste Goetheanum wurde als Holzbau aufgerichtet, der auf einem Betonsockel ruhte. Wie schon im Münchner Projekt bestand die Grundrissgestalt aus zwei ungleich grossen Kuppelräumen, die auf zwei ebenfalls unterschiedlich grossen Rotunden ruhten, die sich gegenseitig durchdrangen. Das Verhältnis zwischen kleiner und grosser Kuppel war 3:4. Der Radius des kleinen Kreises war 12.40 Meter, der des grossen 17 Meter. Der Radius des Säulenkreises im Bühnenbereich mass 9.40 Meter, im Zuschauerbereich 13 Meter. Beide Kuppeln waren von aussen mit blaugrünsilbriger norwegischem Schiefer aus Voss gedeckt.[1] Der Bühnenteil im Erdgeschoss war von einem halbrunden Raumteil für die Kulisse umgeben sowie von den angrenzenden Garderoben, welche in der Art eines Querschiffs angeordnet waren. Der Sockelbau wurde auf Wunsch Steiners in Beton gegossen, da damit eine besondere Formgestaltung möglich ist und sich der Bau damit an die umgebende Gebirgsformation des Juras anpassen könne.[2] Das Betonuntergeschoss war im Februar 1914 fertiggestellt, so dass mit dem Holzgerüst für den Oberbau begonnen werden konnte.

Durch die Art der Proportionen kann der Eindruck eines einzigen grossen gegliederten Raumes wie auch der von zwei Räumen entstehen. Mit den Säulen im Innern des Baues schliesst Rudolf Steiner an frühere Architekturepochen an. Die Kuppeln im Zuschauer- und Bühnenraum wurde von Holzsäulen mit fünfeckigem Querschnitt getragen, die aus unterschiedlichen Holzarten bestanden. Gleichzeitig gestaltet er eine jede einzelne so, dass sich die Sockel- und Kapitellformen aus der Gestaltung der jeweils Vorangehenden ableiten und weiter entwickeln. Damit versucht er, der Gestaltung Entwicklungsgesetze des Lebendigen zugrunde zu legen (Goethes Metamorphose) und in neuen künstlerischen Formen auszudrücken. Die lebendigen Formen sind dabei ganz aus dem unmittelbaren künstlerischen Erleben und nicht aus einer abstrakten gedanklichen Planung hervorgegangen:

"Das Goetheanum als Architektur ist ganz ideenlos entstanden, bloß indem die Formen gefühlt worden sind, aber aus dem Geiste heraus gefühlt worden sind." (Lit.: GA 276, S 116)

Die Architektur verlässt damit das Statisch-„Tote“ und beginnt, einen Entwicklungsweg zu beschreiben. Die Künste Architektur, Plastik, Malerei und Glaskunst (Glasfenster) werden vereinigt, um Raum zu schaffen für weitere: die Musik, das Schauspiel und die Eurythmie. Am Goetheanum haben mit die frühesten Eurythmieaufführungen mit den Eurythmisten der ersten Zeit (Lory Maier-Smits, Tatjana Kisseleff) stattgefunden.

Der grundlegende Baugedanke

Die architektonische Gestaltung des ersten Goetheanums mit seinen beiden Kuppel spiegelt in den künstlerischen Formen und Formverwandlungen den Einweihungsweg wider, durch den der Mensch von seinem gewöhnlichen, alltäglichen Selbst zu seinem höheren Selbst geführt wird:

"So wahr wir in uns tragen niederes, gewöhnliches Selbst und höheres Selbst, und sie doch wieder eins sind, so wahr muß unser Bau ein Doppelbau werden. Dadurch drückt er aus in seiner Form – nicht in symbolischer Weise, sondern in der Form selbst – die zwei Naturen des Menschen. Und indem man sich bei geöffnetem Vorhang im Bau fühlen wird, wird man ein Abbild des Menschen, nicht nur wie er im alltäglichen Leben ist, sondern des ganzen Menschen erfühlen. Und indem das der Fall ist, was gesagt worden ist, daß die Formen etwas wie eine Bewegung ausdrücken von Westen nach Osten, ist der Gang des gewöhnlichen Selbst zum höheren Selbst unmittelbar in der Form ausgedrückt." (Lit.: GA 286, S83)

Die Gestaltung der Wände

Blick in den kleinen Kuppelsaal mit der Statue des Menschheitsrepräsentanten.

