Maitreya

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Künstlerische Darstellung Maitreyas aus Gandhara, 2. Jahrhundert
Künstlerische Darstellung Maitreyas aus Mathura, 2. Jahrhundert
Der "Große Buddha von Leshan" (pinyin: Dà Fó, China). Eine 71 m hohe, aus dem Felsen gehauene Darstellung des sitzenden Maitreya aus dem 8. Jahrhundert.

Maitreya (Sanskrit, मैत्रेय, Maitreya, Pali: Metteyya, chin.: 弥勒佛 Mí Lè Fó, tibet.: Byams-pa und auch Jamba, jap.: 未来仏 Miroku auch lautmalerisch nach skr. Kubira, sino-japanische Syn.: 迷諦隸; 梅低梨; 梅怛麗, 彌勒菩薩, 梅怛藥, 梅怛邪; 每怛哩) gilt im Buddhismus als der Buddha der Zukunft und der große kommende Weltlehrer. Der Name ist wahrscheinlich vom Sanskrit-Wort "maitri" abgeleitet, das "universale Liebe" bedeutet. Sein Kommen ist, je nach Quelle, vorausgesagt 3.000, 5.000 Jahre bzw. 30.000 Jahre nach Buddha Shakyamuni, dem historischen Buddha (Siddhartha Gautama). Rudolf Steiner hat angegeben, dass der Maitreya genau 5000 Jahre nach Gautama Buddha, also in der sechsten nachatlantischen Kulturperiode zur Buddhawürde aufsteigen wird.

Kommender 5. Buddha dieses Äons

Als der kommende Buddha ist Maitreya der einzige im Theravada-Buddhismus anerkannte Bodhisattva. Bekannt ist er auch im Mahayana und hier insbesondere im tibetischen Buddhismus von großer Bedeutung. Dort zählt er zu den sog. Acht großen Bodhisattvas, die auch die Acht großen Söhne Buddhas genannt werden. Im ersten Kloster Tibets Samye ist einer der vier großen Tempel zu Seiten des Haupttempels Maitreya gewidmet. Gemäß dem Pali-Kanon befindet Maitreya sich derzeit und bis zu seinem Erscheinen auf der Erde im "Tushita"-Himmel, der vierten und schönsten der sechs Deva-Welten, in der alle Buddhas vor ihrer letzten Wiedergeburt leben. In diesem Leben lautet sein Name Nathadeva.

Die historisch bekannten Darstellungen zeigen Maitreya manchmal stehend, meist aber sitzend. Dabei berühren seine Füße, im Unterschied zu anderen Buddha- oder Bodhisattva-Darstellungen, den Boden, was symbolisieren soll, dass er seinen Platz noch nicht vollständig eingenommen hat. In der linken Hand hält er in vielen Darstellungen ein Wassergefäß.

Ein Großteil der Lehre von Maitreya geht zurück auf Asaṇga [= Āryāsanga, jp.: Mujaku], den Gründer der Vijñāna-vādā-Schule [jap.: Yogacara, „reiner Geist“, „Nur-Geist“] – und seinen jüngeren Halbbruder Vasubandhu – Söhne einer vornehmen Brahmanenfamilie, die im 5. Jahrhundert u.Z. in Purusharpura, im nordindischen Staat Gandhara (heute Peschawar) geboren wurden.

In China und Japan wird Maitreya auch in der Figur des Putai (jap. Hotei) verehrt.

"Manche Gelehrte nehmen auch an, dass Maitreya ursprünglich mit der iranischen Retter-Gestalt Mithra verbunden ist, und dass seine spätere Wichtigkeit für Buddhisten als zukünftiger Buddha, der im Tushita-Himmel wohnt und der Shakyamuni Buddha nachfolgt, aus dieser Quelle stammt." (Zitat: Keown, Dictionary of Buddhism). Diese Sichtweise widerspricht aber der buddhistischen Überlieferung, wonach Maitreya der 5. von 1000 Buddhas sein wird die in diesem Äon erscheinen werden.

Rezeption im Westen

Der Glaube an das Erscheinen eines zukünftigen Weltlehrers ist in verschiedenen Religionen und religiösen Bewegungen vorhanden. Im Westen wurde der Mythos um das Erscheinen eines künftigen Buddhas in Theosophie (historisch: Blavatsky, Bailey, gegenwärtig: Creme) und Esoterik vielfach aufgenommen und behandelt, wobei die diesbezüglichen ursprünglich buddhistischen Lehren teils verworfen und teils im Sinne der jeweiligen Bewegung neu interpretiert wurden.

