Charles Howard Hinton und 72 (Zahl): Unterschied zwischen den Seiten

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{{Zeichen|72}}
'''Charles Howard Hinton''' (* [[Wikipedia:1853|1853]]; † 30. April [[Wikipedia:1907|1907]] in [[Wikipedia:Washington, D.C.|Washington D.C.]]) war ein britischer Mathematiker, Autor früher [[Wikipedia:Science-Fiction|Science Fiction]] und [[Wikipedia:Exzentriker|Exzentriker]]. Er hat das Wort ''[[Tesserakt]]'' geprägt, ist aber besser bekannt für seine Arbeit an Methoden zur Visualisierung der [[Geometrie]] von höheren [[Wikipedia:Dimension (Mathematik)|Dimensionen]]. Er war ebenfalls stark an [[Theosophie]] interessiert. [[Rudolf Steiner]] bezog sich in seinen Vorträgen über die [[vierte Dimension]] ([[GA 324a]]) ausführlich auf Hinton. Sein Buch «[[Wikipedia:Wissenschaftliche Erzählungen|Wissenschaftliche Erzählungen]]» (''Scientific Romances'') besteht aus 3 Kurzgeschichten, die zur Phantastischen Literatur oder zur frühen [[Wikipedia:Science Fiction|Science Fiction]] gezählt werden. Das Buch enthält die Geschichten ''Eine flache Welt'' ("A Plane World"), ''Was ist die vierte Dimension?'' ("What is the Fourth Dimension?") und ''Der König von Persien''. Hintons Einfluss auf [[Wikipedia:H. G. Wells|H. G. Wells]] und dessen Roman ''[[Wikipedia:Die Zeitmaschine|Die Zeitmaschine]]'' ist deutlich zu erkennen.
'''Zweiundsiebzig''', oft auch abgerundet zu '''Siebzig''', ist eine [[Zahl]] von hoher [[realsymbol]]ischer Bedeutung, vornehmlich in der [[jüdisch]]-[[christlich]]en Tradition. Sie spiegelt [[Kosmos|kosmische]] Verhältnisse wider, die für die [[Entwicklung]] des einzelnen [[Menschen]] und für die [[Menschheitsentwicklung]] insgesamt entscheidend sind. '''72''' bzw. '''70''' [[Jahr]]e währt die kosmisch bestimmte [[Lebensdauer des Menschen]], wobei 72 * 360 = [[25920]] etwa die Länge des [[Platonisches Weltenjahr|Platonischen Weltenjahres]] ist. 72 Jahre entsprechen damit ziemlich genau einem Tag des großen Weltenjahres. Ein Zwölftel dieses Weltenjahres, also 2160 Jahre, ergibt die Dauer einer [[Kulturepoche]], die damit einem Weltenmonat mit 30 Weltentagen entspricht (72 * 30 = 2160). Die tatsächliche Lebensdauer des Menschen kann von diesem kosmischen Idealmaß, bedingt durch die kulturellen und individuellen [[Karma|karmischen]] Verhältnisse, natürlich innerhalb gewisser Grenzen abweichen.


{{Zitat|''Hinton hat seinen gesicherten Platz in der Literaturgeschichte. Seine Scientific Romances sind früher entstanden als die düsteren Phantasiegebilde Von H.G. Wells. Schon der Titel nimmt eindeutig die offenbar unerschöpfliche Flut von Science-Fiction-Literatur vorweg, die unser Jahrhundert überschwemmt''|[[Wikipedia:Jorge Luis Borges|Jorge Luis Borges]]}}
== Beispiele ==
* [[Zweiundsiebzig Sprachen]] und [[zweiundsiebzig Völker]] sind laut {{B|Gen|10||LUT}} durch die [[babylonische Sprachverwirrung]] als Folge des [[Turmbau zu Babel|Turmbaus zu Babel]] entstanden.
* [[Zweiundsiebzig Jünger]] des [[Christus]] werden im [[Lukasevangelium]] erwähnt {{Bibel|Lk|10|1–24|LUT}}.
* 72 [[jüdisch]]e Gelehrte sollen für die [[Wikipedia:Septuaginta|Septuaginta]] im Lauf von 72 Tagen in [[Wikipedia:Alexandria|Alexandria]] die [[Tora]], also die fünf Bücher [[Moses|Mose]], vom [[Hebräische Sprache|Hebräischen]] ins [[Altgriechische Sprache|Griechische]] übertragen haben. Die 72 Gelehrten arbeiteten dabei völlig unabhängig voneinander, dennoch sollen die Übersetzung wortwörtlich vollkommen miteinander übereingestimmt haben, was als unmittelbare [[Inspiration]] durch den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] angesehen wurde.
* Im [[Daoismus]] werden [[Wikipedia:Grottenhimmel|zweiundsiebzig glückliche Orte]] erwähnt.
* In der [[jüdisch]]en Überlieferung werden nach dem [[Tanach]] 72 [[Hierarchien|Engelsnamen]] genannt.
* Die [[Kabbala]] nennt 72 Namen Gottes.


