Zahl und Vaterunser: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Zahlen''' (von {{ahd|zala}} „eingekerbtes Merkzeichen“; {{EnS|numbers}}) bilden eine [[Kategorien|Grundkategorie]] menschlichen Denkens. In der [[sinnlich]]-[[Physische Welt|physischen Welt]] dienen sie als [[abstrakt]]e [[Mathematik|mathematische]] Objekte, die [[Quantität]]en (z.B. die [[Anzahl]] oder [[Größe]] von Gegenständen) repräsentieren, dem [[Zählen]], [[Messung|Messen]] und der [[Nummerierung]]. Für die [[geistige Welt]] hat das Zählen keine Bedeutung, wohl aber der individuelle [[wesen]]hafte Charakter der einzelnen Zahlen, die zueinander in einem [[Harmonie|harmonischen]] „[[musik]]alischen“ Verhältnis stehen. [[Rudolf Steiner]] sprach diesbezüglich gelegentlich vom «[[Geheimnis der Zahl]]», das die zweite [[Weltentwicklungsstufen|planetarische Entwicklungsstufe]], die [[alte Sonne]], regierte und bis heute nachklingt und sich als [[Ordnung]]sprinzip in den [[Rhythmus|Rhythmen]] der [[Natur]] offenbart.
[[File:Brooklyn Museum - The Lord's Prayer (Le Pater Noster) - James Tissot.jpg|thumb|250px|''Das Vaterunser'' (''Le Pater Noster''), [[w:James Tissot|James Tissot]] (zwischen 1886 und 1894, [[w:Brooklyn Museum|Brooklyn Museum]], [[w:New York City|New York City]])]]


{{GZ|Es gibt innerhalb der esoterischen Wissenschaft verschiedene
Das '''Vaterunser''' gilt als das wichtigste [[Gebet]] aller [[Christentum | Christen]] und wurde gemäß  dem [[Neues Testament|Neuen Testament]] durch [[Jesus Christus]] selbst im Rahmen der [[Bergpredigt]] {{Bibel|Mt|6|9-13|LUT}} bzw. auf die Frage seiner Jünger hin, wie sie beten sollen {{Bibel|Lk|11|2-4|LUT}}, gestiftet.
prinzipielle Begriffe, die wie Leitmotive durch die ganze esoterische
Bewegung gehen. Ein solcher ist der Begriff der rhythmischen
Zahl, ein anderer der des Mikrokosmos und Makrokosmos. Das Geheimnis
der Zahl drückt sich aus darin, daß gewisse Erscheinungen so
aufeinanderfolgen, daß die siebente Wiederholung als Abschluß eines
Ereignisses, die achte als Anfang eines neuen Ereignisses bezeichnet
werden kann. Abgebildet ist diese Tatsache innerhalb der physischen
Welt in dem Verhältnis der Oktave zum Grundton. Für diejenigen,
welche versuchen, in okkulte Welten einzudringen, wird dieses Prinzip
die Grundlage zu einer umfassenden Weltanschauung. Es sind nicht
nur die Töne nach dem Gesetz der Zahl angeordnet, sondern auch die
Ereignisse in der Zeit. Die Ereignisse der geistigen Welt sind so angeordnet,
daß man ein Verhältnis findet wie in dem Rhythmus des Tones.|150|58}}


== Erkenntnistheoretische Überlegungen zum Wesen der Zahlen ==
== Überlieferung in den Evangelien ==


[[Rudolf Steiner]] hat darauf hingewiesen, dass dem [[Allgemeinbegriff]] „Zahl“ - im Gegensatz zu den einzelnen konkreten Zahlen - keine eigenständige [[geist]]ige [[Wirklichkeit]] entspricht. „Zahl“ ist insofern ein bloßer Name und der [[Nominalismus]], der später ungerechtfertigterweise auf alle [[Universalien]] ausgedehnt wurde, ist hier berechtigt. Eine geistige [[Realität]] kommt nur den einzelnen, in ihrem [[Wesen]] wohlunterschiedenen Zahlen zu.
{{Zitat|9 Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.
10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
11 Unser tägliches Brot gib uns heute.
12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]|Matthäus|{{BB|Mt|6|9-13|LUT}}}}


{{GZ|Es gibt ein ganzes Gebiet im Umkreis unserer äußeren Erfahrung,
Die Fassung des [[Matthäus-Evangelium]]s ist die gebräuchliche und bekanntere; im [[Lukas-Evangelium]] heißt es:
für welches der Nominalismus, das heißt die Vorstellung, daß das
Zusammenfassende nur ein Name ist, seine volle Berechtigung hat.
Es gibt «eins», es gibt «zwei», es gibt «drei», «vier», «fünf» und so weiter.
Aber unmöglich kann jemand, der die Sachlage überschaut, in
dem Ausdruck «Zahl» etwas finden, was wirklich eine Existenz hat.
Die Zahl hat keine Existenz. «Eins», «zwei», «drei», «fünf», «sechs»
und so weiter, das hat Existenz. Das aber, was ich gestern gesagt
habe, daß man, um den allgemeinen Begriff zu finden, das Entsprechende
in Bewegung übergehen lassen soll, kann man bei dem
Begriffe Zahl nicht machen. Denn die Eins geht nie in die Zwei
über; man muß immer eins dazugeben. Auch nicht im Gedanken
geht die Eins in die Zwei über, die Zwei in die Drei auch nicht. Es existieren
nur einzelne Zahlen, nicht die Zahl im allgemeinen. Für das,
was in den Zahlen vorhanden ist, ist der Nominalismus absolut richtig;
für das, was so vorhanden ist wie das einzelne Tier gegenüber
seiner Gattung, ist der Realismus absolut richtig. Denn unmöglich
kann ein Hirsch und wieder ein Hirsch und wieder ein Hirsch existieren,
ohne daß die Gattung Hirsch existiert. «Zwei» kann für sich
existieren, «eins», «sieben» und so weiter kann für sich existieren. Insofern
aber das Wirkliche in der Zahl auftritt, ist das, was Zahl ist,
ein Einzelnes, und der Ausdruck Zahl hat keine irgendwie geartete
Existenz. Ein Unterschied ist eben zwischen den äußeren Dingen
und ihrer Beziehung zu den allgemeinen Begriffen, und das eine
muß im Stile des Nominalismus, das andere im Stile des Realismus
behandelt werden.|151|33f}}


Tatsächlich ist der Allgemeinbegriff ''„Zahl“'' mathematisch nicht definiert, sondern eine gemeinsprachliche [[Bezeichnung]] für verschiedene mathematische Konzepte. Vielmehr legt die Mathematik bestimmte wohldefinierte ''Zahlbereiche'' (siehe unten) mit genau definierten Eigenschaften fest. Deshalb macht es auch keinen Sinn, mathematischen ganz allgemein von einer ''Menge aller Zahlen'' zu sprechen.  
{{Zitat|2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!
4 Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung!|Lukas|{{BB|Lk|11|2-4|LUT}}}}


Daran können sich folgende [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Überlegungen anschließen. Es beginnt mit der [[Unterscheidung]], die der Zwei entspricht. Umstritten ist, inwiefern die sog. objektive [[Realität]] auch nach solchem Zahlenraster bestimmt sein soll. Ist die Zahl ein objektives Merkmal einer Realität, die einem erkennenden Menschen faßbar ist, oder kann ein Mensch [[Wirklichkeit]] nur fassen bei der Voraussetzung der Zahl, die exemplarisch in der 2 gegeben ist, - die objektive Realität fügt sich den Zahlen "in Wirklichkeit" aber nicht? Die Zahlen sind ein Kategoriensystem des Menschen, das wegen seiner unbegreiflichen Unhintergehbarkeit im [[Erkennen]] es schwierig macht, den Kosmos anders als ein Zahlenräderwerk zu verstehen.
Jesus lehrte das Vaterunser in [[aramäisch]]er Sprache, schriftlich ist es jedoch nur im griechischen Urtext der Bibel überliefert:


Das gilt übrigens auch für Fragen hinsichtlich des [[Monotheismus]], der [[Trinität]] usw., denn es wird da vorausgesetzt ein System der Zahlen: es gibt die Eins, die Zwei usw. Was hat es damit auf sich, und wie kann sich eine Forschung dem zuwenden, wenn sie das Zahlensystem schon voraussetzt, voraussetzen ''muß''?
{| class="wikitable"
|-
! style="background:#efefef;" width="33%" | Griechisch
! style="background:#efefef;" width="37%" | Lateinisch
! style="background:#efefef;" width="30%" | Deutsch
|- valign="top"
|
:{{lang|grc|Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς·}}<br />
:{{lang|grc|ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου·}}<br />
:{{lang|grc|ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου·}}<br />
:{{lang|grc|γενηθήτω τὸ θέλημά σου,}}<br />
:{{lang|grc|ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ γῆς·}}<br />
:{{lang|grc|τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον·}}<br />
:{{lang|grc|καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν,}}<br />
:{{lang|grc|ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφήκαμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν·}}<br />
:{{lang|grc|καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν,}}<br />
:{{lang|grc|ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ.}}


Diese Frage ist auch an die Experten der sog. [[Voraussetzungslosigkeit|voraussetzungslosen]] Erkenntnis zu stellen. Man hat viel schlaue Einwendungen gemacht gegen [[Kant]], aber wie ist es mit den Zahlen? Der Mensch ist notwendigerweise als Erkennender von der Umwelt getrennt, unterscheidet sich von ihr, daher ist er uneins, und im Erkennen wird er eins mit ihr. Das ist aber das System der Zahl. D.h. der Mensch kann nichts [[wissen]] ohne die Zahl vorauszusetzen, oder aber sie im Erkennen zumindest mit zu [[Konstitution|konstituieren]]. Kann er aber auch wissen, wie die Wahrheit oder Realität jenseits eines Zahlenrasters aussieht?
: ''(Griechische Fassung nach dem Matthäusevangelium)''<ref>Barbara Aland, Kurt Aland: ''Novum Testamentum Graece.'' 27. Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2001, ISBN 3-438-05115-X.</ref>


Es handelt sich bei dieser schwierigen Erkenntnisfrage nicht etwa um eine fragliche erste richtige, ''bestimmte'' Unterscheidung, wie sie das Denken trifft, etwa die zwischen [[Subjekt]] und [[Objekt]]. Wenn das Denken wohl jenseits solcher bestimmter Unterscheidung liegt, denn es bringt diese erst hervor, so kann das Denken doch nichts anderes hervorbringen als eine Unterscheidung. Das Denken kann nicht zuerst die Einheit denken. Es beginnt notwendigerweise mit der Zwei. Insofern ist die traditionelle Auffassung, daß das Denken aus einem Subjektiven anhebe, nachvollziebar, denn das Denken beginnt aus dem Unterschied zur Welt, und nicht aus einer Einheit der Welt. Im Erkennen findet es wohl zur Einheit zurück, kann aber diese Differenz selbst damit nicht fassen. Der [[Monismus]] ist insofern genauso wie der [[Dualismus]] eine dogmatische Position, denn nicht nur die Idee der [[Einheit]] wirbt suggestiv für ihren Vorrang, sondern auch die Idee einer [[Ursprung|ursprünglichen]] Differenz, aus der allein Welt entstehen konnte, hat Plausibilität. Welt wäre demnach in ihrer Grundstruktur dualistisch.
|
: ''Pater noster, qui es in caelis:''<br />
: ''sanctificetur nomen tuum.''<br />
: ''Adveniat regnum tuum.''<br />
: ''Fiat voluntas tua,''<br />
: ''sicut in caelo, et in terra.''<br />
: ''Panem nostrum supersubstantialem (cotidianum) da nobis hodie.''<br />
: ''Et dimitte nobis debita nostra,''<br />
: ''sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.''<br />
: ''Et ne nos inducas in tentationem,''<br />
: ''sed libera nos a malo.''<br />
: ''Amen.''<br />