Im Westen hat sich v.a. Rudolf Steiner bedeutend mit dem Maitreya-Phänomen beschäftigt, aber auch etwa die Turkologin Annemarie von Gabain und der Religionsphilosoph Volker Zotz (u.a.).

Rudolf Steiner über den Maitreya-Buddha

Der künftige Maitreya-Buddha wird in der sechsten nachatlantischen Kulturepoche zur Buddha-Würde aufstiegen. Bis dahin wird er sich immer wieder als Bodhisattva auf Erden inkarnieren. Hundert Jahre vor Christus war er als Jeshu ben Pandira inkarniert. Er lebte in dieser Inkarnation als bedeutender Führer der Essäer und lehrte, dass bald die Zeit kommen werde, wo der Christus im physischen Leib erscheinen werde.

"Bevor der Christus auf Erden erschien durch das Mysterium von Golgatha, wurde auch die Lehre vom Christus vorbereitet. Auch damals ist der physische Christus verkündet worden. Es war hauptsächlich Jeshu ben Pandira, hundert Jahre vor Christus, der Vorläufer und Verkünder war. Auch er hatte den Namen Jesus, und er wurde zum Unterschied von dem Christus Jesus der Jesus ben Pandira, Sohn des Pandira, genannt. Dieser lebte etwa ein Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Um das zu wissen, braucht man kein Hellseher zu sein, denn das steht in rabbinischen Schriften, und diese Tatsache ist oft Anlaß gewesen, ihn zu verwechseln mit dem Christus Jesus. Jeshu ben Pandira wurde zunächst gesteinigt und dann an die Pfähle des Kreuzes gehängt. Jesus von Nazareth wurde wirklich zunächst gekreuzigt.

Wer war dieser Jeshu ben Pandira? Er ist eine große Individualität, die seit Buddhas Zeiten - also sechshundert Jahre vor unserer Zeitrechnung - fast in jedem Jahrhundert einmal verkörpert war, um die Menschheit vorwärts zu bringen. Um ihn zu verstehen, müssen wir zurückgehen bis zur Wesenheit des Buddha. Wir wissen ja, daß Buddha gelebt hat als Königssohn des Hauses der Sakja fünf und ein halbes Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Diejenige Individualität, die damals der Buddha wurde, war nicht auch vorher schon ein Buddha. Buddha, jener Königssohn, der der Menschheit die Lehre vom Mitleid brachte, wurde damals nicht als Buddha geboren. Denn Buddha ist keine Individualität, Buddha ist eine Würde. Jener Buddha wurde geboren als Bodhisattva und wurde zum Buddha erhoben im neunundzwanzigsten Jahre seines Lebens, als er in Meditation versunken unter dem Bodhibaum saß und die Lehre vom Mitleid herunterholte aus den geistigen Höhen in die physische Welt. Ein Bodhisattva war er vorher, also auch in seinen vorhergehenden Inkarnationen, und dann wurde er ein Buddha. Nun ist es aber so, daß dadurch gleichsam die Stelle eines Bodhisattva, das ist die Stelle eines Lehrers der Menschheit in physischer Gestalt, für ein gewisses Zeitalter frei wurde und wieder besetzt werden mußte. Als der Bodhisattva, der sich hier inkarnierte, im neunundzwanzigsten Jahre seines Lebens zum Buddha aufstieg, wurde die Würde des Bodhisattva sofort an eine andere Individualität übertragen. Wir haben also zu reden von dem Nachfolger des Bodhisattva, der hier zur Buddha-Würde aufgestiegen ist. Der Nachfolger des Gautama-Buddha-Bodhisattvas wurde jene Individualität, welche damals, hundert Jahre vor Christus, als Jesus ben Pandira inkarniert war, als ein Verkünder des Christus im physischen Leibe.

Er ist nun der Bodhisattva der Menschheit, bis er einst nach dreitausend Jahren, von heute an gerechnet, seinerseits zum Buddha aufrücken wird. Er wird also gerade fünftausend Jahre brauchen, um aus einem Bodhisattva ein Buddha zu werden. Er, der nahezu alle hundert Jahre einmal verkörpert gewesen ist seitdem, er ist auch jetzt schon verkörpert und wird der eigentliche Verkünder des Christus im ätherischen Gewande sein, gleichwie er damals den Christus als physischen Christus vorausverkündete. Und viele von uns werden es noch selbst erleben, daß es in den dreißiger Jahren Menschen geben wird - und später im Laufe dieses Jahrhunderts immer mehr und mehr -, die den Christus in ätherischem Gewande schauen werden. Um dies vorzubereiten, ist Geisteswissenschaft da, und jeder, der mitarbeitet an dem geisteswissenschaftlichen Werke, hilft mit an diesem Vorbereiten.