== Leben und Werk ==
== Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala ==
[[Datei:James Hinton.jpg|mini|James Hinton (1822-1875), der Vater von ''Charles Howard Hinton''.]]


Charles Howard Hinton wurde [[Wikipedia:1853|1853]] geboren als Sohn des [[Wikipedia:Chrirurgie|Chirurgen]] ''James Hinton'' (1822-1875), der sich unter anderem neben seiner chirurgischen Tätigkeit in mehreren Aufsätzen, die 1879 gesammelt von seinem Sohn herausgegeben wurden<ref name=artofthinking></ref>, mit der ''Kunst des Denken'' (''„The Art of Thinking“'') beschäftigt hatte, die durch keinerlei religiöse oder juristische Vorschriften beschränkt werden und sich auch nicht in bloßer logischer Ableitung erschöpfen dürfe - eine Denkweise, die Charles Hinton nachhaltig prägte.  
'''72''' ist die '''Zahl der Namen Gottes''' in der jüdischen [[Kabbala]]. Damit ist auch das Judentum eine positive Religion, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, wie der Islam. Im Christentum ist diese Form der Theologie praktisch nicht bekannt. In der mittelalterlichen Scholastik war die ''Natürliche'' oder ''Rationale Theologie'' noch der Gipfel der Gefühle. Im Neuplatonismus wurde sogar ''nur'' eine ''Negative Theologie'' vertreten. Positive Aussagen über Gott waren grundsätzlich untersagt, weil man sie in Anbetracht der Größe und Heiligkeit Gottes für nicht angemessen hielt. Das ist auch der Grund, warum es im Christentum kaum echte Namen, Benennungen oder Zuschreibungen Gottes gibt.


{{Zitat|Denn Logik ist der Ausdruck dessen, was alle auf eine bestimmte Weise tun, die jeder perfekt tun kann, der im Gebrauch der logischen Formen ausgebildet wurde [...] Denken freilich ist nicht bloß ein mechanischer Prozess; es ist eine große Kunst, die führende aller Künste; nein, es ist beides - Kunst und Arbeit; es hat die Attraktivität der Kunst und die positiven Resultate der Wissenschaft. Nur die können Denker genannt werden, die eine natürliche Gabe, eine spezielle Begabung für die Arbeit haben, und außerdem dazu angeleitet wurden, diese beflissen zu kultivieren.|James Hinton|''Chapters on The Art of Thinking'', S 43<ref name="james hinton"></ref>}}
== Siehe auch ==
 
* {{WikipediaDE|Zweiundsiebzig}}
Während seines Studiums in [[Wikipedia:Oxford|Oxford]] lehrte Charles Hinton gleichzeitig am Cheltenham Ladies College. 1877 erhielt er den [[Wikipedia:Bachelor|Bachelor]]. Von 1880 bis 1886 unterrichtete er an der [[Wikipedia:Uppingham School|Uppingham School]] in [[Wikipedia:Rutland|Rutland]]. Seinen [[Wikipedia:Master of Arts|Master of Arts]] erhielt er 1886 in Oxford.
 