"Das erste, was demjenigen auffallen wird, der diesen Bau einmal vorurteilslos betrachten wird, wird sein, daß die abschließenden Wandungen des Baues überhaupt in ganz anderem Sinne gedacht sind, als sonst bei Bauten. Die Wand, die einen Bau abschließt, ist im Grunde genommen bei allem, was bisher gebaut worden ist, künstlerisch, also für die künstlerische Anschauung, als eine Abschließung des Raumes gedacht. Wände, Grenzwände sind immer als Abschluß des Raumes gedacht, und alle architektonische, bildnerische Arbeit an den Wänden ist im Zusammenhang mit diesem Gedanken, daß die Wand, die Außenwand, abschließt. Mit diesem Gedanken, daß die Außenwand abschließt, ist, selbstverständlich nicht physisch, aber künstlerisch, bei dem Dornacher Bau gebrochen. Was bei ihm als Außenwand auftritt, ist nicht so gedacht, daß sie den Raum abschließt, sondern so, daß sie den Raum gegenüber dem ganzen Weltenall, dem Makrokosmos, öffnet. Wer also in diesem Räume drinnen ist, soll durch das, was mit den Wänden gebildet ist, das Gefühl haben, daß der Raum mit dem, was er ist, sich durch die Wände hindurch in den Makrokosmos, in das Weltenall erweitert. Alles soll Verbindungen mit dem Weltenall darstellen. So ist die reine Wand in ihrer Formengebung gedacht; so sind die Säulen gedacht, die in einigen Abständen die Wände begleiten; so ist die ganze Bildhauerarbeit, die Säulen mit Sockel, Architraven, Kapitalen und so weiter gedacht. Also eine seelisch durchsichtige Wand - im Gegensatz zu der seelisch den Raum abschließenden Wand - ist gedacht. Man soll sich frei fühlen im Unendlichen des Weltenalls. Man muß natürlich, wenn man irgend etwas tut, wie es in diesem Räume geschehen soll, sich physisch abschließen; aber man kann dann die Formen des physischen Abschlusses so halten, daß sie sich selber aufhebend durch die künstlerische Bearbeitung vernichten." (Lit.: GA 181/III, S 36f)

Der von Säulen getragener Doppelkuppelbau

Das Herzstück des ersten Goetheanums bildeten die beiden unterschiedlich grossen Kuppelräume. Der kleine, im Osten gelegene Kuppelraum war die Bühne, an den der westlich gelegene, zur Bühne hin abfallende Zuschauerraum anschloß:

"Im Zusammenhange damit steht eigentlich alles übrige. Die Symmetrieverhältnisse, die wir sonst bei Bauten finden, mußten unter dem Einfluß dieses Baugedankens eigentlich aufgelöst werden. Der Dornacher Bau hat eigentlich nur eine einzige Symmetrieachse, und die geht genau von Westen nach Osten. Und alles ist auf diese einzige Symmetrieachse hingeordnet. Die Säulen, welche in einem gewissen Abstande die Wand begleiten, sind daher nicht mit einander gleichen Kapitälen versehen, sondern es sind immer nur die Kapitale und sonstigen Formgebungen von zwei Säulen links und rechts miteinander gleich. Geht man also durch das Haupttor in den Bau hinein, so kommt man zunächst zu den zwei ersten gleichen Säulen. Da ist Kapitäl, Sockel und Architravbildung gleich. Schreitet man zu dem zweiten Säulenpaar, so ist Säulenpaar, Kapitäl, Architravgedanke anders. Und so entlang des ganzen Baues. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, in die Motive der Kapitale, der Sockel Evolution hineinzubringen. Das Kapitäl der nächsten Säule entwickelt sich immer aus dem Kapital der vorhergehenden, ganz wie sich eine organisch vollkommenere Form aus einer organisch unvollkommeneren entwickelt. Was sonst in Symmetriegleichheit vorhanden ist, ist aufgelöst zu einer fortgehenden Entwickelung.