Die Art, wie die Menschheit von den Führern, besonders aber von einem Bodhisattva, der der Maitreya-Buddha werden wird, unterrichtet wird, ändert sich in den Zeitperioden gewaltig. So wie man heute Geisteswissenschaft lehrt, konnte in der griechisch-lateinischen Zeit nicht gelehrt werden, das hätte damals niemand verstanden. Damals mußte das Christus-Wesen physisch-sichtbar das Ziel der Entwickelung vorleben, und nur so konnte er damals wirken.

Die Geistesforschung verbreitet diese Lehre immer mehr und mehr unter den Menschen, und immer mehr und mehr werden die Menschen den Christus-Impuls verstehen lernen, bis eingezogen ist in sie der Christus selbst. Heute wird durch das Wort des Kehlkopfes es möglich, in Begriffen und Vorstellungen, durch das Denken, das Ziel verständlich zu machen und einzuwirken auf die Seelen im guten Sinne, um sie zu ästhetischen und moralischen Idealen zu erwärmen und zu begeistern. Die heutige Wortsprache wird aber in folgenden Zeitabschnitten abgelöst werden von mächtigeren Impulsen der Anregung, als es heute möglich ist durch die Sprache allein. Dann wird die Sprache, das Wort es bewirken, daß in ihm, dem Wort selbst, Kräfte liegen, welche Gemütsbewegungen übertragen von Seele zu Seele, vom Meister zum Schüler, vom Bodhisattva auf alle, die sich nicht abwenden von ihm. Die Sprache wird dann ein Träger ästhetischer Gemütsbewegungen sein können. Aber dazu gehört der Anbruch einer neuen Zeit. In unserer Zeit wäre es selbst dem Bodhisattva nicht möglich, solche Wirkungen durch den Kehlkopf auszuüben, wie es dann möglich sein wird.

Und im letzten Zeitraum, vor dem großen Krieg aller gegen alle, da wird es dann so sein, daß so, wie heute die Sprache ein Träger ist der Gedanken und Vorstellungen und später sein wird ein Träger des Gemütes, so wird im letzten Zeitraum die Sprache von Seele zu Seele die Moral, die moralischen Willensimpulse tragen und übertragen. Heute kann das Wort noch nicht moralisch wirken. Solche Worte kann unser Kehlkopf, wie er heute ist, noch gar nicht hervorbringen. Eine solche Geisteskraft wird es aber einmal geben. Es werden Worte gesprochen werden, mit denen der Mensch moralische Kraft empfängt.

Dreitausend Jahre von heute an gerechnet wird der oben erwähnte Bodhisattva zum Buddha, und dann wird seine Lehre unmittelbar Impulse ausgießen in die Menschheit. Er wird derjenige sein, den die Alten vorausgesehen haben: der Buddha-Maitreya, ein Bringer des Guten. Derselbe hat die Aufgabe, vorzubereiten die Menschen, daß sie verstehen den eigentlichen Christus-Impuls. Er hat die Aufgabe, immer mehr die Augen der Menschen zu richten auf das, was man lieben kann, immer mehr das, was man als Theorie verbreiten kann, einlaufen zu lassen in ein moralisches Fahrwasser, so daß zuletzt alles, was der Mensch besitzen kann an Gedanken, in das Moralische sich ergießt. Und während es heute noch durchaus möglich ist, daß einer sehr gescheit ist, aber unmoralisch, gehen wir einem Zeitalter entgegen, in dem es unmöglich sein wird, daß der Mensch gleichzeitig klug und unmoralisch sein kann. Es wird unmöglich sein, daß Klugheit und Unmoralität Hand in Hand gehen." (Lit.: GA 130, S. 119ff)