Sein ganzes Leben lang war Hinton fasziniert von dem Problem der [[Vierte Dimension|vierten Dimension]] und suchte nach [[Evidenz]]erlebnissen, die die tatsächliche Existenz der vierten Dimension bestätigen konnten. Schon 1884 schrieb er seinen grundlegenden Aufsatz ''What Is the Fourth Dimension?'' Um sich eine solide Vorstellung der vierten Dimension zu erarbeiten, schulte Hinton sein [[Anschauung]]svermögen immer wieder an dem Übergang von der zweiten zur dritten Dimension, also von der Ebene zum dreidimensionalen Raum, wovon etwa seine Schrift ''A Plane World'' (1884) zeugt, die von der im gleichen Jahr von [[Wikipedia:Edwin Abbott Abbott|Edwin Abbott Abbott]]s Novelle ''Flatland. A Romance of Many Dimensions''<ref name="flatland"></ref> inspiriert war. Analog dachte sich Hinton den Übergang von der dritten zur vierten Dimension und hoffte, dass man in ähnlicher Weise zu einer realen übersinnlichen Anschauung des vierdimensionalen Raumes vordringen könne. Wenn die 4. Dimension wirklich existiere, so gäbe es zunächst zwei Alternativen:
 
{{Zitat|Die eine ist, dass es vier Dimensionen gibt, wir aber nur eine dreidimensionale Existenz haben. Die andere ist, dass wir tatsächlich eine vierdimensionale Existenz haben, aber uns dessen nicht bewusst sind. Wenn wir nur dreidimensional sind, obwohl es tatsächlich vier Dimensionen gibt, dann müssten wir in Relation zu den Wesen, die in der vierdimensionalen Welt existieren, so erscheinen, wie Linien und Flächen für uns. Das heißt, wir wären bloße Abstraktionen. In diesem Fall würden wir nur im Bewusstsein dieser Wesen existieren, und unsere Erfahrungen wären nur die Gedanken dieser Geister - ein Schluss, zu dem unabhängig davon auch die idealistischen Philosophen gekommen sind.|Charles Howard Hinton|''What Is the Fourth Dimension?''<ref name="hinton1"></ref>}}
 
Im Zuge seiner Untersuchung stieß Hinton auf eine Abhandlung des [[Wikipedia:Astrophysik|Astrophysik]]ers [[Karl Friedrich Zöllner]] über den vierdimensionalen Raum (1878<ref name="zoellner1878"></ref>), die in dem von dem britischen [[Wikipedia:Physik|Physik]]er [[Wikipedia:William Crookes|William Crookes]] (1832-1919) herausgegebenen ''Quarterly Journal of Science'' erschienen war. Wie Crookes suchte Zöllner einen [[naturwissenschaft]]lichen Zugang zur Erklärung [[Spiritismus|spritistischer Phänomene]]; die Annahme einer wirklich existierenden vierten Dimension eröffnete ihm dazu einen weitreichenden Freiraum für Spekulationen.
 
In ''A Picture of Our Universe'' (1884) entwarf Hinton die Vorstellung eines gekrümmten Raumes, der durch die Annahme höherer Dimensionen möglich schien uns stellte auch Überlegungen zur Natur des [[Äther]]s an, beschäftigte sich ähnlich wie [[Oskar Simony]] (1852-1915) mit der Auflösung von Knoten im vierdimensionalen Raum und wie durch diesen auch spiegelsymmetrische Objekte ineinander übergeführt werden können, was in der dreidimensionalen Welt nicht bzw. nur durch [[Umstülpung]] möglich ist (so wie etwa ein linker Handschuh nur durch Umstülpung auch für die rechte Hand passt).
 
Privat hatte Hinton mit Schwierigkeiten zu kämpfen. In England wurde er der [[Wikipedia:Bigamie|Bigamie]] überführt. Er war sowohl mit Mary Ellen (der Tochter von Mary Everest Boole und [[Wikipedia:George Boole|George Boole]], dem Begründer der modernen mathematischen [[Logik]]), als auch mit Maud Wheldon verheiratet. Er verbüßte einen Tag seiner Strafe und ging 1886 zuerst nach [[Wikipedia:Japan|Japan]] und von dort 1893 als [[Wikipedia:Dozent|Dozent]] für Mathematik an die Universität [[Wikipedia:Princeton University|Princeton]].
 