Die weiteren [[a priori|apriorischen]] Denknotwendigkeiten führen dann entweder zum [[Paradox]], einer ursprünglichen Einheit der Eins und der Zwei<ref>"Die sorgfältige Beschreibung des Veränderungsphänomens führt in ein Widerspruchsproblem. Veränderung muss nämlich als ein Zugleich von Identität und Nicht-Identität ausgesagt werden. Wenn sich etwas verändert, bleibt es dasselbe und ist doch zugleich nicht dasselbe. Veränderung besteht also in einer Einheit voneinander ausschließenden Gegensätzen und stellt ein Beispiel dafür dar, dass alles in der Welt (und auch die Welt als ganze) die Struktur einer Einheit von Gegensätzen aufweist. Hierin liegt die letzte logisch-ontologische Erklärungsbedürftigkeit der Welt, weil angegeben werden können muss, wie sich ein Widerspruchsproblem von einem echten Widerspruch, der durch die universale Geltung des Nichtwiderspruchsprinzips ausgeschlossen ist, unterscheiden lässt." (Zitat aus wikipedia: [[wikipedia:Veränderung#Auffassung der Dialektik|Veränderung]])</ref>, oder, wie es auch die Zahlenfolge angibt, zur Dreiheit. Im Begriff des Paradoxes ist freilich schon enthalten, was den Zahlen als solchen nicht zukommt: Das Moment der Spannung, der [[Übergang]] und die [[Prozeß]]förmigkeit, der [[Bewegung]]scharakter des Denkens. Die Dreiheit entspricht im [[Dialektik|dialektischen]] Denken der [[Synthese]]. In der Dreiheit oder Synthese kommt das Denken zu einer ersten Ruhe, weshalb der dritte Gott der Trinität, der [[heiliger Geist|heilige Geist]], auch mit [[Frieden]] assoziiert ist.
: ''(Lateinische Übersetzung der [[Wikipedia:Vulgata|Vulgata]])''<ref name="nestle">Erwin Nestle, Kurt Aland: ''Novum Testamentum Graece et Latine.'' 22. Auflage. Stuttgart 1963</ref>


Insofern man zwischen [[Form]] und [[Struktur]] unterscheiden will, ist die Zahl eher der Struktur zuzuordnen, ihre [[Geometrie|geometrische]] Entsprechung (Punkt, Linie, Fläche, Tetraeder usw.) der [[Form]]. [[Gestalt]] ist ein Begriff, den man der Struktur und der Form gleichermaßen zuordnen kann, oder, über sie hinausgehend, ihrem [[Spiel|Zusammenspiel]]<ref>Der Begriff des Spiels ist andererseits umfassender, enthält die Komponente [[Bewegung]].</ref>.
|
:''Vater Unser, der Du bist im Himmel!''
:''Geheiligt werde Dein Name.''
:''Dein Reich komme.''
:''Dein Wille geschehe''
:''wie im Himmel so auf Erden.''
:''Unser tägliches Brot gib uns heute.''
:''Und vergib uns unsere Schuld,''
:''wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.''
:''Und führe uns nicht in Versuchung,''
:''sondern erlöse uns von dem Bösen.''
:''Amen.''


{{GZ|Aber warum können wir denn überhaupt
:''(Gotteslob)''
zählen? Ja, in Wirklichkeit machen wir es nämlich nicht anders
|}
als die Wilden, nur haben die Wilden das mit ihren fünf Fingern
gemacht, mit ihren fünf physischen Fingern. Wir zählen auch, nur
zählen wir mit den Fingern unseres Ätherleibes und wissen nichts
mehr davon. Das spielt sich im Unterbewußtsein ab, da abstrahieren
wir. Denn dasjenige, wodurch wir zählen, das ist eigentlich der
Ätherleib, und eine Zahl ist noch immer nichts anderes in Wirklichkeit
als ein Vergleichen mit demjenigen, was in uns ist. Die ganze
Arithmetik ist in uns, und wir haben sie in uns hineingeboren durch
unseren Astralleib, so daß sie eigentlich aus unserem Astralleib
herauskommt, und unsere zehn Finger sind nur der Abdruck dieses.
Astralischen und Ätherischen. Und dieser beiden bedient sich
nur dieser äußere Finger, während wir, wenn wir rechnen, dasjenige,
was durch den Astralleib bewirkt Inspiration von der Zahl, im Ätherleib
ausdrücken und dann durch den Ätherleib, mit dem wir überhaupt
denken, zählen. So daß wir sagen können: Äußerlich ist heute
für uns das Zählen etwas recht Abstraktes, innerlich hängt es damit
zusammen - und es ist sehr interessant, die verschiedenen Zählungsmethoden
nach der Zehnzahl, nach dem Dezimalsystem oder nach
der Zwölfzahl bei den verschiedenen Völkern zu verfolgen, wie das
mit der verschiedenen Konstitution ihres Ätherischen und Astralischen
zusammenhängt - , innerlich hängt es damit zusammen, daß
wir zählen, weil wir selbst erst gezählt sind; wir sind aus der Weltenwesenheit
heraus gezählt und nach der Zahl geordnet. Die Zahl ist
uns eingeboren, einverwoben von dem Weltenganzen. Draußen
werden uns nach und nach die Zahlen gleichgültig; in uns sind sie
nicht gleichgültig, in uns hat jede Zahl ihre bestimmte Qualität.
Versuchen Sie es nur einmal, die Zahlen herauszuwerfen aus dem
Weltenall, und sehen Sie sich an, was der Zahl gemäß gestaltet wird,
wenn einfach eins zu dem anderen hinzugesetzt würde; sehen Sie
sich an, wie dann Ihre Hand ausschauen würde, wenn da der
Daumen wäre, und nachher würde einfach das Nächste hinzugesetzt
als die gleiche Einheit, dann wiederum, wiederum: Sie hätten fünf
Daumen an der Hand, an der anderen Hand auch wiederum fünf
Daumen! - Das würde dann entsprechen dem abstrakten Zählen.


So zählen die Geister des Weltenalls nicht. Die Geister des Weltenalls
Durch die Übersetzung in die heutigen Sprachen verliert das Vaterunser an Kraft, was jedoch durch das richtige Verständnis des Gebettextes kompensiert werden kann:
gestalten nach der Zahl und sie gestalten in jenem Sinne nach
<div style="margin-left: 20px;">
der Zahl, den man früher mit der Zahl verband, wie gesagt, noch in
"Die Gebete der alten Sprachen verlieren ihre alte Kraft, wenn sie in neuere Sprachen übertragen werden. In den lateinischen Worten des Pater noster liegt viel mehr Kraft als im Vaterunser. Die Sprache des alten Vaterunser ist die aramäische. Wer es sprach in der aramäischen Sprache, hat Zauberkraft empfunden. Durch die richtige Erfassung der Sachen müssen wir wieder die Gewalt der Worte in die Sprache hineinbringen." {{GZ||97|98}}
der ersten, noch in der zweiten Periode der nachatlantischen Zeit.
</div>
Das Herausentwickeln der abstrakten Zahl aus der ganz konkreten
Jedoch ist die Wirksamkeit des Vaterunsers durch den reinen Inhalt seiner Worte immer gegeben, auch wenn dem Betenden noch kein tieferes Verständnis gegeben ist:
Vorstellung des Zahlenhaften, des Zahlenmäßigen, das hat sich erst
im Laufe der Menschheitsentwickelung gebildet. Und darüber muß
man sich klar sein, daß es eine tiefe Bedeutung hat, wenn aus den
alten Mysterien heraus überliefert wird: Die Götter haben den Menschen
nach der Zahl gebildet. - Die Welt ist voller Zahl, das heißt,
alles wird nach der Zahl gebildet, und der Mensch ist nach der Zahl
herausgestaltet, so daß unser Zählen in jenen alten Zeiten nicht
vorhanden war; aber ein bildhaftes Denken in den Qualitäten der
Zahl, das war vorhanden.|204|134f}}
 
== Positive und negative Zahlen ==
 
Eine '''positive Zahl''' ist größer [[Null]], eine '''negative Zahl''' kleiner Null.
 
== Zahlbereiche ==
[[Datei:Zahlbereiche update.svg|mini|hochkant=1.25|Übersicht über einige gängige Zahlbereiche.<math>A\subset B</math> bedeutet, dass die Elemente des Zahlbereiches <math>A</math> unter Beibehaltung wesentlicher Beziehungen auch als Elemente des Zahlbereichs <math>B</math> aufgefasst werden können. [[Wikipedia:Echte Klasse|Echte Klasse]]n sind in blau markiert.]]
 
=== Natürliche Zahlen ===
 
Die ursprünglichen, zum [[Zählen]] verwendeten Zahlen sind die '''natürlichen Zahlen''' <math>\mathbb N</math>, zu denen je nach Definition auch die [[0]] gezählt wird:
 
:<math>\mathbb N = \{1, 2, 3, \ldots\} \qquad</math> bzw. <math>\qquad \mathbb N = \{0, 1, 2, 3, \ldots\}</math>
 
=== Ganze Zahlen ===
 
Die '''ganzen Zahlen''' <math>\mathbb Z</math> erweitern die ''natürlichen Zahlen'' (inklusive [[Null]]) um den Bereich der ''negativen ganzen Zahlen'', d.h.:
 
:<math>\mathbb Z = \{\ldots, -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, \ldots\}</math>
 
=== Rationale Zahlen ===
 
Die '''rationalen Zahlen''' <math>\mathbb Q</math> umfassen alle Zahlen, die als '''Brüche''' bzw. als Verhältnis ([[lat.]] ''ratio'') ''ganzer Zahlen'' dargestellt werden können; sie heißen daher auch '''Bruchzahlen'''. Die ''ganzen Zahlen'' <math>\mathbb Z</math> und die ''natürlichen Zahlen'' sind im Bereich von <math>\mathbb Q</math> inkludiert.
 
=== Reelle Zahlen ===
 
Die '''reellen Zahlen''' <math>\mathbb R</math> erweitern die ''rationalen Zahlen'' <math>\mathbb Q</math> um den Bereich der ''reellen'' '''irrationalen Zahlen'''.
 