"Wie bereitet er sich vor? Indem er vor allen Dingen diese Eigenschaften, welche die guten genannt werden, in allerhöchstem Maße entwickelt. Der Bodhisattva entwickelt in höchstem Grade das, was man Ergebenheit, Gelassenheit dem Schicksal gegenüber, Aufmerksamkeit auf alle Vorgänge unserer Umgebung, Hingabe an alle Wesen und Einsicht nennen kann. Und obwohl viele Leben des künftigen Buddha nötig sind, so erschöpft er sich in seinen Verkörperungen hauptsächlich darin, aufzumerken auf das, was geschieht, wenn auch das, was er jetzt tut, kaum viel ist, weil er sich ganz und gar vorbereitet auf seine künftige Mission. Das wird dadurch erreicht, daß gerade für diesen Bodhisattva ein besonderes Gesetz besteht. Dieses Gesetz werden wir verstehen, wenn wir in Betracht ziehen, daß es die Möglichkeit gibt, daß in einem gewissen Lebensalter ein völliger Umschwung unseres Seelenlebens eintreten kann.

Der größte solcher Umschläge, der jemals stattfand, war ja bei der Johannestaufe. Da geschah es, daß das Ich des Jesus im dreißigsten Jahre des Lebens das Fleisch verließ, und ein anderes Ich eintrat: das Ich des Christus, des Führers der Sonnenwesen.

Einen ähnlichen Umschlag nachleben wird der zukünftige Maitreya-Buddha. Aber in ganz anderer Weise lebt er in seinen Inkarnationen einen solchen Umschwung nach. Das Leben Christi lebt der Bodhisattva nach, und diejenigen, welche eingeweiht sind, wissen, daß er in jeder Inkarnation ganz besondere Eigentümlichkeiten zeigt. Man wird gerade in der Zeit vom dreißigsten bis dreiunddreißigsten Lebensjahre immer bemerken, daß ein gewaltiger Umschwung in seinem Leben eintritt. Da wird, wenn auch nicht in so gewaltiger Weise wie beim Christus, die Seele ausgetauscht: das Ich, welches bis dahin den Leib belebt hat, geht heraus in dieser Zeit, und der Bodhisattva wird im Grunde genommen ein ganz anderer als er bis dahin war, wenn auch bei ihm nicht, wie beim Christus Jesus, das Ich aufhört und durch ein anderes Ich ersetzt wird. Das ist es, was alle Okkultisten gemeinsam verzeichnen, daß man ihn nicht erkennen kann vor diesem Zeitpunkt, vor dieser Umwandlung. Bis dahin - obwohl mit regstem Interesse an alles hingegeben - wird seine Mission sich nicht besonders hervorheben, und wenn auch der Umschwung sicher eintritt, kann man doch niemals sagen, was mit ihm dann geschehen wird. Ganz verschieden ist immer die frühere Jugendzeit von dem, in das er sich umwandelt zwischen dem dreißigsten und dreiunddreißigsten Jahre.

So bereitet er sich vor zu einem großen Ereignis. Das wird so sein: Das alte Ich geht heraus, und ein anderes Ich tritt dann ein. Und das kann sein eine solche Individualität wie die des Moses, des Abraham, des Elias. Diese wird sich dann in diesem Leibe einige Zeit betätigen; dadurch kann geschehen, was geschehen muß, um den Maitreya-Buddha vorzubereiten. Den Rest des Lebens verlebt er dann so, daß er mit diesem Ich, das da eintritt, fortlebt.

Wie ein vollständiger Wechsel ist es also, was da eintritt. Doch kann geschehen, was notwendig ist, um den Bodhisattva zu erkennen. Und dann weiß man, daß, wenn er in dreitausend Jahren erscheinen wird und erhoben wird zur Würde des Maitreya-Buddha, zwar sein Ich in ihm bleiben wird, aber durchdrungen wird innerlich von einer anderen Individualität noch. Und das wird gerade geschehen in seinem dreiunddreißigsten Jahre, in jenem Jahre, in dem sich mit Christus vollzogen hat das Mysterium von Golgatha. Und dann wird er auftreten als der Lehrer des Guten, als ein großer Lehrer, der vorbereiten wird die richtige Lehre von dem Christus und die richtige Weisheit von dem Christus in einer ganz anderen Weise als dies heute geschehen kann. Geisteswissenschaft soll vorbereiten dasjenige, was einmal Platz greifen soll auf unserer Erde." (Lit.: GA 130, S. 136ff)