In ''A New Era of Thought'' (1888) spekulierte Hinton weiter über die Eigenschaften des [[Äther]]s und des [[Ätherleib]]s, den er als Zeitleib auffasste, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen präsent seien. Die Ätherleiber seien dabei nicht so voneinander getrennt, wie die physischen Körper, sondern alle unzerstörbar miteinander verbunden und gemeinsam eingebettet in die in sich einige Ätherwelt. Der Zusammenhang zwischen dem Ätherleib und dem äußeren Leben des [[Organismus]] würde sich dabei mehr dem inneren emotionalen Erleben als der äußeren Anschauung eröffnen.
 
{{Zitat|Der Zusammenhang zwischen dem Ätherleib und dem Leben eines Organismus, wie wir ihn kennen, wird eher im emotionalen Bereich als in der äußeren Beobachtung gefunden. Für die ätherische Form bilden alle Teile gleichermaßen ein Ganzes; aber Teile dieser Form korrespondieren mit der Zukunft des materiellen Wesens, andere mit dessen Vergangenheit. Derart wäre die Sorge für die Zukunft und die Beachtung der Vergangenheit der Weg, auf dem materielle Wesen die Einheit des Ätherleibs offenbaren, der ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukunft ist.|Charles Howard Hinton|''A New Era of Thought''<ref name="hinton2"></ref>}}
 
1897 baute er für das [[Wikipedia:Baseball|Baseball]]-Team der Universität eine mit [[Wikipedia:Schießpulver|Schießpulver]] betriebene [[Wikipedia:Baseballwurfmaschine|Baseballwurfmaschine]]. Als er von Princeton an die [[Wikipedia:University of Minnesota|University of Minnesota]] wechselte, nahm er die Maschine mit. Er blieb bis 1900 in Minnesota und ging von dort an das US-Marine[[Wikipedia:observatorium|observatorium]] in Washington D.C.
 
In ''The Recognition of the Fourth Dimension'' (1902) versuchte Hinton [[Elektrizität|elektrischen]] und [[Magnetismus|magnetische]] [[Phänomen]]e und insbesonders geschlossene Kreisströme als Resultat vierdimensionaler Wirbelbewegungen um eine 2-dimensionale "Achse" (also um eine Ebene) zu erklären. Eine Drehung in die eine Richtung sollte die ''positive'', eine Drehung in die Gegenrichtung die ''negative'' elektrische Ladung erzeugen.
 
Am Ende seines Lebens arbeitete er als [[Wikipedia:Patent|Patent]]prüfer in Washington D.C. Noch kurz vor seinem Tod schrieb er 1907 ''An Episode of Flatland''.
 
Charles Hinton starb am 30. April 1907 unerwartet an einer [[Wikipedia:Gehirnblutung|Gehirnblutung]]. Seine Publikationen wurden vom Laienpublikum begeistert aufgenommen und viel gelesen, in der akademischen Fachwelt fand er hingegen kaum Anerkennung.
 
== Die Zeit als vierte Dimension ==
 
In dem schon genannten Artikel ''What is the fourth dimension?'' (''Was ist die vierte Dimension?'', 1880), bezeichnet Hinton die [[Zeit]] als vierte Dimension. In den 3-dimensionalen [[Raum]] projeziert erscheint die Zeit als Bewegung bzw. Verwandlung der dreidimensionalen körperlichen Objekte. Diese Grundidee wurde von [[Wikipedia:Albert Einstein|Albert Einstein]] in seiner [[Relativitätstheorie]] und in anderer, lebendigerer Form auch von Rudolf Steiner aufgegriffen. Um seine Ideen zu veranschaulichen, nimmt Steiner als Ausgangspunkt [[Platon]]s [[Höhlengleichnis]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Plato sagt: Man denke sich einmal in einer Höhle Menschen
sitzen, und zwar sind sie alle so gefesselt, daß sie den Kopf nicht
drehen und nur nach der gegenüberliegenden Wand schauen können.
Hinter ihnen befinden sich Menschen, die die verschiedensten
Gegenstände vorübertragen. Diese Menschen und diese Gegenstände
sind dreidimensional. Alle diese [gefesselten] Menschen
starren also auf die Wand und sehen nur das, was als Schattenbild
[von den Gegenständen] auf die Wand geworfen wird. So würden
Sie alles, was hier im Zimmer ist, nur als Schatten an der gegenüberliegenden
Wand als zweidimensionale Bilder wieder sehen.
 