Der ganze Bau besteht aus zwei Hauptstücken - das andere sind Nebenbauten -, zwei Hauptstücken, die im wesentlichen Kreisgrundriß haben und oben durch Kuppeln abgeschlossen sind. Aber die Kuppeln sind so, daß sie ineinandergreifen, also in einem Kreis-abschnitt ineinandergreifen, so daß nicht vollständige Kreise die Grundflächen bilden, sondern unvollständige. Ein Stück Kreis bleibt von einem kleineren Raum nach vorn weg, und an dieses, was da wegbleibt, schließt der andere Kreis des großen Raumes, der größere Kreis an.

Das Ganze ist so aufgerichtet, daß man zwei Zylinder hat, der eine von größerem, der andere von kleinerem Durchschnitt. Im größeren Zylinder ist der Zuschauerraum; der andere, kleinere Zylinder ist für die Darstellung der Mysterien und des Sonstigen gedacht. Wo die beiden Kreise zusammenfließen, wird die Rednertribüne und auch der Vorhang sein. Dadurch aber sind die beiden Kuppeln ineinander-gehend. Das ist vorher noch nicht dagewesen. Es war auch technisch eine interessante Leistung: zwei Kuppeln ineinandergehen zu lassen, sich schneiden zu lassen. Das Ganze ruht als ein Holzbau auf einem Betonunterbau. Der Betonunterbau faßt eigentlich nur die Garderobenräume, und man geht dann über Betontreppen etwas in die Höhe. Auf dem Betonunterbau erhebt sich nun der eigentliche Holzbau.

Querschnitt des ersten Goetheanums in Ost-West-Richtung mit Blick nach Norden.

Längs der Wand des großen Zylinders, der sich unter der größeren Kuppel befindet, gehen auf jeder Seite sieben Säulen, in dem kleineren Raum auf jeder Seite sechs Säulen; so daß in dem kleineren Raum, der also eine Art Bühnenraum ist, zwölf Säulen im Kreise sind, und in dem großen Raum vierzehn Säulen im Kreise. Und im Kreise fortschreitend entwickeln sich die bildhauerischen Motive dieser Säulen. In ihrer Motiventwickelung sind diese Säulen so, daß sie mich selbst überrascht haben, als ich daran arbeitete. Als ich das Modell der Sache machte, als ich die Säulen mit den Kapitälen formte, war ich über eines sehr überrascht. Die Sache ist nicht im allergeringsten durchsetzt von etwas Symbolischem. Die Leute, die den Bau beschrieben und gesagt haben, da seien allerlei Symbole angebracht und die Anthroposophen arbeiteten mit Symbolen, haben Unrecht. Ein Symbol, wie die Leute es meinen, gibt es im ganzen Bau nicht. Sondern das Ganze ist aus der Gesamtform heraus gedacht, rein künstlerisch gedacht. Also es bedeutet - wenn ich den Ausdruck «bedeuten» im schlimmen Sinne gebrauchen will - nichts etwas, was es nicht ist, künstlerisch; so daß also diese fortlaufende Entwickelung der Kapitälmotive, der Architravmotive, rein aus der Anschauung heraus geschaffen ist, eine Form aus der andern. Und da ergab sich, indem ich so eine Form aus der andern entwickelte, wie selbstverständlich ein Abbild der Evolution, der wahren Evolution - nicht der darwinistisch gedachten - auch in der Natur. Das ist nicht gesucht. Aber es ergab sich auf selbstverständliche Art so, daß ich darin erkennen konnte -ich war selbst davon überrascht, daß es so wurde -, wie gewisse Organe zum Beispiel beim Menschen einfacher sind als bei einer gewissen Ordnung der niederen Tierreihe. Ich habe öfter auf die Tatsache hingewiesen, daß die Entwickelung nicht darin besteht, daß die Dinge komplizierter werden; das menschliche Auge zum Beispiel ist dadurch vollkommener, daß es einfacher ist als das Auge bei den Tieren, daß es wiederum zur Einfachheit hinarbeitet. Auch bei diesen Motiven passierte es mir, daß von dem vierten Motiv an eine Vereinfachung notwendig war. Das Vollkommenere stellt sich gerade als Einfacheres heraus.

Aber das war noch nicht das einzige, was mich überraschte. Sondern etwas, was mich überraschte, war, daß, wenn ich die erste Säule mit der siebenten, die zweite mit der sechsten und die dritte mit der fünften verglich, sich merkwürdige Kongruenzen herausstellten. Wenn man bildhauerisch arbeitet, hat man natürlich erhabene und hohle Flächen. Die wurden rein aus der Empfindung, aus der Anschauung heraus gearbeitet. Nahm ich aber das Kapitäl und den Sockel der siebenten Säule, so konnte ich, indem ich das Ganze in Gedanken auseinanderlegte, die Erhabenheiten der siebenten Säule mit den Vertiefungen der ersten, und die Vertiefungen der siebenten mit den Erhabenheiten der ersten zur Deckung bringen. Die Erhabenheiten der ersten Säule passen genau in die Vertiefungen der siebenten Säule hinein. Ich spreche natürlich konvex und konkav gedacht. Eine innere Symmetrie, die keine äußere ist, ergab sich als etwas ganz Selbstverständliches. Dadurch ist eigentlich in der Umwandlung und in der bildhauerischen Durcharbeitung der Umwandung etwas entstanden wie eine Art In-Bewegung-Bringen der Architektur und ein Zur-Ruhe-Bringen der Skulptur. Es ist alles zugleich Holzskulptur und zugleich Architektur.

Querschnitt durch die beiden Kuppelsäle des ersten Goetheanums.

Das Ganze ruht auf einem Betonunterbau, der nun im Inneren Motive hat, die auch die Menschen, die da hineinkommen werden, zunächst überraschen werden. Man kommt ja - das ist ganz selbstverständlich - mit vorgefaßten Motiven hinein und beurteilt es nach dem, was man schon gesehen hat. Da fällt manches auf. Manche, die gar nicht gewußt haben, was sie daraus machen sollen, haben gesagt: In Dornach hat man einen futuristischen Bau aufgeführt. Die Formen des Betonbaues sind sowohl dem neuen Material, Beton, wie auch dem, was für dieses neue Material sich ergibt in bezug auf die künstlerische Form, gedacht. Aber innerhalb der Betonumrahmung ist dann auch versucht, säulenartige Stützen zu schaffen. Da ergab sich von selbst, daß sie so aussehen wie Elementarwesen, die gnomenhaft rissig aus der Erde herauswachsen und zugleich in der Gestaltung tragen; so daß man sieht: Es trägt; es trägt aber einen Teil, der schwerer ist und schiebt ihn und rückt ihn zurück - anders, als einen Teil, der leichter ist. - Das ist der Holzunterbau." (Lit.: GA 181/III, S 37ff)

Die farbigen Glasfenster des grossen Kuppelsaals

Das rote Westfenster, das den Weg zur imaginativen Erkenntnis schildert.

Für die Glasfenster des ersten Goetheanums wurde nach den Angaben Rudolf Steiners eine spezielle Form der Glaskunst entwickelt, nämlich eine Form der Glasradierung, bei der einfarbigen Glasscheiben gestalte Motive einradiert wurden. Durch die so entstandene unterschiedliche Glasdicke kamen die Motive im einfallenden Sonnenlicht besonders deutlich zur Geltung. Die farbigen Glasfenster des Goetheanums wurden im sogenannten Glashaus hergestellt.

"Nun ergab sich, was sich in München nicht ergeben hätte, wenn die Sache nur Innenarchitektur gewesen wäre, für den Dornacher Bau die Notwendigkeit, Fenster einzusetzen. Wenn Sie die Fenster verstehen wollen, bitte ich, zuerst den Versuch zu machen, den ganzen Gedanken des Holzbaues ins Auge zu fassen. Wie er dasteht, ist es eigentlich noch keine Kunst oder wenigstens noch kein Kunstwerk. Kunstwerk ist es in bezug auf Säulen, Wände und bildhauerische Gestaltung. Das Ganze, das gar keinen dekorativen Charakter haben soll, also auch nicht im dekorativen Sinne beschaffen sein sollte, dieses Ganze ist eigentlich so, daß der Mensch, der es ansieht, gewisse Empfindungen und Gedanken mit jeder Linienführung, mit jeder Flächengestaltung haben muß. Man muß ja die Linienführung und Flächengestaltung mit den Augen verfolgen. Mit dem empfindenden Auge verfolgt man es. Was man da in der Seele erlebt, den Blick an den Kunstwerken entlang laufen lassend, das ergibt eigentlich erst das Kunstwerk in bezug auf die Holzskulptur. Es entsteht eigentlich erst im menschlichen Gemüt. Der Betonunterbau und der Holzteil sind die Vorbereitung des Kunstwerkes. Das Kunstwerk muß der Mensch eigentlich selbst erst im Genüsse der Formen aufbauen. Das ist daher sozusagen der geistigste Teil des Baues. Was ins Holz hineingearbeitet ist, das ist der geistigste Teil des Baues. Was als Kunstwerk entsteht, ist eigentlich erst dann da, wenn die empfangende Seele des Zuhörenden oder des Sprechenden im Inneren ist. - Es ergab sich also die Notwendigkeit, Fenster einzusetzen, immer ein Fenster in einen Teil, der zwischen zwei Säulen ist. Für diese Fenster ergab sich durch die Fortführung des betreffenden Baugedankens dann die Notwendigkeit, eine eigene Glastechnik zu suchen. Es wurden einfarbige Glasscheiben genommen und in diese die entsprechenden Motive hineinradiert, so daß wir hier Glasfenster in Glasradierung haben. Mit demselben Instrument, das im kleinen der Zahnarzt gebraucht, wenn er einen Zahn ausbohrt, mit demselben Material ist in der dicken Glastafel ausradiert, was auszuradieren war, um eine verschiedene Dicke des Glases zu bewirken. Die verschiedene Dicke des Glases gab die Motive. Die einzelne Glastafel ist einfarbig; die Farben sind so, daß sie in ihrer Aufeinanderfolge eine Harmonie ergeben. Der Bau wird in der Symmetrieachse immer je ein gleichfarbiges Fenster haben, vom Eingange vorrückend, so daß man eine Farbenharmonie haben wird in Evolution. Aber hier ist das Kunstwerk - das Fenster als Kunstwerk - auch noch nicht fertig. Es ist erst fertig, wenn die Sonne durchscheint; so daß also hier in dem System der Glasfenster etwas geschaffen ist, wo die lebendige Natur, die draußen ist, zusammenwirken muß mit der Glasradierung, damit das Kunstwerk da ist. Auf Glastafeln werden Sie radiert finden vieles von dem Inhalt unserer Geisteswissenschaft, immer imaginativ geschaut: der träumende Mensch, der wachende Mensch in seiner Wesenheit, verschiedene Geheimnisse der Schöpfung und so weiter. Das alles nicht in Symbolen, sondern in Anschauung; alles künstlerisch gemeint, aber fertig erst, wenn die Sonne durchscheint. Also auch hier, wo durch ein anderes Mittel versucht werden mußte, den Raum durch seine eigene Abschließung zu überwinden, ist dasselbe versucht. Beim Holz und in seiner Architektur und Skulptur ist es versucht, in den Formen, die rein seelisch, in der Anschauung, den Raum überwinden und über den Raum hinausführen. Sinnlich konkreter beginnt es schon bei den Fenstern. Da ist die Verbindung mit dem durchscheinenden Sonnenlicht, das aus dem Weltenall hereinstrahlt und unsere sichtbare Welt durchstrahlt, etwas, was dazugehört. Diese zwei Teile würden also vorzugsweise einem seelischen Element entsprechen. Da ist von außen bewirkt durch das Zusammenkommen von Licht und Glasradierung was eigentlich als Kunstwerk entsteht, als seelisches Element; während es bei der Holzskulptur Geistiges ist, was in der menschlichen Seele selbst erlebt wird als Kunstwerk." (Lit.: GA 181/III, S 40ff)

Die Kuppelmalerei

Rekonstruktion der Deckenmalerei der grossen Kuppel des ersten Goetheanums.

Beide Kuppelräume waren mit einer Deckenmalerei versehen:

"Der dritte Teil sind die Malereien, mit denen die Kuppel ausgemalt ist. Auch diese Malereien sind in ihren Motiven unserer geisteswissenschaftlichen Weltanschauung entnommen. Man wird dort malerisch zum Ausdruck gebracht finden, was Inhalt unserer Weltanschauung ist, wenigstens über einen gewissen großen makrokosmischen Zeitraum hin. Hier haben Sie, wenn ich so sagen mag, den physischen Teil der Sache; denn in der Malerei kann man aus gewissen inneren Gründen - das auszuführen würde heute zu weit gehen - nur unmittelbar darstellen, was man eben darstellen will. Die Farbe muß selbst ausdrücken, was sie ausdrücken soll; ebenso die Linienführung. Da ist also durch den Inhalt ganz allein der Versuch gemacht, ins Makrokosmische hinauszukommen, die Kuppelwandgrenzen zu überwinden. Also durch den Inhalt gelangt man da hinaus. Es ist alles hineingemalt, was eigentlich dem Makrokosmos angehört. Dadurch ist physisch unmittelbar vor dem Auge, was gemeint ist. Wir haben versucht, die Leuchtkraft, die zum Malen dieser Motive notwendig war, dadurch hervorzubringen, daß wir Farben aus reinen Pflanzenstoffen herzustellen versuchten, die ihre bestimmte Leuchtkraft haben. Es ist dabei natürlich nicht alles so gelungen, wie es hätte gelingen können, wenn nicht der Krieg dazwischengekommen wäre. Es ist aber auch das nur ein Anfang. Natürlich mußte die ganze Art der Malerei entsprechend unserer Auffassung sein. Wir haben es ja, indem wir den geistigen Inhalt der Welt gemalt haben, nicht mit Gestalten zu tun, die man sich von einer Lichtquelle aus beleuchtet denkt, sondern mit selbstleuchtenden Gestalten. Also es ist eine ganz andere Art in der malerischen Auffassung, die da hineingebracht werden mußte. Wenn man zum Beispiel die Aura eines Menschen malt, so malt man sie ja nicht so, wie man eine physische Gestalt malt. Eine physische Gestalt malt man so, daß man Licht und Schatten so verteilt, wie die Lichtquelle das Objekt beleuchtet. Bei der Aura dagegen hat man es mit einem selbstleuchtenden Objekt zu tun. Dadurch ist der Charakter der Malerei ein ganz anderer." (Lit.: GA 181/III, S 42f)

Die Statue des Menschheitsrepräsentanten.

Die Deckenmalerei der kleinen Kuppel des ersten Goetheanums zeigte im Osten ein Bild des Christus als Menschheitsrepräsentanten, zu seinen Füßen Ahriman und überschwebt von Luzifer. Von hier ausgehend waren die nördliche und die südliche Kuppelhälfte spiegelbildlich mit den selben Motiven versehen, welche die Repräsentanten verschiedener Kulturepochen und deren Inspiratoren zeigten. Die Deckenmalerei der grossen Kuppel brachte eine Vielzahl von Motiven aus der Geistesgeschichte der Menschheit zur Anschauung.

Akustik

Um für den Innenraum eine gute Akustik zu erzielen, wurden die Kuppeln doppelt ausgeführt, mit einem Hohlraum dazwischen, der als Resonanzraum wirkt:

"So versuchten wir ja das Problem der Akustik in diesem Bau zu lösen. Gewiß werden solche Probleme nicht gleich auf den ersten Anhieb gelöst werden, aber Richtung wird wenigstens gegeben werden, indem gezeigt werden wird, wie man durch geometrische Berechnungen oder durch die gewöhnlichen architektonischen äußeren künstlerischen Regeln das Problem der Akustik nicht lösen kann, sondern nur auf dem Wege des geisteswissenschaftlichen Denkens. Der kuppelförmige Überbau wird ein doppelter sein, und er wird nach dem Prinzip des Violinresonanzbodens wirken und damit einen Teil des akustischen Gedankens des Raumes zum Ausdruck bringen. Es wird versucht werden, daß ein Ton klar auseinandergelegt zur Geltung kommen kann von allen Punkten des Raumes." (Lit.: GA 157, S 250)

Die aus symmetrischen massiven Hölzern massiv verleimten Säulen, die aus sieben verschiedenen Holzsorten gefertigt wurden, hatten auch eine akustische Funktion und dienten dazu, den Ton in rechter Weise in den Raum zurückzuwerfen:

"Es ist für die Akustik das Zusammenschauen und Zusammenempfinden eines viel weiteren Kreises von Faktoren notwendig, um solche Dinge hervorzurufen, wodurch in einem Raum, der zu gleicher Zeit schön sein soll, dennoch der Ton in einer entsprechenden Weise gehört wird, weil er immer von der Wand, auf die er auffällt, nicht nur zurückgeworfen, sondern auch aufgesogen wird. Er dringt immer eine gewisse Strecke hinein und wird dann erst zurückgeworfen. Es ist das Materialgefühl da, wenn man den Ton in einem gewissen Raume, der eben seine Wände in einem bestimmten Material hat, hört. Und so muß man, um die Möglichkeiten der Reflexion hervorzurufen, Verschiedenes zusammenschauen. Und unter diesem Zusammenschauen sind auch die verschiedenen sieben Holzsorten der Säulen gewählt. Die sind geradezu dazu da, um der Akustik zu dienen, also der Akustik, die durch Reflexion hervorgebracht wird." (Lit.: GA 283, S 93)

Zerstörung durch Brandstiftung

In der Nacht auf den 1. Januar 1923 wurde das mit 3'183'000 Schweizer Franken versicherte[3] Gebäude durch Brandstiftung vollständig zerstört; übrig blieb lediglich der Betonsockel.

Ermittlungen zufolge muss der Brand als Schwelbrand zwischen den Wänden gelegt worden sein, damit er sich unbemerkt und langsam ausbreiten konnte. Der oder die Brandstifter wurden nie ermittelt. Da die Mitglieder der anthroposophischen Strömung immer wieder angefeindet und angepöbelt wurden spricht eine Theorie dafür, dass der Brand von dem Personenkreis gelegt wurde, der den Anthroposophen gegenüber feindlich eingestellt war.[4] Steiner äusserte sich dazu wie folgt:

„Gerade gelegentlich des schrecklichen Brandunglücks kam es wiederum zutage, welche abenteuerlichen Vorstellungen sich in der Welt knüpfen an alles das, was mit diesem Goetheanum in Dornach gemeint war, und was in ihm getrieben werden sollte. Es wird gesprochen von dem schrecklichsten Aberglauben, der dort verbreitet werden soll.“

Rudolf Steiner in einem Vortrag in Basel am 9. April 1923[5]

Eine andere Vermutung richtete sich gegen den Arlesheimer Uhrmacher und Anthroposophen Jakob Ott, der in Gegensatz zu Steiners Ansichten gestanden haben soll. Dass er auf Grund dieser „inneren Opposition“ den Brand legte, konnte nie bewiesen werden. Ott wurde den Ermittlungsakten zufolge am Tag der Brandstiftung am Goetheanum gesehen und kam dort infolge der „Ereignisse“ um. Eine dort gefundene Leiche konnte mit gewisser Wahrscheinlichkeit seiner Person zugeordnet werden.[6]

Das zweite Goetheanum (1924-1928)

Das zweite Goetheanum
Der große Saal des zweiten Goetheanums

Das zweite Goetheanum wurde gebaut als Zentrum zur Ausübung der weltweiten anthroposophischen Tätigkeiten. Es ist Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft sowie der freien Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren Sektionen. Das Gebäude wurde 1925-1928 als Nachfolgebau des ersten Goetheanum brandsicher in Beton errichtet. Die räumliche Konzeption war im Prinzip die gleiche wie diejenige des ersten Baues: ein grosser Saal mit ca. 1000 (900) Sitzplätzen und eine Bühne für Schauspiel (Faust von Goethe, für Mysteriendramen von R. Steiner und andere Inszenierungen) wie auch für Eurythmie und Vorträge. Rudolf Steiner fertigte für das zweite Goetheanum ein Aussenmodell an, das Grundlage für die Baueingabepläne war. An der Ausführung des Baues konnte er nicht mehr mitwirken, da er im Frühjahr 1925 verstarb.

Architektur

Das erste Goetheanum war in seiner Gestalt stark durch geometrische Verhältnisse geprägt. Die einzelnen Formen jedoch waren in lebendige Bewegung übergeführt. Beim zweiten Goetheanum finden wir nun die Gestalt des ganzen Baues von dieser Bewegung ergriffen. Im Osten gleicht er einem verschlossenen Kubus, der aber, je weiter er sich nach Westen erstreckt, immer bewegter und dynamischer wird. Es schiene im Osten des Baues im Inneren verborgen etwas zu entstehen, was im Westen seine Offenbarung und Verwirklichung hinaus in die Welt fände. So bringen sich in diesem Bau zwei polare Weltenkräfte zum Ausdruck. Die eine sei in sich verschlossen, verberge etwas in sich, tendiere in die Schwere (Osten), die andere wende sich nach aussen, teile sich mit und tendiere in die Leichte (Westen). Doch zeige sich in diesem Bau noch eine dritte Kraft, welche die ersten beiden ergreift und verbindet. Sie führt diese in eine gesteigerte Bewegung.

Glasfenster

Da die Glasfenster beim Brand des ersten Goetheanums in der Silvesternacht 1922/23 zerstört worden waren, gravierte sie Assia Turgenieff für das zweite Goetheanum neu. Wegen der geänderten Architektur konnte allerdings nur für das rote Westfenster die ursprüngliche Anordnung mit zwei schmalen Seitenfenstern und einem großen Mittelfenster beibehalten werden. Bei den anderen acht Fenstern wurden die schmalen Seitenmotive unterhalb des breiten Hauptmotivs angeordnet.

Die Nebenbauten

Mit diesem Namen wird häufig eine Reihe von Gebäuden bezeichnet, die Rudolf Steiner in der unmittelbaren Nähe des Goetheanum entwarf. Sie bilden eine Einheit mit dem Hauptgebäude und mit der Geländegestaltung, die auch zum grossen Teil von Rudolf Steiner stammt. Architektonisch besonders bedeutsam sind das 1914 errichtete Heizhaus, das das Goetheanum mit Wärme versorgt, das ebenfalls 1914 fertiggestellte Glashaus, in dem die Glasfenster für das Erste Goetheanum geschliffen wurden, sowie das 1923 errichtete Eurythmeum und das 1913 gebaute Haus Duldeck, das seit 2002 Sitz des Rudolf Steiner Archivs ist.

Veranstaltungen

Faust

Berühmt ist das Goetheanum vorallem wegen der regelmäßigen Faust-Aufführungen. Der Goetheanum-Bühne gebührt das Verdienst, 1938 als erstes beide Teile von Goethes Faust (Faust I, Faust II) inszeniert zu haben. Seitdem werden im Abstand einiger Jahre unter wechselnden anthroposophischen Regisseuren zyklische Aufführungen und Tagungen veranstaltet, zuletzt von April bis August 2004.

Mysteriendramen

Auf der Goetheanum-Bühne werden auch immer wieder die Mysteriendramen Rudolf Steiners zur Aufführung gebracht.

Berichte

(...)dabei macht es das Gebäude unvorbereiteten Besuchern nicht leicht. Die äußere Würde verwandelt sich jenseits der Pforte in herrische Autorität. Klotzige Betonträger ragen schief in die Räume, asymmetrische Fenster lenken den Blick in den leeren Himmel, der Atem hallt merkwürdig in den düsteren Treppenhäusern. Alles ist riesig und klobig. (...)
Beim Warten auf den Bus kann man den Betonkoloss noch einmal aus sicherer Distanz auf sich wirken lassen. Es ist eine strenge und gleichberechtigte Verbindung, die Masse und Körperlosigkeit miteinander eingehen. Geschaffen wurde sie zu einer Zeit, in der Beton als Baustoff noch nicht gebräuchlich war. Plötzlich ist die visionäre Kraft spürbar, die von diesem Ort einmal ausgegangen sein muss. In überwältigender Klarheit scheint das Gebäude plötzlich einen Gedanken auszudrücken: Die größte Freiheit und das größte Glück des Menschen liegen darin, denken zu können. So etwas kann ein Gebäude sagen? Einfach mittels gebogener Betonmauern? So etwas verstört den skeptischen Besucher.
Der ganze Artikel der Wochenzeitung Die Zeit.

Anmerkungen

  1. Hans Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 84
  2. Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk, S. 94
  3. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland: theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1160
  4. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 85
  5. Vortrag am 9. April 1923 in Basel, Abgerufen am 7. Juli 2011
  6. Zander: Anthroposophie in Deutschland: theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945. S. 1152.

Literatur

  1. Carl Kemper: Der Bau. Studien zur Architektur und Plastik des ersten Goetheanum., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0534-1
  2. Rudolf Steiner: Menschenschicksale und Völkerschicksale, GA 157 (1981)
  3. Rudolf Steiner: Erdensterben und Weltenleben. Anthroposophische Lebensgaben. Bewußtseins-Notwendigkeiten für Gegenwart und Zukunft, GA 181 (1991), Sechzehnter Vortrag, Berlin, 3. Juli 1918
  4. Rudolf Steiner: Das Künstlerische in seiner Weltmission, GA 276 (2002)
  5. Rudolf Steiner: Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen, GA 283 (1989)
  6. Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil, GA 286 (1982)

Weblinks

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