Die Bodhisattva-Frage innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft

Bereits zu Lebzeiten von Rudolf Steiner stellten sich die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft die Frage, wer es denn sein könne, wenn der Maitreya Bodhisattva von Rudolf Steiner ausgerechnet als der eigentliche Verkünder des ätherischen Christus bezeichnet wurde, von dem er selbst gewissermassen nur ein Vorläufer sei. "Noch in diesem (20.) Jahrhundert - und immer mehr Menschen in den nächsten Jahrtausenden - werden Menschen dazu kommen, den Christus zu schauen in seiner Äthergestalt.(...) Derjenige, der diese Wissenschaft im höchsten Maße besitzen wird, wird der Maitreya-Buddha sein, der in ungefähr 3000 Jahren kommen wird." (GA 118, Vortrag vom 27.02.1910, S. 91). "Der Bodhisattva, der an Gautamas Stelle trat, als dieser zum Buddha wurde, wird niedersteigen in der Gestalt des Maitreya-Buddha, um die Menschen zur vollen Anerkennung des Christus zu bringen. Er wird der größte der Verkünder des Christus-Impulses sein und vielen das Erlebnis von Damaskus möglich machen." (GA 118, Vortrag vom 13.04.1910, S. 227). Viele Anthroposophen glaubten aufgrund der verbürgten Aussage von Rudolf Steiner, dass dieser Bodhisattva noch im 20. Jahrhundert sein Verkünder-Wirken von der "Wiederkunft Christi" beginnen werde, dass er selbst es sei - dass also Rudolf Steiner der Maitreya Bodhisattva sei. Zuerst verbreitete diese Auffassung Adolf Arenson, wenngleich ihm Elisabeth Vreede heftig widersprach. Doch nach und nach teilten immer mehr Anthroposophen, so etwa Herbert Wimbauer und Heinz Eckhoff die These von der Bodhisattvaschaft Rudolf Steiners. Als erste war es wohl Elisabeth Vreede, die einen anderen Verdächtigen präsentierte, nämlich Valentin Tomberg. Dieser hatte in den späten 30er Jahren nämlich eine vielbeachtete Vortragsreihe über die "Wiederkunft Christi im Ätherischen" gehalten. Auch diese Sicht gewann viele Anhänger. So übernahm diese Variante, neben Willi Seiß und Hermann Keimeyer, die beide aus eigenem Schauen schöpften auch der Kölner Jurist Prof. Dr. Martin Kriele, der in einem Artikel in der Zeitschrift NOVALIS, Ausgabe 03/2003 denn auch erklärte, wie es kommen konnte, dass Valentin Tomberg selbst diese Variante zu seinen Lebzeiten brüsk abwies. Noch heute ist diese Frage letztlich offen, doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht in der Tat für die Tomberg-Variante. Außerdem gibt es noch die "Kandidaten" Petar Danow[1] und Martinus Thomsen[2].

Neue Veröffentlichungen zur Bodhisattva-Frage

2007 erschien im Novalis Verlag das Buch Martinus – Leben und Werk – Band I – Martinus Leben 1890 – 1981 von Uwe Todt. Im Kapitel IV wird vom Verfasser in dem Abschnitt Hinweise Rudolf Steiners auf Martinus und die Wiederkunft Christi ausgeführt, dass Steiner fünf sehr ungewöhnlichen Merkmale nennt, an denen der Bodhisattva erkannt werden kann, der in etwa 2500 Jahren zum Buddha Maitreya werden wird, und dass diese fünf Merkmale von Martinus weitgehend erfüllt werden. Was Todt hier ausführlich dargestellt hat, hat er im ersten Kapitel seines im November 2016 ebenfalls im Novalis Verlag erschienenen neuen Buches Anthroposophie und Martinus‘ Geisteswissenschaft – Aspekte eines zukünftigen Christentums wie folgt zusammengefasst:

„In dem vierten Kapitel meiner Martinus-Biographie, führe ich in dem Abschnitt Hinweise Rudolf Steiners auf Martinus und die Wiederkunft Christi Zitate aus Rudolf Steiners Vortragswerk an. In diesen werden fünf Merkmale genannt, an denen man die erwartete Inkarnation des Maitreya Boddhisattva (im Folgenden der Einfachheit halber Maitreya genannt) erkennen kann. Diese fünf Merkmale treffen nicht auf Krishnamurti, aber weitgehend auf Martinus zu. Die genannten fünf Merkmale sind:

1. Der Maitreya ist der Bringer des Guten

Der Maitreya Buddha wird gemäß der buddhistischen Überlieferung der Bringer des Guten sein. Alles ist sehr gut ist auch die zentrale Botschaft von Martinus. Sogar in dem sogenannten Bösen sieht er etwas Gutes und nennt es das unbehagliche Gute. Als er im April 1933 seine eigene Monatszeitschrift Kosmos herausgab, mündete sein erster Artikel in der Aussage, dass alles sehr gut ist. Wir haben es hier mit einer Kernaussage seines ganzen Werkes zu tun. So schrieb er zum Schluss des ersten Komosartikels, dass das, was er lehre, für alle Menschen sei und schließlich in dem ewigen Generalfazit des Lebens mündet ‚Alles ist sehr gut’.