Nun sagt Plato: So ist es überhaupt in der Welt. In Wahrheit
sitzen die Menschen in der Höhle. Nun sind die Menschen selbst
und alles übrige vierdimensional; aber was die Menschen davon
sehen, sind nur Bilder im dreidimensionalen Raum.
 
So stellen sich alle Dinge dar, die wir überhaupt sehen. Gemäß
Plato sind wir darauf angewiesen, nicht die wirklichen Dinge,
sondern die dreidimensionalen Schattenbilder zu sehen. Meine
Hand sehe ich nur als Schattenbild, sie ist in Wahrheit vierdimensional,
und alles, was die Menschen davon sehen, ist ebenso das
Abbild davon, wie das, was ich Ihnen eben als Abbild des Tessaraktes
gezeigt habe. So suchte Plato schon damals klarzumachen,
daß die Körper, die wir kennen, eigentlich vierdimensional sind,
und daß wir von ihnen nur Schattenbilder im dreidimensionalen
Raum sehen." {{Lit|{{G|324a|78f}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Was bloßes Bild ist, hat auch eine gewisse Realität, besitzt ganz
bestimmte Eigenschaften, unterscheidet sich aber wesentlich von
dem wirklichen Gegenstande. Sie werden nicht ableugnen können,
daß auch das Spiegelbild ein bloßes Bild ist. Sie sehen im Spiegel
sich, und Sie sind außerdem auch noch da. Ist nun [nicht noch] ein
drittes [das heißt ein wirksames Wesen] da, so könnten Sie tatsächlich
nicht wissen, was Sie sind. Aber das Spiegelbild macht
dieselben Bewegungen, die das Original macht; das Bild ist abhängig
von dem wirklichen Gegenstande, dem Wesen; es hat selbst
keine Fähigkeit [sich zu bewegen]. Es kann also unterschieden
werden zwischen Bild und Wesen dadurch, daß nur ein Wesen aus
sich selbst heraus Bewegung, Veränderung zustande bringen kann.
Von den Schattenbildern auf der Wand werde ich gewahr, daß sie
sich selbst nicht bewegen können, sie also keine Wesen sein können.
Ich muß aus ihnen herausgehen, wenn ich zu den Wesen
kommen will.
 
Wenden Sie das nun auf die Welt überhaupt an. Die Welt ist
dreidimensional. Nehmen Sie diese dreidimensionale Welt einmal
für sich, so wie sie ist; fassen Sie sie in Gedanken ganz [für sich
selbst], und Sie werden finden, daß sie starr bleibt. Sie bleibt noch
dreidimensional, auch wenn Sie die Welt in einem bestimmten
Zeitpunkte sich plötzlich eingefroren denken. Es gibt aber nicht in
zwei Zeitpunkten ein und dieselbe Welt. Die Welt ist in den aufeinanderfolgenden
Zeitpunkten durchaus verschieden. Denken Sie
sich, daß diese Zeitpunkte fortfielen, so daß das bleibt, was da ist.
Ohne die Zeit geschähe gar keine Veränderung mit der Welt. Die
Welt bliebe eine dreidimensionale auch dann, wenn sie gar keine
Veränderung durchmachte. Die Bilder auf der Wand bleiben auch
zweidimensional. Aber die Veränderung deutet auf eine dritte Dimension
hin. Daß sich die Welt fortwährend ändert, und daß sie
auch ohne Veränderung dreidimensional bleibt, deutet darauf hin,
daß wir die Veränderung in einer vierten Dimension suchen müssen.
Den Grund, die Ursache der Veränderung, die Tätigkeit
müssen wir außerhalb der dritten Dimension suchen, und damit
haben Sie die vierte der Dimensionen zunächst einmal erschlossen.
Damit haben Sie aber auch die Rechtfertigung für das Bild Platos.
So fassen wir die ganze dreidimensionale Welt auf als die Schattenprojektion
einer vierdimensionalen Welt." {{Lit|{{G|324a|79f}}}}
</div>
 