=== Irrationale Zahlen ===
 
Die '''irrationalen Zahlen''' lassen sich nicht als Quotient zweier ''ganzer Zahlen'' und damit auch nicht als ''endliche'' oder ''periodische'' [[Dezimalzahl]] darstellen. Dabei werden zwei Arten von irrationalen Zahlen unterschieden:
 
<div style="margin-left:20px;">
==== Algebraische Zahlen ====
 
Die '''algebraischen Zahlen''' <math>\mathbb\A</math> umfassen alle ''reellen'' oder ''komplexen Zahlen'', die Nullstellen eines [[Polynom]]s vom Grad größer Null, also Lösungen folgender Gleichung sind:
 
:<math> f(x) = \sum_{i=0}^n a_ix^i = a_n x^n + a_{n-1} x^{n-1} + \dotsb + a_1 x + a_0 = 0 \qquad x \in \mathbb\R, \in a_i\in \mathbb\Q, i \in \mathbb\N_0</math>
 
Dazu zählen alle nicht-rationalen Wurzelzahlen, also etwa alle Quadratwurzel aus Nicht-Quadratzahlen, z.B. <math>\sqrt{2} = 1{,}414213562 \dots</math>
 
==== Transzendente Zahlen ====
 
Alle nicht-algebraischen irrationalen Zahlen werden zusammenfassen als '''transzendente Zahlen''' bezeichnet, z.B. die [[Wikipedia:Kreiszahl|Kreiszahl]] <math>\pi = 3{,}14159\ldots</math> oder die [[Wikipedia:Eulersche Zahl|Eulersche Zahl]] <math>e = 2{,}71828\ldots</math>


Das Vaterunser "gehört tatsächlich zu den allertiefsten Gebeten der Welt. Wir können nur heute nicht mehr die ganze volle Tiefe des Vaterunsers ermessen, wie es die Ursprache ergeben hat, in der es gelehrt wurde. Aber der Gedankeninhalt ist ein so gewaltiger, daß er in keiner Sprache auch nur irgendwie Einbuße erleiden könnte." {{GZ||97|103}}
<div style="margin-left: 20px;">
"Diejenigen Gebete, die nicht nur kurz wirken, sondern die durch
Jahrtausende hindurch die Seelen ergreifen und die Herzen erheben, sind alle aus der tiefsten Weisheit geschöpft. Niemals ist ein solches Gebet so gegeben worden, daß man in beliebiger Weise schöne oder erhabene Worte zusammengestellt hat, sondern man hat sie aus der tiefsten Weisheit heraus genommen, weil sie nur so die Kraft haben, über die Jahrtausende hinüber zu wirken auf die Seele der Menschen. Nicht gilt der Einwand, daß ja die naive Seele nichts weiß von dieser Weisheit. Sie braucht nichts zu wissen, denn die Kraft, die das Vaterunser hat, kommt doch aus dieser Weisheit, und sie wirkt, auch wenn man nichts davon weiß. {{GZ||97|116}}
</div>
</div>


=== Komplexe Zahlen ===
== Die esoterische bzw. theosophische Bedeutung des Vaterunser ==
[[Datei:GA096 207.gif|thumb|400px|Das Vaterunser im Zusammenhang mit den [[Wesensglieder]]n des Menschen {{GZ||96|207}}]]


[[Datei:Komplexe zahlenebene.svg|mini|hochkant=1.25|'''Gaußsche Ebene''' mit einer komplexen Zahl in kartesischen Koordinaten (a,b) und in Polarkoordinaten (r,φ)]]
Die sieben Bitten des Vaterunser nach Matthäus beziehen sich auf die sieben [[Wesensglieder]] des Menschen.<ref> Die fünf Bitten des Lukasevangeliums lassen sich nicht so o.W. den sieben Wesensgliedern zuordnen, auch ist dort Sünde und Schuld zu einer Bedeutung zusammengezogen. Vgl. dazu auch die stark voneinander abweichenden Übersetzungen Luther, Elberfelder und Emil Bock (siehe [[Bibeltextvergleich_Emil-Bock_Luther_Elberfelder#Lukas,11,2-4|Lukas,11,2-4]], sowie die Erörterung im Lexikon Bibelwissenschaft (siehe weblinks).</ref> In ihnen liegt der Sinn der siebengliedrigen Entwicklung der Menschennatur. Das Vaterunser enthält die ganze theosophische Weisheit über den Menschen. {{GZ||97|116}}
[[Datei:Komplexe addition.svg|mini|hochkant=1.25|Darstellung der Addition zweier komplexer Zahlen in der komplexen Ebene]]
[[Datei:Komplexe multiplikation.svg|mini|hochkant=1.25|Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen entspricht der Addition ihrer Winkel und der Multiplikation ihrer Beträge]]
[[Datei:Komplexe division.svg|mini|hochkant=1.25|Die Division zweier komplexer Zahlen entspricht der Subtraktion ihrer Winkel und der Division ihrer Beträge]]


Die '''komplexen Zahlen''' <math>\mathbb C</math> erweitern den Bereich der ''reellen Zahlen'' derart, dass die Gleichung <math>x^2 + 1 = 0</math> lösbar wird. Dazu wird symbolisch eine '''imaginäre Einheit''' <math>i</math> eingeführt, für die gilt: <math>i = \sqrt{-1}</math> bzw. <math>i^2 = -1</math>
Mit "Schuld" sind die Verfehlungen des Ätherleibes gemeint. Diese Verfehlungen bringen den Menschen in Disharmonie zu seiner sozialen Umgebung. Die "Versuchung" bezeichnet Verfehlungen des Astralleibes, sie sind individueller Natur. Entgegen der heute üblichen Übersetzung der vierten Bitte mit "Und erlöse uns von dem Bösen" bezieht sich Steiner mit der Übersetzung von {{polytonisch|πονηροῦ}} (''ponērou'') bzw. ''malo'' mit "Übel" auf die spezifische Verfehlung des Ichs: Den [[Egoismus]]. "Erlöse uns von dem Übel" meint die Bitte um Erlösung vom Egoismus. {{GZ||97|122}}


Eine Zahl der Form <math>i \cdot b</math> wird als '''imaginäre Zahl''' bezeichnet.  
Eine bestimmte Überlieferungstradition kennt beim Matthäus-Vaterunser den Zusatz: "Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit". Es handelt sich um eine Ergänzung, die nicht von Jesus selbst stammt, sondern aus dem Umkreis des [[Dionysius Areopagita|Dionysius, dem Areopagiten]]. Jedoch sieht Steiner diesen Zusatz als zu dem Vaterunser passend, das Gebet bereichernd an. Es handelt sich dabei um die Vorstellung der Engelreiche, der drei [[Hierarchien]], die zum Vatergott hinaufführen.


Jede '''komplexe Zahl''' lässt sich dann in allgemeiner Form so darstellen:
{{GZ|Wenn wir so leben, wie das Vaterunser es fordert, so leben wir uns hinauf durch die Gewalten, Mächte, Herrschaften bis zu den Cherubim,
Seraphim hinauf, bis zu der Gottheit selbst im Vaterunser.|97|124}}


* <math>z = a + i \cdot b \qquad a,b \in \mathbb R</math>
Aus einer anderen Perspektive werden die drei Ideen Reich, Kraft bzw. Macht und Herrlichkeit in {{G|342|193ff}} betrachtet: Sie erscheinen dort als die drei Aspekte einer anschaulichen Sonnentrinität:


wobei <math>a</math> der '''Realteil''' und <math>b</math> der '''Imaginärteil''' von <math>z</math> ist, wofür folgende Schreibweisen gebräuchlich sind:
{{GZ|Und statt, daß Sie schließen mit den Worten des evangelischen Vaterunsers: «... denn Dein ist das Reich, die Macht und die Herrlichkeit», können Sie auch schließen das Vaterunser: «... denn Dein ist die Sonne». Jedes Wesen wurde im Sinne der Trinität angesehen; und derjenige, der noch etwas weiß von der wirklichen gnostischen Erkenntnis, der weiß, daß eben einfach am Schlüsse des Vaterunsers gebetet worden ist so, daß man vorgebracht hat in Worten die Glieder der Sonnentrinität, und daß man das Bewußtsein hatte, man spricht damit eigentlich aus, indem man das Vaterunser geschlossen hat, die sieben Bitten vorgebracht hat und auf sich hingewiesen hat: «... erlöse uns von dem Übel»: denn Du, der Du in der Sonne wohnst, Du bist derjenige, welcher das vermag.|342|194}}


* <math>a = \operatorname{Re}{(a + b\,\mathrm i)}</math> und <math>b = \operatorname{Im}{(a + b\,\mathrm i)}</math>
Ein weiterer esoterischer Aspekt des Vaterunser wird durch die Schilderung, wie Jesus zu der Gabe dieses Gebetes inspririert wurde, beleuchtet.  (Aus der Akashaforschung. Das fünfte Evangelium) {{GZ||148|88ff.}}, siehe auch: [[Jesus_von_Nazareth#Das_umgekehrte_Vaterunser|Das umgekehrte Vaterunser]])
* <math>a = \Re{(a + b\,\mathrm i)}</math> und <math>b = \Im{(a + b\,\mathrm i)}</math>


[[Graphik|Graphisch]] lassen sich komplexe Zahlen und die mit ihnen ausgeführten [[Rechenoperation]]en gut in einem zweidimensionalen Diagramm, der sogenannten '''komplexen Ebene''' - auch '''Gaußsche Zahlenebene''' genannt - veranschaulichen.
Das Vaterunser als tägliches Gebet eignet sich für die Entwicklung okkulter Kräfte.
In einer Fragenbeantwortung (nach dem 10. Vortrag GA 137, in Beiträge zur Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe Heft Nr. 110) äußert sich Rudolf Steiner so:


Anstelle des [[Wikipedia:Kartesisches Koordinatensystem|Kartesischen Koordinaten]] <math>{a,b}</math> kann man dazu sehr gut auch [[Wikipedia:Polarkoordinaten|Polarkoordinaten]] <math>r,\varphi}</math> verwenden. Mit dem Betrag <math>\ r = |z|</math> und dem Winkel <math>\varphi = \arg(z)</math> lässt sich mit der [[Wikipedia:Eulersche Relation|eulerschen Relation]] folgende ''Polardarstellung'' formulieren, die sich aus <math>a = r \cdot \cos \varphi</math> und <math>b = r \cdot \sin \varphi</math> ergibt:
{{BZ|Das Vaterunser als tägliches Gebet ist im höchsten Grade geeignet, okkulte
Kräfte zu entwickeln. Es ist das wirksamste der Gebete. Je mehr Achtung und
Hingebung man für dieses Gebet hat, desto besser ist es für eine Bewußtseinsseele.
Wenn der Mensch es betet, so liegen - auch wenn er gar nichts
davon weiß - doch dem Gebet die Kräfte zugrunde, die die Ursprungskräfte des
Menschen sind. Derjenige, der die Menschen dies Gebet lehrte, mußte diese
Kräfte kennen. Wer es gebraucht, kann unbewußt diese Kräfte in sich leben
haben. Der Respekt vor diesem Gebet wächst immer mehr, je mehr man
hineinkommt. Es kommen dann Zeiten, wo man wegen der Hoheit des
Vaterunser es sich nicht zu gestatten wagt, das ganze Vaterunser an einem Tag
zu beten, da man von dem Zusammenwirken der sieben Bitten eine so große
Vorstellung bekommt, daß man sich nicht für würdig hält, jeden Tag dies
größte Initiationsgebet in seinem Herzen zu entfalten.|110|25}}