2. Der Maitreya bleibt bis zum 30. Lebensjahr unbekannt und wirkt dann nur aus eigener Kraft.

Rudolf Steiner sagte dazu:

„Das ist das charakteristische Zeichen für alle Bodhisattvas, die Buddha werden, dass sie ein unbekanntes Leben führen. Die Menschen-Individualität wird in Zukunft immer mehr auf sich selbst gestellt werden müssen. Für ihn wird charakteristisch sein, dass er viele Jahre unerkannt durch die Welt gehen wird und dann erst dadurch zu erkennen sein wird, dass er selbst durch seine innere Kraft als ein einzelnstehender Mensch wirkt. Durch Jahrtausende hindurch und auch durch neuzeitliche Okkultisten ist als Forderung erkannt worden, dass sein Wesen durch seine Jugend bis zur Geburt der Verstandesseele, ja bis zur Geburt der Bewusstseinsseele unbekannt bleibt.““[3]

In einem anderen Vortrag gab Steiner den Beginn des Wirkens genauer an. Wir lesen:

„Es würde ein bloßer okkulter Dilettantismus sein, wenn man behaupten würde, dass dieser Maitreya schon in jungen Jahren als solcher erkennbar wäre. Zwischen dem dreißigsten und dreiunddreißigsten Jahre zeigt er sich erst durch seine eigene Kraft, ohne dass von andern auf ihn erst hingewiesen sein wird.“[4]

Diese Aussagen treffen voll für Martinus zu, der kaum unbekannter hätte gewesen sein können, der erst ab seiner ‚kosmischen Einweihung’ im Alter von 30 Jahren von einigen wenigen Menschen erkannt wurde, ehe er ab seinem 40. Lebensjahr öffentlich zu wirken begann, und der alles aus eigener Kraft war, da er nach sechs Volksschuljahren weder irgendeine höhere Bildung aufgenommen hatte noch von irgendeinem Menschen geistig ausgebildet worden war.

3. Etwas wie eine Jordantaufe und eine Auswechselung der Persönlichkeit ereignet sich zwischen dem 30. und dem 33. Lebensjahr.

Rudolf Steiner sagte:

„Je weiter die Menschheit demjenigen entgegenkommt, welcher der Maitreya Buddha sein wird, wird diese Individualität eine besondere Entwicklung durchmachen, die in ihren höchsten Stadien etwas sein wird, wie die Taufe des Jesus von Nazareth: Eine Auswechslung der Individualität erfährt sie. (. . .) Insbesondere wird der Maitreya Buddha bis zum 30. Lebensjahr kontinuierlich mit einer bestimmten Individualität leben, und dann tritt für ihn eine Auswechslung ein, wie wir sie bei dem Jesus von Nazareth bei der Taufe im Jordan haben.“[5]

Im 30. Lebensjahr erlebte Martinus ein Damaskuserlebnis mit einer Einweihung in das ‚kosmische Bewusstsein’. Allerdings hat er nicht davon gesprochen, dass sein Bewusstsein ausgewechselt wurde, er sagte aber: „Dieses, dass ich mein eigenes Bewusstsein erhielt, als ich 30 Jahre alt war, bedeutet etwas, nicht wahr?“[6]

4. Der Maitreya weist auf den ätherischen Christus hin und ermöglicht anderen Menschen das Damaskuserlebnis.

In Vorträgen vom 13.4. und 10.9.1910 wies Steiner wieder auf den Maitreya Buddha hin und sagte, dieser werde es als seine wichtigste Aufgabe ansehen, auf den ätherischen Christus hinzuweisen und vielen Menschen das ‚Erlebnis von Damaskus’ möglich machen.[7]

Martinus hat den Begriff des ätherischen Christus nicht benutzt. Er wies aber auf sein eigenes Damaskuserlebnis mit folgenden Worten hin:

„In diesem Stadium begegnet der Anwärter der großen Geburt also dem Welterlöser oder Christuswesen. Der Aspirant wird dann Zeuge dieses Wesens, das sich ihm in seiner überirdischen Herrlichkeit zeigt. Er sieht es in einem alles durchdringenden weißen Strahlenglanz, der vom kosmischen Körper des Welterlösers ausgeht, welcher scheinbar aus Millionen und Abermillionen mikroskopischer Sterne aufgebaut ist, die alle eine kleine Strahlenglorie schneeweißen Lichts ausstrahlen und zusammen mit der Vielfältigkeit der übrigen kleinen Sterne das schneeweiße, alles überstrahlende Lichtmaterial bilden, aus dem der Organismus des Christuswesens aufgebaut ist. Mit diesem alles überstrahlenden kosmischen Lichtorganismus durchdringt nun das Christuswesen den Geist des Aspiranten und öffnet hierdurch dessen Talentkerne zum Erleben des kosmischen Bewusstseins.“[8]

Martinus sprach nicht von dem Schauen des Christus im Ätherischen, sondern weitergehend von der Verwandlung des Menschen, der die ‚große Geburt’ erlebt, in ein Christuswesen. Das wird in dem nachstehenden Text deutlich:

„Dieser psychische Prozess, dieses Selbsterleben der höchsten und heiligsten Wahrheiten des Lebens macht das Geschöpf zu einem ‚Christuswesen’, das der Erlöser als seine Wiederkehr ‚in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit’ ankündigte. Diese ‚Wiederkunft Christi in den Wolken’ ist somit in erster Hand kein äußeres Geschehnis, sondern ein im Gedankennebel des Wesens plötzlich auftauchendes inneres, waches, vollbewusstes Erleben seines eigenen durch Entwicklung verwandelten Zustands vom ‚Tier’ zum ‚Menschen’. Sie ist die von der Natur selbst durchgeführte Seelenadelung, ‚Einweihung’ oder ‚große Geburt’, die die zweite Begegnung mit der Christusbewusstheit ist. Die erste Begegnung ist das Zusammentreffen mit seiner Weisheit, seinen Worten und Taten auf der physischen Ebene, ausgelegt durch Religionen, Kirchen und Geistliche.“[9]

5. Der Maitreya gibt die wirklichen Begriffe über das Christus-Ereignis.

Rudolf Steiner sagte ferner über den Maitreya, dieser habe im 20. Jahrhundert die Aufgabe, die wirklichen Begriffe über das Christus-Ereignis zu geben. Diese Aufgabe habe er in einer früheren Inkarnation auch vor der Geburt Jesus wahrgenommen. Damals sei er als Jeshu ben Pandira (Jesus der Sohn des Pandira) inkarniert gewesen.[10]

Unbestreitbar ist, dass Martinus sein ganzes Leben der Aufgabe widmete, die nach seiner Erkenntnis wirklichen Begriffe über das Christusereignis zu geben. Wenn Martinus der erwartete Maitreya Buddha war, wäre er also als Jeshua ben Pandira inkarniert gewesen. Dazu gibt es meines Wissens keine Äußerungen von Martinus. Freunden gegenüber sagte er, er habe seine kosmischen Fähigkeiten nie auf sich selbst angewandt. Das sei nicht seine Aufgabe. Darum wisse er auch nichts von seinen früheren Leben. In seinen letzten Lebensjahren sagte er aber eines Tages zu Tage Buch, einem Freund von ihm, sinngemäß: „Jetzt weiß ich, wer ich früher war. Gott hat es mir offenbart.“ „Und wer warst Du?“ „Darüber darf ich nicht sprechen.“

Martinus hat nicht von sich gesagt, dass er der Maitreya sei. Diese Aussage wäre in dem Gesamtzusammenhang seines Wirkens auch nicht möglich gewesen, weil er gerade das nicht wollte: sich selbst als eine geistige Autorität wie den Maitreya hinzustellen. Er appellierte immer an das Denken und das Verstehen, nicht an den Glauben an eine Autorität. Nach seiner Auffassung ist die Zeit der Glaubensimpulse im Wesentlichen abgelaufen und daher heute nicht mehr zeitgemäß.“