Die [[Zeit]] ist für Steiner der symptomatische Ausdruck für die die Projektion des [[Leben]]digen - als vierte Dimension aufgefaßt - in die drei Dimensionen des physikalischen Raumes. Nach Steiner sind alle Wesen, für die die Zeit eine ''innere'' Bedeutung hat, räumliche, sich gesetzmäßig verwandelnde Abbilder vierdimensionaler Wesen.
 
<div style="margin-left:20px">
"Finden Sie Veränderungen innerhalb der
dritten Raumesdimension selbst, so müssen Sie schließen, daß eine
vierte Dimension zugrunde liegt, und damit kommen wir zu den
Wesen, die eine Veränderung innerhalb ihrer drei Raumdimensionen
durchmachen.
 
Es ist nicht wahr, daß wir eine Pflanze ganz erkannt haben,
wenn wir sie nur in ihren drei Dimensionen erkannt haben. Eine
Pflanze verändert sich fortwährend, und diese Veränderung ist ein
wesentliches, ein höheres Merkmal derselben. Der Würfel bleibt;
er ändert seine Form nur, wenn Sie ihn zerschlagen. Ein Pflanze
ändert ihre Form selbst, das heißt, es gibt etwas, was die Ursache
dieser Veränderung ist und was außerhalb der dritten Dimension
liegt und Ausdruck der vierten Dimension ist. Was ist das?
Sehen Sie, wenn Sie diesen Würfel jetzt haben und ihn abzeichnen,
so würden Sie sich vergeblich bemühen, wenn Sie ihn in verschiedenen
Momenten anders zeichnen wollten; er wird immer
derselbe bleiben. Wenn Sie die Pflanze abzeichnen, und Sie vergleichen
nach drei Wochen das Bild mit Ihrem Modell, so hat es
sich verändert. Diese Analogie stimmt also vollständig. Alles Lebende
weist auf ein Höheres hin, worin es sein wahres Wesen hat,
und der Ausdruck für dieses Höhere ist die Zeit. Die Zeit ist der
symptomatische Ausdruck, die Erscheinung der Lebendigkeit
[aufgefaßt als vierte Dimension] in den drei Dimensionen des
physischen Raumes. Mit anderen Worten: Alle Wesen, für die die
Zeit eine innere Bedeutung hat, sind Abbilder von vierdimensionalen
Wesen. Dieser Würfel ist nach drei oder sechs Jahren immer
noch derselbe. Der Lilienkeim ändert sich. Denn für ihn hat die
Zeit eine reale Bedeutung. Daher ist das, was wir in der Lilie sehen,
nur die dreidimensionale Abbildung des vierdimensionalen
Lilienwesens. Die Zeit ist also ein Abbild, eine Projektion der
vierten Dimension, der organischen Lebendigkeit, in die drei
Raumdimensionen der physischen Welt." {{Lit|{{G|324a|82f}}}}
</div>
 
Später stellte Hinton ein Gedankenexperiment vor, das dem Menschen ermöglichen sollte den vierdimensionalen Raum ([[Wikipedia:Hyperraum|Hyperraum]]) zu sehen. Er stellte sich einen großen Würfel vor, zusammengesetzt aus 36x36x36 (insgesamt 46656) jeweils ein Inch großen, kleineren Würfeln, und gab jedem der kleineren Würfel einen lateinischen Namen. Gerüchte besagen, dass Nachahmer dieses Gedankenexperiments verrückt geworden seien. Seine Thesen verpackte Hinton in seinen ''Scientific Romances'' (''Wissenschaftliche Erzählungen'', 1888) aber:
{{Zitat|''Hinton ist kein Erzähler, er ist ein einsamer Vernünftler, der sich instinktiv in einer Welt von Spekulationen verschanzt, die ihn, den Schöpfer und Quell, nie im Stich läßt.''|[[Wikipedia:Jorge Luis Borges|Jorge Luis Borges]]}}
 