* <math>z = r \cdot \mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi} = r \cdot (\cos \varphi + \mathrm{i} \cdot \sin \varphi)</math>
{{GZ|Nun, für das Gebet möchte ich, um anschaulich sein zu können,
an das Vaterunser selbst anknüpfen und möchte die innerliche Erlebensseite
dieses Vaterunsers einmal hier besprechen. Es handelt sich
dabei darum, daß wir vielleicht heute überhaupt von den Empfindungen
gar nicht ausgehen können, die etwa das Urchristentum
hatte beim Vernehmen oder beim Innerlich-Lebendigmachen des
Vaterunsers; wir müssen von dem ausgehen, was der Mensch der
Gegenwart haben kann, denn wir wollen vom Vaterunser als einem
Allgemein-Menschlichen sprechen. Aber des folgenden muß man
sich dabei doch bewußt sein. Nehmen wir also an, wir beginnen das
Vaterunser zu sprechen und sprechen gewissermaßen in unserem
Stil den ersten Satz «Vater unser in den Himmeln». Nun handelt es
sich darum, was wir bei einem solchen Satz fühlen und empfinden,
und was wir etwa bei anderen Sätzen des Vaterunsers fühlen und
empfinden können, denn nur dadurch wird das Vaterunser innerlich
lebendig. Da handelt es sich in der Tat darum, daß wir zunächst bei
einem solchen Satz etwas haben wie ein innerliches Wahrnehmen,
wirklich nicht bloß etwas, was im Zeichen des Wortes in uns lebt,
sondern etwas, was im wirklichen Worte in uns lebt. Die Himmel
sind im Grunde genommen die Gesamtheiten des Kosmos, und wir
machen uns anschaulich, indem wir sagen «Vater unser in den Himmeln» oder «Vater unser, der Du bist in den Himmeln», daß dasjenige,
zu dem wir da sprechen, von einem Geistigen durchdrungen
ist, wir wenden uns an das Geistige. Das ist die Perzeption, das ist
dasjenige, was wir uns so anschaulich wie möglich vor Augen bringen
sollen, wenn wir einen solchen Satz aussprechen «Vater unser in
den Himmeln». Ein ebensolches Erlebnis müssen wir haben [bei
den Worten] «Dein Reich komme zu uns», denn in uns muß ja,
wenn auch mehr oder weniger nur gefühlt und innerlich intuitiv, die
Frage entstehen: Was ist nun dieses Reich? Und wenn wir Christen
sind, werden wir gerade, indem wir versuchen, an die Perzeption
des Reiches heranzukommen — oder besser gesagt: der Reiche -,
erinnert werden an etwas, wovon gestern hier gesprochen worden
ist, wir werden erinnert an Christus-Worte, die anklingen an den
Terminus «die Reiche der Himmel». Gerade im 13. Kapitel des Matthäus-
Evangeliums will ja der Christus sowohl zu dem Volke auf
der einen Seite wie zu den Jüngern auf der anderen Seite darüber
sprechen, was das Reich der Himmel ist. Es muß also etwas rege
werden bei dem Satz «Dein Reich» oder «Deine Reiche mögen zu
uns kommen». Nun, wann wird das Richtige rege in uns? Das
Richtige wird in uns nur rege, wenn wir solche Sätze eben nicht als
Gedanken haben, sondern wenn wir sie so lebendig machen können,
als ob wir sie wirklich innerlich hörten, also wenn wir dasjenige
anwenden, was ich in den letzten Tagen mehrfach mit Ihnen
besprochen habe. Es muß der Weg gemacht werden vom Begriff
zum Wort, denn es liegt darin ein ganz anderes innerliches Erleben,
wenn wir, ohne daß wir äußerlich sprechen, innerlich nicht bloß
einen abstrakten Begriffsinhalt haben, sondern das lebendige Erleben
des Lautes, in welcher Sprache es zunächst auch sei. Das ganze
Vaterunser wird gewissermaßen das Spezifische der Sprache schon
hinwegreduzieren, auch wenn wir im einzelnen aus irgendeiner
Sprache heraus nun nicht vorstellen den bloßen Gedankeninhalt,
sondern den Lautinhalt. Auf das wurde nämlich gerade in früheren
Zeiten beim Beten außerordentlich viel gehalten, daß der Lautinhalt
innerlich lebendig wird, denn nur wenn der Lautinhalt innerlich
lebendig wird, verwandelt sich das Gebet in dasjenige, was es sein
muß, in ein Wechselgespräch mit dem Göttlichen. Niemals ist das
Gebet ein wirkliches Gebet, wenn es nicht ein Wechselgespräch mit
dem Göttlichen ist, und zu einem solchen Wechselgespräch mit dem
Göttlichen ist allerdings das Vaterunser im eminentesten Sinn gemacht
durch seinen besonderen Bau. Wir sind gewissermaßen aus
uns selbst heraus, indem wir solche Sätze sprechen wie «Vater
unser, der Du bist in den Himmeln» oder «Deine Reiche mögen zu
uns kommen». Wir vergessen uns in dem Augenblick selbst, indem
wir richtig diese Sätze innerlich hörbar lebendig machen. Wir löschen
uns bei diesen Sätzen in einem hohen Maße einfach durch den
Inhalt der Sätze aus, aber wir nehmen uns wieder in die Hand,
wenn wir Sätze anderer Struktur lesen oder innerlich lebendig machen.
Wir nehmen uns sofort wiederum in die Hand, wenn wir
sagen «Dein Name werde geheiliget». Es ist tatsächlich dann ein
lebendiges Wechselgespräch mit dem Göttlichen, denn es verwandelt
sich sofort dieses «Dein Name werde geheiliget» in uns in die
innere Tat. Wir haben auf der einen Seite die Perzeption «Vater
unser, der du bist in den Himmeln»; ohne daß etwas dabei geschieht,
ist es nicht möglich, diesen Satz in seiner Vollständigkeit zu
erleben. Und indem wir uns auf das innerliche Hören einstellen,
erregt dieses innerliche Hören in uns den Christus-Namen, wie es
in vorchristlichen Zeiten den Jahve-Namen erregt hat, in dem Sinne,
wie ich über den Anfang des Johannes-Evangeliums gesprochen habe.
Sprechen wir also in uns selber den Satz «Vater unser, der Du
bist in den Himmeln» in der richtigen Weise aus, dann mischt sich
hinein in dieses Aussprechen für uns in unserer heutigen Zeit der
Christus-Name, und dann geben wir innerlich die Antwort auf dasjenige,
was wir als eine Frage empfinden: «Dieser Name werde
durch uns geheiliget.»


=== Hyperkomplexe Zahlen ===
Sie sehen, es nimmt das Gebet dadurch, daß wir richtig uns hineinleben
in das Vaterunser, die Form des Wechselgespräches mit
dem Göttlichen an; ebenso, wenn wir in der richtigen Weise als
Perzeption erleben «Deine Reiche mögen zu uns kommen». Diese
Reiche können wir zunächst nicht in das intellektualistische Bewußtsein
aufnehmen, wir können sie allein in den Willen aufnehmen.
Und wiederum wenn wir in dem Satze «Deine Reiche mögen
zu uns kommen» uns selbst verlieren, finden wir uns, nehmen wir
uns in die Hand und geloben, daß die Reiche, wenn sie zu uns
kommen, in uns wirken, daß wirklich der göttliche Wille geschehe
wie in den himmlischen Reichen, also auch ds.y wo wir sind auf
Erden. Sie sehen, Sie haben ein Wechselgespräch mit dem Göttlichen
in dem Vaterunser.


Die '''hyperkomplexen Zahlen''' sind eine Verallgemeinerung der ''komplexen Zahlen'' auf mehrdimensionale ''komplexe Räume'', die mehr als eine komplexe Komponente enthalten:
Dieses Wechselgespräch bereitet Sie dann vor, überhaupt erst die
innere Würdigkeit zu haben, um dasjenige, was nun der Erde angehört,
mit demjenigen in Beziehung zu bringen, mit dem Sie in das
Wechselgespräch gekommen sind, auch für die irdischen Verhältnisse.
Auffällig könnte es einem erscheinen, daß ich sage, die Worte
«Dein Name werde geheiligt» erregen in uns den Christus-Namen.
Aber darin, meine lieben Freunde, liegt ja das ganze Christus-Geheimnis.
Dieses Christus-Geheimnis wird solange nicht richtig gesehen
werden, solange der Anfang des Johannes-Evangeliums nicht
richtig verstanden wird. Am Anfang des Johannes-Evangeliums
lesen Sie die Worte «Alles ist durch das Wort entstanden, und nichts
gibt es in dem Entstandenen, was nicht durch das Wort entstanden
wäre». Indem man dem Vater-Gott zuschreibt die Weltenschöpfung,
vergeht man sich ja gegen das Johannes-Evangelium. An dem
Johannes-Evangelium hält man nur fest, wenn man die Sicherheit
darüber hat, daß dasjenige, was entstanden ist, dasjenige, was man
als Welt um sich hat, durch das Wort entstanden ist, also im christlichen
Sinne durch den Christus, durch den Sohn, daß der Vater das
substantiell Zugrundeliegende, das Subsistierende ist, und daß der
Vater keinen Namen hat, sondern daß sein Name eben dasjenige ist,
was in dem Christus lebt. Es liegt das ganze Christus-Geheimnis in
diesem «Dein Name werde geheiliget», denn der Name des Vaters
ist in dem Christus gegeben. Wir werden darüber noch genug zu
sprechen haben bei anderen Gelegenheiten, aber ich wollte heute
vor allem darauf hinweisen, wie im Gebet ein reales inneres Wechselgespräch
mit dem Göttlichen schon durch den Inhalt des Gebetes
da sein muß.


* <math> a = a_0 + a_1\mathrm i_1 + \dotsb + a_n\mathrm i_n</math> mit <math>i_n = \sqrt{-1}</math>
Dann können wir weitergehen und uns sagen: Nicht ist uns von
der bloßen Naturwelt dasjenige gegeben, was wir alltäglich werden
durch die Aufnahme unserer Nahrung, durch das Brot. Wir nehmen
das Brot von der Natur herein durch die Vorgänge, die ich Ihnen
geschildert habe; durch unsere Verdauungsvorgänge, durch die Regenerationsvorgänge
werden wir dasjenige, was wir auf Erden als
Erdenmenschen sind, aber das darf nicht in uns wirklich leben,
denn das Leben des Gottes ist anders, das Leben des Gottes lebt
in dem geistigen Geschehen. Nachdem wir also in das Wechselgespräch
mit dem Göttlichen gekommen sind im ersten Teil des
Vaterunsers, können wir nun, aus der Stimmung heraus, die dann
unser Inneres ergriffen hat, das Negative weglassen und das Positive
sagen: «Unser im Alltäglichen wirkendes Brot gib Du uns
heute.» Damit ist ja gemeint: Das, was sonst nur Naturvorgänge
sind und als Naturvorgänge in uns wirkt, das soll durch unser
Bewußtsein, durch unser inneres Erleben ein Geistesvorgang werden.
Und ebenso soll unsere Gesinnung verwandelt werden. Wir
sollen fähig werden, denjenigen, die uns etwas getan haben, die
uns etwas geschadet haben, zu vergeben. Wir können das nur,
wenn wir uns bewußt werden, daß wir vieles geschadet haben an
dem Göttlich-Geistigen, und daß wir deshalb zu bitten haben um
die richtige Gesinnung, damit wir das, was uns auf der Erde geschadet
hat, was an uns auf der Erde geschuldet worden ist, in
der richtigen Weise behandeln können; wir können das nur, wenn
wir uns bewußt werden, daß wir ja immerdar durch unser bloßes
Natursein dem Göttlichen Schaden zufügen und fortdauernd die
Vergebung desjenigen Wesens brauchen, dem wir da schuldig geworden
sind.


<div style="margin-left:20px">
Und dann können wir ja auch das folgende vorbringen, was wiederum
==== Quaternionen ====
eine irdische Sache ist, also dasjenige, was wir hinaufsenden
''Die'' hyperkomplexen Zahlen schlechthin sind die ab 1843 von Sir [[Wikipedia:William Rowan Hamilton|William Rowan Hamilton]]<ref name="Beutelspacher-LA-7-30">{{Literatur | Autor=[[Wikipedia:Albrecht Beutelspacher|Albrecht Beutelspacher]] | Titel=Lineare Algebra | Auflage=7 | Verlag=[[Wikipedia:Vieweg+Teubner Verlag|Vieweg+Teubner Verlag]] | Ort=Wiesbaden | Jahr=2010 | ISBN=978-3-528-66508-1 |Seiten=30 }}</ref> entwickelten '''Quaternionen''' <math>\mathbb H</math>, die deshalb auch ''hamiltonsche Quaternionen'' oder '''Hamilton-Zahlen''' bezeichnet werden. Sie haben die allgemeine Form:
wollen zu dem, zu dem wir uns zuerst in ein Verhältnis gesetzt
haben. «Führe uns nicht in Versuchung», das heißt: Lasse so rege
sein in uns die Verbindung mit Dir, daß wir nicht die Anfechtung
erfahren, in dem bloßen Natursein aufzugehen, uns bloß dem Natursein
hinzugeben, daß wir Dich festhalten können in all unserer
alltäglichen Nahrung. «Und befreie uns, erlöse uns von dem Übel.»
Das Übel besteht darin, daß der Mensch sich loslöst von dem Göttlichen;
wir bitten, daß wir befreit und erlöst werden von diesem
Übel.