Literatur

  • Abegg, E.; Der Buddha Maitreya; 1946
  • Alan Sponberg, Helen Hardacre: Maitreya the Future Buddha, Cambridge 1988, ISBN 0-521-34344-5 - eine religionswissenschaftliche Untersuchung
  • Damien Keown: Dictionary of Buddhism, New Delhi, Oxford University Press, 2003, ISBN 019860560-9
  • Volker Zotz: Maitreya. Kontemplationen Über den Buddha der Zukunft. Mit einem Geleitwort von Lama Anagarika Govinda. Hann Münden 1984, ISBN 3-87998-054-3 - eine religionswissenschaftliche Untersuchung aus buddhologischer Sicht
  • Rudolf Steiner: Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt, GA 118 (1984), ISBN 3-7274-1180-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Rudolf Steiner: Das Matthäus-Evangelium, GA 123 (1988), ISBN 3-7274-1230-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, GA 130 (1987), ISBN 3-7274-1300-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Valentin Tomberg: Die vier Christusopfer und das Erscheinen des Christus im Ätherischen. Schönach (Achamoth Verlag) 1994
  • Elisabeth Vreede/Thomas Meyer: Die Boddhisattvafrage, Basel 1989
  • Adolf Arenson: Rudolf Steiner und der Bodhisattva des 20. Jahrhunderts. In: Adolf Arenson,Ergebnisse aus dem Studium der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, Heft 2, Freiburg i.Br. 1980
  • Heinz Eckhoff: Rudolf Steiners Aufgabe unter den grossen Eingeweihten - Gedanken zur Bodhisattva-Frage, Stuttgart 1997
  • Herbert Pfeifer: Neues zur Bodhisattva-Frage?. In: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Michaeli III/1998, Nr. 205, S. 223 - 231
  • Herbert Wimbauer: Die Individualität Rudolf Steiners, das offenbare Geheimnis der Anthroposophie (3. Auflage 1993)
  • Hermann Keimeyer: Wie findet man die Meister in höheren Welten?, 2 Bände, Überlingen 2004/2005
  • Martin Kriele: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers, Freiburg - Basel - Wien 1996
  • Willi Seiß, Das Erscheinen des Christus im Ätherischen – ein zentrales Anliegen Tombergs. In: Valentin Tomberg: Leben – Werk – Wirkung, Band II, Schaffhausen 2000, S. 46 – 58
  • Judith von Halle: Rudolf Steiner - Meister der weissen Loge. Zur okkulten Biographie, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2011
  • Martinus: Das Ewige Weltbild, Band 2, Martinus Institut, Kopenhagen 2001
  • Martinus: Die Menschheit und das Weltbild, Kleine Schriften Nr. 8, Martinus Institut Kopenhagen 1998
  • Uwe Todt: Anthroposophie und Martinus Geisteswissenschaft. Aspekte eines zukünftigen Christentums, Novalis Verlag 2016, ISBN 978-3-941664-51-7, Verlagsauskunft , Inhaltsverzeichnis
  • Uwe Todt: Martinus – Leben und Werk, Band I.: Martinus‘ Leben 1890-1981, eine Biographie, Novalis Verlag, Schaffhausen 2007; Band II.: Sein Werk. Ein zusammenfassender Überblick mit geisteswissenschaftlicher Erörterung, Novalis Verlag, Schaffhausen 2008, ISBN 978-3-907260-46-3 und ISBN 978-3-907260-48-7; Rezension (Günter Röschert)
  • Uwe Todt: Kosmisches Wissen. Der neue Weltimpuls des Dänen Martinus, Novalis 2012, ISBN 978-3-941664-30-2, Inhaltsverzeichnis

Weblinks

Einzelanchweise

  1. Buchbesprechung von Harrie Salman in der Zeitschrift Lazarus 2007: Ein Bodhisattva aus Bulgarien. Anmerkungen zu einem Buch PDF).
  2. Anton Kimpfler: Zur Bodhisattwa-Frage Missverständnisse und Manipulationen, in Der Europäer Jg. 14 / Nr. 12 / Oktober 2010, S. 8-11 Volltext.
  3. GA 130, 1. Vortrag
  4. ebd., 3. Vortrag
  5. ebd., 1. Vortrag
  6. Zitiert nach dem dänischen Kosmos Nr. 8/2009. „Fragestunde, Gartenparty in der Villa Rosenberg, Juli 1923“
  7. GA 123, Vortrag vom 10.9.1910 und GA 118, Vortrag vom 13.4.1910
  8. Martinus: Das Ewige Weltbild 2, Abschnitt 23.8
  9. Martinus: Die Menschheit und das Weltbild, S. 87ff.
  10. GA 130, 1. Vortrag
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