== Werke (Auswahl) ==
 
*''What Is the Fourth Dimension?'' (1884) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h1.html]
*''A Plane World'' (1884) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h2.html]
*''A Picture of Our Universe'' (1884) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h3.html]
*''Many Dimensions'' (1885) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h4.html]
*''An Unfinished Communication'' (1885) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h5.html]
*''Scientific Romances'' (1886, 1896) [https://ia600301.us.archive.org/14/items/scientificroman00hintgoog/scientificroman00hintgoog.pdf Band 1] (1886) [https://ia600302.us.archive.org/17/items/scientificroman02hintgoog/scientificroman02hintgoog.pdf Band 2] (1896)
*''A New Era of Thought'' (1888) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h6.html]
*''The Fourth Dimension'' (1904) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h7.html]
*''The Recognition of the Fourth Dimension'' (1902) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h8.html]
*''An Episode of Flatland or How a Plane Folk discovered the Third Dimension'' (1907) [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h9.html]
 
;Auf deutsch veröffentlicht
* ''[[Wikipedia:Wissenschaftliche Erzählungen|Wissenschaftliche Erzählungen]]'' (''Scientific Romances'') in der [[Wikipedia:Büchergilde Gutenberg|Büchergilde Gutenberg]], 2007, ISBN 978-3-7632-5810-9
 
== Anmerkungen ==
 
<references>
<ref name=artofthinking>James Hinton, Charles H. Hinton (Hrsg.): ''Chapters on the art of thinking. And other essays.'', London 1879 [https://archive.org/details/chaptersonartoft00hintrich]</ref>
<ref name="james hinton">„For logic is the expression of that which all do after a certain fashion, which every one can do perfectly who has been trained in the use of logical forms [...] Thinking, indeed, is no mere mechanical process; it is a great Art, the chief of all the Arts ; nay, it is both an Art and a work ; it has the attractions of an Art and the positive results of a Science. Those only can be called thinkers who have a native gift, a special endowment for the work, and have been trained, besides, by assiduous culture.“ [https://archive.org/details/chaptersonartth01hodggoog]</ref>
 
<ref name="hinton1">„One is, that there being four dimensions, we have a three-dimensional existence only. The other is that we really have a four-dimensional existence, but are not conscious of it. If we are in three dimensions only, while there are really four dimensions, then we must be relatively to those beings who exist in four dimensions, as lines and planes are in relation to us. That is, we must be mere abstractions. In this case we must exist only in the mind of the being that conceives us, and our experience must be merely the thoughts of his mind--a result which has apparently been arrived at, on independent grounds, by an idealist philosopher.“ [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h1.html#g88]</ref>
 
<ref name="flatland">Edwin A. Abbott: ''Flatland: A romance of many dimensions.'', Seeley, London 1884 [http://en.wikisource.org/wiki/Flatland_%28first_edition%29]</ref>
 
<ref name="hinton2">„The correspondences between the aethereal body and the life of an organism such as we know, is rather to be found in the emotional region than in the one of outward observation. To the aethereal form, all parts of it are equally one; but part of this form corresponds to the future of the material being, part of it to his past. Thus, care for the future and regard for the past would be the way in which the material being would exhibit the unity of the aethereal body, which is both his past, his present, and his future.“ [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/h6.html#g54]</ref>
 
<ref name="zoellner1878">Friedrich Zöllner: ''On Space of Four Dimensions'' in ''The Quarterly Journal of Science and Annals of Mining'', London, April 1878, S 227-237</ref>
</references>


== Literatur ==
== Literatur ==
 
* [[Ernst Bindel]]: ''Die geistigen Grundlagen der Zahlen'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 2003, ISBN 3-7725-1251-8, [http://d-nb.info/953552047/04 Inhaltsverzeichnis]
#Rudolf Steiner: ''Die vierte Dimension'', [[GA 324a]] (1995), ISBN 3-7274-3245-4 {{Vorträge|324a}}
* [[Helmut Werner]]: ''Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik'', Komet, ISBN 3-89836-132-2
 