* <math>x = x_0+x_1\mathrm i+x_2\mathrm j+x_3\mathrm k</math> mit <math>\mathrm i^2=\mathrm j^2=\mathrm k^2=\mathrm{i}\mathrm{j}\mathrm{k}=-1</math>
Wenn wir, immer mehr und mehr von solchen Empfindungen
</div>
ausgehend, an das Vaterunser herantreten, meine lieben Freunde,
dann vertieft sich das Vaterunser in der Tat zu einem innerlichen
Erleben, das uns fähig macht, wirklich uns durch die Stimmung, in
die wir uns da versetzen, auch die Möglichkeit zu verschaffen, nicht
bloß vom physischen Menschen zum physischen Menschen zu wirken,
sondern als menschliche Seele zur menschlichen Seele. Denn
wir haben ja dann uns selber gewissermaßen zum Anschluß gebracht
an das Göttliche und finden die göttliche Schöpfung in dem
anderen Menschen, und wir lernen dadurch erst empfinden, wie wir
ein solches Wort aufzufassen haben: «Was ihr einem der geringsten
Meiner Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan». Da haben wir
gelernt, das Göttliche zu empfinden in allem Irdisch-Daseienden.
Aber wir müssen uns im realen Sinn, nicht durch eine Theorie,
sondern im realen Sinn von dem Weltendasein wegwenden, weil wir
gewahr werden, daß das Weltendasein, das uns als Menschen zuerst
gegeben ist, gar nicht das wirkliche Weltendasein ist, sondern das
entgöttlichte Weltendasein, und daß wir das wirkliche Weltendasein
erst haben, nachdem wir uns im Gebet zu Gott gewendet haben und
eine Verbindung zu Gott im Gebet gefunden haben.


Die '''überimaginären Zahlen''', wie die Quaternionen früher auch genannt wurden, repräsentieren nach [[Rudolf Steiner]] das menschliche [[Ich]]:
Damit, meine lieben Freunde, ist ja zunächst nur in elementarsten
Stufen angedeutet die Treppe, die Stiege, die hinaufführen kann in
das Bewußtwerden des religiösen Impulses im Menschen. Dieser
religiöse Impuls ist ja gewissermaßen vom Urbeginne ab im Menschen
gelegen, aber es handelt sich darum, daß sich der Mensch
dieses in ihm liegenden Impulses bewußt wird, und er kann das nur,
wenn das Gebet in ihm ein reales Wechselgespräch mit dem Göttlichen
wird. Es ist die erste bedeutsame Entdeckung, die man beim
Vaterunser machen kann, daß es durch seinen inneren Bau schon so
ist, daß man durch es unmittelbar, wenn man es versteht, in ein
wechselseitiges Verhältnis des Menschlichen mit dem Göttlichen
kommen kann. Das ist allerdings nur ein Anfang, meine lieben
Freunde, aber es ist so, daß der Anfang, wenn er richtig erlebt wird,
von selbst weiterführt, und gerade, wenn die Frage religiös gefaßt
wird, so handelt es sich darum, daß wir an dem Erleben der ersten
Schritte die Kraft finden wollen, die folgenden Schritte durch unser
eigenes Inneres zu machen.|343a|151ff}}


{{GZ|Und
Eine ausführliche Beschreibung und Erklärung des '''"Vater Unser"''' gibt [[Judith von Halle]] in ihrer Schrift [https://www.amazon.de/Das-Vaterunser-gesprochene-Verst%C3%A4ndnis-Christus-Ereignisses/dp/303769002X/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=3CLCHT74VMOKP&keywords=Judith+von+Halle+Vaterunser&qid=1640881257&sprefix=judith+von+halle+vaterunser%2Caps%2C74&sr=8-1 ''Das Vaterunser. Das gesprochene Wort Gottes. - Beiträge zum Verständnis des Christus-Ereignisses, Bd. I''].
wenn man nun wirklich eingeht im Gebiet der höheren Wirklichkeit
auf das Physisch-Wirkliche, und man bezeichnet das Physisch-Wirkliche mit dem positiven Vorzeichen, so ist man genötigt,
einfach das Ätherische, das wirkliche Ätherische, wobei man
aus dem Räumlichen hinauskommt, also in das Geistige schon
hineinkommt, mit dem negativen Vorzeichen zu versehen. Will
man aber ins Astrale gehen, so kommt man nicht zurecht mit dem
Räumlichen und Unräumlichen, sondern man muß eben zum
Dritten gehen, das sich zu dem Positiven und Negativen genau so
verhält, wie in der formalen Mathematik das Imaginäre zu dem
Positiven und Negativen. Und man würde sogar genötigt sein,
wenn man von dem Astralen zur wahren Entität des Ich übergeht,
genötigt sein, einen Begriff aufzuschreiben, der überimaginär wäre
im Verhältnis zum Begriff des Imaginären. Deshalb war mir immer
so unsympathisch die Antipathie gegenüber dem Überimaginären,
weil beim Aufsteigen zum Ich man den Begriff wirklich
nötig hat. Es ist nicht möglich, ihn auszulassen - es handelt sich
nur darum, ob man ihn in der rechten Weise anwendet, wenn man
im rein Formalen der Mathematik bleibt -, wenn man so richtig
vorgeht mit den mathematischen Formulierungen, daß man nicht
aus dem Wirklichen herauskommt.|324a|151}}


== Die geistige Realität der Zahlen ==
== Das esoterische Apostel-Vaterunser ==


<div style="margin-left:20px">
Das esoterische Apostel-Vaterunser wurde in der Zeit vor [[1913]] von [[Rudolf Steiner]] in folgender Form gegeben:
"Sehen Sie, hier in der physisch-sinnlichen Welt kann man zählen:
eins, zwei, drei; man kann sogar - wenn auch nicht gerade jetzt - Geld
zählen in der physisch-sinnlichen Welt; aber das Zählen hat in der geistigen
Welt nicht eigentlich einen Sinn. Da bedeutet die Zahl nichts
Besonderes, da ist alles mehr oder weniger Einheit, und jene Unterscheidung,
die man haben muß zwischen den Dingen, wenn man sie
zählt, wo eins neben dem anderen sein muß, gibt es nicht in der geistigen
Welt." {{Lit|{{G|239|156}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
{{GZ|Vater, der du warst, bist und sein wirst in unser aller innerstem
"Verstehen kann ich die Welt eigentlich nur, wenn ich sie mit Bezug auf die Dreizahl ins Auge fasse. Denn wir haben auf der einen Seite alles dasjenige, was luziferisch ist, auf der anderen Seite alles dasjenige, was ahrimanisch ist, mitten hineingestellt den Menschen, der als ein Drittes, wie im Gleichgewichtszustande zwischen beiden, sein Göttliches empfinden muß."<ref>Diese Dreiheit hat Rudolf Steiner auch in seiner Skulptur des Menschheitsrepräsentanten Christus, zwischen Luzifer und Ahriman, dargestellt, die im Goetheanum steht.</ref>
Wesen!
{{Lit|{{G|194|18}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Die Zwei nennt man im Okkultismus die Zahl der Offenbarung. Mit der Zahl Zwei bekommen wir sozusagen schon etwas Boden unter die Füße, während wir bei der Zahl Eins noch ziemlich im Bodenlosen herumtappen. Wenn wir sagen: Zwei ist die Zahl der Offenbarung -, dann heißt das nichts anderes als: Alles, was uns in der Welt entgegentritt, was nicht in irgendeiner Beziehung verborgen ist, sondern heraustritt in die Welt, steht irgendwie in der Zweiheit. Sie werden nämlich die Zahl Zwei überall in der Natur verbreitet finden. Es kann sich nichts offenbaren, ohne die Zahl Zwei zu berühren. Licht kann sich niemals für sich allein als Einheit offenbaren. Wenn sich Licht offenbart, muß auch Schatten oder Dunkelheit dabei sein, es muß also eine Zweiheit da sein. Es könnte niemals eine Welt geben, die mit offenbartem Licht erfüllt wäre, wenn es nicht auch dementsprechenden Schatten gäbe. Und so ist es mit allen Dingen. Nie könnte sich das Gute offenbaren, wenn es nicht als Schattenbild das Böse hätte. Die Zweiheit von Gut und Böse ist eine Notwendigkeit in der offenbaren Welt. Solche Zweiheiten gibt es unendlich viele, sie erfüllen die ganze Welt, wir müssen sie nur an der richtigen Stelle aufsuchen." {{Lit|{{G|101|170}}}}
</div>


Geistig beschaut, offenbaren die Zahlen ihr [[Wesen]] durch ihre spezifischen, unverwechselbaren [[Qualität|qualitativen]] gestaltenden Eigenschaften. So wirkt etwa die [[Drei]]zahl vornehmlich gestaltend in der [[Seelenwelt]], die [[Sieben]]zahl in der [[Ätherwelt]] und in der Ordnung des [[Zeit]]enlaufs und die [[Zwölf]]zahl in der Gestaltung des [[Raum]]es in der [[Physische Welt|physischen Welt]].
Dein Wesen wird in uns allen verherrlicht und hochgepriesen.
Dein Reich erweitere sich in unseren Taten und in unserem
Lebenswandel.


{{GZ|Der Laie in solchen Dingen
Deinen Willen führen wir in der Betätigung unseres Lebens so
wird sehr leicht sagen, wenn er hört, daß die Siebenzahl und andere
aus, wie du, ο Vater, ihn in unser innerstes Gemüt gelegt hast.
Zahlen eine so große Rolle spielen in unseren Betrachtungen:
Nun ja, diese Anthroposophen wärmen wieder jenen alten Aberglauben
auf, der sich an die Siebenzahl, an die Zwölfzahl und dergleichen
knüpft. — Und schon wenn unsere lieben Zeitgenossen
von so etwas hören, was in einer regelmäßigen Weise nach der
Siebenzahl vorwärtsschreitet, dann sprechen sie von Aberglauben,
obwohl diese unsere Zeitgenossen eigentlich in bezug auf das, wovon
sie etwas verstehen, in genau demselben Aberglauben leben,
denn unsere Zeitgenossen sprechen zum Beispiel davon, daß der
Regenbogen sieben Farben hat, die Tonskala sieben Töne, da der
achte nur eine Wiederholung der Prim ist. Und noch auf manch
anderem Gebiete spricht man von der Siebenzahl, und mit Recht.
In keinem anderen Sinne als der Physiker es tut, wenn er von der
Siebenzahl der Farben spricht, und ebenso wie man in der Tonlehre
spricht von den sieben Tönen, so sprechen wir, wenn wir
die großen Weltenverhältnisse betrachten in bezug auf die Siebenzahl.
Die Siebenzahl ist uns dabei gar nichts anderes als ein Ergebnis
der okkulten Erfahrung. So wie sich der Mensch hinstellt
und die sieben Farben zählt, so zählt der Okkultist sieben aufeinanderfolgende
Zustände der Weltenentwickelung. Und weil die
Weisheit der Welt immer von diesen Dingen wußte und sprach,
deshalb ging das in das allgemeine Bewußtsein über und man fand
etwas besonders Bedeutungsvolles in dieser Siebenzahl. Gerade weil
die Siebenzahl zum Beispiel in den Weltverhältnissen begründet
war, ging sie in den allgemeinen Glauben, natürlich auch Aberglauben,
über.|104|191f}}


Man kann diese Aussagen Steiners wohl dahin gehend interpretieren, daß er die Zahlenförmigkeit der Welt als eine objektive ansieht. Die Zahlenförmigkeit ist ein objektiv gegebenes Faktum der realen Welt, und nicht etwa nur ein kategoriales Raster. Er spricht allerdings von der Welt als einer "offenbaren". Gemeint ist wohl eine für den Menschen offenbare Welt. Es könnte aber auch die Welt gemeint sein als eine [[Entäußerung|entäußerte]].
Die Nahrung des Geistes, das Brot des Lebens, bietest du uns
in Überfülle in den wechselnden Zuständen unseres Lebens.


Eine Unterscheidung von [[Quantität]] und [[Qualität]] mit Bezug auf die Zahlheit ist insofern problematisch, als solche Unterscheidung die Zahl schon voraussetzt. Die grundsätzliche Qualität von Zahlheit dürfte doch das Quantitative sein. Will man von einem besonderen Qualitativen der Zahl sprechen, müßte solche Qualität noch der Unterscheidung von Qualität und Quantität vorgelagert sein. Dies ist jedoch in quantitativem Aspekt der Unterschied zwischen eins und zwei, entspricht also dem Wesen der Zahl. In der Zahl sind Qualität und Quantität zweierlei und sind es doch nicht, weil die Zahlheit als solche beide, die Einheit und die Zweiheit, umfaßt. Eine Zahl ist jedoch nichts für sich allein, sie ist es mit Bezug auf anderes, speziell andere Zahlen. Dieser Bezug unterscheidet sich bei den verschiedenen Zahlen. Die Zwei hat einen anderen Bezug zur Eins als die Drei. In diesem Beziehungscharakter, in den Zahlen''verhältnissen'' könnte der Grund des "Qualitativen" zu suchen sein. Die Beziehungshaftigkeit ist jedoch nur möglich aufgrund eines Einheitlichen, zahlenmäßig ausgedrückt durch die Eins, in der die anderen Zahlen enthalten sind, aber sich als Zahlen von ihr unterscheiden.
Lasse Ausgleich sein unser Erbarmen an anderen für die Sünden
an unserem Wesen begangen.


{{GZ|Wir sind ja im Verlaufe der
Den Versucher lässt du nicht über das Vermögen unserer Kraft
Zivilisation allmählich dazu gekommen, das Arbeiten mit Zahlen in
in uns wirken, da in deinem Wesen keine Versuchung bestehen
einer gewissen synthetischen Weise zu behandeln. Wir haben eine Einheit,
kann; denn der Versucher ist nur Schein und Täuschung, aus
eine zweite Einheit, eine dritte Einheit, und wir bemühen uns, im
der du, ο Vater, uns durch das Licht deiner Erkenntnis sicher
Abzählen, im additiven Elemente das eine zu dem anderen hinzuzufügen,
herausführen wirst.
so daß dann das eine neben dem anderen liegt, indem wir zählen.
Dafür bringt uns, wie man sich wird überzeugen können, das Kind
nicht ein innerliches Verständnis entgegen. In dieser Weise hat sich
wiederum nicht das elementar Menschliche zum Zählen hin entwickelt.
Das Zählen ging allerdings aus von der Einheit; die Zwei war aber
nicht ein äußerliches Wiederholen der Einheit, sondern sie lag in der
Einheit darinnen. Die Eins gibt die Zwei, und die Zwei sind in der Eins
drinnen. Die Eins geteilt, gibt die Drei, und die Drei sind in der Eins darinnen. Fing man an zu schreiben ins Moderne umgesetzt: eins, so
kam man aus der Einheit nicht heraus, indem man zur Zwei kam. Es
war ein innerlich organisches Bilden, indem man zur Zwei kam, und
die Zwei war in der Einheit drinnen; ebenso die Drei und so weiter. Die
Einheit umfaßte alles, und die Zahlen waren organische Gliederungen
der Einheit.|303|171}}


Neben dem quantitativen und qualitativen Aspekt soll es noch einen weiteren geben: Die Zahl als Zeitgestalt ([[Rhythmus]])<ref>Peter Schönfeld: ''Wie lernen Kinder Rechnen? Das starke Gefühl: Ich kann rechnen!'' Prisma 2/2002, Waldorfschule Chemnitz, S. 7f. [https://waldorfschule-chemnitz.de/schulzeitschrift.html?file=tl_files/waldorfschule/pdf/prisma/Prisma_02_2002.pdf]</ref>.
Deine Kraft und Herrlichkeit wirke in uns in die Zeitläufe der
Zeitläufe.|268|341}}


== Siehe auch ==  
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Zahl}}
* {{WikipediaDE|Vater Unser}}
*[[Mathematik]]
* [[Daskalos#Das Vaterunser Daskalos']]
*[[Numerologie]]
*[[wikipedia:Philosophie der Mathematik|Philosophie der Mathematik]]
*[[Unbestimmte Zweiheit]]


== Literatur ==
== Literatur ==


*[[Ernst Bindel]]: ''Die geistigen Grundlagen der Zahlen. Die Zahl im Spiegel der Kulturen. Elemente einer spirituellen Geometrie und Arithmetik''. Freies Geistesleben, Stuttgart 1958
* [[Friedrich Rittelmeyer]]: ''Das Vaterunser. Ein Weg zur Menschwerdung.'' Urachhaus 1990. ISBN 3-87838-415-7
**letzte veränderte Neuauflage: Freies Geistesleben (Praxis Anthroposophie 51), Stuttgart 2003, ISBN 3-7725-1251-8, [http://d-nb.info/953552047/04 Inhaltsverzeichnis]  
* [[Valentin Tomberg]]: '' Der VATERUNSER-Kurs, Bände 1 - 4'' (Achamoth Verlag) 2010
* [[Judith von Halle]]: ''Das Vaterunser. Das lebendige Wort Gottes''. Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1274-7
* [[Peter Selg]]: ''Das Vaterunser in der Darstellung Rudolf Steiners''. Verlag Freies Geistesleben 2012 (2. Aufl.) ISBN 3772523986
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das christliche Mysterium'', S. 102 ff. [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', S. 202 ff. [[GA 96]] {{Vorträge|096}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Akasha-Forschung. Das fünfte Evangelium'' S. 92 ff. [[GA 148]] {{Vorträge|0148}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Mantrische Sprüche. Seelenübungen Band II, 1903 – 1925'', [[GA 268]] (1999),  ISBN 3-7274-2680-2 {{Vorträge|268}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken II'', 1921 [[GA 343]] {{Vorträge|343}}
* [[Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe]] {{BE|110|25}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_religion_christliche_tugenden.pdf Die christlichen Tugenden - Eine Lehrschrift]


''(Anhand vieler kulturhistorischer Dokumente stellt der Autor die Entwicklung des Zahlenverständnisses vom Altertum bis zur Neuzeit dar und zeigt, wie berechtigt es ist, von den spezifischen Qualitäten der Zahlen zu sprechen. [Eine lebendige Einführung in die Kulturgeschichte der Zahl]. (...)Allgemeinverständlich und kenntnisreich schildert der Autor diese Zahlengeheimnisse und breitet eine Fülle von Beispielen aus. Dabei geht er immer von den Gesetzmäßigkeiten der Zahlen selbst aus: Anschaulich entwickelt er ihre Qualitäten an geometrischen Konstruktionen und aus den mathematischen Verhältnissen heraus. Die Zahlenwelt stellt sich dann als eine sinnvoll strukturierte Ganzheit dar. ) (aus dem Klappentext[http://www.urachhaus.de/buecher/9783772512513/die-geistigen-grundlagen-der-zahlen])''
{{GA}}


*Georges Ifrah: ''Universalgeschichte der Zahlen'', Avus Buch & Medien 1998, ISBN 978-3880599567
== Weblinks ==
*Helmut Werner: ''Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik'', Komet, ISBN 3-89836-132-2
* {{WikipediaDE|Vaterunser}}
*[[Herbert Witzenmann]]: ''Sinn und Sein. Der gemeinsame Ursprung von Gestalt und Bewegung.'' Verlag Freies Geistesleben, 1989
*http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/vaterunser-1/ch/ccc89e26d0d386bd268fba66a3b3703b/#h9 (u.a. zu den Unterschieden Matthäus und Lukas)
*Rudolf Steiner: ''Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole'', [[GA 101]] (1992), ISBN 3-7274-1010-8 {{Vorträge|101}}
*Rudolf Steiner: ''Die Apokalypse des Johannes'', [[GA 104]] (1985), ISBN 3-7274-1040-X {{Vorträge|104}}
*Rudolf Steiner: ''Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein'', [[GA 150]] (1980), ISBN 3-7274-1500-2 {{Vorträge|150}}
*Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
*Rudolf Steiner: ''Die Sendung Michaels'', [[GA 194]] (1994), ISBN 3-7274-1940-7 {{Vorträge|194}}
*Rudolf Steiner: ''Perspektiven der Menschheitsentwickelung'', [[GA 204]] (1979), ISBN 3-7274-2040-5 {{Vorträge|204}}
*Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Fünfter Band'', [[GA 239]] (1985), ISBN 3-7274-2390-0 {{Vorträge|239}}
*Rudolf Steiner: ''Die gesunde Entwickelung des Menschenwesens. Eine Einführung in die anthroposophische Pädagogik und Didaktik.'', [[GA 303]] (1978), ISBN 3-7274-3031-1 {{Vorträge|303}}
*Rudolf Steiner: ''Die vierte Dimension'', [[GA 324a]] (1995), ISBN 3-7274-3245-4 {{Vorträge|324a}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/sonstiges_material_mathematik11.pdf Was ist eine Zahl?]] PDF


{{GA}}
== Einzelnachweise ==
<references />


== Einzelnachweise ==
{{Navigationsleiste Aufbau der heiligen Messe}}
<references/>
{{Normdaten|TYP=w|GND=4062399-3|LCCN=n/2006/084679|VIAF=190562116}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]][[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]][[Kategorie:Mathematik]][[Kategorie:Zahlen|!]] [[Kategorie:Zahlenmystik]] [[Kategorie:Numerologie]] [[Kategorie:Zahlentheorie]]
[[Kategorie:Liturgische Handlung (Heilige Messe)]]
[[Kategorie:Gebet (Christentum)]]
[[Kategorie:Liturgisches Gebet]]
[[Kategorie:Biblisches Thema]]
[[Kategorie:Wesensglieder]]
[[Kategorie:Vaterunser|!]]
[[Kategorie:Evangelium]]
[[Kategorie:Trinität]]
[[Kategorie:Christus]]
[[Kategorie:Jesus]]

Version vom 1. Januar 2022, 10:13 Uhr

Das Vaterunser (Le Pater Noster), James Tissot (zwischen 1886 und 1894, Brooklyn Museum, New York City)

Das Vaterunser gilt als das wichtigste Gebet aller Christen und wurde gemäß dem Neuen Testament durch Jesus Christus selbst im Rahmen der Bergpredigt (Mt 6,9-13 LUT) bzw. auf die Frage seiner Jünger hin, wie sie beten sollen (Lk 11,2-4 LUT), gestiftet.

Überlieferung in den Evangelien

„9 Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. 11 Unser tägliches Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]“

Matthäus: 6,9-13 LUT

Die Fassung des Matthäus-Evangeliums ist die gebräuchliche und bekanntere; im Lukas-Evangelium heißt es:

„2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. 3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! 4 Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung!“

Lukas: 11,2-4 LUT

Jesus lehrte das Vaterunser in aramäischer Sprache, schriftlich ist es jedoch nur im griechischen Urtext der Bibel überliefert:

Griechisch Lateinisch Deutsch
Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς·
ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου·
ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου·
γενηθήτω τὸ θέλημά σου,
ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ γῆς·
τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον·
καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν,
ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφήκαμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν·
καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν,
ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ.
(Griechische Fassung nach dem Matthäusevangelium)[1]
Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur nomen tuum.
Adveniat regnum tuum.
Fiat voluntas tua,
sicut in caelo, et in terra.
Panem nostrum supersubstantialem (cotidianum) da nobis hodie.
Et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.
Et ne nos inducas in tentationem,
sed libera nos a malo.
Amen.
(Lateinische Übersetzung der Vulgata)[2]
Vater Unser, der Du bist im Himmel!
Geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Amen.
(Gotteslob)

Durch die Übersetzung in die heutigen Sprachen verliert das Vaterunser an Kraft, was jedoch durch das richtige Verständnis des Gebettextes kompensiert werden kann:

"Die Gebete der alten Sprachen verlieren ihre alte Kraft, wenn sie in neuere Sprachen übertragen werden. In den lateinischen Worten des Pater noster liegt viel mehr Kraft als im Vaterunser. Die Sprache des alten Vaterunser ist die aramäische. Wer es sprach in der aramäischen Sprache, hat Zauberkraft empfunden. Durch die richtige Erfassung der Sachen müssen wir wieder die Gewalt der Worte in die Sprache hineinbringen." (Lit.:GA 97, S. 98)

Jedoch ist die Wirksamkeit des Vaterunsers durch den reinen Inhalt seiner Worte immer gegeben, auch wenn dem Betenden noch kein tieferes Verständnis gegeben ist:

Das Vaterunser "gehört tatsächlich zu den allertiefsten Gebeten der Welt. Wir können nur heute nicht mehr die ganze volle Tiefe des Vaterunsers ermessen, wie es die Ursprache ergeben hat, in der es gelehrt wurde. Aber der Gedankeninhalt ist ein so gewaltiger, daß er in keiner Sprache auch nur irgendwie Einbuße erleiden könnte." (Lit.:GA 97, S. 103)

"Diejenigen Gebete, die nicht nur kurz wirken, sondern die durch Jahrtausende hindurch die Seelen ergreifen und die Herzen erheben, sind alle aus der tiefsten Weisheit geschöpft. Niemals ist ein solches Gebet so gegeben worden, daß man in beliebiger Weise schöne oder erhabene Worte zusammengestellt hat, sondern man hat sie aus der tiefsten Weisheit heraus genommen, weil sie nur so die Kraft haben, über die Jahrtausende hinüber zu wirken auf die Seele der Menschen. Nicht gilt der Einwand, daß ja die naive Seele nichts weiß von dieser Weisheit. Sie braucht nichts zu wissen, denn die Kraft, die das Vaterunser hat, kommt doch aus dieser Weisheit, und sie wirkt, auch wenn man nichts davon weiß. (Lit.:GA 97, S. 116)

Die esoterische bzw. theosophische Bedeutung des Vaterunser

Das Vaterunser im Zusammenhang mit den Wesensgliedern des Menschen (Lit.:GA 96, S. 207)

Die sieben Bitten des Vaterunser nach Matthäus beziehen sich auf die sieben Wesensglieder des Menschen.[3] In ihnen liegt der Sinn der siebengliedrigen Entwicklung der Menschennatur. Das Vaterunser enthält die ganze theosophische Weisheit über den Menschen. (Lit.:GA 97, S. 116)

Mit "Schuld" sind die Verfehlungen des Ätherleibes gemeint. Diese Verfehlungen bringen den Menschen in Disharmonie zu seiner sozialen Umgebung. Die "Versuchung" bezeichnet Verfehlungen des Astralleibes, sie sind individueller Natur. Entgegen der heute üblichen Übersetzung der vierten Bitte mit "Und erlöse uns von dem Bösen" bezieht sich Steiner mit der Übersetzung von πονηροῦ (ponērou) bzw. malo mit "Übel" auf die spezifische Verfehlung des Ichs: Den Egoismus. "Erlöse uns von dem Übel" meint die Bitte um Erlösung vom Egoismus. (Lit.:GA 97, S. 122)

Eine bestimmte Überlieferungstradition kennt beim Matthäus-Vaterunser den Zusatz: "Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit". Es handelt sich um eine Ergänzung, die nicht von Jesus selbst stammt, sondern aus dem Umkreis des Dionysius, dem Areopagiten. Jedoch sieht Steiner diesen Zusatz als zu dem Vaterunser passend, das Gebet bereichernd an. Es handelt sich dabei um die Vorstellung der Engelreiche, der drei Hierarchien, die zum Vatergott hinaufführen.

„Wenn wir so leben, wie das Vaterunser es fordert, so leben wir uns hinauf durch die Gewalten, Mächte, Herrschaften bis zu den Cherubim, Seraphim hinauf, bis zu der Gottheit selbst im Vaterunser.“ (Lit.:GA 97, S. 124)

Aus einer anderen Perspektive werden die drei Ideen Reich, Kraft bzw. Macht und Herrlichkeit in GA 342, S. 193ff betrachtet: Sie erscheinen dort als die drei Aspekte einer anschaulichen Sonnentrinität:

„Und statt, daß Sie schließen mit den Worten des evangelischen Vaterunsers: «... denn Dein ist das Reich, die Macht und die Herrlichkeit», können Sie auch schließen das Vaterunser: «... denn Dein ist die Sonne». Jedes Wesen wurde im Sinne der Trinität angesehen; und derjenige, der noch etwas weiß von der wirklichen gnostischen Erkenntnis, der weiß, daß eben einfach am Schlüsse des Vaterunsers gebetet worden ist so, daß man vorgebracht hat in Worten die Glieder der Sonnentrinität, und daß man das Bewußtsein hatte, man spricht damit eigentlich aus, indem man das Vaterunser geschlossen hat, die sieben Bitten vorgebracht hat und auf sich hingewiesen hat: «... erlöse uns von dem Übel»: denn Du, der Du in der Sonne wohnst, Du bist derjenige, welcher das vermag.“ (Lit.:GA 342, S. 194)

Ein weiterer esoterischer Aspekt des Vaterunser wird durch die Schilderung, wie Jesus zu der Gabe dieses Gebetes inspririert wurde, beleuchtet. (Aus der Akashaforschung. Das fünfte Evangelium) (Lit.:GA 148, S. 88ff.), siehe auch: Das umgekehrte Vaterunser)

Das Vaterunser als tägliches Gebet eignet sich für die Entwicklung okkulter Kräfte. In einer Fragenbeantwortung (nach dem 10. Vortrag GA 137, in Beiträge zur Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe Heft Nr. 110) äußert sich Rudolf Steiner so:

„Das Vaterunser als tägliches Gebet ist im höchsten Grade geeignet, okkulte Kräfte zu entwickeln. Es ist das wirksamste der Gebete. Je mehr Achtung und Hingebung man für dieses Gebet hat, desto besser ist es für eine Bewußtseinsseele. Wenn der Mensch es betet, so liegen - auch wenn er gar nichts davon weiß - doch dem Gebet die Kräfte zugrunde, die die Ursprungskräfte des Menschen sind. Derjenige, der die Menschen dies Gebet lehrte, mußte diese Kräfte kennen. Wer es gebraucht, kann unbewußt diese Kräfte in sich leben haben. Der Respekt vor diesem Gebet wächst immer mehr, je mehr man hineinkommt. Es kommen dann Zeiten, wo man wegen der Hoheit des Vaterunser es sich nicht zu gestatten wagt, das ganze Vaterunser an einem Tag zu beten, da man von dem Zusammenwirken der sieben Bitten eine so große Vorstellung bekommt, daß man sich nicht für würdig hält, jeden Tag dies größte Initiationsgebet in seinem Herzen zu entfalten.“ (Lit.: Beiträge 110, S. 25))

„Nun, für das Gebet möchte ich, um anschaulich sein zu können, an das Vaterunser selbst anknüpfen und möchte die innerliche Erlebensseite dieses Vaterunsers einmal hier besprechen. Es handelt sich dabei darum, daß wir vielleicht heute überhaupt von den Empfindungen gar nicht ausgehen können, die etwa das Urchristentum hatte beim Vernehmen oder beim Innerlich-Lebendigmachen des Vaterunsers; wir müssen von dem ausgehen, was der Mensch der Gegenwart haben kann, denn wir wollen vom Vaterunser als einem Allgemein-Menschlichen sprechen. Aber des folgenden muß man sich dabei doch bewußt sein. Nehmen wir also an, wir beginnen das Vaterunser zu sprechen und sprechen gewissermaßen in unserem Stil den ersten Satz «Vater unser in den Himmeln». Nun handelt es sich darum, was wir bei einem solchen Satz fühlen und empfinden, und was wir etwa bei anderen Sätzen des Vaterunsers fühlen und empfinden können, denn nur dadurch wird das Vaterunser innerlich lebendig. Da handelt es sich in der Tat darum, daß wir zunächst bei einem solchen Satz etwas haben wie ein innerliches Wahrnehmen, wirklich nicht bloß etwas, was im Zeichen des Wortes in uns lebt, sondern etwas, was im wirklichen Worte in uns lebt. Die Himmel sind im Grunde genommen die Gesamtheiten des Kosmos, und wir machen uns anschaulich, indem wir sagen «Vater unser in den Himmeln» oder «Vater unser, der Du bist in den Himmeln», daß dasjenige, zu dem wir da sprechen, von einem Geistigen durchdrungen ist, wir wenden uns an das Geistige. Das ist die Perzeption, das ist dasjenige, was wir uns so anschaulich wie möglich vor Augen bringen sollen, wenn wir einen solchen Satz aussprechen «Vater unser in den Himmeln». Ein ebensolches Erlebnis müssen wir haben [bei den Worten] «Dein Reich komme zu uns», denn in uns muß ja, wenn auch mehr oder weniger nur gefühlt und innerlich intuitiv, die Frage entstehen: Was ist nun dieses Reich? Und wenn wir Christen sind, werden wir gerade, indem wir versuchen, an die Perzeption des Reiches heranzukommen — oder besser gesagt: der Reiche -, erinnert werden an etwas, wovon gestern hier gesprochen worden ist, wir werden erinnert an Christus-Worte, die anklingen an den Terminus «die Reiche der Himmel». Gerade im 13. Kapitel des Matthäus- Evangeliums will ja der Christus sowohl zu dem Volke auf der einen Seite wie zu den Jüngern auf der anderen Seite darüber sprechen, was das Reich der Himmel ist. Es muß also etwas rege werden bei dem Satz «Dein Reich» oder «Deine Reiche mögen zu uns kommen». Nun, wann wird das Richtige rege in uns? Das Richtige wird in uns nur rege, wenn wir solche Sätze eben nicht als Gedanken haben, sondern wenn wir sie so lebendig machen können, als ob wir sie wirklich innerlich hörten, also wenn wir dasjenige anwenden, was ich in den letzten Tagen mehrfach mit Ihnen besprochen habe. Es muß der Weg gemacht werden vom Begriff zum Wort, denn es liegt darin ein ganz anderes innerliches Erleben, wenn wir, ohne daß wir äußerlich sprechen, innerlich nicht bloß einen abstrakten Begriffsinhalt haben, sondern das lebendige Erleben des Lautes, in welcher Sprache es zunächst auch sei. Das ganze Vaterunser wird gewissermaßen das Spezifische der Sprache schon hinwegreduzieren, auch wenn wir im einzelnen aus irgendeiner Sprache heraus nun nicht vorstellen den bloßen Gedankeninhalt, sondern den Lautinhalt. Auf das wurde nämlich gerade in früheren Zeiten beim Beten außerordentlich viel gehalten, daß der Lautinhalt innerlich lebendig wird, denn nur wenn der Lautinhalt innerlich lebendig wird, verwandelt sich das Gebet in dasjenige, was es sein muß, in ein Wechselgespräch mit dem Göttlichen. Niemals ist das Gebet ein wirkliches Gebet, wenn es nicht ein Wechselgespräch mit dem Göttlichen ist, und zu einem solchen Wechselgespräch mit dem Göttlichen ist allerdings das Vaterunser im eminentesten Sinn gemacht durch seinen besonderen Bau. Wir sind gewissermaßen aus uns selbst heraus, indem wir solche Sätze sprechen wie «Vater unser, der Du bist in den Himmeln» oder «Deine Reiche mögen zu uns kommen». Wir vergessen uns in dem Augenblick selbst, indem wir richtig diese Sätze innerlich hörbar lebendig machen. Wir löschen uns bei diesen Sätzen in einem hohen Maße einfach durch den Inhalt der Sätze aus, aber wir nehmen uns wieder in die Hand, wenn wir Sätze anderer Struktur lesen oder innerlich lebendig machen. Wir nehmen uns sofort wiederum in die Hand, wenn wir sagen «Dein Name werde geheiliget». Es ist tatsächlich dann ein lebendiges Wechselgespräch mit dem Göttlichen, denn es verwandelt sich sofort dieses «Dein Name werde geheiliget» in uns in die innere Tat. Wir haben auf der einen Seite die Perzeption «Vater unser, der du bist in den Himmeln»; ohne daß etwas dabei geschieht, ist es nicht möglich, diesen Satz in seiner Vollständigkeit zu erleben. Und indem wir uns auf das innerliche Hören einstellen, erregt dieses innerliche Hören in uns den Christus-Namen, wie es in vorchristlichen Zeiten den Jahve-Namen erregt hat, in dem Sinne, wie ich über den Anfang des Johannes-Evangeliums gesprochen habe. Sprechen wir also in uns selber den Satz «Vater unser, der Du bist in den Himmeln» in der richtigen Weise aus, dann mischt sich hinein in dieses Aussprechen für uns in unserer heutigen Zeit der Christus-Name, und dann geben wir innerlich die Antwort auf dasjenige, was wir als eine Frage empfinden: «Dieser Name werde durch uns geheiliget.»

Sie sehen, es nimmt das Gebet dadurch, daß wir richtig uns hineinleben in das Vaterunser, die Form des Wechselgespräches mit dem Göttlichen an; ebenso, wenn wir in der richtigen Weise als Perzeption erleben «Deine Reiche mögen zu uns kommen». Diese Reiche können wir zunächst nicht in das intellektualistische Bewußtsein aufnehmen, wir können sie allein in den Willen aufnehmen. Und wiederum wenn wir in dem Satze «Deine Reiche mögen zu uns kommen» uns selbst verlieren, finden wir uns, nehmen wir uns in die Hand und geloben, daß die Reiche, wenn sie zu uns kommen, in uns wirken, daß wirklich der göttliche Wille geschehe wie in den himmlischen Reichen, also auch ds.y wo wir sind auf Erden. Sie sehen, Sie haben ein Wechselgespräch mit dem Göttlichen in dem Vaterunser.

Dieses Wechselgespräch bereitet Sie dann vor, überhaupt erst die innere Würdigkeit zu haben, um dasjenige, was nun der Erde angehört, mit demjenigen in Beziehung zu bringen, mit dem Sie in das Wechselgespräch gekommen sind, auch für die irdischen Verhältnisse. Auffällig könnte es einem erscheinen, daß ich sage, die Worte «Dein Name werde geheiligt» erregen in uns den Christus-Namen. Aber darin, meine lieben Freunde, liegt ja das ganze Christus-Geheimnis. Dieses Christus-Geheimnis wird solange nicht richtig gesehen werden, solange der Anfang des Johannes-Evangeliums nicht richtig verstanden wird. Am Anfang des Johannes-Evangeliums lesen Sie die Worte «Alles ist durch das Wort entstanden, und nichts gibt es in dem Entstandenen, was nicht durch das Wort entstanden wäre». Indem man dem Vater-Gott zuschreibt die Weltenschöpfung, vergeht man sich ja gegen das Johannes-Evangelium. An dem Johannes-Evangelium hält man nur fest, wenn man die Sicherheit darüber hat, daß dasjenige, was entstanden ist, dasjenige, was man als Welt um sich hat, durch das Wort entstanden ist, also im christlichen Sinne durch den Christus, durch den Sohn, daß der Vater das substantiell Zugrundeliegende, das Subsistierende ist, und daß der Vater keinen Namen hat, sondern daß sein Name eben dasjenige ist, was in dem Christus lebt. Es liegt das ganze Christus-Geheimnis in diesem «Dein Name werde geheiliget», denn der Name des Vaters ist in dem Christus gegeben. Wir werden darüber noch genug zu sprechen haben bei anderen Gelegenheiten, aber ich wollte heute vor allem darauf hinweisen, wie im Gebet ein reales inneres Wechselgespräch mit dem Göttlichen schon durch den Inhalt des Gebetes da sein muß.

Dann können wir weitergehen und uns sagen: Nicht ist uns von der bloßen Naturwelt dasjenige gegeben, was wir alltäglich werden durch die Aufnahme unserer Nahrung, durch das Brot. Wir nehmen das Brot von der Natur herein durch die Vorgänge, die ich Ihnen geschildert habe; durch unsere Verdauungsvorgänge, durch die Regenerationsvorgänge werden wir dasjenige, was wir auf Erden als Erdenmenschen sind, aber das darf nicht in uns wirklich leben, denn das Leben des Gottes ist anders, das Leben des Gottes lebt in dem geistigen Geschehen. Nachdem wir also in das Wechselgespräch mit dem Göttlichen gekommen sind im ersten Teil des Vaterunsers, können wir nun, aus der Stimmung heraus, die dann unser Inneres ergriffen hat, das Negative weglassen und das Positive sagen: «Unser im Alltäglichen wirkendes Brot gib Du uns heute.» Damit ist ja gemeint: Das, was sonst nur Naturvorgänge sind und als Naturvorgänge in uns wirkt, das soll durch unser Bewußtsein, durch unser inneres Erleben ein Geistesvorgang werden. Und ebenso soll unsere Gesinnung verwandelt werden. Wir sollen fähig werden, denjenigen, die uns etwas getan haben, die uns etwas geschadet haben, zu vergeben. Wir können das nur, wenn wir uns bewußt werden, daß wir vieles geschadet haben an dem Göttlich-Geistigen, und daß wir deshalb zu bitten haben um die richtige Gesinnung, damit wir das, was uns auf der Erde geschadet hat, was an uns auf der Erde geschuldet worden ist, in der richtigen Weise behandeln können; wir können das nur, wenn wir uns bewußt werden, daß wir ja immerdar durch unser bloßes Natursein dem Göttlichen Schaden zufügen und fortdauernd die Vergebung desjenigen Wesens brauchen, dem wir da schuldig geworden sind.

Und dann können wir ja auch das folgende vorbringen, was wiederum eine irdische Sache ist, also dasjenige, was wir hinaufsenden wollen zu dem, zu dem wir uns zuerst in ein Verhältnis gesetzt haben. «Führe uns nicht in Versuchung», das heißt: Lasse so rege sein in uns die Verbindung mit Dir, daß wir nicht die Anfechtung erfahren, in dem bloßen Natursein aufzugehen, uns bloß dem Natursein hinzugeben, daß wir Dich festhalten können in all unserer alltäglichen Nahrung. «Und befreie uns, erlöse uns von dem Übel.» Das Übel besteht darin, daß der Mensch sich loslöst von dem Göttlichen; wir bitten, daß wir befreit und erlöst werden von diesem Übel.

Wenn wir, immer mehr und mehr von solchen Empfindungen ausgehend, an das Vaterunser herantreten, meine lieben Freunde, dann vertieft sich das Vaterunser in der Tat zu einem innerlichen Erleben, das uns fähig macht, wirklich uns durch die Stimmung, in die wir uns da versetzen, auch die Möglichkeit zu verschaffen, nicht bloß vom physischen Menschen zum physischen Menschen zu wirken, sondern als menschliche Seele zur menschlichen Seele. Denn wir haben ja dann uns selber gewissermaßen zum Anschluß gebracht an das Göttliche und finden die göttliche Schöpfung in dem anderen Menschen, und wir lernen dadurch erst empfinden, wie wir ein solches Wort aufzufassen haben: «Was ihr einem der geringsten Meiner Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan». Da haben wir gelernt, das Göttliche zu empfinden in allem Irdisch-Daseienden. Aber wir müssen uns im realen Sinn, nicht durch eine Theorie, sondern im realen Sinn von dem Weltendasein wegwenden, weil wir gewahr werden, daß das Weltendasein, das uns als Menschen zuerst gegeben ist, gar nicht das wirkliche Weltendasein ist, sondern das entgöttlichte Weltendasein, und daß wir das wirkliche Weltendasein erst haben, nachdem wir uns im Gebet zu Gott gewendet haben und eine Verbindung zu Gott im Gebet gefunden haben.

Damit, meine lieben Freunde, ist ja zunächst nur in elementarsten Stufen angedeutet die Treppe, die Stiege, die hinaufführen kann in das Bewußtwerden des religiösen Impulses im Menschen. Dieser religiöse Impuls ist ja gewissermaßen vom Urbeginne ab im Menschen gelegen, aber es handelt sich darum, daß sich der Mensch dieses in ihm liegenden Impulses bewußt wird, und er kann das nur, wenn das Gebet in ihm ein reales Wechselgespräch mit dem Göttlichen wird. Es ist die erste bedeutsame Entdeckung, die man beim Vaterunser machen kann, daß es durch seinen inneren Bau schon so ist, daß man durch es unmittelbar, wenn man es versteht, in ein wechselseitiges Verhältnis des Menschlichen mit dem Göttlichen kommen kann. Das ist allerdings nur ein Anfang, meine lieben Freunde, aber es ist so, daß der Anfang, wenn er richtig erlebt wird, von selbst weiterführt, und gerade, wenn die Frage religiös gefaßt wird, so handelt es sich darum, daß wir an dem Erleben der ersten Schritte die Kraft finden wollen, die folgenden Schritte durch unser eigenes Inneres zu machen.“ (Lit.:GA 343a, S. 151ff)

Eine ausführliche Beschreibung und Erklärung des "Vater Unser" gibt Judith von Halle in ihrer Schrift Das Vaterunser. Das gesprochene Wort Gottes. - Beiträge zum Verständnis des Christus-Ereignisses, Bd. I.

Das esoterische Apostel-Vaterunser

Das esoterische Apostel-Vaterunser wurde in der Zeit vor 1913 von Rudolf Steiner in folgender Form gegeben:

„Vater, der du warst, bist und sein wirst in unser aller innerstem Wesen!

Dein Wesen wird in uns allen verherrlicht und hochgepriesen. Dein Reich erweitere sich in unseren Taten und in unserem Lebenswandel.

Deinen Willen führen wir in der Betätigung unseres Lebens so aus, wie du, ο Vater, ihn in unser innerstes Gemüt gelegt hast.

Die Nahrung des Geistes, das Brot des Lebens, bietest du uns in Überfülle in den wechselnden Zuständen unseres Lebens.

Lasse Ausgleich sein unser Erbarmen an anderen für die Sünden an unserem Wesen begangen.

Den Versucher lässt du nicht über das Vermögen unserer Kraft in uns wirken, da in deinem Wesen keine Versuchung bestehen kann; denn der Versucher ist nur Schein und Täuschung, aus der du, ο Vater, uns durch das Licht deiner Erkenntnis sicher herausführen wirst.

Deine Kraft und Herrlichkeit wirke in uns in die Zeitläufe der Zeitläufe.“ (Lit.:GA 268, S. 341)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Barbara Aland, Kurt Aland: Novum Testamentum Graece. 27. Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2001, ISBN 3-438-05115-X.
  2. Erwin Nestle, Kurt Aland: Novum Testamentum Graece et Latine. 22. Auflage. Stuttgart 1963
  3. Die fünf Bitten des Lukasevangeliums lassen sich nicht so o.W. den sieben Wesensgliedern zuordnen, auch ist dort Sünde und Schuld zu einer Bedeutung zusammengezogen. Vgl. dazu auch die stark voneinander abweichenden Übersetzungen Luther, Elberfelder und Emil Bock (siehe Lukas,11,2-4, sowie die Erörterung im Lexikon Bibelwissenschaft (siehe weblinks).