{{GA}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Charles Howard Hinton}}
* [http://www.ewigeweisheit.de/geheimwissen/kabbalah/shemhamphorash Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala]
* [http://www.ibiblio.org/eldritch/chh/hinton.html Charles Howard Hinton] - ausgewählte Schriften auf englisch
* [http://de.pluspedia.org/wiki/72_Namen_Gottes_im_Judentum Die 72 Namen Gottes im Judentum]
* [https://archive.org/details/scientificroman00hintgoog Charles Howard Hinton] - [[Wikipedia:Internet Archive|Internet Archive]], ''Scientific Romances, First Series'' (englisch)
* [https://archive.org/search.php?query=creator%3A%22Charles+Howard+Hinton%22 Charles Howard Hinton] - [[Wikipedia:Internet Archive|Internet Archive]], inklusive ''Scientific Romances, Second Series'' (englisch)
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=|LCCN=n/84/805112|VIAF=74214005|GNDName=101240201|GNDfehlt=ja|GNDCheck=2014-01-24|REMARK=weiterer GND(Name) mit Werken: 110342364}}
 
{{SORTIERUNG:Hinton, Charles Howard}}
[[Kategorie:Mathematik]]
[[Kategorie:Geometrie]]
[[Kategorie:Vierte Dimension]]
[[Kategorie:Biographie]]
[[Kategorie:Mathematiker (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Science-Fiction-Literatur]]
[[Kategorie:Brite]]
[[Kategorie:Geboren 1853]]
[[Kategorie:Gestorben 1907]]
[[Kategorie:Mann]]
 
{{Personendaten
|NAME=Hinton, Charles Howard
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=britischer Mathematiker und Autor
|GEBURTSDATUM=1853
|GEBURTSORT=
|STERBEDATUM=30. April 1907
|STERBEORT=Washington D.C.
}}


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Zahlen]]

Aktuelle Version vom 6. Januar 2021, 22:06 Uhr

72

Zweiundsiebzig, oft auch abgerundet zu Siebzig, ist eine Zahl von hoher realsymbolischer Bedeutung, vornehmlich in der jüdisch-christlichen Tradition. Sie spiegelt kosmische Verhältnisse wider, die für die Entwicklung des einzelnen Menschen und für die Menschheitsentwicklung insgesamt entscheidend sind. 72 bzw. 70 Jahre währt die kosmisch bestimmte Lebensdauer des Menschen, wobei 72 * 360 = 25920 etwa die Länge des Platonischen Weltenjahres ist. 72 Jahre entsprechen damit ziemlich genau einem Tag des großen Weltenjahres. Ein Zwölftel dieses Weltenjahres, also 2160 Jahre, ergibt die Dauer einer Kulturepoche, die damit einem Weltenmonat mit 30 Weltentagen entspricht (72 * 30 = 2160). Die tatsächliche Lebensdauer des Menschen kann von diesem kosmischen Idealmaß, bedingt durch die kulturellen und individuellen karmischen Verhältnisse, natürlich innerhalb gewisser Grenzen abweichen.

Beispiele

Die 72 Namen Gottes in der jüdischen Kabbala

72 ist die Zahl der Namen Gottes in der jüdischen Kabbala. Damit ist auch das Judentum eine positive Religion, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, wie der Islam. Im Christentum ist diese Form der Theologie praktisch nicht bekannt. In der mittelalterlichen Scholastik war die Natürliche oder Rationale Theologie noch der Gipfel der Gefühle. Im Neuplatonismus wurde sogar nur eine Negative Theologie vertreten. Positive Aussagen über Gott waren grundsätzlich untersagt, weil man sie in Anbetracht der Größe und Heiligkeit Gottes für nicht angemessen hielt. Das ist auch der Grund, warum es im Christentum kaum echte Namen, Benennungen oder Zuschreibungen Gottes gibt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks